DDR von A-Z, Band 1979

Sozialistisches Weltsystem (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1965 1966 1969 1975 1985


 

Seit Mitte der 50er Jahre in der DDR verwandte Formel für die Gesamtheit kommunistisch regierter Staaten, für deren Beziehungen die Prinzipien des proletarischen bzw. sozialistischen Internationalismus gelten. Als „objektive Grundlagen“ des SW. werden u. a. bezeichnet: die „gleichartige sozialökonomische und politische Ordnung“, die „Übereinstimmung der Grundinteressen und -ziele der Völker“ der sozialistischen Länder, die „gleiche Ideologie, d. h. der Marxismus-Leninismus“, die „Gemeinsamkeit der Aufgaben beim Aufbau des Sozialismus und Kommunismus“.

 

Während bis zum Ausbruch des sowjetisch-chinesischen Konflikts (1960) der UdSSR die „führende Rolle“ im SW. zugesprochen wurde, wird sie gegenwärtig als „Hauptkraft“ charakterisiert, das Verhältnis zu ihr als „entscheidender Prüfstein für die Treue zum Marxismus-Leninismus“ beschrieben. (Kleines Politisches Wörterbuch, Berlin [Ost] 1973, S. 797 ff.)

 

Die SED rechnet gegenwärtig 14 Staaten zum SW., ohne diese allerdings genau zu bezeichnen.

 

Zweifellos dürften die UdSSR, DDR, Polen, CSSR, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Nordkorea, Nordvietnam und die Mongolische Volksrepublik zum SW. gehören. Ferner müssen hier Jugoslawien, VR China, Kuba und Albanien als Mitglieder des SW. gemeint sein, obwohl es mit drei dieser Staaten (ohne Kuba) erhebliche ideologisch-politische Differenzen gibt.

 

Der Volksdemokratischen Republik Laos und Kam[S. 979]bodscha („Demokratisches Kampuchea“) wird eine besondere Nähe zum SW. bescheinigt, da sie mit dem Aufbau der Grundlagen des Sozialismus begonnen hätten. Seit etwa 1975 werden darüber hinaus besonders der Südjemen, die VR Kongo und Mocambique sowie Angola, Äthiopien und Guinea-Bissau genannt, wenn über die Entwicklung im SW. berichtet wird.

 

Seit Anfang der 70er Jahre wird statt des Begriffs SW, die Bezeichnung „Sozialistische Staatengemeinschaft“ gebraucht, womit die 7 Staaten des Warschauer Vertrages gemeint sind. Die früher häufig benutzte Formel vom „Sozialistischen Lager“ ist dagegen im politischen Sprachgebrauch der DDR kaum noch anzutreffen, hat sich dagegen in der westlichen Presse als Kurzformel für „Staaten des Warschauer Vertrages“ eingebürgert.

 

Die im Begriff SW. angelegte Vorstellung von monolithischer Einheit hatte sich als unrealistisch erwiesen; sowohl die Auseinandersetzung mit dem chinesischen Kommunismus als auch das Aufbrechen reform- wie nationalkommunistischer Strömungen im osteuropäischen Raum (in Polen und Ungarn 1956, in Rumänien seit 1962, in der CSSR 1968) und die Existenz eines unabhängigen Jugoslawiens machten eine neue Umschreibung der sich zum Sozialismus/Kommunismus bekennenden Staatengruppe notwendig. Dieses nur scheinbar unbedeutende Wortspiel kennzeichnet gleichermaßen die gegenwärtig bestehenden Spannungen im Weltkommunismus, den neuen Pluralismus im ideologisch-politischen Bereich und die Unsicherheit der SED in der Analyse dieser historischen Prozesse. Außenpolitik; Eurokommunismus; Nationalkommunismus; Warschauer Pakt.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 978–979


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.