Kammer der Technik (KdT) (1979)
Siehe auch:
Gesellschaftliche Organisation der Ingenieure. Techniker und Ökonomen in der DDR. mit deren Hilfe diese Gruppen der Intelligenz in die politische, soziale und ökonomische Entwicklung einbezogen und ihr Fach- und Sachverstand für den wissenschaftlich-technischen Fortschritt organisiert genutzt werden. Mitglied in der KDT können aber auch technisch-ökonomisch erfahrene Praktiker ohne Hoch- bzw. Fachschulabschluß sein.
Unter bewußtem Bruch mit der Tradition des Vereins Deutscher Ingenieure und anderer traditioneller wissenschaftlich-technischer Vereinigungen wurde die KDT im Juli 1946 im Rahmen des FDGB gegründet. Sie ist seitdem aus dieser organisatorischen Verbindung heraus zu einer eigenständigen Massenorganisation der technischen und teilweise auch der ökonomischen Intelligenz geworden (1. Kongreß der KDT: 3. 12. 1955). Aufgabenstellung, Organisationsstruktur und personelle Verzahnungen in den Leitungen verbinden die KDT fest mit der SED und den anderen Massenorganisationen sowie den staatlichen, wissenschaftlichen und ökonomischen Institutionen und betten ihre Tätigkeit in die jeweiligen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen sowie vor allem wissenschaftlich-technischen Zielsetzungen ein.
Die KDT ist sowohl nach dem Produktions- als auch nach dem Territorialprinzip gegliedert. Die zentralen Leitungsorgane sind der alle 4 Jahre tagende Kongreß, der von diesem gewählte Hauptausschuß, das Präsidium und das Sekretariat. Die größten fachgebundenen Organisationseinheiten bilden 12 Fachverbände (FV): Bauwesen; Chemische Technik; Elektrotechnik; Fahrzeugbau und Verkehr; Holz, Papier, Polygraphie; Land-, Forst- und Nahrungsgütertechnik; Lebensmittelindustrie; Maschinenbau; Nachrichtentechnik; Silikattechnik; Textil, Bekleidung, Leder; Wasser und 5 Wissenschaftlich-technische Gesellschaften (WTG): Gesellschaft für Standardisierung (GfS); Wissenschaftlich-technische Gesellschaft für Geodäsie, Photogrammetrie und Kartographie (WTG GPK); Montanwissenschaftliche Gesellschaft (MWG); Wissenschaftliche Gesellschaft für Meßtechnik und Automatisierung (WGMA); Wissenschaftlich-technische Gesellschaft Energiewirtschaft (WTG EW).
In Anlehnung an die Industriezweig-, VVB- und Kombinatsgliederung, aber auch nach technisch-organisatorischen Themenbereichen differenziert sich die Organisationsstruktur der FV und WTG in Wissenschaftliche Sektionen (WS), Fachausschüsse (FA), Fachunterausschüsse (FUA), Arbeitsgruppen und Aktivs der VVB und Kombinate. 1975 hatte z. B. der FV Elektrotechnik auf zentraler Ebene 9 WS, 34 FA und 13 Aktivs.
Auf gleicher Organisationsstufe wie die FV und WTG bestehen beim Präsidium der KDT für Querschnittsaufgaben Kommissionen (u. a. Neuerer; Arbeit mit der jungen Intelligenz; Wissenschaftliche ➝Arbeitsorganisation; Umweltschutz; Weiterbildung) und zentrale Arbeitsgemeinschaften (AG [Z]: u. a. Materialökonomie; Reinhaltung der Luft; Lärmschutz; Vorbereitung und Durchführung von Investitionen; Grundfondswirtschaft; Marktforschung; Technische Formgestaltung; Arbeitsschutz; Transportrationalisierung; Korrosionsschutz; Augenoptik; Betriebsorganisation und Rechentechnik; Information und Dokumentation). Auch die Kommissionen weisen eine Feingliederung in Arbeitsgruppen usw. auf; sie finden ihre Entsprechung auf der Bezirks-, VVB- und Kombinatsebene.
Dieses stark ausdifferenzierte, flexible und der Konzeption nach aufeinander bezogene, hierarchisierte Organisationssystem eröffnet zum einen die Möglichkeit, spezielle Probleme im wissenschaftlichen, technischen und organisatorischen Bereich von kleinen Spezialistengruppen bearbeiten zu lassen. Es ist die Voraussetzung für die Beratung staatlicher Stellen in Fragen des wissenschaftlich-technischen Fortschritts (Plan Wissenschaft und Technik), der Rationalisierung und Standardisierung, für die Erarbeitung von Materialverbrauchsnormen (Materialwirtschaft) usw. Die verschiedenen zentralen Gremien der KDT erarbeiten ferner wissenschaftlich-technische Informationen und Dokumentationen als Arbeitsgrundlagen für die VVB, VEB sowie die eigenen Mitglieder. Zum anderen wird versucht, durch eindeutige Zuordnungen und Unterstel[S. 577]lung die einzelnen Beratungsgremien in ein kontrolliertes Organisationsgeflecht einzubinden. 1975 bestanden innerhalb der KDT 2.500 überbetriebliche Arbeitsgremien.
Unterste Organisationseinheiten der KDT sind die Betriebs- und Institutssektionen (BS bzw. IS) in den Betrieben, Verwaltungen und Forschungsinstitutionen. Ferner bestehen KDT-Organisationen an den Akademien, Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Die Grundeinheiten sind auf mittlerer Ebene in Bezirksverbänden der KDT zusammengefaßt und werden von den Bezirksvorständen (BV) angeleitet. Die BV der KDT sind in den im Herbst 1976 bei den Bezirksleitungen der SED gebildeten Kommissionen Wissenschaft und Technik vertreten und arbeiten eng mit diesen zusammen. Die direkte Leitungslinie Präsidium ― Bezirksverbände ― Betriebssektionen wurde im Ergebnis der 5. Konferenz der KDT 1970 gestärkt, um den mit der Organisationsstruktur der KDT verbundenen Gefahren der Verselbständigung einzelner Organisationseinheiten entgegenzuwirken. Im übrigen gilt auch für die KDT der Demokratische Zentralismus als verbindliches Organisationsprinzip.
Präsident der KDT ist seit dem 6. Kongreß der KDT (1974) Prof. Dr.-Ing. Manfred Schubert; Prof. Dr. Horst Peschel. sein Vorgänger, wurde zum Ehrenpräsidenten gewählt. Dipl.-Ing. Ök. Rolf Werner ist 1. Sekretär und Vizepräsident der KDT. Für die Mitglieder gibt das Präsidium die Monatszeitschrift „Technische Gemeinschaft“ (TG) heraus; neben ihr erscheinen verbandsinterne Informationsdienste, Dokumentationen, Lehrmaterialien usw. vorwiegend mit fachspezifischen wissenschaftlich-technischen Inhalten; diese Materialien werden von der zentralen Bibliothek der KDT gesammelt, die darüber hinaus über einen großen Bestand an internationalen Fachzeitschriften, Fachbüchern usw. verfügt.
Die Zusammenarbeit der KDT mit den „sozialistischen Ingenieurorganisationen“ der RGW-Staaten hat zunehmend an Gewicht gewonnen. Die Präsidenten und Generalsekretäre dieser Verbände treffen regelmäßig alle 2 Jahre zum Erfahrungsaustausch und zur Abstimmung der Verbandspolitik zusammen (1976 in Prag; beteiligte Länder: UdSSR, ČSSR, DDR, Polen, Rumänien, Ungarn; als Beobachter: Vietnam, Vertreter des RGW-Sekretariats; 1978 Tagung in der DDR). Neben gemeinsamen internationalen Tagungen der Gesamtverbände werden Konferenzen einzelner FV, WTG, AG (Z) veranstaltet. Multilaterale Arbeitsvereinbarungen werden durch bilaterale Absprachen, regelmäßigen Erfahrungsaustausch usw. auf allen Ebenen der Organisationsstruktur ergänzt.
Die KDT ist seit Gründung Mitglied der auf Empfehlung der UNESCO gebildeten Weltföderation der Ingenieurorganisationen (WFEO). Mit der kommunistisch geleiteten französischen CGT-Gewerkschaft: Union Generale des Ingenieurs Cadres et Techniciens besteht seit 1966 eine vertraglich vereinbarte Zusammenarbeit. Die WTG, FV, AG (Z) sind (Mit-)Veranstalter internationaler Fachtagungen und -konferenzen mit Beteiligung westlicher Länder in der DDR. Sie entsenden aber auch Delegationen zu vergleichbaren Veranstaltungen im westlichen Ausland.
Neben der gesellschaftspolitischen Integration der technisch-ökonomischen Intelligenz besteht die Hauptaufgabe der KDT in der Förderung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts: beschleunigte Überleitung von Forschungsergebnissen in die Produktion; Entwicklung und Unterstützung von Rationalisierungsvorhaben; Mitarbeit in der Neuererbewegung, insbesondere in den sozialistischen Arbeitsgemeinschaften; Entwicklung und Einführung neuer Methoden der Betriebs- und Arbeitsorganisation; Ausarbeitung technischer Standards; Beratung staatlicher Institutionen auf allen Ebenen in wissenschaftlich-technischen Fragen. Beklagt wird in diesem Zusammenhang die organisatorische Schwäche der KDT in den Forschungsinstituten der Akademie der Wissenschaften, aber auch an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen. Ferner sei es der KDT bisher nicht gelungen, die Ökonomen in zureichender Zahl in die Organisation einzubinden, obwohl technologische, betriebs- und arbeitsorganisatorische Fragen ohne Berücksichtigung betriebs- und volkswirtschaftlicher Kenntnisse bzw. Erfordernisse nicht zu lösen seien. Eine eigenständige gesellschaftliche Organisation für die ökonomische Intelligenz, wie sie z. B. in Ungarn besteht, wird jedoch bisher ausdrücklich abgelehnt.
Die seit 1970 zu beobachtende Konzentration der Arbeit der KDT auf die BS zielt auf die stärkere Einbeziehung der Intelligenz in den Sozialistischen Wettbewerb. Entsprechend der allgemeinen Aufgabenstellung der KDT richten sich die Wettbewerbsaktivitäten vor allem auf den Plan Wissenschaft und Technik (Planung. II. 5.). Zu ihm sollen die BS in der Plandiskussion einen eigenen „gesellschaftlichen Standpunkt“ erarbeiten, der vor den Wirtschaftsleitungen „verteidigt“ wird und dessen konkrete, zusätzliche Leistungsangebote in den „Gegenplan“ Eingang finden.
1976 haben sich etwa 70 v. H. der BS an dieser Wettbewerbsform beteiligt. Die einzelnen Mitglieder werden angehalten, individuelle Wettbewerbsverpflichtungen in Form der persönlich- und „kollektiv-schöpferischen“ Pläne einzugehen. Als spezielle Wettbewerbsform der ingenieurtechnischen Intelligenz wird seit 1974 der „schöpferische Paß des Ingenieurs“ (Ingenieurpaß) propagiert. Der Ingenieurpaß — ein schriftliches, von der BGL, der KDT- und der Werkleitung bestätigtes Dokument — enthält Verpflichtungen zur Übernahme zusätzlicher Aufgaben im Bereich Forschung und Entwicklung, zur vorfristigen Einführung neuer Techniken, zur konkreten Förderung und eigenen Teilnahme an der betrieblichen Neuererbewegung, zur eigenen Weiterbildung und zur Unterstützung der Qualifizierung anderer Werktätiger, zur Beteiligung an der Gesellschaftlichen Tätigkeit und zur sozialistischen Erziehung des eigenen Arbeitskollektivs. Etwa 60 v. H. der KDT-Mitglieder, die in BS erfaßt sind, haben bisher derartige persönlich „abrechenbare“ Beiträge im Wettbewerb übernommen. Die Einzelverpflichtungen werden in den Arbeitsplan der KDT im Betrieb aufgenommen und sind [S. 578]ihrerseits Gegenstand eines Leistungsvergleichs der BS auf Bezirksebene. Die abrechenbaren Leistungen werden als „Arbeitsergebnisse“ (einschl. der bereits an anderer Stelle erfaßten Zahlen aus der Neuererbewegung) nach Anzahl und Beteiligten ausgewiesen (1976: 94.663 mit 463.599 Beteiligten).
Ein weiterer wichtiger Aufgabenbereich der KDT ist Aufbau, Organisation und Unterhaltung eines umfassenden, ständig an die Plan- und Technikentwicklung anzupassenden, umfassenden Weiterbildungssystems für die technische Intelligenz. 3 Aufgabenstellungen sollen dabei mit unterschiedlichen Methoden gelöst werden: 1. Weiterbildung mit vorwiegend praxisorientiertem, informativem Charakter (Vorträge, Vortragsreihen, Erfahrungsaustausch, Seminare usw.); 2. wissenschaftliche Veranstaltungen über Grundsatzprobleme (Kongresse, Fachtagungen, Symposien usw.); 3. Weiterbildungsmaßnahmen mit dem Charakter eines kurzfristigen Spezialstudiums (Lehrgänge, Fernkurse, standardisiertes Selbststudium mit Konsultationen). Die Mitglieder der KDT sind darüber hinaus mit Unterstützung ihrer Organisation zu einem nicht unerheblichen Teil an den Qualifizierungsvorhaben der Betriebe in den Betriebsakademien beteiligt. KDT und Urania arbeiten auf dem Gebiet der Weiterbildung eng zusammen.
Im Jahr 1977 verfügte die KDT über rd. 3.000 BS mit rd. 202.000 Mitgliedern (davon rd. 190.000 in VEB). Die Gesamtmitgliederzahl betrug 229.705 (davon 25.508 weibl.); von diesen hatten rd. 52.000 (davon ca. 4.600 weibl.) einen Hochschulabschluß, rd. 129.000 (davon rd. 13.400 weibl.) einen Fachschulabschluß. Bei den in der Industrie tätigen Angehörigen der technischen Intelligenz soll der Organisationsgrad 55 v. H. betragen; rd. 80 v. H. der Mitglieder der KDT arbeiten im produktionsvorbereitenden Bereich; rd. 30.000 Mitglieder üben ehren- bzw. hauptamtliche Funktionen innerhalb der KDT aus. 1977 fanden rd. 68.100 Weiterbildungsveranstaltungen mit ca. 1,2 Mill. Teilnehmern statt.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 576–578
Kaliindustrie | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Kammer für Außenhandel (KfA) |