
Wehrerziehung (1979)
Siehe auch die Jahre 1966 1969 1975 1985
Die sozialistische W. soll die Bereitschaft aller Bürger wecken, den militärischen Schutz des Sozialismus zu gewährleisten und sich die für den Verteidigungsfall notwendigen militärisch-technischen Kenntnisse und Fähigkeiten anzueignen. Die Erziehung zum Proletarischen (sozialistischen) ➝Internationalismus, zur „Waffenbrüderschaft“ mit der Sowjetunion und den anderen Staaten des Warschauer Paktes, zur „Liebe zum sozialistischen Vaterland“ und zur „Opferbereitschaft“ für die Errungenschaften des Sozialismus werden als Grundlage der W. gesehen.
Die W. gilt als Bestandteil der gesamten Bildungs- und Erziehungsarbeit in der DDR; sie ist von allen am Bildungs- und Erziehungsprozeß Beteiligten in Zusammenarbeit mit fachkundigen Kräften der bewaffneten Organe und der Zivilverteidigung zu leisten. Sie soll zum einen als übergreifendes bzw. durchgehendes Prinzip in allen Bereichen des Bildungssystems, zum anderen als Aufgabe spezieller Einrichtungen und Veranstaltungen realisiert werden. Die W. umfaßt die politisch-ideologische (wehrpolitische) Arbeit, die Vermittlung militärisch-technischer Kenntnisse und Fähigkeiten und die wehrsportliche Tätigkeit.
Entsprechend der besonderen Bedeutung, die der W. in der DDR beigemessen wird, soll die sozialistische W. bereits Bestandteil der Erziehung in Vorschule und Schulhort sein. So sieht der „Rahmenplan für Bildung und Erziehung im Schulhort“ für den Lernbereich „Sportlich-touristische Betätigung“ für Schüler der 1. Klasse die Vermittlung einfacher touristischer und militärischer Kenntnisse und Fähigkeiten, insbesondere im Geländespiel, vor. In der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ wird die W. der Schulkinder unterstützt; Aufgabe dieser Organisation ist u. a. die Erziehung zur „Liebe und Achtung“ gegenüber den Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Armeen der verbündeten Staaten.
Aufgrund eines Maßnahmeplans des Ministeriums für Volksbildung und des Ministeriums für Nationale Verteidigung wurde die W. der Jugendlichen seit 1971 erweitert und intensiviert. Entsprechend dem Grundsatz, die W. nicht nur in besonderen Einrichtungen und Veranstaltungen zu verwirklichen, sondern als intentionales Prinzip alle Unterrichtsfächer zu durchdringen, finden sich in den neueren Lehrplänen inhaltliche Bestimmungen zur Realisierung der Ziele der W.; das gilt insbesonders für die Fächer Deutsche Sprache und Literatur, Geschichte, Staatsbürgerkunde, Geographie und Sport, aber auch für musische, naturwissenschaftliche und polytechnische Fächer.
Am 1. 9. 1978 wurde gegen den erklärten Widerstand vor allem der Evangelischen Kirchen in der DDR das Fach „Wehrunterricht“ in den 9. Klassen der allgemeinbildenden Schulen eingeführt. Ab 1. 9. 1979 soll dieser für alle Jungen und Mädchen obligatorische Unterricht in den 10. Klassen fortgesetzt werden. Neben dem Wehrunterricht wurde für die Jungen und Mädchen der 9. Klassen ein obligatorischer zweiwöchiger Lehr[S. 1165]gang „Zivilverteidigung“ eingeführt. Parallel dazu sollen, allerdings nur Jungen, auf „freiwilliger Grundlage“ an zweiwöchigen sog. „militärischen Lagern“ teilnehmen.
Darüber hinaus dienen der W. der Jugendlichen die verschiedenen Veranstaltungen der Gesellschaft für Sport und Technik (GST), die „Hans-Beimler-Wettkämpfe“der FDJ für Schüler der 8.–10. Klassen, die Arbeitsgemeinschaften „Wehrausbildung“ für Schüler der 9. und 10. Klassen sowie die vormilitärische Ausbildung für Schüler der 11. Klasse und männliche Lehrlinge bzw. die Sanitätsausbildung (im Rahmen der Zivilverteidigung) für Schülerinnen der 11. Klasse und weibliche Lehrlinge.
Die „Hans-Beimler-Wettkämpfe“ der FDJ für Schüler der 8.–10. Klassen stellen die Hauptform der außerunterrichtlichen wehrpolitischen und wehrsportlichen Tätigkeit der FDJ-Grundorganisationen an den 10klassigen Oberschulen dar; sie umfassen wehrpolitische Foren, wehrsportliche Mehrkämpfe und militärische Geländespiele; sie dienen gleichzeitig der Vorbereitung auf die Kreis- und Bezirks-Wehrspartakiaden der GST (Spartakiaden). Die Arbeitsgemeinschaften „Wehrausbildung“ für Schüler der 9. und 10. Klassen befassen sich mit Grundfragen der Landesverteidigung, Geländeausbildung, Schießausbildung, Zivilschutzausbildung und Sanitätsausbildung; sie sollen die wehrerzieherische Tätigkeit der FDJ, insbesondere die Durchführung der Hans-Beimler-Wettkämpfe, unterstützen. Die FDJ hat zur Förderung der W. der Jugendlichen sog. Militärpolitische Kabinette eingerichtet; berufsberatende Organe bedienen sich dieser Kabinette bei der Gewinnung von länger dienenden Freiwilligen bzw. von Berufssoldaten für die NVA.
Die vormilitärische Ausbildung und die Sanitätsausbildung betreffen alle Schüler und Schülerinnen der 11. Klassen der Erweiterten Oberschulen und der Spezialschulen; sie erfolgen in einem 12tägigen Lehrgang während der Sommerferien. Die Ausbildung wird für die Schüler als vormilitärische Ausbildung, d. h. als vormilitärische Grund- und Laufbahnausbildung, in Verantwortung der GST in zentralen Ausbildungslagern durchgeführt; für Schülerinnen erfolgt sie als Sanitätsausbildung in Verantwortung sowie nach Lehrplänen des Deutschen Roten Kreuzes der DDR. Die vormilitärische Ausbildung der Lehrlinge im Rahmen der Berufsausbildung erstreckt sich über die gesamte Lehrzeit, in der Regel also über 2 Jahre; sie wird im 1. Lehrjahr als vormilitärische Grundausbildung, im 2. Lehrjahr als vormilitärische Laufbahnausbildung durchgeführt. Die Sanitätsausbildung der weiblichen Lehrlinge wird wie die vormilitärische Ausbildung gleichfalls in 2 Etappen absolviert; die Ausbildung in den Sanitätszügen der Zivilverteidigung schließt die Ausbildung „Erste Hilfe“ sowie die Ausbildung zur DRK-Gesundheitshelferin ein.
Weitere Träger der W. sind die Universitäten und Hochschulen; die Ausbildungspläne für W. werden von der GST und dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen vorbereitet; sie sehen die vormilitärische Ausbildung und Vorlesungen über Militärpolitik vor. Wesentliche wehrerzieherische Aufgaben erfüllen die NVA und andere bewaffnete Organe; von Bedeutung ist hier auch die militärpolitische Öffentlichkeitsarbeit der NVA, die u. a. auf die Stabilisierung des Verhältnisses von Bevölkerung und Armee („Einheit von Volk und Armee“) zielt. Aufgaben der sozialistischen W. übernehmen ferner die Reservisten und ihre Kollektive. Ihnen wird der Auftrag erteilt, die W. der Jugend zu unterstützen, die Traditionen der NVA zu pflegen, die Verbindung von aktivem Wehrdienst und Reserve zu halten usw.; die Kampfgruppen der Arbeiterklasse und die Zivilverteidigung; die Parteien und Massenorganisationen; insbesondere die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NDPD) und ihre Publikationsorgane nehmen sich der wehrpolitischen Arbeit an; von Bedeutung für die W. im Betrieb sind u. a. die Gewerkschaftsorganisation; die Kommissionen für sozialistische W. bei den Räten der Bezirke und Kreise; in diesen Kommissionen arbeiten Vertreter der Parteien, der FDJ, der GST, der Gewerkschaft, der NVA und der Wehrbezirks- bzw. Wehrkreiskommandos; ihre Aufgabe ist, einheitliche Ausbildungspläne für die W. zu erarbeiten und allgemein die W. zu unterstützen und zu kontrollieren.
Sozialistische W. soll, wie die Militärpolitik der DDR insgesamt, ausschließlich auf die Verteidigung des Sozialismus und des Friedens gerichtet sein. Angesichts des Umfangs und der Intensität der den gesamten Erziehungs- und Bildungsbereich erfassenden W. sind Ansätze der Verselbständigung militärischer Denk- und Verhaltensweisen nicht auszuschließen und in Teilbereichen militaristische Tendenzen feststellbar, die mit den Prinzipien Friedlicher Koexistenz und den Bemühungen um allgemeine Abrüstung nicht vereinbar sind.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1164–1165
Wehrersatzdienst | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Wehrkreiskommando |