Sozialstruktur (1979)
I. Grundzüge
Als S. kann die Gesamtheit der Einzelstrukturen einer Gesellschaft bezeichnet werden. Im weiteren Sinn umfaßt der Begriff der S., wie er in der DDR verwandt wird, damit den „Bau“, die Organisation der Gesellschaft, die „Gesamtheit der sie bildenden Elemente und Beziehungen“. Im engeren Sinn wird unter S. die „Gesamtheit von im Hinblick auf we[S. 988]sentliche gesellschaftliche Merkmale sich unterscheidenden Kategorien, bestehenden realen gesellschaftlichen Beziehungen“ verstanden. Die politisch-ideologischen Beziehungen zwischen den unterschiedlichen sozialen Klassen, Schichten und Gruppen werden ausdrücklich ebenfalls als konstitutives Merkmal der S. hervorgehoben. Deshalb gilt als „Kern“ der S. die Klassenstruktur (Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin. H. 1/1977. S. 99). In einer eher soziologisch zu nennenden Definition wird S. wie folgt definiert:
„Wir verstehen … unter Sozialstruktur ein relativ stabiles, gesetzmäßig determiniertes Gefüge sowohl zwischen als auch innerhalb der Klassen, Schichten und sozialen Gruppen, das die Gesamtheit der wesentlichen sozialen Gliederungen der Gesellschaft, die Qualität ihrer Beziehungen und die quantitative Ausprägung sozialer Unterschiede zwischen ihnen beinhaltet“ (Grundlagen der marxistisch-leninistischen Soziologie, Hrsg. G. Aßmann und R. Stollberg, Berlin [Ost] 1977, S. 153). Dazu gehören, bezogen auf die DDR-Gesellschaft, die soziale Struktur der Partei und der Massenorganisationen sowie die Klassen-, Schichten- und Gruppenstrukturen mit verschiedenen Substrukturen: Beschäftigten- und Berufsstruktur, Einkommensstruktur, Religions-, Familien-, Bildungs- und Ausbildungsstruktur u. a. Die S. der DDR-Gesellschaft ist seit 1961 vor allem durch bestimmte Erscheinungen des Wandels wie auch der Herausbildung neuer Schichten- und Gruppenstrukturen gekennzeichnet. Sozialer Wandel zeigt sich einmal in der hohen vertikalen (Aufstiegs-/Abstiegs-)Mobilität und der hohen horizontalen (besonders Berufs-)Mobilität. So sollen Ende 1976/Anfang 1977 bereits 80 v. H. aller Genossenschaftsbauern einen Facharbeiter- bzw. Fach- oder Hochschulabschluß besessen haben (Wissenschaftliche Zeitschrift der Humboldt-Universität zu Berlin. H. 1/1977, S. 106). Sozialer Wandel wird darüber hinaus in einem Wandel der Gesellschaftspolitik der SED-Führung und der Reaktion der Bevölkerung sichtbar: Eine Teilanpassung zahlreicher Gruppen der Bevölkerung an das Regime, besonders in der beruflichen Sphäre, ist seit den frühen 60er Jahren nicht zu übersehen (SED). Ferner sind Erscheinungen des Generationenwechsels, vor allem in ihren Auswirkungen auf den Partei- und Staatsapparat, hervorzuheben. Die neuen Eliten, jüngere (Partei-)Fachleute in so gut wie allen Bereichen der Gesellschaft, prägen dieser immer stärker Züge einer spezifischen Leistungs- und Laufbahngesellschaft auf. Weitere Erscheinungen des sozialen Wandels sind die zunehmende Überalterung, der Rückgang der selbständig Berufstätigen, der im Abbau befindliche Frauenüberschuß und der zunehmende Anteil von weiblichen Berufstätigen (1977: ca. 50 v. H.). Schließlich sind die hohe Erwerbsquote von rd. 53 v. H. im Jahr 1977 (etwa 90 v. H. aller im arbeitsfähigen Alter stehenden Personen waren 1977 tatsächlich in den Arbeitsprozeß eingegliedert) sowie ein hohes Maß der gesellschaftlich-staatlichen Inanspruchnahme des einzelnen charakteristisch für die S. der DDR. Obwohl es damit bestimmte soziale Unterschiede zwischen Klassen, Schichten und Gruppen in der DDR gibt, existiert nur eine selbständige Klassenideologie, die „Ideologie der Arbeiterklasse“.
II. Die Sozialstruktur im Spiegel der DDR-Literatur
In der Literatur der DDR bleibt die Analyse der S. der eigenen Gesellschaft noch immer weitgehend auf die Klassen-, Schichten- und Gruppenstruktur im engeren Sinne beschränkt. Herrschafts- und Machtstrukturen werden ausgeklammert. Man geht, der marxistisch-leninistischen Tradition folgend, noch immer davon aus, daß die sozialen Klassen (und Schichten) einer Gesellschaft durch ihre Stellung zu den Produktionsmitteln bestimmt werden. Mit der Eigentumsverfassung müßten sich auch die Strukturen der Klassen und Schichten verändern. Die Unterscheidung in Besitzer und Nichtbesitzer von Produktionsmitteln gelte für die DDR-Gesellschaft, als Sozialistische Gesellschaft, nicht. Es gäbe hier keine aus der S. erwachsenden Herrschaftsstrukturen im Sinne der eigentlichen (bourgeoisen) Klassengesellschaften. Die DDR-Gesellschaft würde vielmehr durch eine „soziale Annäherung der Klassen und Schichten“ gekennzeichnet. Gleichzeitig wird die Herausbildung einer „sozial gleichartigen“ Gesellschaft als Ziel der Politik der Partei der Arbeiterklasse bestimmt.
Der Begriff der sozialen Schicht wird hinsichtlich seiner Bedeutung für die S. in der DDR mit drei unterschiedlichen Begriffsinhalten zu erfassen gesucht:
Einmal wird unter sozialer Schicht die Intelligenz verstanden; Schichten sind, zweitens, solche sozialen Gruppen, die, wegen ihrer relativ geringen Anzahl in bezug auf die Gesamtgesellschaft, in ihrer politisch-sozialen Bedeutung zurücktreten, so z. B. die Genossenschaftshandwerker; schließlich werden mit dem Begriff „Schicht“ Teile einer Klasse bezeichnet. Dies gilt vor allem im Hinblick auf schichtenbildende Einzelmerkmale wie Höhe des Einkommens, Art der Ausbildung und Qualifikation.
Die soziologische Forschung in der DDR, die sich mit Problemen der S. befaßt, hat sich in diesem durch die Ideologie des Marxismus-Leninismus vorgegebenen Rahmen zu bewegen. Aus der im Marxismus-Leninismus begründeten Feststellung, daß die Arbeiterklasse und die ihr verbundene Klasse der Genossenschaftsbauern die beiden Grundpfeiler der sozialen Struktur der sozialistischen Gesellschaft der DDR sind, werden ihre Hauptfragestellungen abgeleitet: 1. Entwicklung der Arbeiterklasse; 2. [S. 989]Entwicklung der Klasse der Genossenschaftsbauern unter dem Aspekt ihrer Annäherung an die Arbeiterklasse; 3. Entwicklung anderer gesellschaftlicher Gruppen und Schichten (besonders der Intelligenz), ebenfalls unter dem Aspekt ihrer Annäherung an die Arbeiterklasse; 4. Sozialplanung und Prognose. Die S.-Forschung in der DDR hat sich damit einmal nach wie vor vor allem auf die Arbeiterklasse zu konzentrieren. Dabei wird davon ausgegangen, daß „die Arbeiterklasse die objektiv führende Klasse der Gesellschaft“ ist. Allerdings geht der in Anspruch genommene konzeptionelle und empirische Horizont über diese Feststellung neuerdings weit hinaus: „Die soziologische Erforschung der sozialen Differenziertheit als Struktur beruht darauf, daß statistisch gemessen wird, in welchem Ausmaß das jeweilige Merkmal der sozialen Differenziertheit in einer zugrunde gelegten Population vorkommt und welches objektive, statistisch widerzuspiegelnde Muster an Verknüpfungen zwischen einem Komplex solcher Merkmale besteht (Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, Hrsg. G. Aßmann u. a., 2. erw. Aufl., Berlin [Ost] 1977, Artikel „Sozialstruktur“, S. 595). Freilich bleibt die Erforschung der S. trotz dieses Anspruchs an bestimmte Richtlinien der SED-Führung gebunden: „Die Sozialstrukturforschung darf nicht den Kern der Arbeiterklasse in eine Berufs- und Beschäftigungsstruktur auflösen“ (Zur Sozialstruktur der sozialistischen Gesellschaft, Berlin [Ost] 1974, S. 75). Gegenstand der Forschung ist deshalb die „klasseninterne Struktur“ der Arbeiterklasse, d. h. im weitesten Sinne die Arbeits- und Lebensbedingungen und das ihnen entsprechende gesellschaftliche Verhalten spezifischer sozialer Gruppen. Die zu untersuchenden Gruppen können nach den verschiedensten Kriterien (etwa Beschäftigungsbereich, Beruf, Stellung im Beruf, Ausbildungsgrad) definiert werden. Eine über solche Einzelaspekte hinausgehende Abgrenzung und Klassifizierung bleibt jedoch nach wie vor ebenso ein theoretisches wie ein empirisches Problem. Die Frage beispielsweise, wer tatsächlich der Arbeiterklasse zuzurechnen ist, konnte bisher nicht eindeutig beantwortet werden. Die angedeutete Problematik wird durch die Setzung des Marxismus-Leninismus, daß die Stellung der Menschen in und zum Produktionsprozeß entscheidendes Kennzeichen der Sozial- und Klassenstruktur ist, zusätzlich beschwert. Denn auch, wenn das antagonistische Klassenverhältnis (d. i. der in der Arbeitsteilung erwachsende Gegensatz von Unterdrückern und Unterdrückten) beseitigt ist, bleiben auf die Produktionsprozesse zurückführbare Unterschiede („soziale Differenzierungen“) in der Gesellschaft bestehen: die Unterschiede von Stadt und Land, von körperlicher und geistiger Arbeit, von ausübenden und leitenden Tätigkeiten, in der Qualifikation und Bildung, im Einkommen und im Lebensniveau. Die in diesen Beobachtungen liegenden theoretischen Probleme werden heute von der S.-Forschung in der DDR durchaus gesehen. In ihrer Aufarbeitung beschränkt man sich noch immer häufig auf den (geschichtsphilosophischen) Hinweis, daß solche Unterschiede im Fortgang der sozialistischen zur kommunistischen Gesellschaft immer mehr eingeebnet werden. Allerdings wird dem Wandel der als gegeben angenommenen Klassen- und Schichtenstruktur insofern Bedeutung zuerkannt, als die soziale Annäherung, insbesondere der Arbeiterklasse und der Intelligenz, stark propagiert wird. In diesem Zusammenhang wird auch häufig von einer Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Klassen und Schichten in der entwickelten sozialistischen Gesellschaft der DDR ausgegangen (vgl. dazu: Wörterbuch der marxistisch-leninistischen Soziologie, a. a. O., S. 592 f., S. 594). Die Klassen und Schichten in der DDR-Gesellschaft nähmen gleichsam verschiedene Funktionen in der und für die DDR-Gesellschaft wahr.
Unter teilweiser Umgehung der grundsätzlichen theoretischen Probleme sind in jüngster Zeit in der DDR umfangreiche empirische S.-Forschungen angelaufen, bei denen eine Reihe beschreibender Aspekte (Stellung im Reproduktionsprozeß, Arbeitsplatzmerkmale, erfordertes und tatsächlich ausgewiesenes Qualifikationsniveau, Qualifikationsmerkmale. Erwartungshaltungen. Interessenorientierungen) herangezogen worden sind, um den Entwicklungsgrad der Arbeiterklasse in der sozialistischen Industrie genauer zu bestimmen. Empirische Ergebnisse dieser Untersuchungen, die überwiegend 1973 durchgeführt wurden, sind bisher allerdings nicht veröffentlicht worden.
Für den Zweck empirischer Untersuchungen ist vorgeschlagen worden, die Arbeiter (einschließlich der Angestellten und der Intelligenz), soweit sie als Werktätige in der sozialistischen Industrie tätig sind, nach folgenden Gruppen aufzugliedern:
- Produktionsarbeiter
- 1.1 Produktionsarbeiter in Grundprozessen
- 1.2 Produktionsarbeiter in produktionsvorbereitenden Prozessen und im Reparaturwesen
- 1.3 Produktionsarbeiter in anderen Hilfsprozessen
- Angestellte ohne Leitungsfunktion
- 2.1 Technische Angestellte
- 2.2 Verwaltungs-, Hilfs- und Abrechnungspersonal
- 2.3 Ingenieurtechnische Angestellte
- 2.4 Wirtschaftler (mit einer dem Ingenieur entsprechenden Ausbildungsstufe)
- Leitungskader
- 3.1 Leitungskader im Produktionsbereich (untergliedert nach Ebenen)
- 3.2 Leitungskader im technischen und produktionsvorbereitenden Bereich (untergliedert nach Ebenen)
- 3.3 Leitungskader im ökonomischen, Kader- und sozialen Bereich (untergliedert nach Ebenen).
[S. 990]
III. Sozialstatistische Differenzierungen
In der empirischen sozialstatistischen Literatur, die stets nur den wirtschaftlich tätigen Teil der Bevölkerung, die Beschäftigten, berücksichtigt, werden folgende Gruppen unterschieden: 1. Arbeiter und Angestellte; 2. Mitglieder von Produktionsgenossenschaften bzw. Rechtsanwaltskollegien; 3. übrige Berufstätige (d. s. selbständig Erwerbstätige, mithelfende Familienangehörige). Unter Arbeiter und Angestellten, die zusammen die „Arbeiterklasse“ bilden und einen Teil dessen, was früher üblicherweise als „Intelligenz“ klassifiziert wurde, einschließen, sind — gemäß dem Statistischen Jahrbuch 1978 der DDR (S. 83) — zu verstehen: „Arbeitskräfte, die in einem Arbeitsrechtsverhältnis zu einem Betrieb, einer Einrichtung, einem Verwaltungsorgan, einer Produktionsgenossenschaft, einem Rechtsanwaltskollegium, einer ein Gewerbe oder eine freiberufliche Tätigkeit ausübenden Person stehen, das durch einen unbefristeten oder befristeten Arbeitsvertrag begründet wurde. Heimarbeiter sowie Hausangestellte in privaten Haushalten zählen ebenfalls hierzu.“
IV. Die wirtschaftlich Tätigen
A. Soziale Struktur
Für 1977 enthält das Statistische Jahrbuch 1978 die in Tabelle I wiedergegebene Verteilung der oben genannten Gruppen.
Nur etwa 11–12 v. H. der wirtschaftlich Tätigen gehören damit nicht zur Gruppe der Arbeiter und Angestellten. Von den Arbeitern und Angestellten ist darüber hinaus der überwiegende Teil in der sozialistischen Industrie und Bauwirtschaft beschäftigt, während weniger als 5 v. H. in einem Privatbetrieb tätig sind (vgl. Tabelle II).
B. Berufsstruktur
In bezug auf die Berufsstruktur der Beschäftigten wird in der DDR nach Berufsgruppen und -abteilungen (Berufe nach Wirtschaftsbereichen) unterschieden. Für zahlreiche Berufe (1967: ca. 1000) sind [S. 991]vom Ministerium für Volksbildung in Zusammenarbeit mit dem damaligen Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut (DPZI) und der Staatlichen Plankommission „Berufsbilder“ ausgearbeitet worden, d. h. genaue Beschreibungen der Anforderungen, der Ausbildungswege und des Ausbildungszeitraumes für die einzelnen Berufe. Im übrigen lassen sich in der Entwicklung der Berufsstruktur nach wie vor drei besonders ins Auge fallende Tendenzen feststellen, die auch in der Bundesrepublik Deutschland zu beobachten sind: Aus universalen Berufen (Maschinenschlosser) werden Spezialberufe (Maschinenmontierer); aus traditionellen Berufen (Dreher) werden durch Umschulungen neue Berufe (Chemiefacharbeiter); neue Berufe entstehen durch den technischen Fortschritt (Programmierer) und den Aufbau neuer Industrie (in der DDR: u. a. Werftarbeiter).
Die vollständigste, allgemein zugängliche Quelle für Daten zur Berufsstruktur sind nach wie vor die Ergebnisse der Volks- und Berufszählung vom 31. 12. 1964. Für diesen Zweck war eine spezielle „Systematik der Berufe und Tätigkeiten“ mit insgesamt 487 Berufen, die zu 170 „Berufsordnungen“, 39 „Berufsgruppen“ und schließlich 8 „Berufsabteilungen“ zusammengefaßt wurden, ausgearbeitet worden (vgl. Tabelle III).
Die Aufgliederung der wirtschaftlich Tätigen nach 8 Berufsabteilungen zeigt, daß zum Erhebungszeitpunkt (d. h. Ende 1964) nur ca. 34 v. H. der wirtschaftlich Tätigen in Berufen der Grundstoffindustrie und der stoffbe- und -verarbeitenden Industrie (einschließlich des Bauwesens) tätig waren, während ca. 28 v. H. Berufe der Abteilungen Bildung usw., Wirtschaftsleitung usw. sowie Dienstleistungen u. a. innehatten. Land- und forstwirtschaftliche Berufe wurden von 12,5 v. H. aller wirtschaftlich Tätigen ausgeübt, und die Berufsabteilung Verkehr usw. war mit 18,7 v. H. vertreten. Der Anteil der Frauen war in den Abteilungen 7, 6, 8 und 5 überproportional hoch.
Diese Berufsstruktur der DDR wich — wie vergleichende Untersuchungen ergeben haben (s. Materialien zum Bericht zur Lage der Nation 1971, Tz 152) — nur hinsichtlich der Berufsabteilungen 6 und 8 von der Berufsstruktur der Bundesrepublik Deutschland zu diesem Zeitpunkt ab: Berufe im Bereich der Bildung usw. sind in der Bundesrepublik vergleichsweise weniger, Berufe der Wirtschaftsleitung vergleichsweise mehr vertreten.
[S. 992]
C. Qualifikationsstruktur
Die Qualifikationsstruktur der ins Erwerbsleben Tretenden hat sich seit 1971 weiter verbessert. Genaue statistische Unterlagen liegen darüber jedoch nicht vor. Allerdings können aus dem Vergleich von Ausbildungsabschlüssen auf den verschiedenen Ebenen (Hochschule, Fachschule, Facharbeiter) eine Reihe von Schlüssen auf die Verschiebung in der Qualifikationsstruktur (und damit, indirekt, auch auf die S.) gezogen werden. Die Zahl der Hochschulabschlüsse ist 1977 gegenüber 1974 ebenso gesunken wie die Zahl der Hochschulstudenten. Hier wird u. a. die restriktive Zulassungspolitik der SED-Führung ebenso erkennbar wie die Umlenkung der Studienwilligen in Berufsschulen (Fachschulen) und in die Facharbeiterausbildung. Der Zustrom von Studierenden (insbesondere weiblichen Studenten) zu den Fachschulen im Jahr 1977 im Vergleich mit 1974 weist daraufhin, daß Studierwillige, die nicht zum Studium zugelassen werden, an den Fachschulen unterzukommen suchen. Die Chance einer der Ausbildung angemessenen beruflichen Tätigkeit (sowie Aufstiegsmöglichkeiten durch Fort- und Weiterbildung) ist heute für Absolventen von Berufs- und Fachschulen wahrscheinlich häufig größer als für Hochschulabsolventen. Dies mag in noch stärkerem Maße für Facharbeiter mit Facharbeiterabschlüssen gelten.
V. Schlußbemerkungen
Die soziologische Forschung in der DDR ebenso wie die DDR- und vergleichende Deutschland-Forschung im Westen haben bisher kein auch nur annähernd vollständiges und wirklichkeitsnahes Bild der S. der DDR und ihrer Entwicklung entworfen. Die oben angeführten Einzeldaten können lediglich als Mosaiksteine angesehen werden. Weitere Einzelaspekte der S. sind in diesem Handbuch u. a. in den Artikeln Bau- und Wohnungswesen; Bevölkerung; Einheitliches sozialistisches Bildungssystem; Einkommen; FDJ; FDGB; Frauen; Jugend; Kirchen; Lebensstandard; Massenorganisationen; Sozialversicherungs- und Versorgungswesen; Verbrauch, privater zu finden. Die grundsätzliche Frage, ob und wie sich die sozialistische (Industrie-)Gesellschaft der DDR im sozialstrukturellen Bereich etwa von der deutschen Gesellschaft der Vorkriegszeit oder von der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland unterscheidet, ist gegenwärtig noch ungeklärt.
Intelligenz; Soziologie und Empirische Sozialforschung.
Peter Christian Ludz
Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 987–992