
Touristik (1979)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975
[S. 1085]Der Bereich der T. umfaßt Freizeit- und Ferienreisen (Camping, Wochenend-, Sonder- und Wanderfahrten. Pauschalreisen) im Inland (Inlands-T.) und im Ausland (Auslands-T.). Unterschieden wird dabei die passive Auslands-T. (Reisen von Bewohnern der DDR ins Ausland) von der aktiven Auslands-T. (Reisen von Ausländern in die DDR). Die sinnvolle Nutzung und Gestaltung von Urlaub und Freizeit und die Ausnutzung der ökonomischen Möglichkeiten der T. (Abschöpfung des Kaufkraftüberhangs, Förderung wirtschaftlich schwacher Gebiete durch Bildung von Zentren der T., Einnahmen von „harten“ Devisen) sind die Hauptfunktionen der T. in der DDR.
Die touristischen Beziehungen zwischen der DDR und den anderen sozialistischen Staaten werden durch bilaterale Abkommen zwischen den Regierungen, durch Vereinbarungen der staatlichen Organe für Tourismus und auf der Grundlage von Protokollen zwischen den Reisebüros geregelt und ständig weiterentwickelt. Seit 1966 findet eine jährliche „Konferenz der staatlichen Organe für Tourismus der sozialistischen Staaten“ statt, die eine multilaterale Zusammenarbeit ermöglichen soll. u. a. werden die Pläne für den gegenseitigen Touristenaustausch miteinander abgestimmt (z. Z. bis 1980). Die Aufgaben der T. sind in Art. 18 Abs. 3 der Verfassung der DDR verankert. Die T. soll als Element der sozialistischen Kultur neben Körperkultur und Sport der allgemeinen körperlichen und geistigen Erholung der Bürger dienen. Sie ist außerdem ein Teil der vom IX. Parteitag der SED (1976) beschlossenen „Hauptaufgabe der Verwirklichung der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ (Wirtschaft; Lebensstandard). „Zur Verwirklichung der potentiellen Übereinstimmung zwischen den persönlichen und gesellschaftlichen Interessen“ nimmt in der DDR der Staat im Bereich der T. bestimmte „Steuerungsfunktionen“ wahr.
Als Leitungsorgane der T. dienen zentrale Einrichtungen wie der Feriendienst des FDGB, das Reisebüro der DDR sowie das Jugendreisebüro der DDR „Jugendtourist“.
1. Institutionen: a) Feriendienst des FDGB.
b) Reisebüro der DDR: Das Reisebüro der DDR (Generaldirektor: Hans Rudolf Hinzpeter, SED) ist VEB und untersteht dem Ministerium für Verkehrswesen. Es besteht aus der Generaldirektion mit den Direktionsbereichen Inlands-T., sozialistisches und nichtsozialistisches Ausland. Ökonomie und Ausländerbetreuung. Aufgabe des Reisebüros ist die Vermittlung von Leistungen zur „touristischen Bedarfsdeckung“ an die Bevölkerung und an die ausländischen Touristen. Das Reisebüro der DDR ist Gründungsmitglied der Weltvereinigung der Reisebüroverbände (Universal Federation of Travel Agents Associations — UFTAA); es unterhält vertragliche und informatorische Beziehungen zu etwa 30 Reisebüros in sozialistischen und zu über 700 Reisebüros in nichtsozialistischen Ländern. Von 1970 bis 1977 hat das Reisebüro für 3,5 Mill. Bewohner der DDR Inlandsreisen und für 7,2 Mill. Bewohner Auslandsreisen durchgeführt; fast 6 Mill. ausländische Besucher der DDR sind in diesem Zeitraum betreut worden.
c) Jugendreisebüro der DDR „Jugendtourist“ (Jugend; FDJ): Seit der Auflösung des „Komitees für T. und Wandern (KTW)“ 1975 erfolgt die Vermittlung von Reisen an Jugendliche durch das Jugendreisebüro „Jugendtourist“ (Direktor: Klaus Eichler). Vermittelt werden u. a. Aufenthalte in Jugendtouristenhotels, Jugenderholungszentren, Jugendherbergen und auf Jugendcampingplätzen. Reiseanträge werden bei den FDJ-Grundorganisationen gestellt. Über die Vergabe der Reisen entscheiden dann die FDJ-Kreisleitungen bzw. die „Jugendtourist-Kreiskommissionen“. Im Jahr 1977 sind durch „Jugendtourist“ 83.000 Inlandsreisen und 125.000 Reisen ins sozialistische Ausland sowie 58.000 Reisen an Jugendliche aus dem sozialistischen Ausland vermittelt worden.
Inlandstouristik. Der Anteil des Reisebüros der DDR an der Inlands-T. ist gering. Im Jahre 1977 vermittelte es 139.000 Pauschalreisen von durchschnittlich 12tägiger Dauer, außerdem wurden für rd. 4,1 Mill. Reisende Tagesfahrten und für 228.000 Reisende Mehrtagesfahrten organisiert. Träger der Inlands-T. ohne Privat- und Jugendreisen sind in der Hauptsache der Feriendienst des FDGB sowie Betriebe und gesellschaftliche Organisationen. Im Jahre 1977 verbrachten 22 v. H. der insgesamt 2,6 Mill. Ostseereisenden ihren Urlaub in Betriebsheimen und -Zeltlagern, 25 v. H. der Urlauber wurden von FDGB-Feriendienst betreut, und 26 v. H. der Reisenden machten ihren Urlaub auf öffentlichen Zeltplätzen. Lediglich 4 v. H. der Urlaubsreisen wurden vom Reisebüro der DDR vermittelt.
3. Auslandstouristik. a) Reisen ins Ausland (passive Auslands-T.). Wichtigstes Tätigkeitsfeld des Reisebüros ist die Vermittlung von Auslandsreisen. Im Jahr 1977 reisten mit dem Reisebüro rd. 1.102.000 Personen ins Ausland, davon buchten 421.000 mehrwöchige Pauschalreisen. 243.000 Mehrtagsreisen und 438.000 Tagesfahrten. Am beliebtesten ist die CSSR, die mit rd. 677.000 vermittelten Reisen an der Spitze steht, gefolgt von der UdSSR mit 181.000 und Polen mit 108.000 Reisen. Der Anteil der vom Reisebüro der DDR vermittelten Reisen beträgt jedoch weniger als 9 v. H. der insgesamt 12,6 Mill. Auslandsreisen. Nach amtlichen Angaben der DDR fuhren 3,1 Mill. Reisende ins nichtsozialistische und 9,5 Mill. ins sozialistische Ausland. Von diesen reisten 0,1 Mill. nach Bulgarien, je 0,4 Mill. in die UdSSR und nach Ungarn, 4,8 Mill. in die CSSR und 3,8 Mill. nach Polen. Zu einem sprunghaften Anstieg der Reisen 1972 führte die Aufhebung des Paß- und Visumzwanges für den Reiseverkehr zwischen der DDR und Polen und für Reisen in die CSSR. Massenbesuche und Versorgungsstörungen veranlaßten jedoch die Regierungen dieser Staaten zu neuen Reisebeschränkungen, so daß die Ausreiseentwicklung neuerlich (1977/78) eher rückläufig ist.
Die amtlichen Angaben der DDR zur Auslands-T. enthalten auch den innerdeutschen Reiseverkehr (Beziehungen zwischen beiden deutschen Staaten). Aufgrund der seit 1972/73 wirksam gewordenen Erleichte[S. 1086]rungen im Reiseverkehr zwischen den beiden deutschen Staaten haben auch die Reisen ins Bundesgebiet und nach Berlin (West) zugenommen. Von den insgesamt 3,1 Mill. Bewohnern der DDR, die ins westliche Ausland fuhren, machten über 1,4 Mill. Reisen ins Bundesgebiet und nach Berlin (West), darunter waren 1,3 Mill. Reisen von Rentnern und Invaliden und rd. 40.000 Reisen in dringenden Familienangelegenheiten.
Die Ausreiseintensität der DDR ist 1977 auf 75 gestiegen. Im Jahre 1976 lag die DDR wie in den Vorjahren mit 70 Ausreisenden je 100 Einwohner unter den osteuropäischen Staaten mit Abstand an der Spitze der Ausreiseintensität, gefolgt von der CSSR (54), Ungarn (37), Polen (31), Bulgarien (8), Rumänien (2) und der UdSSR (1).
b) Reisen von Ausländern in die DDR (aktive Auslands-T.). Auch die Zahl der Reisen von Ausländern in die DDR ist, wahrscheinlich im wesentlichen durch administrative Erleichterungen bedingt, 1972 sprunghaft angestiegen. Der Stand von 1972 ist allerdings bisher nicht wieder erreicht worden.
Im Jahr 1977 haben mehr Reisende aus dem Ausland und aus dem Bundesgebiet und Berlin (West) die DDR besucht, als sie Einwohner zählt. Der hohe prozentuale Anteil der Reisenden aus den westlichen Ländern (44 v. H.) ist darauf zurückzuführen, daß hierunter auch die rd. 3,0 Mill. Besucher aus dem Bundesgebiet und die rd. 3,4 Mill. Besucher aus Berlin (West) sowie die rd. 2,0 Mill. Tagesbesucher in Berlin (Ost) fallen.
Auch bei der Vermittlung von Einreisen in die DDR ist der Anteil des Reisebüros nicht sehr groß. Im Jahr 1977 sind 775.000 Touristen aus sozialistischen und nichtsozialistischen Ländern vermittelt worden. Bei den Touristen aus den sozialistischen Ländern dominieren die Reisenden aus der CSSR (154.000); es folgen Polen (54.000) und die UdSSR (62.000).
4. Wirtschaftliche Bedeutung. Das wirtschaftliche Interesse der DDR an Besuchern vor allem aus westlichen Staaten beruht auf dem Wunsch. Einnahmen in konvertierbaren Währungen zu erzielen, die zum Ausgleich der stark passiven Handelsbilanz der DDR vor allem gegenüber den westlichen Industriestaaten beitragen sollen (Außenwirtschaft und Außenhandel).
Die zwischen der DDR und den anderen sozialistischen Ländern bestehenden großen Angebots- und Preisunterschiede, besonders im Konsumbereich, haben nach der Aufhebung einer Reihe von Reisebeschränkungen gegenüber den Besuchern aus den RGW-Ländern zu plötzlichen Massenbesuchen und -käufen und schließlich zu Versorgungsstörungen vor allem bei Gütern des täglichen Bedarfs und bei langlebigen Konsumgütern geführt. Gleichzeitig hat die Expansion des Reiseverkehrs eine Verdoppelung bzw. Verdreifachung der Einnahmen bewirkt. Im Jahr 1972 hat die DDR allein 50 Mill. Dollar in konvertibler Währung durch den Fremdenverkehr eingenommen. Die Einnahmen dürften seitdem weiter gestiegen sein, genaue Angaben liegen allerdings nicht vor. Dabei kann davon ausgegangen werden, daß das Verhältnis von Devisenerlösen und Inlandsaufwand bei der T. günstiger ist als beim Waren-Export. Feriengestaltung.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1085–1086