DDR von A-Z, Band 1979

Arbeitsproduktivität (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Meßziffer für die Ergiebigkeit der menschlichen Arbeit (Leistung pro Beschäftigten und je Arbeitsstunde). In der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist A. der Produktionswert je Beschäftigten. Der Wirkungsgrad der menschlichen Arbeit hängt von der Leistungsfähigkeit der verwendeten technischen Ausrüstungen (Kapitalaufwand), der Qualifikation der Beschäftigten (Ausbildung. Fertigkeit, Erfahrung) und der Organisation der Arbeitsprozesse ab. In marxistischer Terminologie bezeichnet A. den „Wirkungsgrad zweckmäßiger produktiver Tätigkeit im gegebenen Zeitraum“ (K. Marx, Das Kapital. Bd. I, London 1867). also den Nutzeffekt der „konkreten, gebrauchswertschaffenden“ Arbeit.

 

Der Begriff A. wird in der DDR als das Maß für den allgemeinen wirtschaftlichen Fortschritt angesehen, als dessen alleiniger Ausgangspunkt die menschliche Arbeit angenommen wird. Ihre Bedeutung überragt daher die aller anderen Meß- und Kennziffern. In der Planung wird sie allerdings als eine von mehreren gleichrangigen Planungskennziffern behandelt. Die A. wird gegenwärtig mit der Preissummenmethode in 2 Formen ermittelt: als a) die „Warenproduktion zu konstanten Preisen“ und b) die „Eigenleistung“ (betriebliche Wertschöpfung). jeweils bezogen auf Arbeiter und Angestellte sowie Produktionsarbeiter. Daneben bestehen betriebs- und branchenspezifische Plankennziffern, die unterschiedlichen Berechnungsmethoden folgen (Zeitsummenmethode, Naturalmethode, Leistung je Arbeitskraft und Arbeitsstunde).

 

Methodenprobleme bei der Analyse und statistischen Erfassung aller die A. beeinflussenden Faktoren zählten [S. 62]bisher zu den permanenten wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsthemen in der DDR. So werden von der Kennziffer A. z. B. Materialeinsparungen — neben qualitativen Faktoren — nicht als Leistungsverbesserungen berücksichtigt, da in der Kennziffer Warenproduktion auch Vorleistungen erfaßt werden. Das hat zur Folge, daß Betriebe zu Sortimenten mit hohem Materialeinsatz tendieren (Rudimente der „Tonnenideologie“). Um die A. „wahrheitsgetreuer“ im betrieblichen Rechnungswesen messen zu können, wird diskutiert, inwieweit die Kennziffern Warenproduktion bzw. Eigenleistung durch Faktorenanalyse von der Wirkung solcher Größen gereinigt werden können, die die Leistung der Beschäftigten beeinflussen, z. B. Sortimentsverschiebungen. Änderungen der Zulieferungen, neue Fertigungsverfahren usw.

 

Die marxistisch-leninistische Theorie in der DDR betont die Bedeutung der A.-Steigerung als „Dreh- und Angelpunkt“ für die wirtschaftliche und politische Stabilisierung — auch und besonders im Zusammenhang der Ost-West-Auseinandersetzung. Nach Lenin wird der Sozialismus eine „neue, weit höhere“ A. schaffen: „Die Arbeitsproduktivität ist in letzter Instanz das Allerwichtigste, das Ausschlaggebende für den Sieg der neuen Gesellschaftsordnung“ (in: Die große Initiative, Moskau 1919).

 

Die A. in der Industrie stieg — gemessen an der industriellen Bruttoproduktion je Beschäftigten (ohne Lehrlinge) — zwischen 1960 (= 100 v. H.) und 1976 erheblich: 1965: 133. 1970: 179, 1975: 231. 1976: 244.

 

Vergleiche der Struktur und Entwicklung der A. der Industrie der DDR und der Bundesrepublik Deutschland ergaben einen Niveauunterschied von über 30 v. H. für das Jahr 1968: Die Industrie der DDR erzielte 68,4 v. H. der A. in der Bundesrepublik. (Vgl. Tabelle „Industrielle Arbeitsproduktivität in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland“.) Auch in der Landwirtschaft bestand ein beträchtlicher Niveaurück[S. 63]stand für die DDR (39 v. H.). Nach Berechnungen für den Zeitraum 1960–1971 wurde diese Lücke nicht geschlossen. so daß der Abstand zur Bundesrepublik Deutschland nach wie vor in der Industrie rd. 30 v. H. und in der Landwirtschaft rd. 40 v. H. betrug. In der DDR und der Bundesrepublik Deutschland wurden nahezu gleiche Zuwachsraten erzielt (vgl. Tabelle „Struktur und Entwicklung der Arbeitsproduktivität in der DDR und der Bundesrepublik Deutschland“). Die höchsten Zuwachsraten der DDR im Jahresdurchschnitt erzielte die Industrie (5 v. H.), die geringsten die Bereiche Landwirtschaft (2,7 v. H.) und Verkehr (3,7 v. H.).

 

 

 

Ein Vergleich des Sozialprodukts beider Staaten für das Jahr 1976 ergibt, daß die DDR den Produktivitätsrückstand inzwischen nicht verringern konnte (Niveaurückstand gegenüber der Bundesrepublik 37 v. H.). Arbeitsrecht; Automatisierung; Intensivierung und Rationalisierung; Wissenschaftlich-technische Revolution.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 61–63


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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