
Sozialistische Wirtschaftsführung (1979)
Siehe auch:
- Wirtschaftsführung, sozialistische: 1969
1. Bezeichnung für das Führen und Leiten gesamt- und einzelwirtschaftlicher Abläufe.
2. Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften. Sie behandelt als Lehre die „zweckmäßigste Art und Weise“ der Leitung der Volkswirtschaft, der VVB, der Kombinate und Betriebe. Der Gegenstand dieser spezifischen Sozialistischen ➝Leitungswissenschaft ist der Gesamtbereich wirtschaftlichen Handelns: die Organisation des volkswirtschaftlichen Leitungssystems, Leitungsaufgaben wie Prognose, Planung und Kontrolle, die Finanzierung und das Wirtschaftsrecht als Leitungsinstrumente, die Rolle des Leiters, Methoden der Personalführung und die Entscheidungsfällung mittels moderner Verfahren. Die Lehre soll auf Erkenntnissen des Marxismus-Leninismus, der Kybernetik und Mathematik, der Soziologie und Empirischen Sozialforschung und der Rechtswissenschaft aufbauen. Ziel der SW. ist es, die Produktions- und Leitungsprozesse der Gesamtwirtschaft wie der einzelnen Wirtschaftsbereiche, Betriebe und Genossenschaften mit höchster Effizienz zu steuern und zu lenken. Erforderlich wurden Einführung und Entfaltung der SW., als aufgrund der bis dahin praktizierten unzureichenden Leitungsformen und -kenntnisse das Neue ökonomische System die Verbesserung der Ausbildung der Wirtschaftsleiter und die Änderung der Lehrprogramme und Lehrmethoden zu wirtschaftspolitischen Zielen erklärte. Inzwischen wird sie an mehreren Universitäten, Technischen Hochschulen, außeruniversitären Instituten für sozialistische Wirtschaftsführung, die Ministerien direkt unterstellt wurden, sowie an Akademien der Industriezweige und Betriebe gelehrt (vgl. Schema auf S. 968).
Als zentrales Organ wurde Ende 1965 das Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED gegründet. Zusammen mit dem Arbeitskreis „Sozialistische Wirtschaftsführung“ gibt das Zentralinstitut eine „Schriftenreihe zur sozialistischen Wirtschaftsführung“ heraus; ferner hat der zentrale Wissenschaftliche Rat für Fragen der Leitung in der Wirtschaft hier seinen Sitz (Wissenschaftliche Räte). Neben dem Zentralinstitut widmen sich die übrigen Institute und Akademien den Lehraufgaben und Forschungszielen der SW. Im Mittelpunkt der Arbeit aller Einrichtungen stehen die Aus- und Weiterbildung des Führungs- und Leitungspersonals der Wirtschaft. Während Spitzenkräfte im Zentralinstitut ausgebildet werden, erfassen die universitären Institute und Sektionen und die Ausbildungsstätten der Ministerien vor allem Abteilungsleiter der staatlichen Verwaltung, Direktoren der Betriebe und Banken sowie Wirtschaftssekretäre der Kreisleitungen der SED (Personal der Nomenklaturgruppen II und III). Dabei konzentriert sich jedes Institut auf die Aus- und Weiterbildung von Personal möglichst begrenzter Wirtschaftsbereiche oder Industriezweige. So sind etwa die Institute für SW. der Handelshochschule Leipzig und der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“, Dresden, für die Weiterbildung im Handels- bzw. Verkehrsbereich, das Institut für SW. der Technischen Hochschule für Chemie „Carl Schorlemma“, Leuna-Merseburg, für die Zweige der chemischen Industrie zuständig. Die untere Ebene des Aus- und Weiterbildungssystems setzt sich aus den Akademien der Industriezweige, Kombinate und Betriebe sowie den Betriebsschulen zusammen (im Jahr 1976 bestanden 790 Betriebsakademien und 420 Betriebsschulen in der DDR). Hier werden vor allem Direktoren von Betrieben und Kreisbauämtern, Abteilungsleiter von Betrieben und Räten der Kreise, Meister sowie Sekretäre der betrieblichen Parteiorganisationen der SED aus- und weitergebildet (Personal der Nomenklaturgruppe III). Auf der Ebene der Industriezweige wurden zwischen 1964 und 1967 mehrere neue Schulungszentren eingerichtet: die Akademie für sozialistische Wirtschaftsführung der VVB Zellstoff, Papier, Pappe, VVB Polygraphische Industrie, VVB Verpackung und VOB Zentrag; die Wirtschaftszweigakademie des Außenhandels; die Industriezweigakademien der VVB Gummi und Asbest sowie der VVB NE-Metallindustrie.
Mit der Etablierung und Entfaltung der SW. gelang es, das Ausbildungsniveau des Führungs- und Leitungsper[S. 968]sonals anzuheben, indem die Aus- und Weiterbildung stärker auf wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse gegründet wurde. Mängel der SW. bestehen nach wie vor bei der Programmgestaltung, der Zusammenarbeit der Institute mit den Wirtschaftsbetrieben und Verwaltungsstellen sowie bei der Schulung des Führungsnachwuchses. Hinderlich ist häufig auch die geringe Bereitschaft der Wirtschaftsleiter zur eigenen Weiterbildung.
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 967–968
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