DDR von A-Z, Band 1979

Nettogewinnabführung (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1985


 

Vom Nettogewinn (= Gewinn minus Produktionsfondsabgabe), den VEB, Kombinate oder VVB in einer Periode erwirtschaftet haben, müssen sie einen bestimmten Teil — meist über die Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) — an den Staatshaushalt abführen. Diese N. (Steuern) ist eine der wichtigen Einnahmequellen des Staatshaushaltes.

 

Im Gegensatz zum Zeitraum von 1963 bis 1967, als nur der nach Abzug der planmäßigen Gewinn-Verwendung durch VEB und VVB verbleibende Gewinn als Nettogewinnabführung an den Staatshaushalt überwiesen wurde, mußten die VVB-Zentralen und Betriebe ab 1968 normativ festgelegte N. an den Staat leisten. Diese bestanden in den für die einzelnen VVB und deren Betriebe stark differenzierten und in den Jahren 1969 und 1970 gleichbleibenden Prozentanteilen des Nettogewinns - bei Berücksichtigung jährlicher Mindestbeträge. Ab 1971 sollten neue, für 5 Jahre geltende Abführungssätze gebildet werden, ohne daß es jedoch wegen der Rezentralisierungsmaßnahmen von Ende 1970 dazu kam. Mit dieser Differenzierung der Sätze der N. versuchte der Staat eine Steuerung der Entwicklung der Industriezweige in Richtung auf von ihm aufgestellte Strukturziele zu erreichen. Dabei sollte die Höhe des Gewinns Leistungsmaßstab sein und die Höhe der N. dort starke Minderungen des Aktionsradius der dezentralen Produktionseinheiten bewirken, wo deren Entwicklungsrichtungen nicht der staatlich angestrebten Struktur entsprachen.

 

Für den Betrieb war in der NÖS-Periode entscheidend, daß von dem um die N. verminderten Nettogewinn nach der planmäßigen Tilgung und Finanzierung von Krediten sowie der Bildung seiner Fonds noch ein möglichst großer Restgewinn verblieb, mit dem er — bei Ausnahme einiger staatlich festgelegter Projekte — seine Investitionstätigkeit weitgehend frei bestimmen konnte. Je größer (kleiner) die N. war, desto geringer (höher) wurde dieser Restgewinn und damit der betriebliche Aktionsspielraum. Die N. ist grundsätzlich im Gewinnverwendungsfonds der VVB-Zentrale erfaßt worden. Daraus flossen dann bestimmte Gewinnanteile an den Staatshaushalt. Mit dem bei der VVB-Zentrale verbleibenden Teil sind Gewinnumverteilungen innerhalb der, VVB zur Förderung wichtiger Strukturziele durchgeführt worden: Einerseits wurden solchen Betrieben des VVB-Verbandes Mittel gewährt, deren Gewinnerzielung zur planmäßigen Finanzierung der Betriebsausgaben nicht ausreichte; andererseits finanzierte die VVB-Leitung in eigener Regie durchgeführte Investitionsprogramme sowie sonstige Konzernaufgaben, soweit sie nicht durch Mittel aus der VVB-Umlage bezahlt wurden.

 

Ab 1971 wurden mit der Rezentralisierung sowohl die Investitionsentscheidungen wieder in die Hand staatlicher Instanzen gelegt, als auch der zu erwirtschaftende Nettogewinn zur staatlichen Plankennziffer erhoben. Damit konnte die Gewinnabführung auf die Vorgabe absoluter, branchenweise unterschiedlicher N.-Beträge geändert werden, die 1971 auch bei Nichterreichen des Plangewinns voll zu zahlen waren. Da die Betriebe bei Unterschreitung des Soll-Gewinns erheblichen Finanzierungsschwierigkeiten gegenüberstanden, wurde 1972 eine Erleichterung beider N. gewährt: 30 v. H. der Unterschreitung des Plangewinns durften gekürzt werden. Seit 1973 traten noch weitere Lockerungen ein: Sowohl die N. als auch die Plankennziffer für den Nettogewinn dürfen bei der Planausarbeitung als Berechnungskennziffer behandelt werden, die sich indirekt aus anderen verbindlichen Plankennziffern ergibt. Bei Unterschreiten des Soll-Gewinns dürfen nunmehr 50 v. H. der Gewinnunterschreitung von der N. gekürzt werden. Bleibt der Ist-Gewinn allerdings noch unter diesem verminderten Gewinnabführungssoll, so ist er voll abzuführen und die Differenz als Finanzschuld im darauf folgenden Jahr zu tilgen und bis dahin mit 5 v. H. zu verzinsen.

 

Bei Übererfüllung des Soll-Gewinns müssen die Betriebe und Kombinate einen einheitlichen Abführungssatz von 50 v. H. des Mehrgewinns zahlen.

 

Der VVB kommt nach wie vor die Funktion zu, aus ihrem — aus betrieblichen N.-Beträgen gespeisten — Gewinnfonds, neben der Abführung an den Staatshaushalt, Gewinnumverteilungen innerhalb der VVB durchzuführen und über den Reservefonds bestimmte Rationalisierungsmaßnahmen durchzusetzen. Dasselbe gilt auch für die Kombinatsspitze und deren Gewinnfonds irrt Verhältnis zu den ihr unterstehenden Kombinatsbetrieben.

 

Der Charakter der N. hat sich seit der Rezentralisierung gewandelt. Denn nunmehr ist die Erfüllung der geplanten mengenmäßigen und wertmäßigen Produktionsziele stark mit der finanziellen Planung verknüpft: Bei Nichterreichen der Produktionsziele treten wegen der Unterschreitung des Soll-Gewinns deutliche Schwierigkeiten in der Finanzierung der betrieblichen Aufgaben ein, die zwar durch die dann vorgesehenen Minderungen der N. abgeschwächt wurden, aber dennoch immer weiter bestehen. Als strukturpolitisches Instrument ist die N. zwar noch immer wirksam, ihre Bedeutung ist aber ge[S. 763]schwächt, denn die Strukturpolitik vollzieht sich nunmehr wieder durch reale Planvorgaben. Die N. soll allerdings die staatlichen Strukturziele auf der Seite der finanziellen Planung unterstützen - eine Zielsetzung, die wiederum nicht unterschätzt werden sollte.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 762–763


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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