DDR von A-Z, Band 1979

Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Das MfAA. ist ein Organ des Ministerrates, der als ganzer für die „Durchführung der Außenpolitik“ (§ 5 des Statuts des Ministerrates) verantwortlich ist. Im Zuge der internationalen Anerkennung der DDR. die nach dem Abschluß des Grundlagenvertrages zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu mehr als 120 Staaten (insgesamt 127, einschließlich der 1973 unterbrochenen Beziehungen zu Chile, ohne Bundesrepublik Deutschland, Stand: 30. 4. 1979) führte, hat die politische Bedeutung des MfAA. noch zugenommen.

 

Das geltende 2. Statut des MfAA. von 1970 (GBl. II, Nr. 23), welches das erste von 1950 ablöste, bindet das MfAA. an die grundlegenden Beschlüsse von SED, Volkskammer, Staats- und Ministerrat (§ 1);

 

überträgt dem MfAA. die Planung, Leitung und Koor[S. 730]dinierung der „Forschung auf dem Gebiet der Außenpolitik, des Völkerrechts und der Regionalwissenschaften“ (§ 2);

 

weist dem MfAA. eine Koordinierungsfunktion gegenüber allen anderen Ministerien zu, die ebenfalls in bestimmten außenpolitischen Bereichen tätig werden (§ 3). Dies gilt vor allem für das Ministerium für Nationale Verteidigung und das Ministerium für Außenhandel.

 

Zu den Aufgaben des MfAA. gehören ferner u. a.: die Planung (Vorbereitung von Entscheidungen) auf außenpolitischem Gebiet;

 

die Analyse und Prognose der Entwicklung der internationalen Beziehungen;

 

die Durchführung der von Partei- und Staatsführung beschlossenen Aktivitäten auf außenpolitischem Gebiet; die Organisierung des diplomatischen Dienstes;

 

die Vorbereitung völkerrechtlicher Verträge (das MfAA. ist in der Regel verhandlungsführendes Organ); die Durchführung und Kontrolle internationaler Verträge, Vereinbarungen und Absprachen;

 

die Zusammenarbeit mit den diplomatischen Vertretungen anderer Staaten in der DDR;

 

die Koordination und Pflege der Beziehungen zu ausländischen Staaten auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet;

 

die Durchführung des diplomatischen Protokolls (auf der Grundlage der auch von der DDR angewandten Wiener Konventionen von 1961);

 

die Erteilung von Konsularpatent und Exequatur.

 

Dem MfAA. zugeordnet ist das Institut für Internationale Beziehungen (IIB), das formal zur „Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR“ (bis 1972 „Deutsche Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft Walter Ulbricht“) in Potsdam-Babelsberg gehört.

 

Direktor ist seit Januar 1977 Prof. Dr. St. Doernberg, der gleichzeitig die Funktion eines Generalsekretärs des Komitees für europäische Sicherheit der DDR wahrnimmt. Sein Vorgänger, Prof. Dr. G. Hahn, der das Institut seit 1970 geleitet hatte, wurde im April 1977 zum Botschafter in Belgrad berufen.

 

Das IIB ist „Leitinstitut“ für die gesamte außenpolitische Forschung in der DDR und zugleich Ausbildungsstätte für angehende Diplomaten. Bisher haben nach westlichen Schätzungen etwa 1.000 Studenten, d. h. 90 v. H. des Diplomaten-Nachwuchses, ein 5jähriges Studium bzw. mehrmonatige Fortbildungskurse des IIB absolviert; ihre Ausbildung besteht vor allem in Sprachkursen und dem Studium der politischen wie sozio-kulturellen Verhältnisse des Landes, in das sie später entsandt werden.

 

Die Länderforschung ist in der DDR konzentriert auf die Universität Rostock (Lateinamerika), Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald (Nordeuropa), Karl-Marx-Universität Leipzig (Afrika und Nahost), Humboldt-Universität in Berlin (Ost) (Asien).

 

Minister für AA. ist gegenwärtig (seit 20. 1. 1975) das Mitglied des ZK der SED Oskar Fischer. Er löste den in den Ruhestand getretenen, seit 1965 im Amt gewesenen Otto Winzer ab (gestorben 3. 3. 1975). Staatssekretär und 1. Stellvertreter des Ministers ist Herbert Krolikowski, Stellvertretende Minister sind Peter Florin, Michael Kohl, Bernhard Neugebauer, Kurt Nier und Klaus Willerding, Generalsekretär des MfAA. ist Alfred Bruno Neumann (alle SED). Soweit bekannt, unterstehen ihnen folgende Abteilungen:

 

a) Funktionale Abteilungen für Grundsatzfragen und Planung, Auslandsinformation, Internationale Organisationen. Kader und Schulung, Konsularische Angelegenheiten, Konsularrecht, Presse, Journalistische Beziehungen, Kulturelle Auslandsbeziehungen, Reiseverkehr, Parlamentarische und kommunale Auslandsbeziehungen, Protokollfragen. Recht und Vertragswesen, Finanzen, Informationsdienst und Presseauswertung, Dolmetscherdienst, Verwaltung; ferner gibt es ein Dienstleistungsamt für die ausländischen diplomatischen Vertretungen und ein Zentrum für Information und Dokumentation;

 

b) regionale Abteilungen für UdSSR, benachbarte Länder (ČSSR, Polen), Südosteuropa (Balkan), Nordeuropa, Westeuropa, Bundesrepublik Deutschland, sowie 6 außereuropäische Abteilungen für: Fernost (ohne Japan), Süd- und Südostasien, Nah- und Mittelost (arabische Staaten), Nord- und Westafrika, Ost- und Zentralafrika, Nordamerika (USA, Kanada) und Japan, Lateinamerika; ferner gibt es besondere Abteilungen für die UN, für die UNESCO und für „Westberlin“.

 

Eine Besonderheit des MfAA. stellt die Einrichtung eines sog. Kollegiums dar, dessen Mitglieder (mit beratender Funktion) der Minister beruft. Es setzt sich aus Vertretern wissenschaftlicher Institutionen und gesellschaftlicher Organisationen zusammen und soll grundsätzlich Probleme der internationalen Politik beraten. (Ähnliche Kollegien gibt es z. B. noch beim Ministerium für Gesundheitswesen und dem Ministerium der Justiz.) Ferner gibt es beim MfAA. eine Kommission für die kulturellen Beziehungen (mit dem Ausland) und einen wissenschaftlichen Beirat.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 729–730


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.