DDR von A-Z, Band 1979

Formalismus (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Ursprünglich eine Richtung der russischen Literaturtheorie und Literaturgeschichtsschreibung, die in der UdSSR bis etwa 1930 wirksam war. Hauptvertreter waren. Jurij Tynjanow, Boris Eichenbaum, Viktor Schklowskij. Roman Jakobson. Sie haben den New Criticism als formale Interpretation der Kunst in den angelsächsischen Ländern wie auch den Strukturalismus. der in den letzten Jahren weltweit als Interpretations- und Erklärungsprinzip von Philosophie und Kunst diskutiert wird, maßgeblich beeinflußt. Der Strukturalismus hebt auf die Sprach- bzw. die Materialstruktur des Kunstwerkes ab, um die Autonomie der Kunst zu gewährleisten.

 

Seit den 30er Jahren ist der F.-Begriff in der offiziellen sowjetischen, später auch in der DDR-Ästhetik eine negativ wertende Bezeichnung für nichtrealistische Kunststile. Im Unterschied zum Realismus ist beim F. die Form gegenüber dem Inhalt primär. Die Form wird gegenüber dem Inhalt zum Selbstzweck. Der F.-Begriff wird in zweierlei Hinsicht verwandt, gegen Kunstströmungen des Westens und als Kritik gegenüber Werken, die den Kriterien des sozialistischen Realismus nicht ausreichend entsprechen.

 

Der F. in kapitalistischen Ländern sei eine typische Verfallserscheinung der bürgerlichen Kunst. Der reaktionäre bürgerliche Künstler zeige die Inhaltsleere der kapitalistischen Gesellschaft, ohne jedoch ihre Ursache kenntlich zu machen. Durch den fehlenden Realismus verschleiere die formalistische Kunst aber diesen Inhalt und werde damit unverständlich. Dadurch werde sie nicht nur die esoterische Beschäftigung einer kleinen volksfremden Schicht, sondern zerstöre die Kunst selbst, da sie den Erkenntniswert der Kunst ableugne. Allerdings sei der F. nicht notwendig Ausdruck der reaktionären Weltanschauung des Künstlers. Als Modeerscheinung könnten ihm auch fortschrittliche Künstler verfallen (Picasso). In dieser Weise werden als formalistisch fast alle neueren Kunstströmungen bezeichnet (Futurismus, Kubismus, Surrealismus, Expressionismus, Tachismus, konkrete Malerei bis zur Pop Art).

 

Auf die Kunst sozialistischer Länder angewandt, ist der Begriff F. meist Kritik an der Übernahme „westlicher“ Stilelemente. Er wurde aber auch in der Reaktion auf die stalinistische Kulturpolitik gegen die Realismusinterpretation jener Zeit gebraucht. Ästhetik.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 404


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.