DDR von A-Z, Band 1979

Ökonomisches Grundgesetz (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Wirtschaftliche Zusammenhänge in Gesellschaft und Staat werden — auf der Grundlage des Historischen Materialismus — als durch ökonomische Gesetze beherrscht angesehen, die ebenso wenig wie Naturgesetze aufgehoben werden können. Danach ist für die Produktionsweise jeder Gesellschaftsordnung ein spezifisches, durch die jeweils herrschenden Eigentumsverhältnisse bestimmtes System von ökonomischen Gesetzen kennzeichnend. In diesen Gesetzen sollen sich die wirtschaftlichen Beziehungen einer Gesellschaft äußern; sie sollen das Verhältnis der Klassen und Schichten zueinander regeln und über Produktion, Distribution und Güterverwendung bestimmen.

 

Mit dem ÖG. wird die Vorstellung verbunden, daß die mannigfaltigen Erscheinungen einer Gesellschaftsordnung auf eine vorrangige Gesetzmäßigkeit zurückführbar seien. Demnach postuliert das ÖG. des Kapitalismus, das von Marx entdeckte Ziel der kapitalistischen Produktion sei die Erzeugung des Mehrwerts, das durch ständige Ausdehnung der Produktion, verbunden mit wachsender Ausbeutung der arbeitenden Klassen, realisiert werde.

 

Demgegenüber konstatiert das ÖG. des Sozialismus, das Charakteristikum sozialistischen Wirtschaftens bestehe in der gesetzmäßigen „ununterbrochenen Erweiterung und Vervollkommnung der Produktion auf der Basis der führenden Technik, der sozialistischen Zusammenarbeit zur möglichst vollständigen Befriedigung der ständig wachsenden Bedürfnisse und der allseitigen Entwicklung aller Mitglieder der Gesellschaft“ (Polit. Ökonomie, Berlin [Ost] 1964, S. 472).

 

Nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) wird das Wirken des ÖG. darin gesehen, daß es den Zusammenhang von Produktion und Konsumtion im Sozialismus unterstreicht, demzufolge „die Befriedigung der individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisse im Sozialismus nur durch das ständige Wachstum der Produktion erfolgen kann“ (Einführung in die Politische Ökonomie des Sozialismus, Berlin [Ost] 1974, S. 143).

 

Die ökonomische Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus wird aus der für den Sozialismus als gegeben erachteten Bewußtheit des ökonomischen Handelns geschlossen, die sich einerseits in der [S. 774]allmählichen Bildung kollektiven Verantwortungsbewußtseins, andererseits in einer durch den Plan „wissenschaftlich“ begründeten Sozialistischen Wirtschaftsführung zeige.

 

Das ÖG. des Sozialismus gilt offiziell als oberste wirtschaftspolitische Richtlinie. Allerdings weisen auch führende Wirtschaftswissenschaftler der SED darauf hin, daß sich aus den allgemein gehaltenen Formulierungen des ÖG. kaum konkrete Handlungsweisungen für die praktische Wirtschaftspolitik herleiten lassen (Prof. Dr. W. Kalweit, Vizepräsident der AdW).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 773–774


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.