
Zins und Zinspolitik (1979)
I. Begriffsbestimmung
Der Z. stellt auch in einer sozialistischen Zentralplanwirtschaft einen Preis dar, den ein Nachfrager dafür bezahlen muß. daß ihm leihweise Geldkapital überlassen wird. Für den Nachfrager stellt der Z. einen Kostenfaktor dar (= Aufwandsmaß). Dieser signalisiert ihm, wie teuer die Inanspruchnahme von Fremdkapital ist. Für den Kapitalgeber ist der Z. die Vergütung für den Verzicht auf Liquidität und eine Risikoprämie für seine Bereitschaft, dem Nachfrager befristet Geldkapital zur eigenen Nutzung zur Verfügung zu stellen.
II. Bedeutung der Zinspolitik
Der Zp. kommt heute bei der Steuerung der Wirtschaft der DDR eine herausgehobene Bedeutung zu. Auf diesem Aktionsfeld der Wirtschaftspolitik sind die lenkungstechnischen Neuerungen, die während der Wirtschaftsreformjahre (1963–1970) entwickelt und eingeführt worden sind, beim Kurswechsel 1971 nicht wieder liquidiert, sondern ― z. T. in modifizierter Form ― beibehalten worden. Daher ist die Zp. in der DDR ein überzeugender Hinweis darauf, daß trotz der Rezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen auch weiterhin eine intensive monetäre Wirtschaftslenkung mit „ökonomischen Hebeln“ betrieben wird.
Auf die Hilfe des Z. bei der indirekten Steuerung der ökonomischen Entscheidungen von Wirtschaftsbetrieben und Haushalten und bei der Vermittlung von Anstößen zur Erhöhung der Effizienz der Wirtschaftsprozesse können auch in einer nach sowjetischem Muster organisierten Zentralplanwirtschaft Regierung und Wirtschaftsführung nicht verzichten. Der Z. gilt als brauchbarer „ökonomischer Regulator“, um die Nachfrage nach Geldkapital zu steuern und um die wirtschaftlichen Aktivitäten speziell von Wirtschaftsunternehmen zu lenken.
In einer zentral gelenkten Wirtschaft mit staatlichem Eigentum an den Produktionsmitteln können Wirtschaftsunternehmen bei Zahlungsunfähigkeit nicht Konkurs gehen. Der Staat muß vielmehr durch Sonderkredite über die Banken oder durch verlorene Zuschüsse aus dem Staatshaushalt illiquide Betriebe und Betriebsvereinigungen wieder sanieren. Daher ist in der DDR die Zp. eines der wichtigsten monetären Druckmittel, um einem Leistungsabfall in den Betrieben vorzubeugen und um eine effiziente Verwertung der leistungsschwachen Wirtschaftsunternehmen zugebilligten Kredithilfen zu gewährleisten. Aus diesem Grunde müssen in der DDR Straf- und Verzugs-Z. die Rolle des fehlenden freien Wettbewerbs und die Mobilisierungswirkung der Konkursfurcht übernehmen.
III. Begründungsprobleme
Stets haben marxistische Politökonomen große Schwierigkeiten gehabt, überzeugende Begründungen dafür zu finden, weshalb auch eine zentralgelenkte Staatswirtschaft auf die Erhebung von Z. nicht verzichten kann.
Marx hatte eine Wesenserklärung des Z. geliefert, nach der es von orthodoxen Marxisten als ein Verstoß gegen die „reine Lehre“ verstanden wurde, wenn auch in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung Z.-Lasten berechnet und Z.-Zahlungen verlangt werden.
In seinen Studien über die Funktionsweise der kapitalistischen Marktwirtschaft hatte sich Marx u. a. recht intensiv damit beschäftigt, welche Rolle dem Leihkapital für das Wachstum von Produktionskapazitäten und für die Verschärfung von Wirtschaftskrisen zukommt.
In Verbindung mit der Analyse der Bedeutung des Leihkapitals untersuchte er ferner das Wesen des Z. (s. K. Marx, „Das Kapital“, Bd. III, Berlin [Ost] 1965, Abschnitt V, S. 350–403). Er kam dabei zu dem Ergebnis, daß der Z. kein „Abkömmling des Kapitals“ ist. Dieser sei somit nicht der natürliche Ertrag des ausgeliehenen und investierten Kapitals, den wagemutige Unternehmer für sich beanspruchen könnten. Vielmehr sei der Z. eine besondere Form des „Mehrwerts“. Geschaffen hätten diesen „[S. 1207]Neuwert“ (= Wertschöpfung = Reineinkommen) allein die Arbeiter. Die von ihnen genutzten Kapitalgüter (Produktionsmittel) wären ja, sozusagen allein aus sich heraus, nicht in der Lage, „Mehrwert“ zu produzieren. Deshalb eigne sich der Verleiher von Geldkapital, dessen überschüssige Mittel von einem Unternehmer zur Erzeugung von zusätzlichen Waren genutzt werden, über die einkassierten Z. einen Teil der Erträge an, der den Beschäftigten bei der Lohnbemessung vorenthalten wird.
Vor dem Hintergrund dieser Marxschen „Ableitungen“ fiel es den Wirtschaftswissenschaftlern in den kommunistisch regierten Staaten naturgemäß schwer, eine ideologisch abgesicherte Deutung und moralisch nicht anfechtbare Erklärung dafür zu finden. daß dem Z. im Sozialismus nichts Ausbeuterisches anhaftet. Ferner war zu „beweisen“, daß in einem sozialistischen Wirtschaftssystem der Z. keine Macht besitzt, um die Produzenten zu wirtschaftlich nicht vertretbaren Handlungen zu veranlassen und Wirtschaftskrisen heraufzubeschwören. Und letztlich mußten die Politökonomen in der DDR wie in den anderen RGW Staaten eine Rechtfertigung dafür liefern, warum an Privathaushalte Haben-Z. für erworbene Staatsanleihen und für Sparguthaben bei den Sparkassen gezahlt werden und weshalb sogar Staatsbetriebe von „volkseigenen Banken“ Z.-Einkommen für ihre Einlagen beziehen. Denn die Klassiker des Marxismus-Leninismus und die frühen Sozialisten hatten doch prophezeit, daß in einer sozialistischen Wirtschaftsordnung keiner Person die Möglichkeit eingeräumt würde, „arbeitsloses Einkommen“ zu beziehen, solange sie noch ihren Lebensunterhalt durch Arbeitsleistungen zu verdienen in der Lage ist. Einen Ausweg bot folgendes stereotyp angewandte Rechtfertigungsmuster. Nach diesem Interpretationsmechanismus hat der Z. im Sozialismus einen neuen „positiven Inhalt“ bekommen. Lediglich seine „äußere Hülle“ sei noch der des Z. im Kapitalismus ähnlich:
„Wie bei allen ökonomischen Kategorien wird auch beim Zins der Inhalt durch die Wesenzüge des jeweiligen Gesellschaftssystems bestimmt. Zwischen Wesen, Funktionen und Wirkungsweise des Zinses im Sozialismus und Kapitalismus besteht daher keine Konvergenz …
Im Sozialismus wirkt der Zins auf einer eigenen sozialökonomischen Basis. Das bedeutet, daß der Zins nicht nur einen anderen Inhalt erhält, sondern daß sich auch sein Wirkungsmechanismus völlig neu profiliert …
(So) ergibt sich … die Notwendigkeit des Kreditzinses … objektiv aus dem von den ökonomischen Gesetzen des Sozialismus herrührenden Zwang, den geplanten Krediteinsatz im Rahmen der wirtschaftlichen Rechnungsführung der Betriebe und Kombinate zu ökonomisieren“ (vgl. W. Ehlert, D. Hunstock, K. Tannert. Hrsg., „Geldzirkulation und Kredit in der sozialistischen Planwirtschaft“, Berlin [Ost] 1976, S. 142).
IV. Zinsarten
In der Zentralplanwirtschaft der DDR werden 5 Arten von Z. unterschieden:
1. Z.-Sätze in Form normativer Aufwandsgrößen. Diese Rechenposten werden benötigt, wenn Staatsbetriebe und Wirtschaftsbehörden bei der Prüfung von Investitionsvorhaben Nutzeffektsermittlungen durchführen.
2. Z.-Sätze in Gestalt von Produktionsfondsabgaben.
3. Kredit-Z. (Soll-Z. oder Aktiv-Z. der staatlichen Banken),
4. Haben-Z. von Einlegern z. B. für Sparguthaben bei den staatlichen Banken und Sparkassen (= Passiv-Z. der Kreditinstitute),
5. Verzugs-Z. für Forderungen im Zahlungsverkehr vom Tage der Fälligkeit an.
A. Zinssätze in Form normativer Aufwandsgrößen
In den Zentralplanwirtschaften der sozialistisch/kommunistisch regierten Staaten gibt es keinen Markt, auf dem autonome Anbieter und Nachfrager von Kapital Leistungen austauschen. Dementsprechend besteht in diesen Volkswirtschaften auch kein einheitlicher Preis für Kapital in Form des „Kapitalmarkt-Z.“. In den Marktwirtschaften spiegelt dagegen der Kapital-Z. die zu einem gegebenen Zeitpunkt bestehenden Verwertungschancen für Kapital und die Kosten der Kapitalbeschaffung wider.
Jedoch können es sich diese Wirtschaftssysteme nicht leisten, darauf zu verzichten, den Nutzen von alternativ verwertbarem Geld und Sachkapital preislich zu taxieren und die Knappheit von Kapital durch die Bestimmung eines Z. zu bewerten. In der DDR sind als Ersatz für den dort fehlenden Kapitalmarkt-Z. staatlich diktierte „Aufwandsnormative“ eingeführt worden. Diese „Papier-Z.“ werden als „Rückflußdauer-Normativ“ oder als „normativer Nutzenkoeffizient“ festgelegt. Sie dienen bei der Berechnung des Nutzeffekts von ge[S. 1208]planten Investitionen als Entscheidungs- oder Auslesemaßstab. Mit Hilfe dieser „Ersatz-Z.“ versuchen Wirtschaftsorgane und Betriebe herauszufinden, ob der erwartete Ertrag der vorgesehenen und geprüften Investitionsvorhaben über oder unter der von den Planungsorganen geforderten Mindestrentabilität liegt (Investitionsrechnung).
In der DDR hat die Wirtschaftsführung verfügt, daß im Prinzip nur diejenigen Investitionsvorhaben in allen Wirtschaftszweigen als rentabel akzeptiert werden dürfen, deren Investitionskosten innerhalb von 5 Jahren durch Gewinne rückerstattet werden können (= Gewinne vor Steuern plus erwirtschaftete Amortisationen), die mit Hilfe der jeweils geplanten Investition erwirtschaftet worden sind. Die „normativ (festgelegte) Rückflußfrist der Investitionskosten beträgt also 5 Jahre. Wird dieses Rentabilitätsziel nicht als Zeitmaß festgelegt, sondern als „normativer Nutzenkoeffizient“ vorgegeben, so beträgt er für alle Investoren in der Staatswirtschaft 0,2 v. H. Dieses Normativ entspricht, übersetzt in die Fachsprache der westlichen Betriebswirtschaft, einer Soll-Rentabilität des eingesetzten Kapitals von jährlich 20 v. H.
B. Zinssätze in Gestalt von Produktionsfondsabgaben
Seit 1966/67 müssen die staatseigenen Betriebe der DDR eine prozentuale Abgabe, bezogen auf das eingesetzte Kapital (= Anlage- und Umlaufvermögen = Produktionsfonds), an den Fiskus zahlen. Die mit der Einführung dieser neuen Abgabe für die Wirtschaftsverwaltung entstandenen Probleme einer sachgerechten Bemessung und Erhebung dieser „Gewinnkürzungssteuer“ konnten lange Zeit nicht zufriedenstellend gelöst werden. Erst nach einer Erprobungszeit von fast 4 Jahren hat die Regierung der DDR am 16. 12. 1970 ein Gesetz verabschiedet, das die Staatsbetriebe aller Wirtschaftszweige zur Zahlung von „Fondsabgaben“ verpflichtete. (Vgl. die VO über die Produktionsfondsabgabe vom 16. 12. 1970, GBl. II, 1971, S. 33 ff.)
In der Regel beträgt die Abgabenverpflichtung 6 v. H. vom durchschnittlich im Wirtschaftsjahr eingesetzten Anlage- und Umlaufvermögen. Soweit einzelne Industriezweige mit einer hohen Kapitalintensität erfahrungsgemäß nur vergleichsweise geringe Erträge erwirtschaften, wird die prozentuale Abgabelast gesenkt. Betrachtet man die Merkmale der Produktionsfondsabgabe in der DDR, so weisen sie zahlreiche Ähnlichkeiten mit dem „Kapital-Z.“ in den westlichen Marktwirtschaften auf.
Bis Mitte der 60er Jahre hatte die Marxsche Wesenserklärung des Z. verhindert, daß auch im Wirtschaftssystem der DDR die Knappheit des Produktionsfaktors „Kapital“ durch die Berechnung eines „Kapital-Z.“ in der betrieblichen Wirtschaftsrechnung anerkannt wurde. Kapital hatte daher im Rechnungswesen der staatlichen Betriebe keinen Preis. Sein Einsatz, gleich in welcher Menge, kostete somit nichts. Dies verführte die Betriebsleitungen dazu, Produktionsmittel zu hamstern. Die hierdurch verursachte Verschwendung von Kapitalgütern minderte empfindlich die Kapitalproduktivität der DDR-Wirtschaft.
Mit der Einführung der Produktionsfondsabgabe Mitte der 60er Jahre hoffte die Wirtschaftsführung, der Kapitalverschwendung ein Ende zu setzen. Um ihre Notwendigkeit zu begründen und den wirtschaftlichen Sinn dieser Abgabe zu beschreiben, machten die Politökonomen der DDR zahlreiche Anleihen bei der Z.-Theorie der westlichen Industriestaaten. Der Kapital-Z. in Gestalt der Produktionsfondsabgabe ist danach „Maß und Geldausdruck für den einmaligen Aufwand“ von Kapital für eine bestimmte Investition. Derjenige Betrieb, der dieses Kapital erhält, gewinnt dadurch einen Produktionsvorteil. Deshalb muß er für dieses „Verwendendürfen“ einen bestimmten Preis zahlen. Denn bei jeder Investition in einem Staatsbetrieb entsteht „ … der Gesellschaft (ein) Aufwand … dadurch, daß sie (dem Betrieb) Produktionsfonds erst einmal vorschießen muß“, damit dieser eine Produktion aufnehmen kann (Harry Nick). Dieser „Fondsvorschuß“ besitzt im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Abwägung der günstigsten Verteilung des Investitionskapitals auf die vorhandenen Investitionsmöglichkeiten einen bestimmten Wert. Wird nun das beantragte Kapital einem Staatsbetrieb bewilligt und dort für eine gewisse Zeit in einer bestimmten Investition gebunden, so hat die Genehmigung für diese zeitliche Bindung des von der „Gesellschaft“ vorgeschossenen Kapitals seinen Preis. Die Übersetzung dieses Zeitfaktors in eine wirtschaftliche Kostengröße ist der Kapital-Z. Hinter dieser inhaltlichen Charakterisierung der Produktionsfondsabgabe als Kapitalzinsersatz steht folgende Überlegung: Wenn bei der Konkurrenz der Staatsbetriebe um die Zuteilung der bewirtschafteten Kapitalgüter ein bestimmter Betrieb begünstigt wird und die erforderlichen Investitionsmittel erhält, um sein vorgeschlagenes Investitionsprojekt durchzuführen, so soll er für diesen Vorteil einen Preis zahlen. Denn gleichzeitig müssen angesichts der knappen Kapitaldecke andere Betriebe zurückstehen. Ihre Investitionsziele können nach der getroffenen Entscheidung erst zu einem späteren Zeitpunkt verwirklicht werden.
Damit erkennt jetzt auch die marxistisch-leninistische Politische Ökonomie an, daß ebenfalls in sozialistischen Wirtschaftssystemen die Knappheit von Kapital durch die Bestimmung eines Preises (= Z.) für die Verwertung von Kapitalgütern berücksichtigt werden muß.
Wie bereits dargelegt worden ist, verlangt die Wirtschaftsführung von den Betrieben, daß jede projektierte Investition bei den Nutzeffektberechnungen in der Planungsphase eine Mindestrentabilität von 20 v. H. versprechen muß. Andernfalls wird der Bewilligungsantrag des Betriebes von den zuständigen Wirtschaftsorganen abgelehnt, weil die Ergiebigkeit des neu zu investierenden Kapitals zu gering ist. (Ausnahmen von dieser Entscheidungs- und Ausleseregel sind allerdings üblich.)
Demgegenüber beträgt die Produktionsfondsabgabe in der Regel „nur“ 6 v. H., bezogen auf das eingesetzte Anlage- und Umlaufvermögen. Diese Differenz zeigt, daß es in der DDR „von Amts wegen“ einen gespaltenen Kapital-Z. gibt.
Daraus folgt: Die Produktionsfondsabgabe ist eine [S. 1209]Mindestforderung, welche die Regierung an die Staatsbetriebe stellt, um diese zu einer intensiven Nutzung des bereits investierten Kapitals anzuspornen und um sie zu einer Steigerung ihrer Unternehmenserträge (Umsatzerlös, Gewinn) zu bewegen. Dagegen stellt die normativ festgelegte Soll-Rentabilität von 20 v. H. die von der Regierung geforderte Verzinsung des Kapitals bei Neuinvestitionen dar.
Damit wird deutlich, daß die Produktionsfondsabgabe bei der Verteilung des neugebildeten Kapitals in möglichst ertragreiche Verwendungen nur einen relativ bescheidenen Lenkungseffekt ausübt. In ihr ist möglicherweise eine unterste Rentabilitätsschwelle zu sehen, welche die Wirtschaftsführung gerade noch toleriert, wenn in Sonderfällen ― für ein bestimmtes Projekt von politischer Bedeutung ― Investitionsmittel angefordert werden.
C. Kreditzinsen als Regulatoren
Ohne ähnliche Vorbehalte, wie sie gegenüber der Rehabilitierung des Kapital-Z. bestanden, sind in der Wirtschaftsgeschichte der osteuropäischen Volkswirtschaften die Kredit-Z. behandelt worden. Ihre ideologische Rehabilitierung beanspruchte nicht mehrere Jahrzehnte.
1. Zinsen für Leihkapital --- ein unverzichtbarer Bestandteil einer sozialistischen Geldwirtschaft
Daß eine Verteilung von Geldkapital zum Null-Tarif an Betriebe (z. B. in Form von Forderungs- oder Umlaufmittelkrediten) und an Privatpersonen (z. B. als Konsumentenkredite) einer ökonomisch untragbaren Vergeudung von Geld und Sachkapital Vorschub leisten würde, sah die politische Führung der UdSSR bereits Anfang der 20er Jahre ein, nachdem das gegen Ende des Kriegskommunismus (1919 – März 1921) bevorzugte Konzept einer naturalwirtschaftlich organisierten Befehlswirtschaft gescheitert war.
Außerdem hätte eine solche „Politik des leichten Geldes“ die ohnehin stets vorhandene Gefahr der Entstehung von Kaufkraftüberhängen noch verschärft. Denn eine zinslose Kreditvergabe führt nahezu zwangsläufig zu einer immensen Aufblähung des Kreditvolumens. Und dies hat wiederum eine Übernachfrage, verbunden mit Kaufkraftstauungen, zur Folge.
Angesichts dieser vorhersehbaren Folgen ihrer Zp. entschloß sich die Regierung der UdSSR bald nach der Restaurierung der Geldwirtschaft (ab 1921/22), den Kreditnehmern der staatlichen Banken wieder Z. für die von ihnen geliehenen Gelder abzuverlangen. Diese Grundsatzentscheidung wurde während der Industrialisierungsphase der Sowjetunion (1927/28–1942) noch einmal ausdrücklich bekräftigt, als die Kreditwirtschaft der Bankenorganisation in mehreren Etappen (beginnend mit der Neuordnung des Kreditwesens am 30. 1. 1930) reformiert wurde.
Nach dem II. Weltkrieg ist auch in Osteuropa und in der SBZ/DDR die in der UdSSR praktizierte Kredit- und Zp. eingeführt worden. In der DDR wird seitdem nach sowjetischem Vorbild der Kredit-Z. als ein staatlich festgesetztes Entgelt für die zeitweilige Inanspruchnahme von Geldfonds (Geldkapital) der staatlichen Banken definiert.
Mitte der 50er Jahre erlaubte die Regierung der DDR den Wirtschaftseinheiten, die Z. für diejenigen Kredite, deren Aufnahme durch Planaufgaben bedingt und somit gerechtfertigt ist, als Kosten im betrieblichen Rechnungswesen zu verbuchen. Diese Maßnahme war ein weiterer Schritt auf dem Wege zu einer begrenzten Entideologisierung der Zp. Bis dahin mußten die VEB ihre Zahlungsverpflichtungen bei Schuld-Z. aus den erwirtschafteten Gewinnen begleichen. Allerdings blieb ihnen noch immer untersagt, Z. für Überbrückungskredite als Kosten zu verrechnen, wenn ein außerordentlicher Liquiditätsbedarf durch Fehlentscheidungen des Managements der VEB verursacht worden ist.
Die gleiche Beschränkung wurde auch für „Straf-Z.“ aufrechterhalten. „Straf-Z.“ können in der DDR die staatlichen Banken den Betrieben auferlegen, wenn diese z. B. ihre aufgenommenen Kredite nicht rechtzeitig zurückzahlen. Daran hat sich bis Ende der 70er Jahre nichts geändert. Denn in einer staatlich gelenkten Volkswirtschaft erledigen die Banken nicht nur Geld- und Kreditgeschäfte; sie haben darüber hinaus auch eine Erziehungsaufgabe gegenüber den Wirtschaftsunternehmen zu erfüllen. Demgemäß sollen sie Z.-Variationen dazu nutzen, um die Wirtschaftsunternehmen zu Plantreue, Wirtschaftlichkeit und Zahlungsdisziplin anzuhalten.
Allerdings dürfen die Banken die Wirtschaftsunternehmen nicht willkürlich mit monetären Sanktionen unter Druck setzen. Seit 1964 können die Kreditinstitute Wirtschaftsunternehmen nur dann mit „Straf-Z.“ belasten, wenn diese Sanktion ausdrücklich in den geschlossenen Kreditverträgen verankert wurde und ferner festgelegt worden ist, welche Vertragsverletzungen des Betriebes die Erhebung von Straf-Z. rechtfertigen.
Die etwa 1954/55 erfolgte Anerkennung von Z.-Zahlungen für plankonforme Kredite als Betriebskosten dient dem Ziel, die Aussagefähigkeit der Wirtschaftlichen Rechnungsführung auf der Ebene der Betriebe und Kombinate zu erhöhen. Die Wirtschaftsführung hatte festgestellt, daß eine ökonomisch aussagefähige Messung der Wirtschaftlichkeit und Rentabilität der Unternehmen nicht zu erreichen war, wenn aus ideologischen Gründen zu viele Aufwandsgrößen aus der Kostenrechnung und Erfolgsermittlung herausgenommen und nur in Nebenrechnungen erfaßt werden.
[S. 1210]
[S. 1211]
2. Wirtschaftssteuerung durch dirigistische Kreditzinsvariationen
Wie oben erwähnt, werden in der DDR Betriebe als Kreditnehmer mit ordentlichen und — bei Verstößen gegen Vereinbarungen der Kreditverträge — mit außerordentlichen Z.-Forderungen belastet:
Regel-Z. zahlen die Schuldnerbetriebe für plangemäße Investitions-, Umlaufmittel- und Forderungskredite.
Sofern „Problem-Betriebe“ gegen ausdrückliche Vereinbarungen der Kreditverträge verstoßen, erhält der Gläubiger das Recht, die vorab im Vertrag festgeschriebenen Sanktionen gegen den unkorrekt handelnden Betrieb zu verhängen. Gläubiger der Staatsbetriebe sind aufgrund des in allen sowjet-sozialistischen Zentralplanwirtschaften bestehenden Kreditvergabemonopols der staatlichen Banken immer Geld- und Kreditinstitute. Die häufigste von den Banken angewandte Sanktion bei Vertragsverletzungen ist die Erhebung von „Straf-Z.“.
Der „Grundzinssatz“ für Kredite im Interesse einer korrekten Erfüllung der Betriebspläne beträgt für Wirtschaftsunternehmen aller Branchen seit einigen Jahren 5 v. H. pro Jahr.
Dieser „Basiszinssatz“ repräsentiert nach einer halbamtlichen Erläuterung die durchschnittliche „volkswirtschaftliche Anforderung an einen bestimmten Teilnutzen, (den der Darlehensnehmer) aus der kreditierten Maßnahme zu erwirtschaften (hat) und der zusammen mit der Kredittilgung an die Bank abzuführen ist“ (Ökonomisches Lexikon, Bd. II, L-Z, Berlin [Ost] 1970, S. 1204).
Die Parallelen zwischen dieser Kennzeichnung der Kredit-Z. und der offiziösen Charakterisierung der Produktionsfondsabgabe sind nicht zu übersehen. Werden doch in der DDR die Fondsabgaben als „Mindestanforderung des Staates an die (von den Betrieben organisierte) Nutzung der Produktionsfonds“ und als „Vorabverfügung“ der Regierung auf die erwartete Gewinnerzielung bezeichnet.
Die staatlichen Geschäftsbanken können bei Kreditverhandlungen den Wirtschaftsunternehmen auch niedrigere Z. als 5 v. H. einräumen. Eine solche Kürzung des Grundzinssatzes ist bis auf eine Mindestverzinsung von 1,8 v. H. jährlich zulässig. In welchen Fällen die Banken den Betrieben Z.-Vergünstigungen gewähren, liegt jedoch nicht im freien Ermessen der Kreditinstitute. Diese müssen sich bei ihren Kreditgeschäften nach den Handlungsanweisungen richten, die im Kreditpolitik-Gesetz festgelegt worden sind, das der Ministerrat in Zusammenarbeit mit der Staatsbank beschlossen hat (Kredit-VO sozialistische Betriebe vom 22. 12. 1971, GBl. II, 1972, S. 41 ff., i.d.F. der Bekanntmachung vom 15. 5. 1974, GBl. I, S. 235).
Wirtschaftsunternehmen erhalten dann zinsverbilligte Kredite, wenn die Betriebe sich bereit erklären, Investitionsvorhaben durchzuführen, die in besonderem Maße den wirtschaftspolitischen Zielen der Regierung entsprechen. Dazu gehören z. B. kostspielige Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zur Produktverbesserung exportfähiger Güter, die ― bei erfolgreichem Abschluß ― dem betreffenden Betrieb einen deutlichen Wettbewerbsvorsprung auf den internationalen Märkten verschaffen.
Die Verbilligung der Kreditkosten soll dem Betrieb einen Teil des Risikos abnehmen und die Bereitschaft der Betriebsleitung zur Entwicklung neuer bzw. zur Verbesserung vorhandener Produkte stärken. Außerdem nutzen Wirtschaftsführung und Banken das Angebot von Z.-Ermäßigungen dazu, um bestimmte volkswirtschaftliche Schwerpunktaufgaben beschleunigt durchzuführen. Zu diesem Zweck werden seit einigen Jahren in verstärktem Maße betriebliche Initiativen zur komplexen Intensivierung und Rationalisierung der Produktionsprozesse durch Bereitstellung zinsverbilligter Kredite gefördert.
Gezielte Z.-Verbilligungen und Z.-Verteuerungen sollen dem Staat ferner die Möglichkeit verschaffen, die Investitionstätigkeit in privilegierten Wirtschaftszweigen zu aktivieren und sie in nichtprivilegierten Branchen durch „Hochzins-Bremsen“ zu drosseln. Eine punktuelle Manipulation der Z.-Höhe zur Regulierung der Unternehmensaktivitäten in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen verspricht jedoch nur dann Erfolg, wenn die leitenden Wirtschaftsorgane darauf achten, daß der Einsatz und die Wirkungen aller anderen geld- und finanzpolitischen „Hebel“ aufeinander abgestimmt sind und sich bei der Zielerfüllung gegenseitig unterstützen. Zu diesen „monetären Regulatoren“ gehören die Gewinnsteuern Nettogewinnabführung), die Abgaben auf das eingesetzte Anlage- und Umlaufvermögen, die normativ vorgegebenen Abschreibungssätze, die Gebühren, die Subventionen und nicht zuletzt die überwiegend zentral festgelegten Preise.
Verletzt ein VEB oder Kombinat seinen Kreditvertrag, den er mit seiner Hausbank geschlossen hat, so kann diese zusätzlich zu dem im Vertrage vereinbarten Kredit-Z. noch einen Sanktions-Z. verlangen.
Dieser Strafzuschlag darf bis 5 v. H. betragen. Insgesamt können somit die Banken in der DDR vertragsbrüchigen Betrieben Z.-Lasten bis maximal 10 v. H. jährlich auferlegen.
In der Regel bestehen im Wirtschaftssystem der DDR Verstöße gegen Abmachungen in Kreditverträgen darin, daß die Staatsbetriebe aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten ihre Kreditschulden nicht termingerecht tilgen. Diese „überfälligen Kredite“ sind eine Gefahr für die Geldwertstabilität, denn sie bewirken eine unvorhersehbare überplanmäßige Erhöhung des Giralgeldumlaufs und, sofern damit auch Lohnzahlungen finanziert werden, eine [S. 1213]unerwünschte Ausdehnung der monetären Nachfrage und des Bargeldumlaufs.
Eine für die Wirtschaftsplaner unerwartete Vermehrung der Geldmenge in den Händen der Wirtschaftseinheiten wird aber nicht nur dadurch verursacht, daß die Verschuldung der Staatswirtschaft bei den „überfälligen Krediten“ unvorhergesehen stark zunimmt. Eine außerplanmäßige Geldschöpfung erfolgt darüber hinaus auch dann, wenn Staatsbetriebe über ihren zu Beginn des Planjahres festgelegten Kreditplafonds hinaus (= Kredit(plan)limit = maximale Inanspruchnahme von Kreditmitteln) während der laufenden Wirtschaftsperiode noch um weitere Kredithilfen bei den Banken nachsuchen, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Diese planwidrige Geldschöpfung bedroht die monetäre Stabilität. Da in der DDR bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Staat seine Betriebe durch weitere Kredite unterstützen muß, sind auch in diesem Falle drückende Z.-Lasten ein wirksames Mittel, um die Wirtschaftsunternehmen zu höheren Leistungen und einem solideren Finanzgebaren anzuhalten. Denn die von den Banken diktierten Hoch-Z. führen zu einer außerordentlichen Verminderung der Gewinne und damit zugleich zu einer Kürzung der Geldprämien für die Betriebsleitungen und Belegschaften.
Um den Rückstrom der außerplanmäßigen Kredite zu beschleunigen und damit sicherzustellen, daß die umlaufende Geldmenge wieder verringert wird (= Geldvernichtung), können die Hausbanken der Staatsbetriebe ebenfalls bei diesem Kredittyp Strafzinszuschläge zum „Grundzinssatz“ bis maximal 5 v. H. verhängen.
Zahlen die Betriebe ihre Zusatzkredite vorzeitig in Raten zurück, so verringert sich die gesamte Kreditsumme als Grundlage für die Berechnung der Sonder-Z. jeweils um den getilgten Kreditbetrag. Die Pflicht zur Zahlung von Straf-Z. endet dann, wenn der Betrieb die Folgen seiner planwidrigen Verhaltensweise beseitigt hat. Daher dienen in der DDR staatlich angeordnete Kreditzinsmanipulationen auch zur Bekämpfung eines Geldüberhangs.
Eine zinspolitische Sonderform der Prämiierung von Höchstleistungen ist letztlich die Rückerstattung von „Straf-Z.“. Benötigt ein außerplanmäßig verschuldeter Betrieb z. B. nur die Hälfte der Zeitspanne, die ihm seine Bank zugebilligt hat, um seinen Überbrückungskredit zu tilgen, so kann das Kreditinstitut diese besondere „Kraftanstrengung“ dadurch honorieren, daß sie dem in einen „Musterbetrieb“ verwandelten früheren Schulden-Unternehmen die bezahlten Straf-Z. wieder zurückerstattet. In der Regel enthalten die meisten der in der DDR zwischen Banken und Wirtschaftsunternehmen geschlossenen Verträge über die Gewährung außerordentlicher Kredithilfen eine solche „Rückerstattungsklausel“.
3. Zinsverzichte als Mittel der Sozialpolitik
Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland ist auch in der DDR der Verzicht auf die Erhebung von Kredit-Z. ein Instrument der Sozialpolitik. Für die entgangenen Z.-Einnahmen werden die Banken aus dem Staatshaushalt entschädigt.
In der DDR erhalten junge Eheleute und besonders bedürftige kinderreiche Arbeiterfamilien einmalig zinslose Kredite bis zu einer bestimmten staatlich festgesetzten Höhe (Familiengründungsdarlehen und Konsumentenkredite für langlebige Gebrauchsgüter). Kredite zum Null-Z.-Tarif oder zu einem ermäßigten Z.-Satz werden ferner an Arbeiterfamilien mit 3 und mehr Kindern ausgezahlt, denen die Erlaubnis zum Bau eines Eigenheims erteilt worden ist. Z.-Vergünstigungen erhält letztlich auch der z. T. mit Krediten finanzierte ländliche Wohnungsbau.
D. Guthabenzinsen und ihre Rolle bei der Steuerung wirtschaftlichen Verhaltens
1. Nach Eigentumsformen der Wirtschaftseinheiten differenzierte Guthaben-Zinsen
In der DDR werden die Einlagen der Staatsbetriebe auf den bei ihren Hausbanken unterhaltenen Spezialkonten (= Finanzfondskonten) einheitlich mit 1 v. H. verzinst. Ausgenommen von dieser Verzinsung sind allerdings die von den Betrieben noch nicht sofort in Anspruch genommenen Subventionen aus dem Staatshaushalt, sofern diese vorzeitig aus der Staatskasse überwiesen wurden.
Gegenüber den staatseigenen Betrieben erhalten die Konsumgenossenschaften, die Wohnungsbaugenossenschaften und die Molkereigenossenschaften der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) für ihre Guthaben etwas höhere Z. Bei einer Anlagedauer von 12 bis 24 Monaten betragen diese 2 v. H. jährlich. Werden die Überschußreserven 24–36 Monate stillgelegt, so wird den Genossenschaften eine Verzinsung von 3 v. H. jährlich gewährt, bei einer Festlegungsfrist von mehr als 36 Monaten sind es sogar 4 v. H.
Die von den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und den Kooperativen Einrichtungen bei der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft angelegten Geldmittel werden je nach der Zeitdauer ihrer Anlage zwischen 1 v. H. (für Sichteinlagen) und 4 v. H. (für Guthaben mit einer Festlegungsfrist über 36 Monate) verzinst (vgl. Kredit-Anordnung Landwirtschaft vom 15. 2. 1977, GBk 1, S. 47).
Bis zum 15. 12. 1970 erhielten private Sparer für ihre Sparguthaben unterschiedlich hohe Haben-Z., und zwar je nach der Dauer der vereinbarten Festlegungsfrist. Die seinerzeit den privaten Haushalten angebotenen Verzinsungsmöglichkeiten schwankten zwischen 3 und 5 v. H. jährlich. Seit 1971 bekommen Privatpersonen ihre Sparguthaben nur noch einheitlich mit 3,25 v. H. verzinst. Für Spargiroeinlagen wird der gleiche Z.-Satz gewährt.
2. Geringe Steuerungsimpulse und Zugkraft der Guthaben-Zinsen
Durch die administrativ beschlossenen Verzinsungschancen für die von den Wirtschaftseinheiten auf den Bankkonten unterhaltenen Guthaben wollen die Wirtschaftsfunktionäre der DDR 2 Ziele erreichen. Erstens sollen Volkseigene Betriebe, Produktionsgenossenschaften und Privatpersonen veranlaßt werden, auf die Anlage von Bargeldhorten zu verzichten, da „vagabundierende“ Bargeldmengen in einer Zentralplanwirtschaft stets ein Störfaktor sind. Mit dieser Kaufkraft können — unbeobachtet von den Wirtschaftsorganen — planwidrige Güter- und Leistungsumsätze zu Schwarzmarktpreisen finanziert werden.
Zweitens erwartet die Regierung, daß die angebotene Verzinsung von Guthaben die Wirtschaftseinheiten dazu anregt, Überschußreserven an Geldkapital zeitweilig bei den Banken stillzulegen und dafür Z. zu kassieren, statt sie mit voraussichtlich geringem Nutzen in Verlegenheitsobjekte zu investieren.
Von einem Einheitszinssatz von lediglich 1 v. H. ist jedoch nicht zu erwarten, daß dieser einen spürbaren Anreiz auf die VEB, Kombinate und VVB ausübt, ihre liquiden Barmittel auf Bankkonten zu halten. Zwar ist es deshalb nicht unbedingt erforderlich, für Einlagen der VEB einen hohen Z.-Anreiz zu bieten, um den Rücklauf von emittiertem Bargeld zu beschleunigen, denn in der DDR sind sämtliche kontenführungspflichtigen Produktionseinheiten gesetzlich verpflichtet, eingenommenes Bargeld unverzüglich bei den Banken einzuzahlen und ihre freien Geldmittel nur in Form von Giralgeldguthaben bei den jeweils für sie zuständigen Banken zu verwahren (Kontenführungspflicht).
Um aber auf die Unternehmensleitungen regulativ einzuwirken, damit sie sorgsamer zwischen den Alternativen Sparen mit sicheren Zinserträgen und Geldausgaben mit unsicheren Renditechancen abwägen, wäre es zweifellos besser, wenn die Regierung der DDR höhere Guthaben-Z. beschließen würde.
Ebenso dürfte auch der Spar-Z. für Guthaben von Privatpersonen in Höhe von einheitlich 3,25 v. H. kaum die Anlagenentschlüsse der privaten Haushalte zugunsten des Kontensparens beeinflussen. Bisher hat jedoch die DDR-Regierung nicht zu erkennen gegeben, daß sie eine Kurskorrektur in der Sparzinspolitik beabsichtigt. Die Folge dieser Unterlassung ist, daß seit etwa 10 Jahren die privaten Bargeldhorte außergewöhnlich rasch ansteigen.
E. Verzugszinsen
Für die Wirtschaftsverwaltung einer Zentralplanwirtschaft sind Verzugs-Z. ein wichtiges wirtschaftspolitisches Druckmittel, um die Zahlungsdisziplin der Schuldnerbetriebe zu stärken, um eine unverzügliche Refinanzierung der Lieferbetriebe sicherzustellen und um zu verhindern, daß sich Schuldnerbetriebe durch die Nichteinhaltung von vereinbarten Zahlungsterminen eine illegale zusätzliche Kreditquelle schaffen.
Die als Sanktionsstrafe von einem säumigen Schuldnerbetrieb an einen Gläubiger zu zahlenden Verzugs-Z. hat der Gesetzgeber einheitlich festgelegt. Zahlen VEB, Kombinate oder VVB nicht fristgemäß ihre Verbindlichkeiten, so müssen diese für jeden Verzugstag 0,05 v. H. Z. für die fällige, aber nicht gezahlte Schuldsumme an den Forderungsberechtigten abführen (= rd. 18 v. H. jährlich). Diese Zahlungspflicht entsteht auch dann, wenn Produktionsorganisationen mit ihren Steuerzahlungen gegenüber dem Fiskus in Verzug geraten.
Erhält ein Schuldnerbetrieb einen überfälligen Betrag gestundet, so werden ihm von da an anstelle weiterer Verzugs-Z. nunmehr Stundungs-Z. in Höhe von 8 v. H. jährlich abverlangt. (Vgl. AO über die Erhebung von Verzugszuschlägen vom 13. 7. 1972, GBl. II, S. 537 ff.; VO über die Erhebung von Zuschlägen und Stundungszinsen für Steuern, Verbrauchsabgaben, Beiträgen zur Sozialpflichtversicherung und andere Abführungen vom 19. 1. 1961, GBl. II, S. 39 ff.; AO über die Fälligkeit von Geldforderungen aus zwischenbetrieblichen Ware-Geld-Beziehungen vom 12. 6. 1968, GBl. II, S. 426 ff., in der Fassung der AO Nr. 2 vom 9. 2. 1972, GBl. II, S. 131.)
Hannsjörg Buck
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1206–1213