DDR von A-Z, Band 1979

Systemtheorie (1979)

 

 

Siehe auch:


 

Das griechische Wort systema bezog sich ursprünglich auf eine geordnete Zusammenstellung, ein strukturiertes Ganzes, eine geordnete Vielfalt. In der Auffassung des Marxismus-Leninismus ist die umfassendste Systemanalyse von Marx, vor allem im „Kapital“ geschaffen worden. Hegels Systemdenken, wie er es vor allem in der „Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften“ (1817) formuliert hat, wird als wesentlicher Vorläufer der marxistischen S. gewertet. Durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technik seien jedoch im 20. Jh. umfassende S. entwickelt worden, die häufig im Rahmen von mathematischen Theorien entstehen. Die gegenwärtigen S. sind nicht mehr so sehr durch holistische Entwürfe, sondern durch mathematisch präzise Definitionen charakterisiert. Dabei spielen, in den S. des Westens wie der DDR. mathematische Theorien und Methoden wie die Topologie, die Funktionentheorie, die Theorie der Graphen, die Matrizen- und die Wahrscheinlichkeitsrechnung sowie die mathematische Statistik die Hauptrolle.

 

In der Sowjetunion wie in der DDR sieht man den Hauptnutzen der S. in ihrer Verbindung zur Kybernetik bzw. zu bestimmten Subtheorien der allgemeinen S. Hier sind vor allem die Regelungstheorie, die Nachrichten- und die Automatentheorie zu erwähnen. Der konkrete Nutzen liegt bei der Anwendung dieser speziellen S. in den Modellierungsmöglichkeiten technischer, militärischer und sozialer Prozesse, die sich in der Realität tatsächlich abspielen.

 

In Anlehnung an Versuche in der Sowjetunion (N. P. Buslenko, E. G. Yugin, J. N. Kovalenko) versucht man auch in der DDR, die wachsende Komplexität techni[S. 1077]scher und anderer S. dadurch zu beherrschen, daß man mit Hilfe einer groß angelegten mathematischen Modellierung (Begriff des sog. „großen Systems“) inhomogene, jedoch untereinander und miteinander verbundene mathematische Modelle zu entwerfen. Dabei spielt die Simulation auf Digitalrechnern eine wesentliche Rolle. Neben diesen Versuchen unternimmt man es in der DDR, mit Hilfe der S. eine allgemeine Theorie und Methodologie der Wissenschaften zu entwerfen. Insofern können auch Theorien sog. ideeller Systeme, z. B. als Theorien von Zeichen- (semiotischen) Systemen sowie von axiomatischen deduktiven Systemen, nach wie vor die Aufmerksamkeit der Wissenschaftstheoretiker und Wissenschaftsplaner in der DDR für sich beanspruchen. Dies gilt trotz der politischen Abwertung der S. auf dem VIII. Parteitag der SED (1971). Marxismus-Leninismus; Soziologie und Empirische Sozialforschung.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1076–1077


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.