
Staatshaftung (1979)
Siehe auch die Jahre 1975 1985
Mit Art. 106 der Verfassung vom 6. 4. 1968 (Art. 104 n. F.) wurde die St. eingeführt. Danach haftet für Schäden, die einem Bürger an seinem persönlichen Eigentum durch ungesetzliche Maßnahmen von Mitarbeitern der Staatsorgane zugefügt werden, das staatliche Organ, dessen Mitarbeiter den Schaden verursacht haben. Zur Ausführung des genannten Verfassungsartikels erging das Gesetz zur Regelung der St. der Deutschen Demokratischen Republik — St.-Gesetz — vom 12. 5. 1969 (GBl. I, S. 34).
Die Voraussetzungen der St.:
1. Der Schaden muß einem Bürger oder seinem persönlichen Eigentum zugefügt sein. Ausgeschlossen sind also Schäden, die am sozialistischen Eigentum entstanden sind. Unter Bürgern werden nur die Bürger der DDR verstanden, die ihren Wohnsitz dort haben. Nur ausnahmsweise kann unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles Schadensersatz auch dann geleistet werden, wenn Bürger der DDR ihren Wohnsitz dort nicht haben. Personen, die nicht Bürger der DDR sind, steht ein Anspruch nur zu, wenn sie ihren ständigen Wohnsitz dort haben. Im übrigen tritt die Haftung zugunsten von Personen, die nicht Bürger der DDR sind, nur dann ein, wenn die Gegenseitigkeit gewährleistet ist.
2. Der Schaden muß in Ausübung staatlicher Tätigkeit zugefügt sein. Es muß also zwischen der Erfüllung [S. 1036]dienstlicher Aufgaben und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang bestehen.
3. Die Schadenszufügung muß rechtswidrig erfolgt sein. Eine Schuld des Staatsbediensteten braucht nicht vorzuliegen. Es wird nicht zwischen einer schuldhaft-rechtswidrigen und einer schuldlos-rechtswidrigen Handlung oder Unterlassung unterschieden. Es gilt das Prinzip der objektiven Haftung.
4. Unter den Begriff „Mitarbeiterder Staatsorgane“ fallen Angestellte eines staatlichen Organs oder einer staatlichen Einrichtung, die im Namen des betreffenden Organs oder der betreffenden Einrichtung tätig sind, und ehrenamtlich Tätige, die berechtigt und ermächtigt sind, selbst Weisungen, Anordnungen oder ähnliche Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören auch die Angehörigen der bewaffneten Organe, darunter der Deutschen Volkspolizei. Zum Schadensersatz verpflichtet ist das jeweilige staatliche Organ oder die staatliche Einrichtung, in dem ein Bediensteter arbeitet oder jemand ehrenamtlich tätig ist. Schadensersatzansprüche gegen die Mitarbeiter oder Beauftragte sind ausgeschlossen. § 839 BGB gilt also nicht. Es handelt sich also nicht um eine St. im strengen Sinne, sondern um eine Amtshaftung.
Der Schadensersatz ist grundsätzlich in Geld zu leisten. Dem staatlichen Organ oder der staatlichen Einrichtung bleibt es jedoch überlassen, den Schaden auch durch Naturalrestitution auszugleichen. Der Umfang des Schadens wird nach zivilrechtlichen Vorschriften berechnet, soweit in Gesetzen oder anderen Rechtsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
Die Verjährungsfrist beträgt ein Jahr, beginnt mit dem Tage, an dem der Geschädigte von dem Schaden und davon Kenntnis hat, daß der Schaden von einem Mitarbeiter oder einem Beauftragten eines staatlichen Organs oder einer staatlichen Einrichtung verursacht wurde.
Der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten ist ausgeschlossen. Über den Schadensersatzanspruch entscheidet der Leiter des zuständigen staatlichen Organs oder der staatlichen Einrichtung, durch deren Mitarbeiter oder Beauftragten der Schaden verursacht wurde. Bei diesem ist auch der Antrag auf Schadensersatz zu stellen.
Die St. schließt den Regreß nicht aus. Mitarbeiter, die einen Schaden rechtswidrig und schuldhaft verursacht haben, sind nach den arbeitsrechtlichen Vorschriften über die materielle Verantwortlichkeit (Arbeitsrecht) in Anspruch zu nehmen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1035–1036
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