
Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) (1985)
Siehe auch das Jahr 1979
Als Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (IfG) am 21. 12. 1951 gegründet, wurde das IfG am 21. 12. 1976 zur AfG umbenannt (Akademien). Sitz: Berlin (Ost); Rektor (seit 1962): Prof. Dr. Otto Reinhold (Mitgl. des ZK der SED); Prorektoren: Karl-Heinz Stiemerling (Forschung); Heinz Hümmler (Aus- und Weiterbildung).
Die AfG ist die bedeutendste gesellschaftswissenschaftliche Forschungs- und Ausbildungseinrichtung der SED. Sie ist zugleich für andere wissenschaftliche Einrichtungen in der DDR ideologisch-theoretische Leiteinrichtung der SED für die gesamte gesellschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre.
1. Aufgaben
a) Als „zuarbeitende“ Einrichtung für die Parteiführung ist die AfG unmittelbar in den Prozeß der theoretischen Begründung und Rechtfertigung der Politik der SED einbezogen. Sie wirkt bei der Vorbereitung von zentralen Parteibeschlüssen ebenso mit wie in der programmatischen Arbeit (Beteiligung an der Programmkommission). Die AfG bzw. einzelne Mitarbeiter oder Arbeitsgruppen erstellen Analysen für die Mitglieder der Parteiführung und bereiten Referate für Politbüromitglieder, die Plenartagungen des ZK, die wissenschaftlichen Konferenzen des ZK usw. vor. Sie gehören dem zentralen Referentenkollektiv des ZK an und arbeiten in Form richtungweisender Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften mit. Ähnliche Aufgaben wie gegenüber der Führung der SED nimmt die AfG auch gegenüber den Leitungen der Massenorganisationen wahr.
b) Auf der Grundlage des zentralen Planes der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung (langfristige und Jahresplanung) ist die AfG Leiteinrichtung der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung in der DDR. Sie übt dabei sowohl koordinierende als auch planende und kontrollierende Funktionen aus. Bedeutend ist ihre Mitwirkung bei der Festlegung allgemeinverbindlicher gesellschaftswissenschaftlicher Lehrmeinungen. Die AfG steht an der Spitze der Hierarchie der gesellschaftswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen in der DDR; über sie setzt die SED wesentlich ihren inhaltlichen und organisatorischen Führungsanspruch in dem Bereich der Gesellschaftswissenschaften durch.
c) Der AfG sind folgende Wissenschaftliche Räte (WR) zugeordnet: WR für marxistisch-leninistische Philosophie; Rat für wissenschaftlichen Kommunismus; WR für politische Ökonomie des Sozialismus; WR für soziologische Forschung; WR für marxistisch-leninistische Kultur- und Kunstwissenschaften; WR für internationale Arbeiterbewegung (Marxismus-Leninismus). Die AfG ist darüber hinaus auch in den anderen Wissenschaftlichen Räten wie auch in den weiteren Akademien der DDR als Institution vertreten.
d) An der AfG werden Nomenklaturkader bzw. Nachwuchsnomenklaturkader der SED aus allen gesellschaftlichen Bereichen entsprechend der Nomenklaturordnung und den Kaderrichtlinien der SED in einem 4jährigen Studium (Aspirantur) ausgebildet (Kaderpolitik; Nomenklatur). Studienabschluß bildet die Promotion (Dr. phil.; Dr. rer. pol.; Dr. rer. oec.). Nach den ersten beiden Studienjahren erwerben die Aspiranten darüber hinaus den Titel eines Diplom-Gesellschaftswissenschaftlers; das Diplom wird jedoch erst am Studienende ausgehändigt. Die Aspiranten müssen heute in der Regel bereits ein abgeschlossenes Hochschulstudium vorweisen und Erfahrungen in der politischen Arbeit besitzen. Die Delegation zum Studium erfolgt entsprechend den Kaderrichtlinien und der Nomenklaturordnung des Zentralkomitees (ZK) der SED. Die Vorschläge für die Aspirantur werden von den Grundorganisationen der SED und den Kreisleitungen gemacht. Die eigentliche Delegation erfolgt durch die Bezirksleitungen der SED, doch müssen sie durch einen Beschluß vom Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED bestätigt werden. Über den Einsatz der Absolventen beschließt ebenfalls das Sekretariat des ZK. — Neben der planmäßigen 4jährigen Direktaspirantur gibt es vereinzelt die Möglichkeit der außerplanmäßigen Aspirantur sowie — seit Ende der 70er Jahre — auch die der planmäßigen B-Aspirantur (Abschluß: Habilitation, Dr. sc.).
Die AfG betreut ferner die Gruppe der aus der DDR stammenden Aspiranten an der AfG des ZK der KPdSU in Moskau. Zu dem dortigen 3jährigen Studium (Abschluß: Promotion) werden jährlich 10 SED-Mitglieder delegiert. Promotions- und Habilitationsrecht besitzt die AfG seit 1953.
[S. 35]e) An der AfG werden in Zusammenarbeit mit den Sonderschulen des ZK der SED (Parteischulung der SED) für Nomenklaturkader insbesondere aus den Bereichen Ideologie, Wissenschaft, Kultur, Propaganda, Hochschulen sowie für spezifische Gruppen aus dem Ausland (z.B. Sozialistische Einheitspartei Westberlins [SEW], Deutsche Kommunistische Partei [DKP] Kommunistische Partei Deutschlands, KPD/Deutsche Kommunistische Partei, DKP]; marxistisch-leninistisch orientierte Parteien der Dritten Welt u.a. aus Äthiopien und die PLO) Weiterbildungskurse veranstaltet. Daneben gibt es Studienaufenthalte von Einzelpersonen aus befreundeten ausländischen Organisationen.
f) Die Mitarbeiter der AfG sind zu einer umfangreichen propagandistischen Tätigkeit verpflichtet. Diese ist ebenfalls Gegenstand der Planung der AfG und muß „abgerechnet“ werden. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung werden die Mitarbeiter der AfG als Referenten (Zentrales Referentenkollektiv des ZK) ebenso tätig wie als Gastlektoren an wissenschaftlichen Einrichtungen, an den Parteischulen der SED, an Bildungseinrichtungen des Staatsapparates, besonders des Ministeriums des Innern, der Nationalen Volksarmee (NVA) und der Sicherheitsorgane (Ministerium für Staatssicherheit) sowie der Massenorganisationen.
g) Die AfG organisiert bzw. veranstaltet zahlreiche wissenschaftliche Konferenzen und Kolloquien, z.T. mit internationaler Beteiligung. Sie stützt sich dabei u.a. auf die bei ihr bestehenden Wissenschaftlichen Räte sowie auf die entsprechenden Abteilungen des ZK der SED, aber auch auf andere wissenschaftliche Einrichtungen wie z.B. die Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) oder die Universitäten und Hochschulen.
h) Die AfG unterhält umfangreiche internationale wissenschaftliche Kontakte und organisiert die Zusammenarbeit insbesondere mit der AfG beim ZK der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) bzw. den entsprechenden Einrichtungen in den anderen osteuropäischen Staaten. Grundlage für diese Kooperation sind vielfach langfristige Verträge sowie entsprechende Beschlüsse auf den Beratungen der Sekretäre der ZK der verschiedenen kommunistischen Parteien für Ideologie, Wissenschaft bzw. internationale Verbindungen. — Besondere Bedeutung kommt der Arbeit der gemeinsamen deutsch-sowjetischen Philosophenkommission (Vors. von seiten der DDR: Prof. Dr. Erich Hahn, Direktor des Instituts für marxistisch-leninistische Philosophie der AfG, Vors. des WR für marxistisch-leninistische Philosophie) sowie der multinationalen Kommission für Kulturtheorie und Literaturkritik (Vors.: Prof. Dr. Hans Koch, Mitgl. des ZK der SED, Direktor des Instituts für marxistisch-leninistische Kultur- und Kunstwissenschaften an der AfG, Vors. des WR für marxistisch-leninistische Kultur- und Kunstwissenschaften) zu. — Die AfG unterhält enge Kontakte zum Institut für marxistische Studien (IMSF) in Frankfurt a. M. und zu vergleichbaren Einrichtungen von kommunistischen Parteien des Westens. Besondere Erwähnung verdienen die Beziehungen zur KP Frankreichs, Griechenlands und Finnlands sowie auch die Kontakte zu den SP Finnlands, Schwedens, Großbritanniens und Belgiens, sowie zur SJ. Die Marxistisch-Leninistische Abendschule (MASCH) der SEW wird ebenso wie die Schulungsarbeit der DKP durch die AfG in Zusammenarbeit mit der Abteilung Westarbeit des ZK der SED wesentlich inhaltlich mitgetragen. In Abstimmung mit den ZK-Abteilungen Wissenschaft, Internationale Verbindungen und Westarbeit werden über ein besonderes Direktorat „Auslandsbeziehungen“ an der AfG, die internationalen Beziehungen einschließlich der planmäßigen Studienaufenthalte der wissenschaftlichen Mitarbeiter der AfG, deren Reisetätigkeit sowie deren Einsatz im Interesse der genannten ZK-Abteilungen organisiert.
i) Informations-, Dokumentations- und Publikationstätigkeit der AfG: Aufgrund der 1966 erfolgten Neuordnung des gesamten Informations- und Dokumentationswesens in der DDR ist die AfG seit 1967 „Zentralstelle für die Information und Dokumentation“ für die Fächer Philosophie und Soziologie und gibt die entsprechenden Informationsdienste heraus (Information). Über das Direktorat für Information und Dokumentation werden regelmäßig spezielle monatliche Informationsmaterialien für die Parteiführung zusammengestellt (Schlüsselzahl: maximal 80 Exemplare). Regelmäßig erscheint als interne Veröffentlichung die Reihe „Information und Dokumentation“. Jeder Mitarbeiter der AfG ist zur laufenden Information über seine wissenschaftliche Tätigkeit verpflichtet. — Als ständige populärwissenschaftliche Reihe erscheint in Verantwortung der AfG das „ABC des Marxismus-Leninismus“. Darüber hinaus ist die AfG in allen Redaktionen gesellschaftswissenschaftlicher Zeitschriften und in den Beiräten der entsprechenden Verlage sowie in den Herausgeberkollektiven der wichtigsten gesellschaftswissenschaftlichen Reihen vertreten. Federführend ist die AfG insbesondere bei der Erarbeitung von verbindlichen Hochschullehrbüchern sowie von Propagandamaterialien der SED.
Die wissenschaftlichen Publikationen sind in der Regel „Planprojekte“ (also Teil des zentralen Planes der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung) oder Arbeiten im unmittelbaren Auftrag der Parteiführung.
2. Organisationsstruktur. Die AfG ist in ähnlicher Weise wie die staatlichen Akademien gegliedert. Sie wird von einem Rektor sowie 2 Prorektoren (für Forschung bzw. für Aus- und Weiterbildung) geleitet. Ihnen unterstehen die Direktorate u.a. für: Kader; Auslandsbeziehungen; Information und Dokumentation (einschl. der umfangreichen wissenschaftlichen Bibliothek sowie — in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Abteilungen des ZK — einer Stelle zur Auswertung der Westpresse, des Rundfunks und des Fernsehens).
Die Institute bilden die eigentliche wissenschaftliche Grundstruktur des AfG. Es bestehen folgende Institute (I.): I. für marxistisch-leninistische Philosophie; I. für politische Ökonomie; I. für wissenschaftlichen Kommunismus; I. für Geschichte; I. für deutsche und internationale Arbeiterbewegung; I. für Soziologie; I. für marxistisch-leninistische Kultur- und Kunstwissenschaften; I. [S. 36]für Imperialismusforschung. Die Institute sind ihrerseits in Fachrichtungen untergliedert, in denen die Forschungsgruppen arbeiten. Diese sind keine dauerhaften Einrichtungen; Zusammensetzung und Aufgabenstellung variieren in Abhängigkeit von der Forschungsplanung bzw. den aktuellen Aufträgen der Parteiführung. Eine Ausnahme bildet die Arbeitsgruppe Jugendforschung. In jedem Institut arbeiten Professoren, Dozenten, wissenschaftliche Oberassistenten, Assistenten und wissenschaftliche Mitarbeiter. Die Leitungsstruktur der Institute entspricht der der Gesamtakademie. Die Aspiranten sind in die Arbeit der Forschungsgruppen unmittelbar einbezogen. Die AfG zählt ca. 700 Mitarbeiter und Aspiranten. — Die AfG gehört zu dem Zuständigkeitsbereich des ZK-Sekretärs für Wissenschaft Kurt Hager und ist dem Politbüro des ZK der SED unmittelbar rechenschaftspflichtig.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 34–36
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