DDR von A-Z, Band 1979

Patriotismus (1979)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1985


 

Die Verfassung der DDR spricht in ihrem Artikel 25 Abs. 2 vom „Geist des sozialistischen P. und Internationalismus“ als einem Wesensmerkmal des Menschen im Sozialismus. Auch das 1963 verabschiedete Programm der SED verknüpfte beide Begriffe. In dem Abschnitt über die „Vertiefung des sozialistischen P. und des sozialistischen Internationalismus“ hieß es: „Das sozialistische Nationalbewußtsein, die Liebe zur Deutschen Demokratischen Republik und der Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus erwachsen aus dem tiefen Verständnis für die geschichtliche Rolle des ersten deutschen Arbeiter-und-Bauern-Staates und dem unbeugsamen Glauben an den Sieg des Sozialismus und des Friedens in ganz Deutschland. Sie sind untrennbar mit der Ideologie der Völkerfreundschaft verbunden.“

 

Die SED will P. als Liebe zum Vaterland verstanden wissen. Allerdings hat sich ihre Haltung in dieser Frage, im Zeichen ihrer revidierten Einstellung zur nationalen Frage, geändert. Bis in die zweite Hälfte der 60er Jahre hinein sprach die SED von Deutschland als dem Vaterland, für dessen künftiges Geschick die Nation der Deutschen — und damit auch die Bevölkerung der DDR — Verantwortung trügen. Seit Ende der 60er Jahre wurde der „sozialistische deutsche Nationalstaat“ DDR als Vaterland bezeichnet, der keinerlei Gemeinsamkeit mit dem westlichen Deutschland besitze.

 

Das Mitglied des Politbüros der SED, H. Axen, erklärte 1973, die Herausbildung der sozialistischen Nation in der DDR sei vom Prozeß der Herausbildung des sozialistischen Bewußtseins (Bewußtsein, Gesellschaftliches) als herrschender Ideologie begleitet, wobei der sozialistische P. und der Proletarische ➝Internationalismus den „entscheidenden Inhalt des sozialistischen Bewußtseins“ bildeten. Nach Axen ist der P. die „stärkste nationale Empfindung“, deren Inhalt durch die jeweilige Gesellschaftsordnung bestimmt wird: „Liebe zur Arbeiterklasse, Liebe zum sozialistischen Vaterland, Liebe zur Arbeit für die sozialistische Sache, gegenseitige Hilfe und Unterstützung, Bereitschaft zur Verteidigung der Heimat sind ebenso Züge des sozialistischen P. wie die erst im Sozialismus möglichen neuen Verhaltensweisen gegenüber der Frau, der Familie und der Ju[S. 799]gend“ (H. Axen. Zur Entwicklung der sozialistischen Nation in der DDR, Berlin [Ost] 1973, S. 32 f.).

 

Die SED beruft sich auf Clara Zetkins Unterscheidung von bürgerlichem und proletarischem P. — der erstere gilt als konservativ und reaktionär, der letztere als revolutionär. Als „einzige konsequent-revolutionäre Klasse“ sei die Arbeiterklasse „auch die am meisten patriotische Klasse der Gesellschaft“ (Kleines Politisches Wörterbuch, Berlin [Ost] 1973, S. 645). Von dem als Ausdruck einer reaktionären Ideologie verworfenen Nationalismus will die SED ihr Verständnis des P. abheben, indem sie P. und sozialistischen oder proletarischen Internationalismus als eine untrennbare dialektische Einheit bezeichnet. Nation und nationale Frage.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 798–799


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.