DDR von A-Z, Band 1979

Standardisierung (1979)

 

 

Siehe auch:

 

St. bezeichnet alle Maßnahmen, die der Ausarbeitung und Einführung von Standards, ihrer Kontrolle und Überarbeitung dienen. Der Gegenstand der St. umfaßt

  • a) die Beschaffenheit von Produktions- und Konsumgütern (Maße, Material- und Oberflächeneigenschaften);
  • b) die Verfahren zur Fertigung, Konstruktion, Prüfung, Lagerung und zum Transport von Gütern;
  • c) Begriffe, Formeln und Zeichen (Kommunikationsmittel).

 

Standards sind rechtsverbindliche Vorschriften zur Vereinheitlichung von Erzeugnis- und Verfahrensmerkmalen. Verbreitet ist hierfür auch die Bezeichnung Technische Normen. Prüfstandards ermöglichen die Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit der Qualität von Erzeugnissen, indem sie die Prüfmethoden und die Prüfbedingungen festlegen.

 

I. Arten der Standards

 

 

Der Auflösung des einheitlichen deutschen Wirtschaftsgebietes in der Nachkriegszeit und der Umorientierung der Wirtschaftspolitik und des Außenhandels der DDR folgte auch die Umwandlung der reichsdeutschen — und in der Bundesrepublik Deutschland weiterentwickelten — DIN-Normen in Standards der DDR. Die 1964 vorerst abgeschlossene Zusammenstellung eines eigenen Normenwer[S. 1047]kes folgte in mehrerlei Hinsicht der DIN-Systematik. Zugleich fanden in einigen Industriebranchen mit intensivem Handelsaustausch zwischen der DDR und der UdSSR auch Annäherungen an die technischen Normen der Sowjetunion (GOST, d. h. Staatlicher Unionsstandard) statt. Gegenwärtig gibt es entsprechend dem unterschiedlichen Geltungsbereich a) DDR-Standards, b) Fachbereichstandards, c) Werkstandards, d) RGW-Standards (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe) bzw. internationale Standards.

 

DDR-Standards enthalten volkswirtschaftlich bedeutsame Festlegungen zur Entwicklungsrichtung wichtiger Erzeugnisse und Verfahren, über Sortimente und zu Fragen der technischen Sicherheit und des Gesundheitsschutzes.

 

Fachbereichstandards bestehen aus einer für den Fachbereich erforderlichen Auswahl von DDR- Standards sowie aus ergänzenden Bestimmungen für die jeweilige Erzeugnisgruppe und Fertigungsmethode. Beide Arten tragen das Symbol TGL (ursprünglich für „Technische Normen, Gütevorschriften, Lieferbedingungen“) und werden im Gesetzblatt vom Amt für St., Meßwesen und Warenprüfung bekanntgegeben. Eine Auswahl wiederum aus DDR- und Fachbereichstandards, erweitert um werkspezifische Bestimmungen, stellen die Werkstandards dar. Sie werden vom jeweiligen Werkdirektor bekanntgegeben. Während DDR- und Fachbereichstandards für die gesamte Wirtschaft verbindlich sind und damit z. B. automatisch zum Inhalt der Wirtschaftsverträge werden, gelten die Werkstandards nur innerhalb des jeweiligen Betriebes. RGW-Standards stellen Empfehlungen des RGW zur einheitlichen Lösung von technischen und wirtschaftlichen Abläufen in mehreren Ländern dar. Die Empfehlungen werden in der Ständigen Kommission für St. sowie in den Ständigen Fachkommissionen des RGW auf der Grundlage von Vorschlägen der RGW-Mitgliedsländer und als Teil des „Plans der RGW-Organe zur Ausarbeitung von RGW- Standards“ erarbeitet und von den Organen des Rates angenommen. Nach ihrer Bestätigung durch staatliche Organe der DDR sind RGW-Standards entweder als ins Deutsche übersetzte RGW-Standards oder als DDR-Standards im Gesetzblatt der DDR veröffentlicht worden. Als RGW-Standards ersetzen sie entweder bisher bestehende DDR- Standards oder stellen eine völlig neuartige Form dar, für die es in der DDR noch keine Vorschriften gab. RGW-Standards erhalten stufenweise Geltung, insofern ihre verbindliche Einführung in die Außenwirtschaftsbeziehungen der DDR mit RGW- Mitgliedsländern von der binnenwirtschaftlichen Einführung getrennt wird.

 

II. Aufgaben der Standardisierung

 

 

Wichtigste Aufgabe der St. ist es, zur gesamtwirtschaftlichen Arbeitsteilung beizutragen. Indem sie die inner- wie überbetriebliche Konzentration der Fertigung, die Spezialisierung der Betriebe und den Aufbau von Kooperationsverbänden und -ketten ermöglicht, stellt St. eine Hauptform der Rationalisierung dar. Indem sie ferner eine der Voraussetzungen für den Aufbau von Baueinheitssystemen („Baukastenprinzip“) und „optimalen“ Sortimenten schafft, wirkt sie der — für entwickelte Industriestaaten typischen — Tendenz zur Sortimentsdifferenzierung und -ausweitung entgegen. Gerade diese Aufgabe wird seit der Konferenz des ZK der SED und des Ministerrats zum Thema der „Sozialistischen Rationalisierung und St.“ im Juni 1966 immer wieder betont. Dies hängt damit zusammen, daß die angestrebte kostengünstige Großserien- bzw. Massenproduktion in der Volkswirtschaft der DDR mit ihren relativ kleinen Beschaffungs- und Absatzmärkten nur durch eine gezielte Sortimentspolitik gesichert werden kann. Als ein Teilgebiet der St. gilt daher die Typung, durch die die Produktionprogramme der Betriebe und Fertigungszweige auf die erforderliche Anzahl der Typen beschränkt wird. In einigen Fertigungszweigen der Regelungstechnik, der Geräteindustrie, des Werkzeugmaschinen- und des Schiffsbaus sowie der Nachrichten- und Meßtechnik konnten so Kostensenkungen durch St. und die Bildung von Baugruppen erzielt werden.

 

Ferner soll die St. zur allgemeinen Anwendung neuester technischer Kenntnisse führen, indem aus verschiedenen technisch-wirtschaftlichen Lösungsmöglichkeiten die fortgeschrittenste zur Norm erho[S. 1048]ben werden soll. Dies setzt voraus, daß die Standards in Abständen überprüft und dem neueren Entwicklungsstand angepaßt werden. Zugleich werden Überprüfungen zur wirtschaftspolitischen Steuerung benutzt. Es sind bis Ende 1977 alle Standards auf die Frage hin überprüft worden, wie der Einsatz von importierten Roh-, Werk- und Hilfsstoffen gesenkt werden kann. In den Jahren bis 1980 soll ein kontrollierender Vergleich des Material- und Energieaufwands anhand von — in der Regel internationalen — „Bestwerten“ folgen. Ziel ist es, durch möglichst weitgehende Anpassungen des Standards an Bestwerte den Fertigungsaufwand in den Wirtschaftsbereichen der DDR zu senken.

 

 

Seit 1971 hat die Bedeutung der St. auch für die internationale Arbeitsteilung zugenommen. Im Rahmen des RGW wird St. z. B. auf den Gebieten der Elektronischen ➝Datenverarbeitung (ESER), der numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen, der automatischen Mittelpufferkupplung, der einheitlichen Rastermaße im Bauwesen, der Einheitssysteme der Hydraulik und Pneumatik sowie auf dem Gebiet der Konstruktions- und Maßvereinheitlichung angestrebt.

 

Mit der Sowjetunion wurde Anfang 1973 ein Abkommen über die bilaterale Zusammenarbeit zur Vereinheitlichung der staatlichen Standards geschlossen. Nachdem der gegenseitige Austausch von Investitionsgütern und technischen Konsumgütern zwischen der DDR und der Sowjetunion zugenommen hat, wird nunmehr an einer größeren Übereinstimmung der Verfahren und der Kennwerte der Rohstoffe und Ersatzteile durch St. gearbeitet. Weitere Impulse lassen internationale Bemühungen um den Abbau von Handelsschranken erwarten. Zum Beispiel schlägt die KSZE-Schlußakte vom 1. 8. 1975 eine stärkere Internationalisierung der St. vor (Abschnitt „Bestimmungen, die Handel und industrielle Kooperation betreffen“).

 

III. Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung (ASMW)

 

 

Die Kompetenz zur Einführung von Standards ist je nach deren Geltungsbereich auf mittlere und Großbetriebe, Kombinate, VVB und die zentrale Verwaltungsebene verteilt. Generell zuständig für die Planung, Anleitung, Koordination und Kontrolle der St. ist das dem Ministerrat unterstellte ASMW. Es ging am 1. 1. 1973 aus dem Zusammenschluß des Amtes für St. (gegründet 1954) mit dem Deutschen Amt für Meßwesen und Warenprüfung hervor. Seine wichtigsten Aufgaben auf dem Gebiet der St. sind

 

a) die Entwicklung und Durchsetzung einheitlicher Richtlinien und Zielsetzungen der St. unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher und gesamtstaatlicher Interessen,

 

b) die Forderung der schnellen Ausbreitung des technischen Fortschritts,

 

c) die Bestätigung der DDR- und der Fachbereichstandards,

 

d) die Überprüfung der technischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der St. und

 

e) die Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für St. in der Kammer der Technik, dem Amt für Erfindungs- und Patentwesen sowie mit den Institutionen für St. in den Ländern des RGW.

 

So arbeitet das ASMW vor allem mit der sowjetischen Parallelinstitution GOSTANDART zusammen. In der Ständigen Kommission des RGW für St. lag das Schwergewicht der internationalen Mitwirkung bisher bei der Zusammenstellung von langfristigen RGW-Plänen zur St. im Rahmen der zwei- und mehrseitigen Wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit.

 

Der Organisationsbereich St. des ASMW entwickelt selbständig Standardentwürfe und überprüft alle zur Veröffentlichung vorgeschlagenen DDR- und Fachbereichstandards. Externe und interne Standardentwürfe werden in Prüfungsausschüssen beraten. Sie setzen sich aus Mitarbeitern des ASMW und Vertretern der Ministerien, des FDGB und der KDT zusammen. Gegenwärtig gibt es neben dem Hauptprüfungsausschuß, der Entwürfe von besonderer volkswirtschaftlicher Bedeutung und Fragen der Normenvereinheitlichung mit der Sowjetunion behandelt, Prüfungsausschüsse für die Grundstoff- und metallverarbeitende Industrie, die Leichtindustrie und Nahrungsgüterwirtschaft, das Meßwesen und für Querschnittsgebiete in technischer Produktionsvorbereitung, Gesundheits- und Arbeitsschutz. Präsident des ASMW ist Prof. Dr. Helmut Lilie.

 

Ralf Rytlewski


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 2., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1979: S. 1046–1048


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.