DDR von A-Z, Band 1979

Arbeitsnormung (1979)

 

 

Siehe auch:


 

Die A. ist Bestandteil der Wissenschaftlichen ➝Arbeitsorganisation und erfolgt in der Endphase jeder Maßnahme der sozialistischen Intensivierung und Rationalisierung. Inhalt der A. ist die Bestimmung des notwendigen Zeitaufwandes für die Durchführung exakt abgegrenzter Arbeitsgänge auf der Grundlage der erforderlichen Qualifikation der Werktätigen und unter Berücksichtigung technischer, technologischer und arbeitsorganisatorischer Bedingungen. Aus dem Zusammenhang der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation wird die Erarbeitung von Arbeitsnormen und anderen Kennziffern des Arbeitsprozesses als die logische Weiterführung des Arbeitsstudiums und der Arbeitsgestaltung verstanden; der durch das Arbeitsstudium analysierte und durch die Arbeitsgestaltung festgelegte Arbeitsprozeß wird damit der Arbeitsklassifizierung und -normung unterworfen mit dem Ziel. Grundlagen für die Planung und den rationellen Einsatz der lebendigen Arbeit zu schaffen sowie für die Entlohnung nach der Arbeitsleistung auf der Basis der staatlichen Lohnpolitik zu sorgen.

 

Im Prozeß der A. werden verschiedene Formen von Arbeitsnormen angewendet, die sich nach Art, Qualität und Umfang unterscheiden, die aber alle dem Ziel dienen, den notwendigen Gesamtaufwand an lebendiger Arbeit für die Erzeugung von Produkten und Leistungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu ermitteln und festzulegen.

 

[S. 57]1. Die inhaltliche Unterteilung der Arbeitsnormen ergibt 3 Arten:

 

a) die Anforderungsnormen,

 

b) die Arbeitszeitnormen,

 

c) die Besetzungsnormen.

 

Die Anforderungsnormen legen die sich aus der Arbeitsaufgabe ergebenden Anforderungen an die Qualifikation und Verantwortung sowie die Anforderungen an die physische und psychische Beanspruchung der Arbeitskraft fest. Anforderungsnormen sollen für alle Tätigkeiten ausgearbeitet werden.

 

Arbeitszeitnormen bestimmen den notwendigen Zeitaufwand an lebendiger Arbeit je Erzeugniseinheit. Arbeitszeitnormen finden vor allem in den Arbeitsprozessen Anwendung, bei denen zwischen Arbeitszeitaufwand und mengenmäßigem Arbeitsergebnis ein feststellbarer proportionaler Zusammenhang besteht.

 

Liegt zwischen Arbeitszeitaufwand und mengenmäßigem Arbeitsergebnis kein proportionaler Zusammenhang vor, kommen die Besetzungsnormen zur Anwendung. Diese bestimmen die notwendige Anzahl und Qualifikation (möglicherweise auch das Geschlecht) der Arbeitskräfte je Arbeitsstätte bzw. Arbeitsprozeß pro Zeiteinheit.

 

2. Bei der Gliederung der Arbeitsnormen nach ihrer Qualität werden 2 Formen unterschieden:

 

a) wissenschaftlich bzw. Technisch begründete Arbeitsnormen (TAN)

 

b) nicht wissenschaftlich begründete Arbeitsnormen, früher als Vorläufige Arbeitsnormen (VAN) bezeichnet. Das Kriterium für die qualitative Differenzierung der Arbeitsnormen wird sowohl in der Anwendung bzw. Nichtanwendung der wissenschaftlichen Methoden des Arbeitsstudiums und der Arbeitsgestaltung als auch dem erzielten Ergebnis bei Anwendung der Arbeitsnormen in einem bestimmten Zeitraum gesehen.

 

Trotz größter Bemühungen, die wissenschaftliche A. in den Betrieben der DDR als zentrale Maßnahme der sozialistischen Rationalisierung durchzusetzen, bemängeln selbst die Arbeitsökonomen der DDR die immer noch mangelhafte Nutzung der A. als Instrument der Leitungstätigkeit und die geringe Einbeziehung der A. in das Plangeschehen.

 

Zwar sah bereits die Planmethodik für die Ausarbeitung des Volkswirtschaftsplanes 1974 die Einbeziehung der Kennziffern „Arbeitszeit nach TAN“ und „Arbeitszeit nach Zeitnormativen“ in die ökonomischen Planinformationen vor, es fehlt jedoch nach wie vor an wesentlichen Voraussetzungen zur Durchführung dieser Aufgaben. Um diese Voraussetzungen herzustellen, sind die Betriebe aufgefordert:

 

a) für die Ausbildung von Arbeitsnormern auf der Grundlage zentral ausgearbeiteter Ausbildungsunterlagen zu sorgen. Vor allem qualifizierte Kader aus der unmittelbaren Produktion (Facharbeiter) sollen zur Qualifizierung zu Arbeitsnormern gewonnen werden,

 

b) die Kontinuität der Produktions- und Arbeitsprozesse sowie die Sicherung einer hohen Arbeitsdisziplin durch Anwendung der wissenschaftlichen Arbeitsorganisation zu gewährleisten.

 

c) die Arbeit auf technologischem Gebiet zu verstärken, um die Einheit von wissenschaftlicher Begründung und Erfüllung der Arbeitsnormen zu sichern bzw. herzustellen.

 

3. Die Unterscheidung der Arbeitsnormen nach ihrem Umfang ergibt:

 

a) Einzelnormen als Normen der technologisch erforderlichen Arbeitszeit i. d. R. für einen Arbeitsgang.

 

b) Komplexnormen als Normen der technologisch erforderlichen Arbeitszeit für mehrere zum Arbeitsauftrag des Arbeiters oder des Arbeitskollektivs gehörende Arbeitsgänge.

 

4. Die Arbeitswissenschaftler der DDR nehmen teilweise eine noch weitergehende Unterteilung der Arbeitsnormen vor: Sie gliedern nach dem Geltungsbereich der Normen (innerbetriebliche und überbetriebliche Arbeitsnormen) und nach den Bestandteilen der Arbeitsnorm (Arbeitscharakteristik und Kennzahlen des Aufwandes an lebendiger Arbeit, angegeben in Zeiteinheit oder der Anzahl der Arbeitskräfte bestimmter Qualifikation und bestimmten Geschlechts). In diesem Fall bestimmt die Arbeitscharakteristik die Bedingungen, unter denen die jeweilige Kennzahl gilt.

 

Die rechtlichen Grundlagen für die Anwendung und Durchführung der A. im Zusammenhang mit dem Arbeitsstudium und der Arbeitsgestaltung sind kontinuierlich weiter entwickelt worden.

 

Bereits im Jahr 1967 beschloß der Ministerrat der DDR die „Grundrichtung des Arbeitsstudiums, der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsnormung als Bestandteil der komplexen sozialistischen Rationalisierung“ (GBl. II, 1967, Nr. 18), der am 6. 11. 1968 die „Grundsätze zur wirksamen Einbeziehung des Arbeitsstudiums, der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsnormung in das System der wissenschaftlichen Führungstätigkeit“ folgten.

 

Das Arbeitsgesetzbuch der DDR (AGB) vom 16. 6. 1977 hat die Anwendung von Arbeitsnormen und anderen Kennzahlen der Arbeitsleistung weiter präzisiert. Danach sollen Arbeitsnormen und andere Kennzahlen der Arbeitsleistung gemeinsam mit den Werktätigen ausgearbeitet und eingeführt werden (AGB § 75, 1). In Kraft gesetzt werden jedoch Arbeitsnormen und andere Kennzahlen der Arbeitsleistung vom Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung. In der Regel sind die neuen Normen den Werktätigen mindestens 2 Wochen vor dem Inkrafttreten bekanntzugeben (AGB § 78, 1). Bei Veränderung der technischen, technologischen und/oder der organisatorischen Bedingungen des Arbeitsprozesses sind die Arbeitsnormen und andere Kennzahlen der Arbeitsleistung entsprechend dem Grundsatz „Neue Technik — neue Normen“ zu ändern (AGB § 78, 2).

 

Führen Vorschläge von Belegschaftsangehörigen zu einer Senkung des Zeitaufwandes und damit zur Veränderung von Arbeitsnormen oder anderen Kennzahlen der Arbeitsleistung, sind diese entsprechend arbeitsrechtlichen Bestimmungen materiell anzuerkennen (AGB § 75, 2).

 

Bei Anwendung von Stücklohn oder Prämienlohnformen (Lohnformen und Lohnsystem) besteht ein An[S. 58]spruch auf Lohn nach der Erfüllung der Arbeitsnormen und anderer Kennzahlen der Arbeitsleistung entsprechend der im Arbeitsvertrag vereinbarten Lohnform (AGB § 107).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 56–58


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.