DDR von A-Z, Band 1979

 

Steuern (1979)

 

 

Siehe auch:

 

I. Begriff

 

 

Nach der Abgabenordnung der DDR sind St. „… Geldleistungen (an den Staat), die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und (die) von den zuständigen staatlichen Organen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zu trifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Nicht darunter fallen Zölle, Gebühren und Beiträge“ (GBl., SDr. Nr. 681, 1970, S. 1, Abs. 1). Diese Wesenserklärung der St. stimmt teilweise wörtlich mit der Kennzeichnung überein, die in der Bundesrepublik Deutschland Gültigkeit besitzt.

 

Gemäß der von der SED-Führung erlassenen Weisung dürfen aus politisch-ideologischen Gründen im Abgabenrecht der DDR und in der finanzwissenschaftlichen Lehre nur diejenigen Pflichtzahlungen an den Fiskus St. genannt werden, die a) aus dem nicht-staatseigenen Sektor der Wirtschaft stammen und die b) von der Bevölkerung geleistet werden.

 

Alle Pflichtzahlungen, welche dagegen die staatseigenen Betriebe aller Wirtschaftsbereiche an die öffentlichen Haushalte leisten, werden als „Staatseinnahmen aus der volkseigenen Wirtschaft“ bezeichnet. Dieser staatlichen Sprachregelung wird von einzelnen Finanzwissenschaftlern in der DDR ab und an widersprochen. Sie weisen darauf hin, daß die Abgaben der staatseigenen Betriebe alle Kennzeichen einer St. erfüllen. Wie jede andere St. auch ist z. B. die Nettogewinnabführung der staatlichen Kombinate ein auf Dauer gerichteter zwangsweiser Werttransfer an den Fiskus, ohne daß damit eine spezielle oder generelle Gegenleistung des Staates an den abgabenpflichtigen Großbetrieb verbunden ist.

 

Ganz offenkundig St.-Charakter hätten die produktgebundenen Abgaben, die bei nahezu allen Konsumgüterumsätzen fällig würden (= kombinierte Umsatz- und Verbrauchs-St.). Die durch diese Abgaben erzielten Einnahmen werden zwar durch die Betriebe kassiert und von ihnen an den Staatshaushalt weitergeleitet, gezahlt und getragen würden sie jedoch von den privaten Haushalten, welche die mit Abgaben belasteten Verbrauchsgüter kaufen.

 

Angesichts dieser Sachlage hätte man auch in der Sowjetunion für die produktgebundenen Abgaben die korrekte Bezeichnung „differenzierte Umsatzsteuer“ gewählt.

 

Demgegenüber wird von den Wirtschaftsfachleuten der SED geltend gemacht, daß der Begriff St. einen „Wechsel“ im Eigentum am betreffenden Teil des Nationaleinkommens (voraussetzt)“ („Ökonomisches Lexikon“, Bd. II, L-Z, 2. Aufl., Berlin [Ost] 1970, S. 744). Diese Bedingung sei bei den Abgaben der volkseigenen Wirtschaft nicht erfüllt. Über den Bruttogewinn der in Gemeineigentum befindlichen Betriebe könne der Staat nach seinem Ermessen verfügen. Daher wäre die Zentralisierung von Teilen des Bruttogewinns der VEB und Kombinate im Staatshaushalt nichts anderes als die Inanspruchnahme eines Teils der erwirtschafteten Erwerbseinkünfte durch den faktischen Eigentümer des betrieblichen Produktivvermögens. Denn ein Eigentumswechsel fände bei dem Wertetransfer von der Staatswirtschaft zur Staatskasse doch offenkundig nicht statt.

 

Diejenigen Finanzwissenschaftler, welche die Abgaben der Staatswirtschaft als St. betrachten, halten jedoch diese Begründung für nicht überzeugend. Sie knüpfe lediglich an formaljuristische Tatbestände an. Viel wichtiger sei jedoch, daß die Bemessung, die Einziehung und die Funktionen der Abgaben aus der Staatswirtschaft die gleiche seien wie bei den echten St.

 

Für die in der Bundesrepublik vom Staat erhobenen nicht-rückzahlbaren Geldleistungen der Zahlungspflichtigen wird in der westdeutschen Finanzwissenschaft und Finanzpraxis häufig auch neben dem Etikett „Steuer“ der synonyme Begriff „Abgaben“ benutzt. Diese Bezeichnung trifft man auch vielfach in der Fachliteratur der DDR an. Allerdings hat sie sich dort nicht als Oberbegriff eingebürgert, der sowohl die Steuern der Bevölkerung und der nicht-volkseigenen Wirtschaft als auch die Abführungen der Staatswirtschaft an den Fiskus umfaßt. In der Abgabenordnung vom 2. 11. 1970 bezieht sich diese Umschreibung nur auf die St. im engeren Sinne und auf die Verbrauchsabgaben genannten Verbrauchs-St., die in der DDR nur noch für wenige ausgewählte Konsumwaren erhoben werden. In der Regel sind die Anfang der 50er Jahre eingeführten Verbrauchsabgaben in den Produktions- und Dienstleistungsabgaben (= produktgebundene Abgaben) aufgegangen.

 

Abweichend vom Sprachgebrauch des DDR-Abgabenrechts wird in einigen RGW-Ländern die Be[S. 1051]zeichnung „Abgaben“ aber auch bei der Namensgebung für einzelne Abführungen verwendet, welche die Staatsbetriebe an die öffentlichen Etats zu überweisen haben. So erhielt z. B. die auf das Produktivvermögen bezogene Kapital-St. der Handels- und Produktionsbetriebe in der DDR den Namen Handelsfondsabgabe und Produktionsfondsabgabe. Als Sammelbegriff für alle Pflichtzahlungen, die an die Staatskasse geleistet werden, hat sich in den letzten 10 Jahren immer mehr die Umschreibung „Staatseinnahmen“ durchgesetzt. Dieser Begriff deckt alle Formen der staatlichen Mittelbeschaffung ab. Er umschließt auch die Weiterleitung der Erlöse der Einrichtungen der gesellschaftlichen Konsumtion an die öffentlichen Haushalte (z. B. der Eintrittsgelder für den Besuch kultureller Veranstaltungen) und die Einkünfte aus Gebühren, Beiträgen und Zöllen.

 

II. Funktionen der Steuern

 

 

Die Dienste, welche die St. im Auftrage der Staatsführung zu erfüllen haben, können 1. fiskalischer Art und/oder 2. finanzpolitischer Natur sein. Im ersten Fall helfen sie bei der Beschaffung der Geldmittel, welche die Regierung benötigt, um die Produktion von öffentlichen Gütern für ihre eigenen Zwecke zu bezahlen und um das Angebot von öffentlichen Leistungen zu finanzieren, welche für die Bevölkerung bestimmt sind. Im zweiten Fall dienen die St. der Verwirklichung wirtschafts- und sozialpolitischer Zielsetzungen. In Übereinstimmung mit den Funktionen des gesamten Finanzsystems werden in der DDR die St. dazu genutzt, um folgende 4 finanzpolitischen Aufgaben zu erfüllen:

 

1. Sie sollen die Wirtschaftsführung bei der Lenkung der Produktionsressourcen in die vom Staat gewünschten Verwendungen unterstützen (= Allokations- und Lenkungsfunktion). Dazu gehört z. B., daß die Wirtschaftsführung über variable steuerliche Teuerungszuschläge auf ausgewählte Verbrauchsgüter (= Umsatz- und Verbrauchs-St.) bestimmte Einkommensverwendungen der privaten Haushalte diskriminiert (darunter den Kauf von Autos, Pelzen, Alkohol und Importwaren) und bestimmte Verbrauchsausgaben begünstigt (darunter den Kauf von Büchern und Kinderbekleidung). Ziel dieser steuer- und preispolitischen Beeinflussung der Kaufentschlüsse der Konsumenten ist, die Verbraucher dazu zu bewegen, einen Warenkorb zu wählen, welchen der Staat ex ante aufgrund seiner Prioritäten als den besten für seine Bürger ausgesucht hat. Gelingt diese steuer- und preispolitische Formierung der privaten Kaufentschlüsse, so erfolgt die Allokation der Ressourcen in der Konsumgüterindustrie entsprechend den Präferenzen der Staatsführung.

 

2. Gezielte St.-Erleichterungen und St.-Vergünstigungen dienen in der DDR in großem Umfang zur Stimulierung von Leistungen und zur Stabilisierung des Arbeitseinsatzes auf einem hohen Leistungsniveau (= Stimulierungs- und Stabilisierungsfunktion).

 

Zu diesen steuerlichen Anreizmaßnahmen gehört, daß häufig bei Wirtschaftsunternehmen der Gewinnsteuersatz für Gewinne über das Plansoll hinaus niedriger ist als der Prozentanteil vom Nettogewinn, den der Staat vom Plangewinn der Betriebe als normale Nettogewinnabführung beansprucht. Um die Werktätigen zu Höchstleistungen im Produktionsprozeß anzuspornen, werden z. B. Prämien zum tariflichen Zeitlohn, der durch Stückakkord erzielte Mehrverdienst und Leistungslöhne der Arbeitnehmer, sofern sie ihre individuellen Normen erfüllt haben. nur mit einem Steuersatz von gleichbleibend 5 v. H. belastet.

 

3. Genauso wie in der Bundesrepublik Deutschland werden auch in der DDR die St. dazu benutzt, um über Korrekturen der personellen Einkommens- und Vermögensverteilung ein höheres Maß an sozialer Gerechtigkeit herzustellen und um über eine gleichmäßigere Wohlstandsverteilung die sowjetsozialistische Gesellschaftsordnung zu stabilisieren (= Distributionsfunktion).

 

Im Unterschied zu Westdeutschland ist jedoch in der DDR nicht die Lohn- und Einkommen-St. das Hauptinstrument der Regierung bei der Verwirklichung verteilungspolitischer Ziele. Diese Aufgabe hat man in erster Linie der kombinierten Umsatz- und Verbrauchs-St. übertragen (= produktgebundene Abgaben). Dementsprechend werden in der DDR aus den Einnahmen durch die Besteuerung des gehobenen Verbrauchs und des Luxuskonsums die Preissubventionen zur Verbilligung der Nahrungsgüter und das Angebot von Wohlfahrtsleistungen für die Bevölkerung im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen finanziert.

 

4. Zu den systemtypischen Aufgaben der St. gehört ferner die Überwachung der Planerfüllung durch die staatseigenen Wirtschaftsunternehmen. Vor jedem neuen Plan- und Wirtschaftsjahr wird für jede einzelne Produktionsorganisation genau errechnet, wie hoch ihre St.-Pflicht a) bei den produktgebundenen Abgaben, b) bei der Nettogewinnabführung und c) bei der Produktionsfondsabgabe ist, sofern der betreffende Betrieb den ihm vorgegebenen Betriebsplan voll erfüllt. Produziert nun der Betrieb teurer, als dies vor Beginn des neuen Wirtschaftsjahres vorherzusehen war, und kann er auch seine im Plan vorgeschriebene Auflage zur Senkung der Stückkosten nicht erfüllen, so entstehen für ihn Finanzierungsengpässe. Falls er dadurch mit seinen planmäßigen Gewinnabführungen an den Staat in Verzug gerät, ist dies für die Wirtschafts- und Finanzbehörden ein Signal, um nachzuprüfen, aus welchen Gründen die Planstörungen entstanden sind und wie man Abhilfe schaffen könnte.[S. 1052]

 

III. Anknüpfungspunkte der Besteuerung (Steuerquellen)

 

 

Anders als in der Bundesrepublik werden in der DDR die St.-Quellen danach eingeteilt, welchem Eigentumssektor sie zugehören. Es gibt daher kein Einteilungsschema, welches die St. danach unterscheidet, ob Anknüpfungspunkt der Besteuerung a) Bestandsgrößen in Form von Geld- und Sachkapital sind oder ob b) das Objekt der Besteuerung die Wertschöpfung ist (= Ressourcenzuwachs in der laufenden Periode).

 

Bekanntlich haben in der DDR auf der einen Seite steuerpolitische Vergünstigungen für den staatlichen und für den kollektivierten Wirtschaftssektor und auf der anderen Seite steuerpolitische Diskriminierungen für die Privatwirtschaft eine große Rolle bei der Transformation der individualistischen Eigentums- und Wirtschaftsordnung in die Zentralplanwirtschaft sowjetischen Typs gespielt. Entsprechend dieser sozial-revolutionären Zielsetzung wurde die Besteuerungspolitik von Anfang an danach differenziert, zu welcher Kategorie von Eigentumsform der jeweilige steuerpflichtige Betrieb gehörte. Je nachdem, ob das St.-Subjekt ein Staatsbetrieb, eine Produktionsgenossenschaft oder ein privater Gewerbebetrieb ist, gelten jeweils andere St.-Gesetze und Besteuerungsformen. Auch die Anfang der 50er Jahre neugestaltete Besteuerung der individuellen Einkommen ist bis heute maßgeblich von klassenkämpferischen Zielsetzungen beeinflußt. So werden z. B. persönliche Einkommen aus Produktivvermögen und selbständiger Unternehmertätigkeit durch Erhebung exorbitant hoher St. diskriminiert, während demgegenüber die Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit im Arbeitsprozeß nur einer gelinden Besteuerung unterworfen werden.

 

Diese politisch-ideologischen Hintergründe sind dafür verantwortlich, daß es in der DDR praktisch nur ein einziges Kennzeichnungsschema für die Unterscheidung der Abgabenarten nach dem Anknüpfungspunkt der Besteuerung gibt. Diese St.-Systematik unterscheidet die Abgaben danach, aus welchem Eigentumssektor der Wirtschaft sie stammen. Dabei wird die Bevölkerung als ein Eigentumssektor besonderer Art angesehen. Die Konsequenz dieses Kategoriensystems der St.-Arten ist, daß dadurch die Bevölkerung zu einer eigenen St.-Quelle wird. Entsprechend der in der DDR gebräuchlichen Unterscheidung der Abgaben nach ihrer sozialökonomischen Herkunft gibt es im Osten 4 Klassen von fiskalischen Pflichtzahlungen:

  1. Abgaben der Staatswirtschaft,
  2. St. der nichtverstaatlichten Wirtschaft,
  3. St. der Bevölkerung (Besteuerung persönlicher [S. 1053]Einkünfte aus den verschiedenen Einkommensquellen),
  4. Sonstige St. und Abgaben.

 

 

IV. Abgaben der Staatswirtschaft

 

 

Die bei weitem größte Einkommensquelle des Staatshaushalts der DDR sind die von der Staatswirtschaft überwiesenen Abgaben. In den Jahren von 1960 bis 1978 stammten im Durchschnitt rd. zwei Drittel der Gesamteinnahmen des DDR-Etats aus der volkseigenen Wirtschaft.

 

Berechnet man den Anteil der Abführungen der Staatswirtschaft an den Haushalt auf der Grundlage des Budgetvolumens, so wie sich dieses nach der amtlichen Systematik zur Aufstellung des Staatsetats ergibt, so wurde der Finanzbedarf der Staatsführung der DDR in den letzten 10 Jahren stets zu 55–60 v. H. durch Abgaben des staatseigenen Wirtschaftssektors gedeckt. Die der Anteilsberechnung zugrunde gelegte Bezugsbasis „Gesamteinnahmen des DDR-Budgets“ enthält auch die Beitragseinnahmen der Sozialversicherung, die Überträge vom Gesamthaushalt auf die Bezirke (= Finanzausgleich durch gelenkte Dotationen) und die Kassenvorträge.

 

Die Abgaben der staatseigenen Wirtschaft setzen sich (in der Reihenfolge ihrer Bedeutung) aus folgenden Abführungsarten zusammen:

  • a) den produktgebundenen Abgaben (früher Produktions- und Dienstleistungsabgabe genannt),
  • b) der Produktionsfondsabgabe (PFA),
  • c) der Handelsfondsabgabe,
  • d) der Nettogewinnabführung,
  • e) dem staatlich beanspruchten Anteil am Exportgewinn der Wirtschaftsunternehmen,
  • f) der Bodennutzungsgebühr und
  • g) den gelegentlich beanspruchten überschüssigen Ansammlungsbeträgen bei Amortisationen und Umlaufmitteln einzelner Betriebe, Kombinate und VVB (= Amortisations- und Umlaufmittelabführungen). Die 3 wichtigsten Abgabearten der Staatswirtschaft sind die nach Warenarten differenzierten Umsatz- und Verbrauchssteueraufschläge (= produktgebundene Abgaben), die Produktionsfondsabgabe (PFA) und die Nettogewinnabführung.

 

1976 stammten 69 v. H. aller Einnahmen der öffentlichen Kassen in der DDR aus der staatseigenen Wirtschaft. Dieser Beitrag zum staatlichen Mittelaufkommen setzte sich wiederum zu rd. 48 v. H. aus produktgebundenen Umsatzsteueraufschlägen, zu 32 v. H. aus Nettogewinnabführungen der staatlichen Produktionsorganisationen und zu rd. 20 v. H. aus Abgaben auf das eingesetzte Produktivkapital (= PFA /Handelsfondsabgabe / Bodenfondsabgabe/ Bodennutzungsgebühr) zusammen.

 

 

1. Produktgebundene Abgaben

 

 

Seit 1955 werden in der DDR produktgebundene Abgaben in die Verkaufspreise der Erzeugnisse der staatseigenen Wirtschaftsbetriebe einkalkuliert. Allerdings trugen damals die steuerlichen Teuerungszuschläge auf die Betriebspreise der in den Staatsbetrieben hergestellten Güter die Bezeichnung „Produktions- und Dienstleistungsabgaben“ (PDA). (VO über die Produktions- und Dienstleistungsabgabe der volkseigenen Industrie und der volkseigenen Dienstleistungsbetriebe vom 6. 1. 1955, GBl. I. S. 37 ff.) 1972 wurden die PDA in „produktgebundene Abgaben“ umbenannt. (VO über produktgebundene Abgaben und Subventionen vom 1. 3. 1972, GBl. II, S. 137 ff.)

 

Die produktgebundenen Abgaben umfassen jeweils die Differenz, die zwischen dem Abgabepreis der Betriebe (= Betriebs- oder Produzentenpreis) und dem höheren Industrieabgabepreis für Güter und Dienstleistungen besteht (= Abnehmerpreis für den Handel und alle Direktbezieher). Der St.-Zuschlag ist untrennbarer Bestandteil der für die Verbraucher der Waren und Dienste geltenden amtlichen Industrieabgabe- und Einzelhandelsverkaufspreise. Die in jedem Einzelfall von der Wirtschaftsverwaltung [S. 1054]festgelegte Belastung der Verbraucherpreise ist stets an das jeweilige Produkt oder die jeweilige Dienstleistung gebunden. Seitdem im Verlauf der Industriepreisreform (1964–1967) ein neues System der Preisrelationen festgelegt worden ist, werden nur noch die Endverbraucherpreise von Erzeugnissen der Konsumgüterindustrie durch produktgebundene Abgaben belastet. Mit dieser Beschränkung wird die Absicht verfolgt, die nach Einzelwaren spezifizierten Abgaben auf die Verbraucher von Konsumgütern zu übertragen. Die produktgebundenen Abgaben belasten somit ausschließlich die Verbrauchsausgaben der privaten Haushalte. Sie tragen daher alle Merkmale einer Umsatz- und Verbrauchs-St. Um den Warenabsatz in die staatlich gewünschten Verbrauchsrichtungen zu lenken und die private Nachfrage jeweils den volkswirtschaftlichen Leistungsmöglichkeiten anzupassen, können die Industrie- und Einzelhandelsverkaufspreise und die Umsatz- und Verbrauchssteueraufschläge in ihrer Höhe je nach den angestrebten Lenkungseffekten differenziert werden.

 

 

Diese Preis- und St.-Politik hat zur Folge, daß in der Volkswirtschaft der DDR nahezu so viele verschiedene Umsatz- und Verbrauchssteuerzuschläge vorkommen, wie es Konsumgüter gibt.

 

Berechnungsgrundlage für die Abgabenschuld ist der Absatz der Produktions- und Handelsbetriebe. Eine nach Dienstleistungsarten differenzierte Dienstleistungsabgabe zahlen in der DDR sowohl die reinen Dienstleistungsbetriebe als auch die Produktionseinheiten der Industrie, Bauwirtschaft und Land- und Forstwirtschaft, soweit sie Einnahmen durch den Absatz von steuerlich belasteten Dienstleistungen beziehen.

 

Die Höhe der steuerlichen Teuerungszuschläge für die verschiedenen Konsumerzeugnisse wird geheimgehalten. Fast ausnahmslos werden höherwertige Nahrungs- und Genußmittel, Importwaren und luxuriöse langlebige Gebrauchsgüter mit sehr hohen Abgaben belastet. Dagegen enthalten die Einzelhandelspreise für Grundnahrungsmittel und die Verbraucherpreise für sozialpolitisch bedeutsame Industriewaren (Babybekleidung, Kinderschuhe, Arzneien) keine oder nur sehr geringe St.-Aufschläge. Dadurch bleiben die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen von einer harten Verbrauchsbesteuerung verschont.

 

In der DDR ist es der Wirtschaftsführung bisher nicht geglückt, die Expansion von Geldmenge und kaufkräftiger Nachfrage dem Leistungsvermögen der Konsumgüterindustrie und der vergleichsweise niedrigeren Ausweitung des Verbrauchsgüterangebotes anzupassen. Dadurch ist es seit Beginn der 60er Jahre zu einem immer noch anwachsenden Geldüberhang gekommen, der sich in einer Kassenhaltungsinflation niederschlägt. Mit den produktgebundenen Abgaben und der Besteuerung des gehobenen Konsums hat nun die Wirtschaftsführung ein vortreffliches Mittel in der Hand, um einen Teil der überschüssigen Kaufkraft abzuschöpfen und in die Staatskasse zu leiten.

 

Im Jahr 1976 betrug die durchschnittliche Steuerbelastung der Konsumausgaben der privaten Haushalte in der DDR durch die kombinierte Umsatz- und Verbrauchs-St. rd. 40 v. H. (= St.-Anteil am gesamten Umsatz des Einzelhandels).

 

 

2. Die Nettogewinnabführung

 

 

Seit der Rückkehr zur straffen administrativen Befehlswirtschaft 1971 erhalten die Betriebe in der DDR erneut von zentraler Seite aus vorgeschrieben, wieviel Brutto- und wieviel Nettogewinn sie jährlich erwirtschaften sollen (Nettogewinn = Bruttogewinn minus Produktionsfondsabgabe).

 

Zugleich wird im Betriebsplan festgelegt, welche Gewinn-St. sie im jeweiligen Wirtschafts- und Haushaltsjahr an die Staatskasse abzuführen haben. Die Höhe der jährlichen St.-Schuld wird dabei als absoluter Betrag in Mark angegeben. Anders als in der Bundesrepublik Deutschland legt somit in der DDR der Fiskus für jeden Staatskonzern, jedes Kombinat und jeden Betrieb individuell fest, welche St.-Forderungen die Produktionseinheiten im jeweils nächsten Haushaltsjahr begleichen müssen. Dieses Besteuerungsverfahren ermöglicht der Wirtschafts- und Finanzverwaltung, die St.-Belastung bei der Nettogewinnabführung von Jahr zu Jahr zu verändern.

 

In der DDR ist die Nettogewinnabführung neben der Zinspolitik (Zins und Zinspolitik) der wichtigste finanzpolitische Hebel zur Verwirklichung der Struktur- und investitionspolitischen Prioritäten der Staatsführung. Die Bedeutung der Nettogewinnabführung als Lenkungsinstrument beruht darauf, daß die Wirtschaftsführung durch eine betriebsindividuelle Festlegung der Gewinnabgaben die Kapitalbildung der Produktionseinheiten in den einzelnen Wirtschaftsbereichen entsprechend den wachstums- und strukturpolitischen Entwicklungszielen regulieren kann (Gewinn).

 

 

3. Abgaben auf das eingesetzte Produktivkapital

 

 

Die den Betrieben in Abhängigkeit vom eingesetzten Produktivvermögen auferlegten Abgaben wurden im Verlauf der Wirtschaftsreform (1963–1970) eingeführt. Mit der Einführung dieser „ökonomischen Hebel“ Mitte der 60er Jahre sollte eine Lücke im Lenkungsinstrumentarium der Wirtschaftsführung der DDR geschlossen werden, das bis dahin eine Verschwendung knapper Kapitalgüter begünstigt hatte.

 

Insgesamt vier neue Abgaben (= Kapital-St.) sind in dieser Zeit in der DDR eingeführt worden:

  • a) die Produktionsfondsabgabe (PFA)
  • b) die Handelsfondsabgabe[S. 1055]
  • c) die Bodenfondsabgabe (1968–1972) und
  • d) die Bodennutzungsgebühr.

 

Allen vier Abgaben wurde 1967/68 folgende gemeinsame Aufgabe übertragen: Sie sollen die Produktionsorganisationen in der Staatswirtschaft (dazu gehörten bis 1972 auch die Volkseigenen Güter in der Landwirtschaft [VEG]) dazu antreiben, die ihnen zur Verfügung gestellten Produktionsfaktoren „Kapital“ und „Boden“ so effektiv wie möglich auszunutzen, um die staatlichen Wirtschaftspläne zu erfüllen. Diese Aufgabe haben bei den VEG ab 1973 die neugestalteten Agrarsteuern übernommen.

 

 

Die Produktionsfondsabgabe (PFA) ist eine Pflichtabführung der Staatsbetriebe an die öffentlichen Haushalte, deren Höhe sich nach dem Wertvolumen des eingesetzten Kapitalbestandes bemißt. Sie wird aus den erzielten Bruttogewinnen der staatseigenen Produktionsorganisationen gezahlt. Konkrete Bemessungsgrundlage für die Errechnung der Abgabenverpflichtungen bei der PFA ist der Durchschnittsbestand an Anlage- und Umlaufkapital, der während eines Jahres zur Erfüllung des Betriebszwecks in der jeweiligen Produktionseinheit eingesetzt ist. Dieses Produktivkapital wird bei der Ermittlung der St.-Schuld zu Anschaffungspreisen bewertet (= Produktionsfonds, gemessen in Bruttowerten). Die Abgabenrate beträgt seit 1971 in der Industrie und Bauwirtschaft in der Regel 6 v. H. (VO über die Produktionsfondsabgabe vom 16. 12. 1970, GBl. II, S. 31 ff. sowie die zu dieser Verordnung ergangenen Durchführungsbestimmungen).

 

Prüft man, in welcher Weise die Produktionsfondsabgabe als staatliches Druckmittel zur Steigerung der Kapitalproduktivität und Kapitalrentabilität wirkt, so ergibt sich, daß sie lediglich zu einer besseren Ausnutzung der in den Betrieben bereits vor[S. 1056]handenen Kapitalausstattung anspornt. Sie eignet sich dagegen nicht dafür, eine befriedigende Mindestrentabilität für neu investiertes Kapital zu sichern und dafür zu sorgen, daß die Verteilung der Kapitalressourcen jeweils in die ertragreichsten Verwendungen erfolgt. Entsprechend der in der Industrie und Bauwirtschaft erhobenen Produktionsfondsabgabe sind seit dem 1. 1. 1968 die staatlichen Groß- und Einzelhandelsbetriebe verpflichtet, eine Handelsfondsabgabe zu zahlen. Sie ist gleichfalls ein als staatliches Normativ festgelegter Berechnungssatz, dessen Bezugsbasis die Jahresdurchschnittsbestände an Anlagen und Umlaufmitteln sind (einschließlich Warenlager und Hilfsmaterialien), die während des Wirtschaftsjahres bei den Handelsbetrieben festgestellt werden. Auch im Handel beträgt die Abgaberate für Anlagen (Gebäude, Transporteinrichtungen, Kühlaggregate usw.) meist 6 v. H. Dagegen hat man für Umlaufmittel (das sind in der Regel Warenbestände) einen niedrigeren Abgabesatz festgelegt. Er beläuft sich auf 3 v. H. Die Erhebung einer Kapital-St. auch für die Warenlager, welche die Handelsbetriebe aus ihren angesammelten Handelsspannen zahlen müssen, verfolgt vor allem den Zweck, im Bereich der Warenverteilung die Bestandshaltung zu optimieren, die Lagerkosten zu senken und den Umschlag der Fertigerzeugnisse zu beschleunigen.

 

Die Volkseigenen Güter (VEG) hatten von 1968 bis 1972 eine Bodenfonds- und Produktionsfondsabgabe zu zahlen. Die LPG blieben dagegen von einer Kapitalbesteuerung ihrer Produktionsfaktoren (Boden, Sachvermögen) verschont. Diese Abgabe setzte sich aus zwei Bestandteilen zusammen, a) einer Abführung auf den nutzbaren Bodenfonds der Staatsgüter und b)einer ermäßigten Produktionsfondsabgabe auf das eingesetzte Sachkapital. Die aus dem Bruttogewinn gezahlte Bodenfondsabgabe wurde als fester Betrag in Mark je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche festgelegt. Dagegen differenzierte man die Produktionsfondsabgabe, welche die Staatsgüter an den Haushalt zu zahlen hatten, je nach der Ertragslage dieser Landwirtschaftsbetriebe. Die nach betriebsindividuellen Gesichtspunkten spezifizierten Abgaberaten schwankten zwischen 0,5 und 3 v. H., jeweils bezogen auf das in den VEG festgestellte Wertvolumen an Anlagen und Umlaufmitteln.

 

Mit Wirkung vom 1. 1. 1973 wurde in der DDR die Besteuerung der genossenschaftlichen und staatlichen Landwirtschaftsbetriebe völlig neu geregelt. Die VEG werden seitdem nach den gleichen Besteuerungsformen zur Abgabenleistung herangezogen wie die LPG. Die Erhebung von Bodenfondsabgaben und einer Produktionsfondsabgabe zu ermäßigten Sätzen entfiel. Die großen Landwirtschaftsbetriebe in der Rechtsform eines VEG zahlen seitdem entweder eine Abgabe auf das erzielte Bruttoeinkommen oder eine Abgabe vom erwirtschafteten Gewinn (Bodennutzung).

 

V. Die Steuern der nichtverstaatlichten Wirtschaft

 

 

Dazu gehören:

  1. die St. der Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH),
  2. die St. der privat wirtschaftenden Handwerker (Handwerkssteuer),
  3. die Abgaben der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und die St. der Genossenschaftsbauern (Agrarsteuern).
  4. die St. der übrigen Genossenschaftsarten,
  5. die St. der Kommissionshändler und
  6. die St. der restlichen privaten Wirtschaft (= St. der privaten Gewerbebetriebe und der Eigentümer dieser kleinen Produktionseinheiten).

 

Die Produktionseinheiten in der Rechtsform einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) müssen an den Fiskus eine Gewinn-St., eine Umsatz-St. und (ab 1. 1. 1971) auch eine Produktionsfonds-St. (Kapital-St.) zahlen. Besteht der Hauptzweck einer PGH darin, Dienstleistungen für die Bevölkerung zu erbringen, beträgt die Gewinn-St. — je nach der Höhe des erwirtschafteten Gewinns je Genossenschaftsmitglied — zwischen 2 und 45 v. H. Produziert eine PGH dagegen zur Hauptsache Waren, so werden die Gewinnanteile je Mitglied nach einer progressiven Staffel mit Gewinn-St. belastet. Die Abgabesätze reichen von 2 bis 60 v. H. der jeweils individuell bezogenen Gewinnsumme.

 

Für die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen der PGH beträgt der St.-Aufschlag 3 v. H. auf den Verkaufswert.

 

Die persönlichen Einkünfte der Genossenschaftsmitglieder (Gehälter) werden weitgehend genauso besteuert wie die Einkommen der Arbeiter und Angestellten. In Anlehnung an die in den anderen Wirtschaftsbereichen erhobene Produktionsfondsabgabe müssen die PGH seit 1971 eine Produktionsfonds-St. an die Staatskasse abführen, die je nach der langfristigen durchschnittlichen Ertragslage der Produktionseinheit zwischen 1 und 6 v. H. liegt. Bezugsgrundlage dieser Abgabenraten ist ebenfalls das eingesetzte Kapital.

 

Ähnlich wie bei den Staatsbetrieben ist die Besteuerung der Konsumgenossenschaften geregelt. Von diesen Genossenschaften zieht der Fiskus die von ihnen kassierten produktgebundenen Abgaben ein, belastet ihre Gewinne mit einer Nettogewinnabgabe und verlangt zudem die Zahlung einer Fondsabgabe in Höhe von 3 v. H., bezogen auf das in diesen Handelsbetrieben vorhandene Anlage- und Umlaufvermögen (einschließlich Warenlager).

 

Die wenigen in der DDR noch bestehenden Privatbetriebe werden zur Zahlung einer Gewerbe-St., einer Umsatz-St. und einer Beförderungs-St. herangezogen. Die bei diesen Abgaben angewendeten Be[S. 1057]steuerungstechniken ähneln noch in gewisser Weise den aus der Bundesrepublik Deutschland vertrauten Abgabeformen bei den Betriebs-St. Die Eigentümer dieser Kleinunternehmen werden zur Einkommen- und zur Vermögen-St. veranlagt. Da in der DDR die Bezieher von Einkünften aus privater Unternehmertätigkeit und aus Kapitalvermögen diskriminiert werden, müssen diese St.-Zahler exorbitant hohe Ansprüche des Fiskus an ihre persönlichen Geldbezüge hinnehmen und erfüllen.

 

VI. Steuern vom Arbeitseinkommen

 

 

Zu den steuerpflichtigen Arbeitseinkommen rechnen 2 Einkommensarten:

  • a) Lohneinkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit und
  • b) Einkünfte der steuerlich begünstigten freischaffenden Intelligenz aus selbständiger Erwerbstätigkeit.

 

Wie in der Bundesrepublik Deutschland wird auch in der DDR die tarifliche Belastung bei der Besteuerung der Arbeitseinkommen differenziert und nach sozialen Gesichtspunkten abgestuft, indem die St.-Pflichtigen je nach Familienstand und Kinderzahl in verschiedene St.-Klassen eingruppiert werden. Jede Umsetzung in eine höhere St.-Klasse — beginnend mit St.-Klasse I — bringt dem St.-Zahler eine monatliche St.-Ersparnis (Freibetrag) gegenüber der davorliegenden St.-Klasse von 50 Mark ein.

 

Die steuerfreie Einkommensgrenze liegt bei Verheirateten (St.-Klasse II) bei 232 Mark im Monat und bei verheirateten Werktätigen mit 2 Kindern (St.-Klasse III/2) bei monatlich 332 Mark. Bei verheirateten Beschäftigten, die 2 Kinder haben, steigt die Lohn-St. von der Untergrenze von 332 Mark im Monat bis zu 1410 Mark Monatseinkommen progressiv an. Über dieser Einkommenshöhe unterliegen die Steuerpflichtigen nur noch einer gleichbleibenden St.-Belastung von 20 v. H. Das Lohnsteuersystem der DDR führt zu dem sozial nachteiligen Ergebnis, daß aufgrund der Proportionalbesteuerung der höheren Einkommen die kleinen und mittleren Einkommen relativ viel stärker mit Lohn-St. belastet werden als die Bezüge der Spitzenverdiener. Durch diese Regelung, die vom Aspekt der sozialen Gerechtigkeit her gesehen nicht vertretbar ist, soll der Leistungswille der Erwerbstätigen gestärkt und vor allem die Aufstiegsbereitschaft der qualifizierten Arbeitnehmer gefördert werden. Wie bereits die proportionale Besteuerung sämtlicher hohen Einkommen zeigt, dienen in der DDR gezielte St.-Verschonungen und St.-Vergünstigungen als ein vielseitig genutztes Mittel, um die Werktätigen im Produktionsprozeß zu Höchstleistungen anzuspornen und um Anreize zur Produktion von Innovationen auszuüben. Um die Leistungsreserven der Betriebskollektive für die Planerfüllung zu mobilisieren, werden die den Werktätigen für überdurchschnittliche Leistungen gezahlten Entgelte in abgestuftem Ausmaß von der Lohnbesteuerung freigestellt. So belegt z. B. der Fiskus Akkordzuschläge nur mit einem ermäßigten Lohnsteuersatz von gleichbleibend 5 v. H. Besonders vorteilhaft ist, daß der Staat völlig auf die Besteuerung der Überstundenzuschläge, der Zulagen für die Schicht- und Nachtarbeit und auf die Abgabenbelastung der Prämien verzichtet, welche die Belegschaften am Ende des Planjahres aus den betrieblichen Prämienfonds erhalten (Jahresendprämien). Diese Freistellung der Jahresendprämien von der Lohnbesteuerung hat den Effekt, daß die Beschäftigten in der Staatswirtschaft der DDR seit 1975 mehr als ein Monatseinkommen (= 13. Monatsgehalt) als steuerfreie Sondervergütung erhalten.

 

Ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland können auch in der DDR die Erwerbstätigen ihre Bezüge um bestimmte berufsbedingte Sonderaufwendungen und außergewöhnliche Belastungen infolge von körperlichen Behinderungen kürzen, um das steuerpflichtige Einkommen festzustellen.

 

Im Vergleich zur Bundesrepublik werden jedoch in der DDR den unselbständigen Erwerbstätigen und den freiberuflich tätigen Selbständigen durch das St.-Recht nur wenige Möglichkeiten geboten. Werbungskosten und Sonderausgaben geltend zu machen.

 

Zu der in der DDR steuerlich privilegierten Intelligenz gehören alle Schriftsteller, Künstler, die noch selbständig arbeitenden Forscher, Lehrer und Erfinder und sämtliche Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Die diesem Personenkreis eingeräumte steuerliche Vorzugsstellung soll nach dem erklärten Willen der Regierung dazu dienen, das Bündnis der sog. freischaffenden Intelligenz mit der Arbeiterklasse und mit den werktätigen Bauern zu festigen. Bis zum Bau der Sperrmauer in Berlin erhoffte sich die SED-Führung ferner, daß die den Selbständigen gewährten St.-Privilegien als „ökonomische Barriere“ wirken würden, um diese Berufsgruppe an der Flucht in den Westen zu hindern.

 

Soweit die durch freiberufliche Tätigkeit erzielten Einkommen zu den steuerlich geschonten persönlichen Einkünften zählen, werden sie bis zu einem Jahreseinkommen von 15.100 Mark genauso besteuert wie die Löhne und Gehälter der Arbeiter und Angestellten. Im Unterschied zur Lohnbesteuerung steigt jedoch bei diesen Berufsgruppen dann der St.-Tarif weiter progressiv an, wenn der erzielte Jahresverdienst höher als 15.100 Mark ausfällt. Bei einem Jahreseinkommen von 36.000 Mark erreicht die Progression ihren Höchstsatz von 30 v. H. und geht dann auf diesem Belastungsniveau in eine gleichbleibende Proportionalbesteuerung über. („Gesetz zur Änderung der Besteuerung der steuerbegünstigten freischaffenden Intelligenz“ vom 28. 5. 1958, GBl. I, S. 453 ff.)

 

[S. 1058]Bis Ende 1970 gehörten auch die selbständig arbeitenden Architekten, Ingenieure, Kunsthandwerker, Übersetzer, Werbefachleute und Gebrauchsgraphiker, soweit diese nicht mehr als 2 technische Hilfskräfte beschäftigten, zu den steuerlich bevorrechtigten freien Berufen. Diese für DDR-Verhältnisse zumeist sehr gut verdienenden Selbständigen wurden vom 1. 1. 1971 an einer etwas strengeren Besteuerung unterworfen. Dadurch verloren sie einen Teil der St.-Privilegien, die sie bis dahin genossen hatten. Beziehen diese Selbständigen ein Jahreseinkommen, das über 20.000 Mark liegt, so nimmt von dieser Verdienstschwelle an die St.-Progression merklich zu. Sie erreicht bei einem Jahreseinkommen von über 100.000 Mark den Spitzensteuersatz von 60 v. H.

 

VII. Sonstige Steuern

 

 

Einnahmen aus sonstigen St. erzielt der DDR-Fiskus durch folgende St.-Arten:

  1. durch die bei wenigen ausgewählten Konsumgütern noch erhobenen „Verbrauchsabgaben“,
  2. durch die Vermögen-St.,
  3. durch die Erbschaft-St.,
  4. die Grunderwerb-St.,
  5. die Rennwett- und Lotterie-St.,
  6. die Kraftfahrzeug-St. und
  7. die Gemeinde-St.

 

Diese Abgaben dienen vorwiegend der Mittelbeschaffung zur Auffüllung der Staatskasse. Im Nebenzweck werden einzelne dieser St. auch noch dazu genutzt, den Verbrauch zu lenken und bei der Verwirklichung von bestimmten Gerechtigkeitsforderungen Hilfestellung zu leisten.

 

Für das festgestellte persönliche Vermögen müssen Staatsbürger der DDR eine Vermögen-St. von 0,5 v. H. zahlen, falls der Vermögensbestand die Freigrenze von 10.000 Mark übersteigt, jedoch geringer ist als 25.000 Mark. Überschreitet das steuerpflichtige Gesamtvermögen den Betrag von 25.000 Mark, bleibt aber unterhalb von 50.000 Mark, so beträgt der St.-Satz 1,5 v. H. Noch größere Vermögen werden mit einer Abgabenrate von 2,5 v. H. belastet. Die tarifliche Vermögensbesteuerung ist somit in der DDR erheblich höher als in der Bundesrepublik Deutschland.

 

Ebenso wie in der Bundesrepublik unterliegt auch in der DDR das gemäß Erbrecht oder auf Veranlassung des Erblassers sowie des Schenkers übertragene Vermögen einer Erbschaft- und einer Schenkungs-St. Diese Abgabenbelastung ist nach der Höhe der empfangenen Erbschaft oder Schenkung und nach dem Verwandtschaftsgrad gestaffelt. Dabei ist die St.-Klasse I für Ehegatten und Kinder maßgebend, während die St.-Klasse II für alle übrigen Erben und Beschenkten gilt. (Siehe Erbschaftsteuergesetz der DDR vom 18. 9. 1970, GBl., SDr. Nr. 675.) Als Besonderheit des Vermögensteuer- und Erbschaftsteuerrechts ist hervorzuheben, daß in der DDR Sparguthaben der Privatpersonen von der Vermögen- und Erbschaft-St. befreit sind.

 

Die Kraftfahrzeug-St. wird in der DDR ähnlich wie in der Bundesrepublik nach dem Hubraum (bei Personenkraftwagen und Motorrädern), der PS- Höchstbremsleistung (bei Zugmaschinen) und nach dem Eigengewicht (bei Lastkraftwagen und Omnibussen) bemessen. Sie wird seit 1962 in einem zusammengefaßten Zahlungsverfahren zusammen mit den Beiträgen zur Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung eingezogen. Zur St.-Zahlung verpflichtet sind jeweils die Halter der Kraftfahrzeuge (Genossenschaften, Privatbetriebe, Privatpersonen). Staatsbetriebe und Betriebsvereinigungen aller Art sind seit 1962 von der Zahlung von Kraftfahrzeug-St. befreit. (VO über die Kraftfahrzeugsteuer vom 16. 11. 1961, GBl. II, S. 505 und 1. DB vom 17. 11. 1961, ebd., S. 506 ff. sowie VO über die Kraftfahr-Haftpflicht-Versicherung vom 16. 11. 1961, GBl. II, S. 503/504 und 1. DB, ebd., S. 504 ff.) Gemeinde-St. sind die von den Räten der Städte und Gemeinden erhobenen St., die unmittelbar in die Haushalte der örtlichen Volksvertretungen fließen. Aus den „gemeindeeigenen“ St.-Quellen beziehen die Gemeinden der DDR seit Anfang der 60er Jahre direkte Einnahmen von rd. 500 bis 530 Millionen Mark im Jahr. Dieser Betrag entspricht dem bescheidenen Anteil von 0,5 bis 1,0 v. H. der Gesamteinnahmen des Gesamthaushaltes der DDR (nach westlicher Abgrenzung).

 

Zur Gruppe der Gemeinde-St. gehören die folgenden Abgaben:

  • a) die Grund-St.,
  • b) die Vergnügungs-St.,
  • c) die Hunde-St. und
  • d) einige sonstige steuerähnliche Abgaben (Kulturabgabe, Kurtaxen usw.).

 

In der Regel ist die Grund-St. für die Gemeinden die ergiebigste St. (Grundsteuergesetz i. d. F. vom 18. 9. 1970. GBl., SDr. Nr. 676).

 

VIII. Die Kirchensteuer

 

 

Die Kirchen-St. ist in der DDR trotz ihres irreführenden Namens eine freiwillige, nicht einklagbare Geldleistung der Mitglieder der Religionsgemeinschaften zur Finanzierung ihrer Kirchen, des Gemeindelebens und der karitativen Hilfsmaßnahmen.

 

Da das Kirchengeld keine staatliche St. mehr ist, wird die gewünschte Abgabenleistung auch nicht durch die Wirtschafts- und Finanzverwaltung festgesetzt. Hierfür sind seit Gründung der DDR kircheneigene Verwaltungsstellen zuständig. Höhe und Bemessungsgrundlage der Kirchen-St. sind je nach Religionsgemeinschaft verschieden. So ist in den Bistümern der katholischen Kirche seit 1950 Bemessungsgrundlage der Kirchen-St. das Jahresbrutto[S. 1059]einkommen. Vor der Feststellung der tatsächlichen St.-Schuld können jedoch bestimmte, im Detail festgelegte Einkommenskürzungen vorgenommen werden, durch die berücksichtigt wird, wenn Kirchenmitglieder außerordentliche Belastungen zu tragen haben. In den Gliedkirchen des evangelischen Kirchenbundes ist dagegen das Nettogehalt der Gemeindemitglieder Bezugsgrundlage für die Bemessung der Abgabenleistung.

 

Bei der Einziehung dieser St. sind die Kirchenämter auf den guten Willen und die Mithilfe der Gemeindemitglieder angewiesen.

 

Im Juni 1972 hat die Kirchenleitung der evangelischen Kirche ihren 8 Landeskirchen empfohlen, die Kirchen-St. in Abhängigkeit vom Nettoeinkommen zu berechnen und bei der Feststellung der St.-Ansprüche die von den Kirchensteuerämtern erarbeitete einheitliche „Nettotabelle“ zu verwenden (s. Mitteilungsblatt des Bundes Evangelischer Kirchen Nr. 4/1972, S. 59 ff.). In der Tabelle sind die Tarifsätze nach Familienstand und Alter differenziert worden. Zum Beispiel müssen Verheiratete und Ledige über 40 Jahren je nach Einkommenshöhe einen Anteil von 0,3 v. H. (bei Nettoeinkommen von 150 Mark monatlich) bis 3 v. H. (bei einem Nettoeinkommen über 2.000 Mark monatlich) ihres Nettoverdienstes als Abgabe zahlen. Auch in der evangelischen Kirche werden bei der St.-Bemessung außerordentliche Belastungen der Gemeindemitglieder berücksichtigt. Als Mindestbetrag je Kirchenmitglied über 18 Jahren wünscht die evangelische Kirchenleitung die Zahlung von 5 Mark im Jahr. Die von den katholischen Bistümern berechneten Abgaben liegen im Niveau über denen der evangelischen Kirche.

 

Wirtschaft; Finanzsystem; Banken; Staatshaushalt; Finanzkontrolle und Finanzrevision; Kirchen.

 

Hannsjörg Buck


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1050–1059


 

Sterbegeld A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z Stimme der DDR

 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.