DDR von A-Z, Band 1979

Presse (1979)

 

 

Siehe auch:


 

Gesamtheit der nach marxistisch-leninistischen Prinzipien gestalteten Zeitungen und Zeitschriften. Als „Presse neuen Typs“ ist sie wichtiges Instrument der Medienpolitik der SED. Ihre politische Funktion im Herrschaftssystem der DDR (parteiliche Information, Kontrolle, Agitation und Propaganda) ist grundverschieden von der in Ländern mit parlamentarisch-demokratisch verfaßter Regierungsform. Die P. der DDR ist Lizenz-P.: Alle P.-Erzeugnisse (Tages- und Wochenzeitungen, Kreis- und Betriebszeitungen, Zeitschriften, Nachrichten- und P.-Dienste) dürfen nur mit staatlicher Erlaubnis (Lizenzpflicht) hergestellt und herausgege[S. 859]ben werden. Die Lizenzen erteilt das Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR; für Kreis- und Betriebszeitungen, örtliche Mitteilungsblätter und Kulturspiegel erteilen sie die Vorsitzenden der Räte der Bezirke.

 

Eine Lizenz „kann“ befristet oder unbefristet erteilt werden, „wenn der Charakter des Presseerzeugnisses den Gesetzen der DDR entspricht“ und „im Rahmen des Volkswirtschaftsplanes die erforderlichen Materialkontingente zur Herstellung zur Verfügung stehen“.

 

Die Lizenz kann eingeschränkt oder wieder entzogen werden, wenn „festgestellt“ wird, daß die genannten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (VO über die Herausgabe und Herstellung aller periodisch erscheinenden P.-Erzeugnisse vom 12. 4. 1962). In den ersten Nachkriegsjahren erfolgten die Lizenzverteilung und Zensur durch die SMAD. Damalige Tageszeitung der Besatzungsmacht: „Tägliche Rundschau“.

 

Für alle periodisch erscheinenden P.-Erzeugnisse besteht ein staatliches Vertriebsmonopol, ausgeübt durch den Postzeitungsvertrieb: In- und ausländische P.-Erzeugnisse dürfen in der DDR nur vertrieben, verkauft oder unentgeltlich verbreitet werden, wenn sie in die Postzeitungsliste des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen aufgenommen sind (Ausnahme: SED-Betriebszeitungen). Einzelheiten regelt die AO über den Vertrieb von P.-Erzeugnissen — Postzeitungsvertriebsordnung — vom 20. 11. 1975 (GBl. I, 1975, S. 769 ff.). Tageszeitungen: Sie sind nach der marxistisch-leninistischen Lehre von der Identität von Partei- und Massen-P. Organe der Parteien oder der Massenorganisationen.

 

1977 gab es in der DDR 38 Tageszeitungen mit einer Gesamtauflagenhöhe von täglich 8,3 Mill. Exemplaren. Erscheinungsweise: montags bis sonnabends (mit Wochenendbeilage); seit Januar 1975 erscheinen keine Sonntagszeitungen mehr.

 

Nach Anzahl, Umfang und Auflagenhöhe kommt der SED-P., als „Kern des sozialistischen P.-Systems“, die größte Bedeutung zu. Die SED ist auch Eigentümerin des größten P.- und Verlagskonzerns (Zentrag).

 

Zur parteieigenen P. gehören die Tageszeitungen der SED: „Neues Deutschland“, Zentralorgan der SED, (Ost-)Berliner und Republikausgabe; tägliche Auflage über 1 Mill. (1977); 15 Bezirkszeitungen als Organe der jeweiligen Bezirksleitungen der SED mit eigenem Titel, z. B. „Freiheit“, Halle; „Leipziger Volkszeitung“, Leipzig; „Sächsische Zeitung“, Dresden. Die SED-Tageszeitungen der 14 DDR-Bezirke erscheinen in 218 Kreisen mit eigenen Lokalseiten.

 

Die „Berliner Zeitung“ - nach 1945 zunächst Magistratsblatt — ist, ebenso wie die „BZ am Abend“ (einzige Abendzeitung) Organ der SED-Bezirksleitung Berlin (Ost) und erscheint wie die (Ost-)Berliner Ausgabe des ND mit (Ost-)Berliner Lokalteil. Auflagenhöhe aller SED-Bezirkszeitungen (einschließlich „Berliner Zeitung“) 1977: täglich 4,7 Mill. Exemplare.

 

Die Tageszeitungen der anderen Parteien (überregionale Zentralorgane der Parteiführungen mit Ost-Berliner und Republikausgaben) hatten in den 70er Jahren folgende Auflagen:

 

 

An regionalen Tageszeitungen geben mit eigenen Titeln heraus: die CDU 5, die LDPD 4 und die NDPD 5 für die ehemaligen Länderbereiche Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, einschließlich der Zentralorgane mit 69 Lokalseiten. Die DBD verzichtete auf eigene Regionalzeitungen, ihr Zentralorgan erscheint mit regionalen Bezirksseiten.

 

Alle Tageszeitungen dieser Parteien erreichen insgesamt nicht einmal die Auflagenhöhe der von der FDJ herausgegebenen Tageszeitung „Junge Welt“, Organ des Zentralrats der FDJ, Auflage: 900.000 (1978).

 

Weitere Tageszeitungen von SED-gelenkten Massenorganisationen: „Tribüne“, Organ des Bundesvorstandes des FDGB (Auflage 1974: 400.000); „Deutsches Sportecho“, Organ des DTSB.

 

Da sämtliche Parteien und SED-geführten Massenorganisationen und Verbände in ihren Statuten die führende Rolle der SED anerkennen und sich ihrer gesellschaftlichen und staatlichen Politik unterordnen, stimmen Aufmachung und Inhalt des allgemeinen Nachrichtenteils aller Tageszeitungen im wesentlichen überein (ADN). Zentrale Lenkung erfolgt nach den genau festgelegten Auswahlprinzipien: „Um dem Leser ein richtiges Bild von der objektiven Wirklichkeit in ihren Zusammenhängen zu vermitteln, wird die Auswahl der zu veröffentlichenden Nachrichten, ihre Placierung, die Zusammenstellung der einzelnen Fakten innerhalb einer Nachricht sowie die Wortwahl und Überschriftengestaltung parteilich vorgenommen“, und: „Wir drucken nicht prinzipienlos alles mögliche ab. Unsere Presse bringt, was der Masse des Volkes dient. Der Gegner kommt nur zu Wort, falls uns das dient“ (Journalistisches Handbuch der DDR, Leipzig 1960, S. 193; Sozialistische Journalistik, Leipzig 1966, S. 132). Die weitere Thematik ist in Auswahl und Ansprache, doch mit gleicher Zielsetzung („sozialistische Bewußtseinslenkung“) dem zugedachten Bezieherkreis angepaßt („Sozialistisches Pressesystem“). Die führende Rolle der SED ist auch in allen anderen P.-Arten durch die Kaderpolitik und die journalistische Ausbildung (Journalismus) gesichert. Alle gesellschaftlich relevanten Wochenzeitungen und Zeitschriften werden von Verbänden, Organisationen, staatlichen Institutionen und Verlagen, die der Kontrolle der SED unterliegen, herausgegeben.

 

Wochenzeitungen: „Horizont“. Sozialistische Wochenzeitung für internationale Politik und Wirtschaft, parteiliches Informationsblatt über Ausland, Außenpolitik und internationalen Kommunismus (Dokumentationsteil); sie übernahm z. T. mit die Funktion des eingestellten Bulletins „Aus der internationalen Arbeiterbewegung“.

 

„Die Wirtschaft“, Zeitung für Politik, Wirtschaft und Technik, praxisbezogene Abhandlungen zur Wirt[S. 860]schaftspolitik der SED mit RGW-Berichterstattung. „Neue Deutsche Bauernzeitung“, Organ des ZK der SED (Auflage 1973: 185.000).

 

„Sonntag“, kulturpolitische Wochenzeitung, Organ des Kulturbundes.

 

„Wochenpost“. Massenblatt für die Familie mit 32 Seiten, gegliedert in: politische DDR-Umschau, Kultur-Umschau mit Filmpremieren, Außenpolitik (Ost/West), Kaleidoskop, Portrait der Woche, Anzeigen, DDR-Fernsehprogramm, Briefwechsel- und Heiratsanzeigen, Rätselseiten und Ratgeber (Garten, Hausarzt usw.); wöchentliche Auflage: 1,1 Mill. (1974). „Für Dich“, Illustrierte Zeitschrift für die Frau, 48 Seiten mit politischen Kommentaren, Frauenthemen, Erziehungsproblemen, Roman, Mode und Ratgeber; wöchentliche Auflage: 850.000 (1969).

 

„FF dabei“, Funk/Fernseh-Programmillustrierte; Auflage: 1,4 Mill. (1974).

 

1977 erschienen 31 Wochenzeitungen mit einer Gesamtauflage von 8,7 Mill. Exemplaren. Die Zeitschriften der Parteien, Massenorganisationen und Verbände dienen der ideologischen Vertiefung der jeweiligen Sach- oder Verbandsarbeit. Sie spiegeln daher oft aufschlußreicher als die Tageszeitungen das Spannungsverhältnis von Ideologie und Wirklichkeit wider (Zeitschriften). Die zuständigen Organe der SED sind ferner alleiniger Herausgeber von Betriebszeitungen. Sie erscheinen als Organe der Leitungen der SED-Betriebsparteiorganisationen (auch an staatlichen Institutionen, z. B. Universitätszeitungen); 1977 gab es 630 Betriebszeitungen mit einer Gesamtauflage von rd. 2 Mill. Exemplaren. Sie gelten als „Führungsinstrumente der politisch-ideologischen Massenarbeit“ der Partei vor allem zur Erfüllung und Übererfüllung der Volkswirtschaftspläne im sozialistischen Wettbewerb (Beschluß des Sekretariats des ZK der SED vom 4. 6. 1975, in: „Neuer Weg“, Nr. 14/1975). Eine AO des Ministers für Kultur regelt die materielle Anerkennung für werktätige Mitarbeiter an der Betriebszeitung (AO vom 22. 4. 1976, GBl. I, 1976, S. 281 ff.).

 

Einige kirchliche Zeitungen und Zeitschriften werden von den Kirchen in der DDR herausgegeben.

 

Westliche Zeitungen und Zeitschriften, sofern sie nicht in einem genehmigungspflichtigen Abonnement bezogen werden (ausgewählte Funktionäre und leitende Mitarbeiter und Wissenschaftler staatlicher Institutionen), sind für die Allgemeinheit nicht erhältlich (Zeitungsaustausch).

 

An nur wenigen zentral gelegenen Zeitungskiosken der Post (Verkaufsmonopol) in Großstädten wie Berlin (Ost) und Leipzig und in Inter-Hotels werden einige westliche Zeitungen angeboten; an den für alle zugänglichen Verkaufsstellen jedoch nur kommunistische wie die französische „L'Humanité“ oder die italienische „L'Unità“ und das westdeutsche DKP-Organ „UZ“ sowie „Die Wahrheit“ der West-Berliner SEW (in den letzten Jahren allerdings ohne westliches Fernsehprogramm).

 

Reichhaltig ist dagegen das P.-Angebot aus den osteuropäischen sozialistischen Staaten, vor allem sowjetische Publikationen z. T. in deutscher Sprache wie „Presse der Sowjetunion“. „Sowjetunion“, „Sowjetfrau“ usw.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 858–860


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.