Automatisierung (1979)
Siehe auch die Jahre 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985
Bezeichnung für einen Prozeß, in dessen Verlauf menschliche Arbeit sowohl in ihrer arbeitsausführenden wie in ihrer arbeitskontrollierenden Funktion durch sich selbst regelnde und steuernde Maschinen und Maschinensysteme ersetzt wird. Darüber hinaus bedeutet A. die Modifikation menschlicher Arbeit und ihre Erweiterung um neue Tätigkeitsfelder, da sich durch A.-Maßnahmen neue Tätigkeitsprofile und Organisationsstrukturen herausbilden. Die A. wird als die höchste Stufe im Prozeß der Technisierung, des Einsatzes von technischen Hilfsmitteln zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität, verstanden. Die Vorstufen bilden die Mechanisierung und das Handwerk. Durch die Mechanisierung wird menschliche Arbeit in ihrer körperlich-ausführenden Funktion durch maschinelle Werkzeuge und Maschinen ersetzt. Je nach der Art der eingesetzten technischen Hilfsmittel (Arbeitsmittel) und dem Umfang des Fertigungsablaufs (einzelner Arbeitsplatz, Teil- oder Gesamtablauf) wird die Mechanisierung untergliedert in Kleinmechanisierung, Teil- und Vollmechanisierung. Ähnlich wird bei der A. der Einsatz von selbsttätigen Maschinen für Teilprozesse (Teil-A.) unterschieden vom Einsatz für Gesamtprozesse (Voll-A.).
Der Begriff Voll-A. wird auch in dem Sinne verwendet, daß adaptive Automaten nicht nur die Steuerung des Arbeitsablaufs, sondern auch die begrenzt selbsttätige Auswahl des Arbeitsweges (Steuerung der Steuerung) übernehmen.
Das wichtigste soziale und wirtschaftliche Problem liegt in der durch A. hervorgerufenen Freisetzung von Arbeitskräften. Bei dem anhaltenden Arbeitskräftemangel in der DDR führen Freisetzungen jedoch nicht zu längerfristiger Arbeitslosigkeit.
Gegenstand der A. sind ausschließlich formalisierbare, materielle und geistige Tätigkeiten des Menschen. Automatisiert werden bei dem gegebenen Stand der Automatenentwicklung in der DDR in erster Linie Bearbeitungs- und Transportprozesse in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, in Zweigen der Maschinenbauindustrie, in der elektrotechnischen und elektronischen Industrie sowie der Energie- und Brennstoffindustrie. Daneben werden aber auch geistige Tätigkeiten, z. B. bei Konstruktionsarbeiten und in der Leitungs- und Verwaltungstätigkeit (durch Datenverarbeitungsanlagen) automatisiert.
Die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik hat damit begonnen, die bereits bestehende zentrale Datenbank in Berlin (Ost) durch Bezirksdatenbänke zu ergänzen. Die [S. 128]erste Bezirksdatenbank, mit der zugleich die Umstellung auf das in den RGW-Mitgliedsstaaten angewandte „einheitliche System der elektronischen Rechentechnik“ (ESER) eingeleitet wird, befindet sich in Erprobung (Dresden).
Zu den Voraussetzungen der A. zählt in wissenschaftlicher Hinsicht die Anwendung der Kybernetik. Praktische Voraussetzungen der A. von Produktionsabläufen mittels Automaten mit relativ starrem Programm sind: a) der Produktionsablauf muß als fließender, kontinuierlicher Gesamtprozeß konzipiert sein, b) größere Stückzahlen über einen längeren Fertigungszeitraum, c) die Konstruktionen der Erzeugnisse und Technologien müssen über einen längeren Zeitraum relativ konstant bleiben, d) geringe Qualitätsschwankungen der Zulieferungen und Roh- und Betriebsstoffe und e) fachlich geschulte Arbeitskräfte. Mit dem vorgesehenen Übergang zu adaptiven — algorithmisiert lernenden — Automaten wandeln sich diese Voraussetzungen.
Publizistisch ist der A. von Produktionsabläufen bereits in den 50er Jahren viel Aufmerksamkeit gewidmet worden. Seit Mitte der 60er Jahre hat sich die A.-Diskussion besonders der automatisierten Informationsverarbeitung zugewandt, von der man anfangs und im Unterschied zur Gegenwart schnell praktikable Lösungen für Leitungs- und Verwaltungstätigkeiten — etwa durch vollautomatische Leitungssysteme, vollautomatische Sprachübersetzung — erwartete.
Das Ausmaß der A. in der Industrie wurde in den letzten 20 Jahren gesteigert, ist jedoch im Vergleich zu anderen Industrieländern nicht sehr hoch. Die A. wird in der DDR statistisch gemessen am Anteil der teil- und vollautomatisierten Ausrüstungen am Gesamtbestand in der volkseigenen Industrie (A.-Grad) und am Anteil der an teil- und vollautomatisierten Aggregaten, Maschinen und Anlagen Beschäftigten zur Gesamtzahl der Beschäftigten (A.-Koeffizient). Beide Angaben geben keinerlei Auskunft über die durch A. erzielte Produktivitätssteigerung und die aufgewandten Kosten. Neben sprunghaften Effizienzsteigerungen durch A. gibt es jedoch auch Effizienzverluste. Sie treten vor allem bei sehr hohen Aufwendungen und/oder bei A. auf, die nur Teilphasen von Produktions- und Leitungsprozessen erfassen.
Teil- und Voll.-A. werden statistisch nicht unterschieden. Bei der Teil.-A. bestehen einzelne automatisierte Ausrüstungen unverkettet neben herkömmlichen Maschinen.
Der A.-Koeffizient der Arbeit beträgt gegenwärtig in der zentralgeleiteten Industrie der DDR rd. 10 v. H. Der A.-Grad der maschinellen Ausrüstungen in den zentralgeleiteten Industriebetrieben wird für 1976 mit 43,2 v. H. angegeben (1972: 38,2 v. H., 1974: 40,5 v. H.). Er betrug 1961 für alle Branchen der metallverarbeitenden Industrie rd. 14 v. H. und für die Leichtindustrie rd. 24 v. H. (Schätzungen).
Zu diesem Zeitpunkt gab es in den sozialistischen und halbstaatlichen Industriebetrieben rd. 32.000 automatisierte Maschinen und rd. 23.000 Einzelautomaten (sie übernehmen neben der Fertigungssteuerung auch das selbsttätige An- und Ausschalten sowie das Zuführen und Auswerfen der Arbeitsgegenstände).
Die A. erfolgt vor allem über neu investierte Ausrüstungen. So waren 51 v. H. der von 1971 bis 1973 in der Industrie installierten Maschinen automatisiert, gegenüber 39 v. H. im Zeitraum von 1966 bis 1970. Die Mehrzahl der eingesetzten automatisierten Maschinen werden numerisch gesteuert (z. B. numerisch gesteuerte Werkzeugmaschinen). Sie sind für die in der Industrie der DDR verbreiteten kleinen und mittleren Serien besonders geeignet.
Am weitesten fortgeschritten ist die A. in Zweigen mit kontinuierlicher Fertigung: z. B. in der chemischen Industrie, in der Zementerzeugung und in der Energie- und Brennstoffindustrie. Der A.-Grad ist in der Grundstoffindustrie am höchsten.
Eine Reihe von Problemen entsteht durch die Konzentration der A. auf die Hauptprozesse der Fertigung und die Ungleichmäßigkeit, mit der die A. innerhalb von Betrieben wie auch zwischen Betrieben und Industriezweigen durchgeführt wird. Kennzeichnend für die Fortentwicklung der A. ist die Tendenz, den Fertigungsablauf mit Hilfsprozessen (z. B. innerbetrieblicher Transport, Qualitätskontrolle) und formalisierbaren Leitungselementen unter Einsatz der Elektronischen ➝Datenverarbeitung zu integrieren.
Zu diesem Zweck sind Konzepte für sog. „Integrierte Systeme automatisierter Informationsverarbeitung“ (IS AIV) entwickelt worden, die die Informationen aus den Bereichen der Fertigung, des Absatzes, der Arbeitskräfteplanung, der Finanzen und der Produktionsvorbereitung einer abgegrenzten Leitungseinheit sammeln, speichern, aufbereiten und auswerten sollen.
Intensiver untersucht wurden bisher die Anwendungsmöglichkeiten der A. in der Produktionsvorbereitung. An einem System zur A. der technischen Vorbereitung der Produktion (AUTEVO) wird noch gearbeitet. Die Routinetätigkeiten der technischen Vorbereitung sollen durch den Einsatz von EDV-Anlagen automatisiert werden. AUTEVO umfaßt folgende Teilsysteme:
a) AUTOKONT-A. der konstruktiven Produktionsvorbereitung, b) AUTOPROJEKT-A. der technologischen Projektierung, c) AUTOTECH-A. der technologischen Produktionsvorbereitung. Arbeitsproduktivität; Intensivierung und Rationalisierung; Technologie.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 127–128