DDR von A-Z, Band 1979

Sozialpsychologie (1979)

 

 

Siehe auch das Jahr 1975


 

Die marxistische S. beschäftigt sich als Teildisziplin der Psychologie mit den „Gesetzmäßigkeiten der Regulierung des menschlichen Verhaltens“. In der DDR besitzt die S., die sich erst seit 1965/66 als selbständige Disziplin herausgebildet hat, dem offiziösen Verständnis gemäß, 3 Ziele:

 

„1. durch Optimierung der Beziehungen zwischen Leitern und Kollektiven bzw. innerhalb der Kollektive die Arbeitsproduktivität zu erhöhen und die Persönlichkeitsentwicklung der Werktätigen zu verbessern,

 

2. durch Optimierung des Informationsaustauschs bei heuristischen Prozessen die Effektivität der geistigen Kooperation in Forschungs-, Erziehungs- und Leitungskollektiven zu erhöhen,

 

3. durch Optimierung der Auswahl und Ausbildung von Leitern, speziell ihrer Verhaltens- und Einstellungsentwicklung, die Effektivität von Leitungskadern zu erhöhen“ (Wörterbuch der Psychologie, Hrsg. G. Clauß u. a., Leipzig 1976, S. 495). Dabei geht sie von der marxistischen Vorstellung aus, daß aus der Kooperation mehrerer Individuen im Arbeitsprozeß eine Erhöhung der Gesamtleistung gegenüber der Summe der Einzelleistungen entsteht. Dementsprechend beschäftigt sich die marxistische S. in der DDR vor allem mit der psychologischen Untersuchung von Kooperationsmechanismen in Industrie und Betrieb. Als Untersuchungsziel steht die Steigerung der Arbeitsproduktivität entsprechend dem Programm des weiteren Aufbaus der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ im Vordergrund.

 

Gemäß dieser Grundauffassung werden in erster Linie Einstellungen und Motivationen der Menschen im Arbeitsprozeß untersucht. Die Erforschung von Motivationen und Einstellungen wird sowohl im Rahmen der Einstellungsforschung, der Persönlichkeitsforschung wie der Gruppenforschung (Soziologie und Empirische Sozialforschung) vorgenommen. Dabei sollen die „sozialen Prozesse in kleineren Gruppen sowohl hinsichtlich der Leistung wie der Bewußtseinsbildung“ optimiert werden. Deshalb werden nicht nur die gruppendynamischen Bedingungen der Persönlichkeitsbildung untersucht, sondern vor allem auch Mechanismen wie: soziale Wahrnehmung, soziales Lernen und soziale Einstellungen.

 

Bisweilen geht man in der marxistischen S. noch immer von systemtheoretischen Vorstellungen aus, obwohl diese im politisch-ideologischen Bereich in der DDR weitgehend von anderen Konzepten abgelöst worden sind: „Zweckmäßigerweise betrachtet man ‚Wechselwirkungs- und Kooperationsprozesse in Gruppen‘ als ‚Verhalten‘ hochkomplexer, dynamischer, selbstregelnder und selbstprogrammierender Systeme (im Sinne der Kybernetik). Zu den Variablen eines solchen Systems gehören u. a.: a) Eigenart und Komplexitätsgrad der Aufgabe (u. a. der zu fällenden Entscheidung), b) Größe der Gruppe, c) das gruppeneigene Wert- und Normgefüge (dessen inhaltliche Ausprägung im Sinne der Werte und Normen der sozialistischen Gesellschaft eine Gruppe zu einem ‚Kollektiv‘ im eigentlichen Sinne macht), d) Organisation und Ausübung der Führungsfunktion (als Koordinationsinstanz), e) Funktionsaufteilung, f) Kommunikations- und Informationsstruktur, g) Prestige- und Ansehensstruktur usw.“ (Phil. Wörterbuch, Hrsg. G. Klaus und M. Buhr, 11. Aufl., Berlin [Ost] 1975, Bd. II, S. 1146).

 

Hinsichtlich der allgemeinen methodologischen Ausrichtung wird versucht, die S. in den Rahmen des Dialektischen und Historischen Materialismus einzubeziehen. Enge Beziehungen zur marxistisch-leninistischen Soziologie werden behauptet, sind aber bisher kaum überzeugend nachgewiesen worden. Als Methoden werden vor der marxistischen S. u. a. verwandt: teilnehmende Beobachtung, Feldexperiment, Laborexperiment, Modellexperiment, mündliche und schriftliche Interviews, Einstellungsskalen (Skalierungsverfahren). Arbeitspsychologie; Marxismus-Leninismus.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 987


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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