DDR von A-Z, Band 1979

Zentralisation (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1985


 

Z. drückt ein bestimmtes Verhältnis in der Kompetenzverteilung zwischen Strukturelementen einer Organisation aus, in dem die Mehrzahl der Kompetenzen an der Spitze der Organisation zu finden ist. Dieses Verhältnis kann unveränderlich sein (wie in militärischen Organisationen), aber auch (wie in staatlichen oder wirtschaftlichen Organisationen) Veränderungen durch ökonomische oder andere Bedingungen unterworfen sein, wobei (wie im Staats- und Wirtschaftsapparat der DDR) das Ausmaß der Veränderungen durch das Prinzip des Demokratischen Zentralismus politisch begrenzt wird.

 

Der unterschiedliche Grad der Z. ergibt sich aus den Bedingungen und Funktionen der jeweiligen Organisationen. Die Anhäufung von Kompetenzen wird als Zentralisierung verstanden; ihr Gegenteil ist die Dezentralisierung, die im Ergebnis zur Dezentralisation, d. h. zur Verschiebung von bisher der Zentrale vorbehaltenen Kompetenzen auf nachgeordnete Organe führt. Dezentralisation schließt dabei eine erhöhte Entscheidungsmöglichkeit mit der Chance der Durchsetzung ein. Der Begriff der Dezentralisation ist in der DDR in der zweiten Hälfte der 50er Jahre positiv gesehen worden, als zwischen 1956 und 1958 Überlegungen zur Neugestaltung der staatlichen und wirtschaftsleitenden Organisation angestellt wurden. Sie fanden teilweise einen Niederschlag in der Konstruktion der Wirtschaftsräte auf der Bezirks- und Kreisebene. Die Wirtschaftsreformen 1963 (NÖS) und 1968 (ÖSS) führten zu einer Reihe von Dezentralisierungsmaßnahmen; u. a. erhielten die Betriebe Entscheidungsbefugnisse über betriebliche Fonds. Gegenwärtig ist im Wirtschaftsbereich eine verstärkte Z. zu beobachten (Bildung von Kombinaten). Gleichwohl wird unter Wirtschaftswissenschaftlern und -funktionären der DDR weiter über Dezentralisierung diskutiert. Ein Verzicht auf Z. wird grundsätzlich dann abgelehnt, wenn dies als Aufhebung des Prinzips des demokratischen Zentralismus verstanden wird. Dies müßte in der Sicht der SED-Führung zur Auflösung bestehender Strukturen bzw. zur Verlagerung von Kompetenzen zugunsten örtlicher oder betrieblicher Interessen führen und könnte gesamtgesellschaftliche Interessen verletzen sowie Tendenzen der Selbstverwaltung fördern. Im Wirtschaftsbereich würden dadurch bisherige Anleitungsformen aufgehoben und die Betriebe der zentralen Leitung und Planung entzogen.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1203


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.