DDR von A-Z, Band 1979

Außenwirtschaft und Außenhandel (1979)

 

 

Siehe auch:

 

I. Allgemeine Grundlagen

 

 

Unter Aw. wird die Gesamtheit der internationalen wirtschaftlichen Beziehungen einer Volkswirtschaft einschließlich der Produktionssphäre verstanden. Der Ah. ist wichtigster Teilbereich der Aw. Über den Ah. werden die meisten anderen Formen der Aw.-Tätigkeit wie wissenschaftlich-technische Beziehungen. Spezialisierungs-, Investitions- und Kooperationsvorhaben, die Plankoordinierung mit den Mitgliedsländern des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe, der Austausch von kommerziellen und nichtkommerziellen Dienstleistungen (Transport, Touristik u. a.), die auswärtigen Kreditbezie[S. 106]hungen und die Erschließung internationaler Märkte realisiert.

 

Für die gesamten Aw.-Beziehungen der DDR gilt das Ah.-Monopol des sozialistischen Staates, das auch in Art. 9 Ziff. 5 der Verfassung von 1968 (unverändert auch in der Fassung vorn 7. 10. 1974) staatsrechtlich fixiert wurde. Es bedeutet die Beherrschung der gesamten Aw.-Tätigkeit durch den sozialistischen Staat. In einer Planwirtschaft sozialistischen Typs erweisen sich Planung und Kontrolle auch dieses Wirtschaftssektors durch zentrale, damit beauftragte Instanzen (Ministerium für Außenhandel; Kammer für Außenhandel; Außenhandelsbetriebe usw.) als notwendig, wenn keine schwerwiegenden Störungen auf dem zentral geplanten Binnenmarkt auftreten sollen. Darüber hinaus kann die Aw. ihrer funktionalen außenpolitischen Bedeutung für den sozialistischen Staat nur entsprechen, wenn ihre zentrale Lenkung gesichert ist.

 

Das Aw.-Monopol umschließt das Valuta- und Ah.-Monopol, das die Verstaatlichung der Planung, Durchführung und Kontrolle des gesamten Ah. bedeutet. Damit sichert der sozialistische Staat ebenfalls die Übereinstimmung von Ah. und zentraler Volkswirtschaftsplanung, die Durchsetzung einer den Zielen seiner Außenpolitik dienenden und den binnenwirtschaftlichen Erfordernissen angepaßten Volkswirtschaftspolitik. In der DDR wird darüber hinaus betont, daß nur das Aw.- bzw. Ah.-Monopol unerwünschte Einflüsse des Weltmarktes von der eigenen Wirtschaft fernhalten könne. Trotz uneingeschränkter Beibehaltung des Aw.-Monopols ist in den letzten Jahren in der DDR eine stärkere Verlagerung außenwirtschaftlicher Funktionen auf spezialisierte Organe des Ah. bzw. die für den Ah. zuständigen Betriebe und Unternehmen der VVB festzustellen, womit eine größere Flexibilität in der Aw.-Politik angestrebt wird.

 

Die DDR ist vor allem aus zwei Gründen auf die außenwirtschaftliche Tätigkeit angewiesen. Einmal bedarf sie der Importe von Roh- und Brennstoffen, um die traditionell stark vertretene verarbeitende Industrie zu versorgen, zum anderen kann sie die Enge des Binnenmarktes, die die Herausbildung effizienter Produktionsstrukturen verhindert, überwinden. Die allseitig wachsenden Anforderungen an das Wirtschaftspotential haben zu einem Wandel auch der Aufgabenstellung der Aw. im volkswirtschaftlichen Leistungsprozeß geführt. War ursprünglich die Aw.-Tätigkeit mehr auf die Importseite fixiert, um hierüber vor allem binnenwirtschaftliche Engpässe infolge mangelnder Selbstversorgung, Flexibilität oder Unterplanerfüllung zu beseitigen (Lückenbüßerfunktion des Ah.), so erlangte im Zuge zunehmender Intensivierung des Wirtschaftsprozesses seit Mitte der 60er Jahre die Exportseite eine eigenständigere Position. Dieser kommt nicht mehr allein die Aufgabe zu, die zur Bezahlung der Importe notwendigen Devisen zu beschaffen. Vielmehr sollen vor allem über den Export das volkswirtschaftliche Wachstum und die volkswirtschaftliche Effektivität durch die Entwicklung führender Zweige und dynamischer Produktionsstrukturen, die Herabsetzung der Fondsintensität und die verbesserte Kapazitätsausnutzung stimuliert werden. Gegenwärtig wird in der DDR die erreichte Intensität und Struktur der außenwirtschaftlichen Verflechtung als unbefriedigend angesehen. Die nominell hohe Steigerung der Ah.-Verflechtung pro Kopf der Bevölkerung von 2.319 Valuta-Mark im Jahr 1970 auf 5.100 Valuta-Mark im Jahr 1976 ist nicht zuletzt auf das in diesem Zeitraum um rd. 35 v. H. gestiegene Ah.-Preisniveau zurückzuführen.

 

Als Ursache für die noch — etwa im Vergleich zu führenden westlichen Ah.-Ländern — geringe Verflechtung der DDR sind vor allem der schwerfällige und für binnen- und außenwirtschaftliche Störungen anfällige Bilateralismus im Handelsverkehr, das lange Zeit für alle Länder des RGW typische Autarkiestreben (breites Produktionssortiment bis Ende der 60er Jahre!), die starke Orientierung der Wirtschaftsbeziehungen auf die sozialistischen Länder mit einem überwiegend noch komplementären und für die DDR oftmals unattraktiven Güteraustausch und die trotz der Aw.-Reformen fortdauernde Inflexibilität des Aw.-Systems aufgrund des rigoros durchgesetzten Aw.-Monopols des Staates zu nennen.

 

II. Außenwirtschaftspolitik

 

 

Die Aw.-Politik ist sowohl der allgemeinen Wirtschafts- als auch der Außenpolitik untergeordnet. Neben dem bis Anfang der 70er Jahre wichtigsten politischen Ziel — gegenüber den Entwicklungsländern und westlichen Industriestaaten das Streben nach völkerrechtlicher Anerkennung zu unterstützen — kam ihr jedoch stets die wichtige wirtschaftliche Aufgabe zu, über den Import den volkswirtschaftlich notwendigen Bedarf an Investitions- und Verbrauchsgütern zu decken. Als Bestandteil der Wirtschaftspolitik der SED-Führung ist das Bemühen der Aw.-Politik seit 1971/72 wieder eindeutig darauf gerichtet, die Aw.-Beziehungen zur Durchsetzung des „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ zu intensivieren, d. h. die Aw.-Politik ist gegenwärtig vor allem Instrument der nationalen Wachstums- und Strukturpolitik.

 

Nach den Bestimmungen des geltenden Fünfjahrplans (1976–1980) werden die Aw.-Beziehungen mit den Mitgliedsländern des RGW, insbesondere mit der UdSSR (siehe dazu Punkt V.), als entscheidende Grundlage für die gesamten Aw.-Beziehungen der DDR betrachtet. Auf dieser Grundlage sollen die Beziehungen zu den Entwicklungsländern [S. 107]und den — im Plan an letzter Stelle genannten — westlichen Industriestaaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung und des gegenseitigen Vorteils weiterentwickelt werden.

 

Die angestrebten Formen praktischer außenwirtschaftlicher Tätigkeit sind gegenüber den einzelnen politisch-geographischen Regionen von unterschiedlicher Art. Mit den westlichen Industrie- und den Entwicklungsländern werden vor allem langfristige Handels- und Zahlungsabkommen abgeschlossen; lediglich mit ausgewählten nichtsozialistischen Schwerpunktländern bzw. „progressiven“ Entwicklungsländern sollen „vorteilhafte Kooperationsbeziehungen“. fixiert durch Rahmenkooperationsabkommen und Kooperationsverträge auf betrieblicher Ebene, entwickelt werden. Das Hauptgewicht bei der Gestaltung der Wirtschaftsbeziehungen zum RGW liegt auch weiterhin bei den bilateralen Abkommen über Warenaustausch und Zahlungsverkehr.

 

Neben diesen traditionellen außenwirtschaftlichen Verkehrsformen ist seit Beginn der 70er Jahre das Bemühen um den Abschluß von Kooperations- und Spezialisierungsabkommen im Bereich von Wissenschaft. Technik und Produktion und die im „Komplexprogramm“ vorgesehene zwei- und mehrseitige Plankoordinierung aller RGW-Länder, einschließlich des „Fünfjahrplans der mehrseitigen Integrationsmaßnahmen für die Jahre 1976–1980“. stark in den Vordergrund gerückt. Besonders seit den weltweiten Rohstoffpreisverteuerungen hat die DDR ein starkes Interesse, ihre Rohstoff-, Brennstoff- und Energiebasis im RGW weiterzuentwickeln. Die im Plan 1976–1980 veranschlagten 8 Mrd. Mark an Investitionsbeteiligungen im RGW sind vornehmlich für diesen Zweck vorgesehen. Die DDR gilt innerhalb des RGW als eifriger Befürworter der „sozialistischen Integration“.

 

Die bisher realisierten wirtschaftlichen Aktivitäten gegenüber den westlichen Industriestaaten führten vor allem zum Abschluß von Handelsabkommen, die bis 1973 bzw. 1974 auf Kammer- oder Bankebene bzw. auf der Ebene des Amtes für Außenwirtschaftsbeziehungen und danach auf Regierungsebene wirksam wurden.

 

Langfristige bilaterale Regierungsabkommen, die z. T. über mehrere Jahre laufen (in der Regel „Verträge über wissenschaftliche, technische und industrielle Zusammenarbeit“), konnten seit 1969 mit Frankreich, Italien, Finnland, Island, Großbritannien, Österreich, Japan, Australien, Schweden, den Niederlanden. Belgien und Dänemark (in dieser Reihenfolge) geschlossen werden. Darüber hinaus wurden die Westbeziehungen durch die Einrichtung staatlicher Handelsvertretungen, Niederlassungen und Servicestellen der Außenhandelsbetriebe (AHB) sowie durch die Teilnahme an international bedeutsamen Ausstellungen und Messen, an denen die DDR allein 1976 in 168 Fällen beteiligt war (auf die Bundesrepublik Deutschland entfallen 45, auf Frankreich 36, auf Italien 14, auf die Niederlande und Österreich je 9 Beteiligungen), intensiviert.

 

Zu den vielfältigen außenwirtschaftlichen Beziehungen der DDR mit Staaten der westlichen Hemisphäre läßt sich zusammenfassend feststellen, daß sie ein wirtschaftlich bedeutendes Element der gesamten Aw.-Beziehungen sind, da die DDR auf diese Weise technologisches Know-how und eine Reihe von Engpaßgütern (u. a. Lebensmittel und Lebensmittelrohstoffe) beziehen kann. Der Westhandel ist aufgrund dieser Entwicklung gegenwärtig von einem hohen Importüberschuß auf Seiten der DDR gekennzeichnet.

 

Auch die Wirtschaftsbeziehungen mit den kommunistisch regierten Staaten, vor allem den RGW-Mitgliedern, beruhen auf dem Abschluß von Abkommen über den Warenaustausch und Zahlungsverkehr. Diese mit den sozialistischen Ländern geschlossenen Handelsverträge sind der Laufzeit der langfristigen Perspektivpläne (1971–1975, 1976–1980) angepaßt und werden innerhalb des RGW zur Zeit noch bilateral koordiniert.

 

Darüber hinaus ist von der DDR eine Vielzahl von zwei- und mehrseitigen Kooperations- und Spezialisierungsabkommen im RGW geschlossen worden. Die Integrationspolitik der DDR in und gegenüber dem RGW zeigt sich u. a. darin, daß sie. im Rahmen der Produktionsspezialisierung, die Fertigung wichtiger Erzeugnisse zugunsten anderer RGW-Länder eingestellt hat. Hervorzuheben ist die Einstellung der Flugzeugproduktion (bereits seit Anfang der 50er Jahre), von Bereichen des Lokomotiv-, des Straßenbahnwagen-, Webmaschinen-, Elektrogabelstapler-, Traktoren- und Omnibusbaus.

 

Das mit der ČSSR geplante Spezialisierungsgroßprojekt einer gemeinsamen Pkw-Produktion scheiterte vorerst vor allem an Finanzierungsschwierigkeiten und an nationalen Unabhängigkeitserwägungen. Multi- und bilaterale Großprojekte im RGW, an denen die DDR beteiligt ist, wie die Erdgas-Transit-Leitung „Nordlicht“, der Bau eines Zellstoffkombinats in Sibirien, einer Olefinproduktions- und -Verarbeitungsanlage in der ČSSR, eines metallurgischen Kombinats in der UdSSR (Iljimsk-Kursk) usw. deuten jedoch auf eine wachsende Einbindung der DDR in die östliche Wirtschaftsregion hin.

 

III. Entwicklung des Außenhandels

 

 

Eine hinreichend spezifizierte Aufstellung ist weder über die gesamte außenwirtschaftliche noch über die nach Ländern gegliederte Warenstruktur bekannt. Ferner werden weder Zahlungsbilanzen noch — außer der Handelsbilanz — deren Teilbilanzen veröffentlicht. Es ist darüber hinaus unmöglich, die exakte Ah.-Verflechtung (Anteil der Ex- und Importe am [S. 108]Nationaleinkommen) zu ermitteln, da die Valutamark (VM) eine Verrechnungsgröße darstellt, deren Umrechnungsverhältnis zu den Ex- und Importbinnenpreisen nicht bekanntgegeben wird. Seit 1960 ist das Nationaleinkommen (in vergleichbaren Preisen) um 106 v. H., der Ah.-Umsatz jedoch um rd. 362 v. H. (vgl. Tabelle 1) gestiegen; daraus kann eine zunehmende Ah.-Verflechtung der Wirtschaft der DDR abgelesen werden.

 

Während der Ah.-Umsatz bis Ende der 60er Jahre real noch schneller als nominal stieg, haben die nominalen Wachstumsraten seit Anfang der 70er Jahre schneller als die realen zugenommen. Seit 1970 stieg das Ah.-Preisniveau insgesamt um 35 v. H., wobei sich die Exportpreise (26 v. H.) langsamer als die Importpreise (43 v. H., Daten von 1976) entwickelten. Dadurch verschlechterten sich die realen Austauschverhältnisse — die terms of trade — im Ah. der DDR.

 

 

Während die Handelsbilanz in den 60er Jahren überwiegend aktiv gestaltet werden konnte, so daß sich bis einschließlich 1972 ein kumulierter Handelsbilanzüberschuß von 6,8 Mrd. VM ergab, mußte die DDR von 1973 an in jedem Jahr Handelsbilanzdefizite hinnehmen. Diese Defizite sind zunächst durch eine Passivierung der Handelsbeziehungen mit westlichen Ländern entstanden. Sie wurden jedoch von 1975 an in erster Linie durch die Handelsbeziehungen mit der Sowjetunion verursacht. Allein im Zeitraum 1973–1976 bildete sich ein kumuliertes Handelsbilanzdefizit in Höhe von insgesamt 14,855 Mrd. VM (Basis: laufende Preise).

 

Obwohl der Ah. — auch nach den Wirtschaftsreformen — über das Ah.-Monopol der DDR gelenkt wird, konnte er in der Vergangenheit nicht immer planmäßig entwickelt werden.

 

So sind zwar die in den langfristigen Perspektivplänen vorgesehenen Umsatzvolumina erreicht worden. jedoch nicht immer die Jahrplanvorgaben und die angestrebten Ex- und Importrelationen. Das gilt sowohl für den abgebrochenen Siebenjahrplan (1959–1965), in dessen Zeitraum die Exporte um 60 v. H. (Plan 86 v. H.) und die Importe um 65 v. H. (Plan 57 v. H.) gestiegen waren, als auch für den abgelaufenen Fünfjahrplan für die Jahre 1971–1975. Einem Soll in Höhe von 160–170 v. H. stand ein Ist in Höhe von 186 v. H. gegenüber; dabei waren die über den Exportsteigerungen liegenden Importerhöhungen möglicherweise nicht eingeplant. Auch in den ersten beiden Jahren des Fünfjahrplans 1976–1980 entwickelte sich der Handel nicht plangerecht.

 

IV. Die Entwicklung der Waren- und Länderstruktur

 

 

Die Warenstruktur des Ah. der DDR entspricht der einer hochentwickelten Volkswirtschaft (siehe Ta[S. 109]belle 2). Sowohl bei den Exporten als auch bei den Importen dominieren Maschinen, Ausrüstungen und Transportmittel. Von geringerer Bedeutung sind bei den Exporten die Rohstoffe und Halbfabrikate; die Rohstoffabhängigkeit der DDR ist an dem hohen Importanteil dieser Warengruppe ablesbar. Dagegen hat die Gruppe der industriellen Konsumgüter und der chemischen Erzeugnisse einen beachtlichen Exportwert erreicht.

 

 

 

Die Warenstruktur im Handel mit den OECD-Ländern unterlag seit 1960 einem deutlich erkennbaren Wandel. Auf der Ausfuhrseite ist der gestiegene Anteil der Investitionsgüter und der immer noch hohe Anteil der Grundstoffe/Produktionsgüter hervorzuheben, der in etwa dem volkswirtschaftlichen Produktionsprofil entspricht. Auf der Einfuhrseite vollzogen sich mit der Zunahme des Investitionsgüteranteils und der Abnahme des Anteils der landwirtschaftlichen und Ernährungsgüter die deutlichsten Änderungen, die einen Funktionswandel im Westhandel der DDR signalisieren. Seine Funktion als „Lückenbüßer“ — vor allem bei Konsumgütern — ist zugunsten der Rolle eines Wachstums- und Produktivitätsfaktors aufgegeben worden.

 

Die regionale Ah.-Entwicklung in den Jahren zwischen 1960 und 1976 ist besonders durch einen schnell anwachsenden Westhandel (+ 520 v. H.) und einen wesentlich geringeren Anstieg des Handels mit den sozialistischen Staaten gekennzeichnet (+ 315 v. H.). Diese Entwicklung ist Ausdruck des Strebens der Staatsführung der DDR, über den Westhandel den Bedarf an hochproduktiven Industrieanlagen und technisch-organisatorischem Know-how zu decken. Seit dem Anstieg der Rohstoffpreise im Jahre 1973, dem sich vergrößernden Defizit im Westhandel und einer daraus resultierenden restriktiven Einfuhrpolitik hat sich auch die Dynamik des Osthandels der DDR an die ihres Westhandels angepaßt. Dafür ist — preisbedingt — der Handel mit den Entwicklungsländern seit 1973 schnell angestiegen.

 

 

Die Regionalstruktur des Ah. der DDR ist von einem hohen Anteil der sozialistischen Länder gekennzeichnet, der bis zu den starken Preisanhebungen im RGW im Jahre 1975 langsam abgenommen hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt stieg der Anteil des Westhandels — zu laufenden Preisen bewertet — kontinuierlich an. Der relativ bescheidene Anteil des Handels mit den Entwicklungsländern in den 60er Jahren konnte auch in den 70er Jahren nicht wesentlich vergrößert werden, obwohl er absolut seit etwa 1974 rasch angewachsen ist.

 

V. Besondere Bindungen an die UdSSR

 

 

Mit keinem anderen Land des RGW ist die wirtschaftliche Verflechtung der DDR so eng wie mit der UdSSR. 1976 wickelte die DDR rd. 33 v. H. des Ah. — das entspricht rd. 11 v. H. des Ah. der Sowjet[S. 110]union — mit der UdSSR ab. Die Sowjetunion ist damit auch auf wirtschaftlichem Gebiet der wichtigste Partner der DDR. Diese Entwicklung erklärt sich aus der Tatsache, daß die UdSSR als Folge der Kriegsereignisse maßgeblich die Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik sowie den Aufbau, die Besetzung und die Organisation des gesamten Staatsapparates einschließlich des Wirtschaftssystems der DDR bestimmt hat und auf diesem Wege auch eine enge wirtschaftliche Bindung zwischen beiden Staaten herbeiführte.

 

 

Gegenwärtig — vor allem nach Abschluß des Freundschaftsvertrages zwischen beiden Staaten im Oktober 1975 — gilt für die Parteiführung der DDR das Bekenntnis E. Honeckers zur Sowjetunion (1971): „… die unzerstörbare Freundschaft mit der UdSSR ist das feste Fundament für alles, was wir in der DDR erreicht haben. Dieses Bündnis, unser Platz an der Seite der anderen Bruderparteien und Länder der sozialistischen Staatengemeinschaft sind so lebenswichtig für uns wie der Schlag unseres Herzens.“ Trotz dieser ständig wiederholten Beschwörungen der „brüderlichen Beziehungen“ hat seit Ende der 60er Jahre der Anteil des Handels mit der Sowjetunion am Gesamthandel der DDR — abgesehen von einigen preisbedingten Anteilserhöhungen — abgenommen (vgl. Tabelle 6), obwohl absolut noch immer ein hoher Zuwachs erzielt werden konnte. Ein nicht unwesentlicher Grund für diese Entwicklung dürfte darin zu suchen sein, daß sich die UdSSR angesichts der Größe einiger Investitionsprojekte gezwungen sieht, ihren Bedarf an wissenschaftlich-technischem und organisatorischem Know-how durch den Kauf von Produktionsanlagen neuesten Entwicklungsstandes zunehmend auf westlichen Märkten zu decken.

 

Seit 1950 entwickelte sich der Handel DDR–UdSSR wie folgt:

 

 

Die Warenstruktur des Ah. ist — obwohl Veränderungen zu beobachten sind — noch überwiegend komplementärer Natur. In ihrer wirtschaftlich bedeutendsten Funktion als Rohstofflieferant deckt die UdSSR den Importbedarf der DDR mit ca. 90 v. H. bei Baumwolle, Erdöl, Eisenerz, Buntmetallen und Holz, mit 80 v. H. bei Walzstahl und Blechen.

 

Auch gegenüber der Sowjetunion wurde die DDR ihrem Ruf als größter Investitionsgüterlieferant des RGW gerecht: ca. 25 v. H. des gesamten Maschinen- und Ausrüstungsimports der Sowjetunion kamen 1977 aus der DDR. Einzelne Gruppen wiesen noch höhere Anteile auf: Landwirtschaftliche Maschinenlagen bei 41 v. H. (Durchschnitt der Jahre 1971–1975, Quelle: Sowjetische Außenhandelsstatistik). spanabhebende Werkzeugmaschinen bei 38 v. H., Eisenbahnausrüstungen bei 32 v. H., Schiffe und Ausrüstungen bei 30 v. H. und Anlagen für die Lebensmittelindustrie bei 29 v. H.

 

Die herausragende Rolle der Investitionsgüterlieferungen der DDR kommt auch in dem hohen Anteil von rd. 56 v. H. an der Gesamtausfuhr der DDR in die UdSSR zum Ausdruck, dem ein Wert von 19 v. H. auf der Einfuhrseite gegenübersteht (Jahresdurchschnitte 1971–1975). Bei den Einfuhren [S. 111]der DDR dominieren die Grundstoffe und Produktionsgüter mit einem Wert von 52 v. H.

 

Das für den Fünfjahreszeitraum 1976–1980 geschlossene Handelsabkommen zwischen der UdSSR und der DDR ist auf eine Verbesserung der Warenstruktur gerichtet, wenn auch die starken Rohstoffsicherungsinteressen der DDR nicht zu verkennen sind. Das Abkommen sieht vor, ein — preisbereinigtes — Volumen von über 31,5 Mrd. Rubel im Fünfjahrplanzeitraum abzuwickeln. Die ursprünglich geplante Steigerung des Handels von 40 v. H. gegenüber dem vorhergehenden Fünfjahrplanzeitraum wird wahrscheinlich überboten werden, da die bislang realisierten Steigerungsraten bereits über den Planansätzen liegen.

 

Der Anteil spezialisierter Erzeugnisse soll dabei von 27 v. H. (1971–1975) auf 35 v. H. (1976–1980) steigen. Die DDR wird 4.800 Schiffsdieselmotoren, 330 Eisenbahndrehkräne, 5.600 Kühlwagen, 4.480 Reisezugwagen, ferner EDV-Anlagen und Büromaschinen im Wert von 500 Mill. Rubel, 30.000 Werkzeugmaschinen für rd. 1 Mrd. Rubel, sowie Chemieanlagen, Landmaschinen und Ausrüstungen für die Konsum- und Nahrungsmittelindustrie liefern.

 

Die UdSSR plant u. a. die Lieferung von 580 Diesellokomotiven, 20.000 Werkzeug- und Holzverarbeitungsmaschinen, 9.000 Lkw, 320.000 Pkw, 29.000 Traktoren und 1700 Baggern. Hinzu kommen die Roh- und Grundstofflieferungen: 88,2 Mill. t Erdöl, 21,6 Mrd. cbm Erdgas, 21 Mill. t Steinkohle, 375.000 t Zellstoff, 425.000 t Baumwolle und 212.000 t Kupfer.

 

Neben den Abschluß von Handelsabkommen, welche die Grundlage für den Austausch von Waren und Dienstleistungen bilden, treten in zunehmendem Maße andere Formen wirtschaftlicher Zusammenarbeit, welche die Verflechtung der beiden Volkswirtschaften intensivieren sollen. So sind seit 1964 rd. 100 Regierungs- und Ministerabkommen über Forschungs- und Produktionskooperation zur Spezialisierung und langfristigen Vertiefung der gegenseitigen Beziehungen vor allem auf dem Gebiet der Rohstoffversorgung und der Entwicklung und Lieferung „entscheidender Industrieerzeugnisse“ abgeschlossen worden — davon mehr als die Hälfte seit dem VIII. Parteitag der SED (1971). Seit 1967 werden — als eine besondere Art der Zusammenarbeit ― „Direktbeziehungen“, die abrechnungspflichtige Arbeitspläne einschließen, zwischen den Industrieministerien, anderen zentralen staatlichen Organen und den VVB und Kombinaten der DDR und der UdSSR gepflegt. Um die engen Bindungen noch weiter zu vertiefen, wird die Angleichung der Planungssysteme beider Länder vorangetrieben. Dabei soll sowohl die Planung der Investitionen, des Arbeitsvermögens. der materiell-technischen Versorgung und des Ah. als auch der Aufbau des Kennziffersystems und die Untergliederung der Jahres-, Fünfjahrs- und Perspektivpläne weitgehend abgestimmt werden. Von zentraler Bedeutung für die wirtschaftlich-technische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ist die im März 1966 auf der Grundlage des (1975 erneuerten) „Vertrages über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen DDR und UdSSR“ (12. 6. 1964) gebildete „Paritätische Regierungskommission für ökonomische und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit DDR–UdSSR“ (PRK). Die DDR wird gegenwärtig von G. Schürer (SED), stellvertretender Ministerratsvorsitzender und Vorsitzender der Staatlichen Plankommission der DDR, die UdSSR von N. A. Tichonow, stellvertretender Ministerratsvorsitzender der Sowjetunion, vertreten. Abwechselnd finden in beiden Staaten wenigstens 2 Tagungen pro Jahr statt, denen ein jeweils abgestimmter Arbeitsplan zugrunde liegt.

 

Die wichtigsten Aufgaben der Kommission sind: Erweiterung und Vertiefung der Zusammenarbeit (vor allem in den sog. Wachstumsbranchen); Koordinierung der Volkswirtschaftspläne, insbesondere der Fünfjahrpläne; Erarbeitung von Entwicklungsprognosen; Zusammenarbeit zwischen Planungsorganen, Ministerien und Institutionen; Aufnahme von „Direktbeziehungen“; Koordinierung und Kooperation der Tätigkeit der wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen; Vertiefung der Kooperation und Spezialisierung vor allem im industriellen Sektor.

 

Bis Juni 1977 tagte die Kommission 21mal. Seit Ende 1975 wurde z. B. eine Reihe von Regierungsabkommen über Kooperation und Spezialisierung in Wirtschaft und Forschung geschlossen:

  • 18. Tagung, Dezember 1975 — Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Wohnungs- und Gesellschaftsbaus; langfristiges Regierungsabkommen über die Deckung des Bedarfs an ausgewählten Chemieprodukten; Ministerabkommen zur Spezialisierung von Chemieerzeugnissen, Meßgeräten, Halbleiterleistungsbauelementen, feinmechanisch-optischen Erzeugnissen sowie Bau- und Straßenbaumaschinen.
  • 19. Tagung. Juni 1976 — Regierungsabkommen über die Zusammenarbeit bei der Beschaffung eines Verfahrens und der Entwicklung von Ausrüstungen zur Herstellung höherer Fettalkohole; Regierungsabkommen zur Entwicklung moderner Konstruktionen von Mehrzweckgebäuden für den Industriebau; Regierungsabkommen zur langfristigen Zusammenarbeit in Wissenschaft, Technik und Produktion bei spanabhebenden Werkzeugmaschinen auf der Grundlage gemeinsamer Pläne; Abkommen zur Spezialisierung der Produktion von Werkzeugmaschinen, Schmiedemaschinen, Pressen, Holzbearbeitungsmaschinen und Werkzeugen.

 

[S. 112]-20. Tagung, Dezember 1976 — Abkommen auf dem Gebiet der Glasseidenherstellung sowie der Produktion von Haushaltsglas und Bleikristall; Komplettierung des einheitlichen Systems der elektronischen Rechentechnik; Regierungsabkommen auf dem Gebiet gummitechnischer Erzeugnisse; Ministerabkommen über die Produktion und die gegenseitigen Lieferungen medizintechnischer Erzeugnisse.

  • 21. Tagung, Juni 1977 — Beratungen über die Koordinierung der Produktion in der Schwarzmetallurgie; Regierungsabkommen über die Kooperationsbeziehungen in der Zulieferindustrie; Ministerabkommen über die Zusammenarbeit bei der Schaffung und Weiterentwicklung von technologischen Ausrüstungen für die Kabelindustrie.

 

Auf die Arbeit der PRK ist auch die nach den Vorstellungen des Komplexprogramms im Jahre 1973 geschaffene Wirtschaftsorganisation „ASSOFOTO“ mit dem Sitz in Moskau zurückzuführen. Sie stellt einen Zusammenschluß des „VEB Fototechnisches Kombinat Wolfen“ und der sowjetischen „Sojuschimfoto“ dar und soll nach Abschluß der organisatorisch-rechtlichen Vorbereitungen ca. 90 v. H. aller im RGW-Bereich benötigten Foto- und Datenaufzeichnungsmaterialien herstellen. Von ihr werden ca. 100.000 Arbeitskräfte erfaßt. Gemeinsame Produktions- und Investitionsplanung, die Vertiefung der Spezialisierung und die Zusammenarbeit im Produktionsbereich werden mit dieser neuen Kooperationsform angestrebt.

 

Ob die DDR — vor allem was die geforderten Rohstoffpreise und die Qualität der von der UdSSR gelieferten Waren betrifft — ökonomisch von der UdSSR übervorteilt wird, läßt sich nicht eindeutig klären. Die tatsächliche Preisentwicklung bei Ex- und Importen Ende der 60er Jahre zeigt eine Verbesserung der Terms of Trade für die DDR, was die Behauptung von einer Preisausbeutung nicht stützt. Ferner macht die immer stärker werdende wirtschaftliche Position der DDR gegenüber der UdSSR derartige Praktiken, zumindest in der jüngeren Vergangenheit, nicht sehr wahrscheinlich. Wichtiger Grund hierfür ist, daß die UdSSR inzwischen in manchen Industriezweigen (Schiffsantriebe, Werkzeugmaschinen, Rechenmaschinen) in großem Umfang auf Importe aus der DDR angewiesen sein dürfte. Angesichts der hohen Kosten bei Förderung und Transport der sowjetischen Rohstoffe drängt die UdSSR seit Anfang der 60er Jahre jedoch darauf, von der DDR, wie auch von anderen Rohstoffbezugsländern im RGW, einen finanziellen und materiellen Kostenbeitrag zu erhalten. Ein derartiger Beitrag wird seitdem von der DDR in Form von Investitionsbeteiligungen auch geleistet. Obwohl sich die Terms of Trade der DDR gegenüber der UdSSR seit 1975 wieder stark verschlechterten, können damit eventuell in Zusammenhang stehende überhöhte Preisforderungen nicht nachgewiesen werden. Der der DDR für 1 Tonne Rohöl berechnete Preis liegt noch erheblich unter dem Weltmarktpreis (32 Rbl. für 1 Tonne Erdöl und Erdölprodukte im Jahre 1976).

 

VI. Die Organisation der Außenwirtschaft

 

 

Mit dem sich allmählich vollziehenden Übergang zur verstärkten Nutzung intensiver Wachstumsfaktoren und mit der Einführung des NÖSPL bzw. des ÖSS in der DDR wurde auch das bestehende System der Aw. reformiert (Phasen der Wirtschaftspolitik seit 1963). Im Rahmen der bis etwa zum VI. Parteitag der SED (1963) praktizierten Aw.-Politik wurde der außenwirtschaftliche Bereich monetär und organisatorisch vom binnenwirtschaftlichen derart getrennt, daß die Industriebetriebe zu Binnenpreisen fakturierten und den Ah.-Betrieben nahezu ausschließlich der Kontakt mit den Außenmärkten überlassen wurde. Hauptanliegen der Reformmaßnahmen war es nun, diese Trennung zu überwinden. Dabei blieb das Aw.-Monopol grundsätzlich erhalten.

 

Zur Durchsetzung dieses Monopols ist eine Reihe von Organisationen und Institutionen notwendig, deren Funktionen sich z. T. im Laufe der Änderungen am Aw.-System gewandelt haben. Das zentrale Organ ist das Ministerium für Außenhandel — bis 31. 12. 1973 Ministerium für Außenwirtschaft —, das im Auftrage des Ministerrates die Gesamtinteressen des Staates auf dem Gebiete der Aw. wahrzunehmen hat (VO Außenhandel GBl. I, Nr. 35, 1976) und dem eine Reihe von Ah.-Organen untergeordnet ist. Laut Statut des Ministeriums für Außenwirtschaft vom 9. 8. 1973 (GBl. I, Nr. 41, 1973) sind dies: Die Handelsvertretungen und handelspolitischen Abteilungen der DDR in anderen Staaten, die Ah.-Betriebe (soweit sie nicht von VVB, Kombinaten oder Industrieministerien angeleitet werden), die Kammer für Außenhandel, die Zollverwaltung (Zollwesen), der VEB Leipziger Messeamt (Leipziger Messe), die Außenhandelswerbegesellschaft mbH, das Amt für Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR, das Zentrum für Information und Dokumentation der Außenwirtschaft, das Forschungsinstitut beim Ministerium für Außenhandel und die Fachschule für Außenwirtschaft „Joseph Orlopp“.

 

Die Ende der 60er Jahre geplanten Reformmaßnahmen des Aw.-Systems sollten das Aw.-Monopol effektiver gestalten. Im organisatorischen Bereich sollten die AHB den Charakter von Verkaufsorganen einzelner oder mehrerer VVB, Kombinate oder VEB erhalten. Diese Maßnahmen ließen sich aufgrund der zu erwartenden Aufweichung des Aw.-Monopols jedoch nicht realisieren. Die AHB schließen jedoch sog. Exportkommissionsverträge mit den VVB bzw. Exportbetrieben ab. Die Geschäfte der [S. 113]AHB erfolgen damit in eigenem Namen, aber auf Rechnung der VVB und Exportbetriebe. Die AHB arbeiten nach den Prinzipien der wirtschaftlichen Rechnungsführung und erhalten für ihre Tätigkeit eine Handelsspanne.

 

Neben anderen Formen der Organisation des Exportabsatzes wie der Übertragung der direkten Absatzfunktion auf Kombinate und Großbetriebe, der Durchführung von Eigengeschäften und der Einschaltung von Binnenhandelsorganen in den Exportabsatz haben die im Zuge der Einführung des ÖSS gebildeten Exportbüros und -kontore die von der Wirtschaftsführung geforderten verstärkten Exportbemühungen der bezirksgeleiteten Betriebe im Rahmen der Erzeugnisgruppenarbeit insofern zu unterstützen, als durch diese Betriebe unmittelbarer, jedoch kontrollierter Kontakt zu den Außenmärkten ermöglicht werden soll.

 

Auf der Importseite wurden keine bedeutenden organisatorischen Änderungen mehr durchgeführt. Obwohl z. B. der VEB Carl-Zeiss-Jena, die VVB „Pharmazeutische Industrie“ und „Schiffbau“, der VEB Uhrenkombinat Ruhla, die VVB Werkzeugmaschinenbau, das Petrolchemische Kombinat Schwedt und die VVB Energiewirtschaft das Recht zum Abschluß von Importverträgen für Erzeugnisse ihres Produktionsprofils erhielten, bleibt der Import über die AHB typisch.

 

Im Bereich der finanziellen Beziehungen sind die Voraussetzungen geschaffen worden, um die Resultate außenwirtschaftlicher Tätigkeit auch auf die Produktionsbetriebe einwirken zu lassen. Dies sollte durch die Bildung des einheitlichen Betriebsergebnisses bei den Exporten erreicht werden. Es setzt sich im wesentlichen aus den Erlösen der abgesetzten Warenproduktion, den Exportstimulierungsmitteln (Exportförderungsprämie, Exportrückvergütungen. Exportstützungen) zusammen. Zusätzliche stimulierende Maßnahmen wurden als indirekte Lenkungsmittel notwendig, da das bis dahin zur planmäßigen Lenkung des Ah. geschaffene Preisdifferenzenkonto weggefallen war. Damit gewannen auch die neu eingeführten, nach sozialistischen und nichtsozialistischen Ländern und Güterarten differenzierten Richtungskoeffizienten zur Bestimmung des Exporterlöses an Gewicht, da über diese Koeffizienten — durch entsprechende Stimulierung der Exportbetriebe — Richtung und Umfang des Warenverkehrs gesteuert werden können.

 

Auf der von der Reform ohnehin wenig betroffenen Importseite wurden im finanziellen Bereich im wesentlichen die Preise an das Niveau der Beschaffungsmärkte neu angeglichen, das Preisdifferenzenkonto blieb grundsätzlich erhalten. Allerdings ist 1968 in einigen Betrieben das einheitliche Betriebsergebnis auch für die Importseite eingeführt worden (VVB Schiffbau Rostock, VEB Kombinat Carl-Zeiss-Jena, VEB Uhrenkombinat Ruhla).

 

Im Bereich der Planung und Leitung der Aw. ist im Zuge der Reformen die Mengen- durch die kombinierte Wert-Mengenplanung abgelöst worden; dabei gewann der Mengenaspekt im Vergleich zur Situation Ende der 60er Jahre wieder verstärkt an Bedeutung. Die nachfolgend aufgeführten Kennziffern sind seitdem von den Betrieben zu berücksichtigen: Ex- und Importe in Mark und Valuta-Mark nach Wirtschafts- und Währungsgebieten und zu Betriebspreisen bzw. Importabgabepreisen nach sozialistischem und nichtsozialistischem Wirtschaftsgebiet (SW und NSW), die Exportrentabilität nach SW und NSW, die Export- und Importanteile wichtiger Erzeugnisse, einschließlich der nach sozialistischen Ländern zu differenzierenden Staatsplanpositionen. Ex- und Importe in bezug auf Maßnahmen der sozialistischen ökonomischen Integration.

 

Der Wertaspekt der Planung, der Ende der 60er Jahre dominant war. hat stark an Bedeutung eingebüßt. So wurde z. B. die Gewährung von Valutaanrechten für zusätzliche Importe bei Planüberbietungen der Produktionsbetriebe, vor allem wegen seiner den Intentionen des zentralen Plans zuwiderlaufenden Wirkung, wieder aufgehoben.

 

Seit 1970, und besonders seit dem VIII. Parteitag der SED (1971), sind im Rahmen allgemeiner Rezentralisierungsbestrebungen im System der Leitung und Planung der Volkswirtschaft auch ähnliche Tendenzen im System der Aw. festzustellen gewesen. Sie hatten das Ziel, „einer weitergehenden Dezentralisation der Außenhandelsorganisation entgegenzutreten, die sich z. T. aus einer einseitigen Betonung der Erfordernisse des wissenschaftlich-technischen Fortschritts ergaben. Mit dem VIII. Parteitag der SED wurden diese Tendenzen überwunden.“ Damit dürfte — wenn auch nur indirekt — Kritik an den Interessen der Produktionsbetriebe, vornehmlich die Wirtschaftsbeziehungen zu den westlichen entwickelten Ländern zu intensivieren, geübt worden sein. Im Zuge der Umorientierung soll die Stellung der AHB gegenüber den Produktionsbetrieben „entsprechend den Gesamtinteressen des Staates“ gestärkt und die ökonomischen Hebel sollen stärker als Planungsinstrumente eingesetzt werden. So ist z. B. vorgeschlagen worden, den Einfluß der AHB auf die Erwirtschaftung und Verwendung des Exportgewinns der Betriebe zu erweitern. Gegenwärtig wird auch betont, daß der AHB nicht — wie ursprünglich vorgesehen — Beauftragter des Produktionsbetriebes, sondern Bestandteil des Produktionsprozesses und Wahrer des Aw.-Monopols ist.

 

Die starke Position der AHB gegenüber den Exportbetrieben ist auch für den Planungszeitraum 1976–1980 beibehalten worden. Der den Betrieben in den 60er Jahren gewährte größere Spielraum zugunsten einer höheren wirtschaftlichen Effizienz ist damit erneut stark beschnitten worden.

 

Wesentliche Ursache für die verstärkte Straffung des [S. 114]Aw.-Systems dürften — neben den Widersprüchen, die eine Folge der Orientierung an der Rentabilität (einheitliches Betriebsergebnis) einerseits und am zentralen Plan andererseits sind — die Erfordernisse der sozialistischen Wirtschaftsintegration im RGW sein. Als dringlich wird es in diesem Zusammenhang angesehen, eine einheitliche Leitung des Ah. zu sichern und damit die Steuerungsmöglichkeiten durch das Ah.-Ministerium den gesamtpolitischen Vorstellungen entsprechend zu stärken. Kein Widerspruch ist es. wenn gleichzeitig postuliert wird, die Verantwortlichkeit der VVB. Kombinate und Betriebe zu erhöhen und deren „sachkundige Mitwirkung“ besonders bei den zunehmenden Kooperations- und Spezialisierungsvorhaben u. a. in Form der „Direktbeziehungen“ zu erweitern, da eine derartige Mitwirkung nur auf der Basis eines „durch staatliche Prämissen abgegrenzten Verantwortungsfeldes“ geschieht. Verstärkte zentrale Eingriffe werden ohnehin dann notwendig, wenn einseitige Belastungen bestimmter Betriebe zu der Notwendigkeit führen, durch „zentrale Umverteilung von Reineinkommensmitteln entsprechende Kompensationsmöglichkeiten zu gewährleisten“.

 

Eine weitere Ursache des Zentralisierungsprozesses ist in den starken Preisbewegungen auf den Weltmärkten zu sehen, die bei dezentralisierten Entscheidungsprozessen die zentralen Planintentionen konterkariert hätten. Festzuhalten bleibt jedoch, daß ein wesentliches Element der Reform — das einheitliche Betriebsergebnis — trotz verschiedentlich geübter Kritik nunmehr als fester Bestandteil des Aw.-Systems angesehen wird.

 

VII. Außenhandelspreise und Verrechnungsverkehr

 

 

Die Preisbildung im Ah. wird in Ermangelung eigener Bewertungsmaßstäbe im sozialistischen System überwiegend nach den auf den „internationalen Märkten“ herrschenden Preisen (Weltmarktpreisen) vorgenommen. Diese bilden unter Berücksichtigung verschiedener ökonomischer Faktoren (Angebot und Nachfrage, Lieferfristen, Bestellmenge, Rabatte usw.) die Basis für die zwischen den Wirtschaftspartnern stattfindenden Preisverhandlungen, deren Ergebnis in der Regel in ausländischer Währung festgelegt und danach in Valutamark bzw. Binnenwährung umgerechnet wird. Die Umrechnung der Ah.- in Binnenpreise erfolgt beim Warenimport nach festgelegten Umrechnungskursen: Die Kurse richten sich nach dem Umfang des Warenexports, der notwendig ist, um die zur Einfuhr benötigten Devisen zu beschaffen. Bei Exportwaren werden die Differenzen zwischen Ah.- und Binnenpreisen, die auch durch die Richtungskoeffizienten beeinflußt werden, in die finanziellen Ergebnisse der Produzenten eingerechnet. Die Preisbildung anhand der Weltmarktpreise erfolgt sowohl im Handel mit westlichen kapitalistischen Ländern als auch mit den RGW-Mitgliedsländern und anderen sozialistischen Volkswirtschaften.

 

Innerhalb des RGW stellt die Preisgestaltung im Intrablockhandel ein vieldiskutiertes Problem dar, das vor allem aufgrund der Besonderheiten des sozialistischen Systems bis heute keiner Lösung zugeführt werden konnte. Im Komplexprogramm von 1971 war vorgesehen, von den gegenwärtig gültigen Preisbildungsprinzipien im gegenseitigen Handel auszugehen, d. h. die Preise auf der Grundlage der Weltmarktpreise „vom schädlichen Einfluß der konjunkturellen Faktoren des kapitalistischen Marktes bereinigt“ festzulegen, gleichzeitig aber „das Problem der Vervollkommnung des Außenhandelspreissystems gründlich zu analysieren“.

 

Um die andauernde Abhängigkeit von den „kapitalistischen“ Weltmarktpreisen zu verringern bzw. ganz zu vermeiden, ist deshalb häufig vorgeschlagen worden (z. B. J. Arojo, M. Sawow), eine eigene — weltmarktpreisunabhängige — Preisbasis für die sozialistischen Länder zu schaffen. Dies scheiterte jedoch bisher in Ermangelung brauchbarer, theoretisch fundierter Preisbildungskriterien. So kann ein Preissystem, das von den Kostenstrukturen der RGW-Länder ausgeht, deshalb keine Alternative sein, da diese Strukturen als Ausdruck staatlicher Politik ein viel zu weit reichendes Spektrum der Abweichung vom tatsächlichen Wert dieser Güter aufweisen. Eine Modifizierung des bestehenden Preissystems wird jedoch für notwendig erachtet, da sich herausstellte, daß die mengen- und wertmäßige Abstimmung der Pläne innerhalb des RGW häufig unabhängig voneinander erfolgte, die Entwicklung neuer Formen der Zusammenarbeit (gemeinsame Investitionen, Betriebe, Austausch wissenschaftlicher Leistungen usw.) es vielfach nicht mehr möglich machte, vergleichbare Preise der Hauptwarenmärkte zu ermitteln und die Langfristigkeit der Planung neue Anforderungen an Stabilität und Anpassungsfähigkeit der RGW-(Plan-)Preise stellte.

 

So sollen zur Förderung von Kooperation und Spezialisierung „wissenschaftlich begründete Preisprognosen“ erarbeitet werden, für die nicht nur der nationale Ist-Aufwand, sondern vor allem „internationale Wertgrößen“ (einschließlich der Berücksichtigung der Währungskurse; Währung) die Basis bilden sollen.

 

Da eine eigene weltmarktpreisunabhängige Preisbasis im RGW bisher nicht verwirklicht werden konnte, muß weiterhin von den Weltmarktpreisen ausgegangen werden. Angesichts der weltweiten Rohstoffpreisänderungen wurde jedoch eine Änderung des Berechnungsmodus vorgenommen. Bildeten sich die Basispreise im RGW bislang auf der Grundlage der Preise auf den Hauptwarenmärkten des dem jeweiligen Fünfjahrplan vorangehenden Fünfjahresabschnitts und waren diese Preise für die Fünfjah[S. 115]resperiode dann prinzipiell konstant, wurde von 1975 an von den durchschnittlichen Preisen auf den Weltmärkten der dem jeweiligen Planjahr vorangegangenen 5 Jahre ausgegangen. Dieser Berechnungsmodus schließt daher nunmehr jährliche Preisänderungen ein.

 

Neben den Preisbildungsschwierigkeiten sehen sich die Wirtschaftsfachleute der DDR in der Frage des internationalen Verrechnungsverkehrs mit weiteren Problemen konfrontiert. Gegenüber westlichen bzw. nichtsozialistischen Ländern wurden in den 50er und 60er Jahren die gegenseitigen Forderungen sowohl im Rahmen von bilateralen Handels- und Zahlungsabkommen, d. h. auf dem Clearingwege, sowie über Kompensationen oder Switchoperationen beglichen. Seitdem wird auf der Grundlage von bilateralen Handels- oder Kooperations-(Rahmen-)Abkommen eine Zahlung in konvertibler Währung vorgenommen. Auch mit den RGW-Ländern wurden Zahlungstransaktionen bis 1964 vorwiegend auf bilateraler Ebene abgewickelt. Mit der Gründung der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) als internationale Verrechnungsinstanz und der Einführung des „transferablen Rubels“ (1964), der nicht mit westlichen konvertiblen Währungen vergleichbar, vielmehr lediglich als Verrechnungsgröße anzusehen ist, haben im RGW Bestrebungen begonnen, zu einer mehrseitigen Verrechnung überzugehen. Daß diese bislang nicht funktionierte, lag nicht zuletzt in der Schwierigkeit und dem fehlenden Interesse der Mitgliedsländer begründet, die langfristigen, bilateral abgestimmten Ah.-Pläne und Handelsabkommen so auszurichten, daß entstehende Guthaben (bei der IBWZ) multilateral verwendet werden können. Auch Zahlungen in konvertibler Währung innerhalb des RGW — besonders für „harte“ Waren wie z. B. Rohöl — ist künftig keinesfalls ausgeschlossen.

 

Ulrich Dietsch


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 105–115


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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