DDR von A-Z, Band 1985

Einkommen (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1979


 

1. Gesamteinkommen der Bevölkerung. Die E. der Bevölkerung stiegen von 68 Mrd. Mark (brutto) 1960 auf 146 Mrd. Mark im Jahr 1982; sie nahmen damit durchschnittlich jährlich um 3,8 v.H. zu, allerdings recht unterschiedlich in den einzelnen Zeitabschnitten. Durchschnittlicher Jahreszuwachs der Gesamt-E. (brutto) 1961–1965: 2,6 v.H., 1966–1970: 3,9 v.H., 1971–1975: 4,5 v.H., 1976–1982: 3,3 v.H. — Die niedrigen Zuwachsraten in der ersten Hälfte der 60er Jahre sind auf die seinerzeitige Wachstumskrise zurückzuführen, die hohen Raten zu Beginn der 70er Jahre auf die Politik Honeckers, den Lebensstandard rasch zu steigern. Mit den in jüngerer Zeit aufgetretenen (und immer noch akuten) Außenwirtschaftsproblemen (Außenwirtschaft und Außenhandel) hängt die neuerliche Abschwächung des E.-Anstieges zusammen: die Forcierung der Exporte und die Drosselung der Importe gingen zu Lasten der inländischen Verwendung.

 

Bemerkenswert niedrig blieb der Anteil der gesetzlichen Abzüge (Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) von den Brutto-E. (1960: 11,5 v.H.; 1982: 12,1 v.H.). Dahinter verbergen sich allerdings gegenläufige Entwicklungen: Die steuerliche Belastung der E. erhöhte sich im gesamten Zeitraum progressiv, lediglich nach der Verstaatlichung der letzten privaten Industriebetriebe 1972 — die stark belasteten E. der gut verdienenden Inhaber fielen weg — sank die Steuerquote vorübergehend. Im Gegensatz dazu gestalteten sich die Beiträge zur Sozialversicherung bis 1970 degressiv. Ihr Anteil an den Brutto-E. nahm ständig ab, da Arbeitnehmer und Mitglieder von Produktionsgenossenschaften Abgaben nur bis zu einem beitragspflichtigen Monats-E. von 600 Mark in Höhe von 10 v.H. (LPG-Mitglieder bis 1971: 9 v.H.) zu entrichten hatten. Für den Teil der E., der die Bemessungsgrenze überschritt, wurden keine Beiträge erhoben. Mit der Einführung bzw. Umgestaltung der freiwilligen Zusatzrentenversicherung im Jahr 1971 (Sozialversicherungs- und Versorgungswesen) wurde u.a. die Beitragsbemessungsgrenze aufgehoben bzw. nach oben verschoben. Danach stiegen E. und Sozialabgaben etwa in gleichem Tempo, d.h. der Anteil der Versicherungsbeiträge am Brutto-E. blieb konstant.

 

a) Einkommen der Arbeitnehmer. Die einzelnen sozio-ökonomischen Gruppen partizipierten an der Zunahme der Gesamt-E. in unterschiedlichem Maße. Die E. der Arbeitnehmer — dazu zählen Arbeits-E., Sozial-E. (z.B. Krankengeld, Kinderbeihilfen, Renten), Vermögenseinkünfte u.ä. — stiegen mit ähnlichen Schwankungen wie die Gesamt-E., aber leicht überdurchschnittlich (um 4,0 v.H. jährlich). Ihr Anteil an den E. der Bevölkerung erhöhte sich dadurch von 70 v.H. (1960) auf 76 v.H. (1982). Der Anstieg ist außer auf höhere Durchschnitts-E. auch auf die wachsende Zahl der Arbeitnehmer zurückzuführen.

 

 

 

[S. 341]Steuern und Sozialversicherungsbeiträge brauchten die Arbeitnehmer von 1960 bis 1982 nur in Höhe von etwa 12 v.H. ihrer Brutto-E. zu zahlen. In der Bundesrepublik Deutschland nahmen die gesetzlichen Abzüge auf Arbeitnehmer-E. im gleichen Zeitraum erheblich stärker zu: von 14,3 v.H. auf 25,1 v.H. Der Grund dafür ist vor allem in der Steuerprogression für steigende E. zu suchen.

 

b) Einkommen der Genossenschaftsmitglieder und Selbständigen. Die E. der Genossenschaftsmitglieder und Selbständigen (Binnenhandel; Freie Berufe; Handwerk), gemessen an den Gesamt-E., sind von 23 v.H. im Jahr 1960 auf 14 v.H. 1982 gesunken. Bei zurückgehender Zahl der Erwerbstätigen in diesen Bereichen sind aber die Durchschnitts-E. in der Regel gestiegen. Die Belastung der E. mit gesetzlichen Abzügen ist uneinheitlich geregelt. Die Arbeits-E. der Mitglieder von LPG sind steuerfrei. Mitglieder der PGH werden steuerlich ähnlich behandelt wie Arbeitnehmer. Für die Sozialversicherungsbeiträge gelten im übrigen ebenfalls für alle Genossenschaftsmitglieder (LPG und PGH) ähnliche Vorschriften wie für Arbeitnehmer. Von den Selbständigen werden dagegen — zumindest bei Besserverdienenden — wesentlich höhere Steuern erhoben. Zudem müssen sie den gesamten Beitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) zur Sozialversicherung zahlen.

 

c) Einkommen der Rentner. Die Rentner-E. haben von 1960 bis 1982 stärker expandiert als die E. jeder anderen Bevölkerungsgruppe, nämlich um jahresdurchschnittlich 4,7 v.H. Von 7,7 v.H. (1960) stieg ihr Anteil am Brutto-E. der Bevölkerung auf 9,7 v.H. im Jahre 1982. Die Renten, die in der DDR nicht dynamisiert sind, wurden wiederholt erhöht. Im Jahr 1968 wurden die Renten um 10–12 v.H. und 1971 alle Mindestrenten angehoben. 1972 wurde mit etwa 20 v.H. die bisher größte Rentensteigerung in der DDR vorgenommen, 1976 folgte eine weitere mit 15 v.H. Die letzte Rentenerhöhung (Dezember 1979) erbrachte Verbesserungen von über 10 v.H. Es wurden jeweils 3–4 Mill. Renten erhöht. Eine erneute Rentenerhöhung wurde im Mai 1984 zum 1. 12. 1984 angekündigt.

 

2. Durchschnittseinkommen. Die durchschnittlichen Netto-E. haben seit 1960 in allen Bevölkerungsgruppen kräftig zugenommen. Obwohl die niedrigeren E. prozentual am stärksten erhöht wurden, blieb die Rangfolge der sozialen Gruppen hinsichtlich der Durchschnitts-E. unverändert. Spitzenverdiener sind die Selbständigen, mit deutlichem Abstand folgen die Genossenschaftsmitglieder und die Arbeitnehmer.

 

 

[S. 342]

 

 

Die Rentner bezogen bis Mitte der 70er Jahre nur gut 35 v.H. eines Arbeitnehmer-E. Nach den Rentenerhöhungen 1976 und 1979 hat sich dieses Verhältnis geringfügig verbessert (auf reichlich 40 v.H.). Das E. der Genossenschaftsmitglieder und der Selbständigen läßt sich getrennt nur bis 1970 nachweisen. Damals und in den Jahren davor lag das E. der Genossenschaftsmitglieder um ein Drittel über dem der Arbeitnehmer, während die Selbständigen sogar 3mal soviel wie diese verdienten. Die weitere Zunahme des (gemeinsamen) Durchschnitts-E. beider Gruppen läßt darauf schließen, daß diese Relationen sich bis heute nicht gravierend geändert haben.

 

Im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland, wo eine ähnliche Rangfolge besteht, hat sich die Schere zwischen den nominalen E. weiter geöffnet. Die durchschnittlichen Netto-E. der Arbeitnehmer unterschieden sich 1960 in Ost und West kaum: jedoch schon 5 Jahre später betrug der E.-Rückstand in der DDR gut 20 v.H. und vergrößerte sich bis 1982 auf 55 v.H.

 

Zwischen den Selbständigen in der Bundesrepublik Deutschland und in der DDR bestehen erhebliche qualitative und quantitative Unterschiede. Bauern und Handwerker zählen in der Bundesrepublik zu den Selbständigen, während in der DDR die Bauern und ein großer Teil der Handwerker Genossenschaften angehören. Für den E.-Vergleich der übrigen Erwerbstätigen — obwohl sehr problematisch — werden deshalb den Selbständigen in der Bundesrepublik Genossenschaftsmitglieder und Selbständige in der DDR als eine Gruppe gegenübergestellt. Hier sind seit 1960 die größten Änderungen in der (nominalen) E.-Relation festzustellen: hatten Selbständige und Genossenschaftsbauern bzw. -handwerker in der DDR 1960 noch ein E., das gut 20 v.H. unter dem westdeutschen Niveau lag, so betrug der Abstand 1982 rd. 80 v.H. Diese Entwicklung ist in erster Linie eine Folge der hohen E.-Steigerung bei den Selbständigen in der Bundesrepublik Deutschland.

 

Bei den Rentnern hat sich der E.-Abstand ebenfalls vergrößert. Schon 1960 bezogen die Rentner nur etwa die Hälfte der Rente, die in der Bundesrepublik gezahlt wurde. 1982 betrug die Differenz über 70 v.H.

 

Auch innerhalb der sozio-ökonomischen Gruppen bestehen beträchtliche Spannweiten in den E., z.B. branchenspezifische Unterschiede. Bei den Arbeitnehmern waren sie in beiden deutschen Staaten in der Tendenz ähnlich, im Ausmaß jedoch in der Bundesrepublik größer. In der Landwirtschaft und im Handel lagen die Verdienste hier wie dort erheblich niedriger als in den produzierenden Bereichen.

 

3. Haushaltseinkommen. Durch Miterwerb oder E.-Bezug weiterer Familienmitglieder erhöht sich das E. der privaten Haushalte gegenüber den Durchschnitts-E. (je E.-Bezieher).

 

Ein Vergleich der durchschnittlichen Haushaltsnetto-E. einzelner Bevölkerungsgruppen in der DDR zeigt für den Zeitraum 1960–1970, daß die Genossenschaftsbauern, die einer LPG des Typs III angehörten, 10–15 v.H. mehr verdienten als die Arbeitnehmer. Neuere Angaben über die Haushalts-E. der Genossenschaftsbauern liegen nicht vor. Am unteren Ende der Skala bewegten sich auch hier die Rentner: ihr E. erreichte nicht einmal ein Drittel von dem der Arbeitnehmer; nach 1970 hat sich diese Relation etwas verbessert.

 

 

Wegen der unterschiedlichen Haushaltsgröße gibt ein Vergleich der Haushalts-E. nur bedingt die E.-Situation verschiedener Bevölkerungsgruppen wieder: während z.B. bei den Rentnern 1,5 Personen vom Haushalts-E. leben mußten, waren es bei den Arbeitnehmern 3 und bei den Genossenschaftsbauern, die einer LPG des Typs III angehörten, 3,5 Personen. Bezieht man das E. auf die Zahl der Haushaltsmitglieder, so erzielten die Arbeitnehmer ein E., das zunächst um 20 v.H., 1970 jedoch nur um 10 v.H. über dem der Genossenschaftsbauern lag. Nivellierungstendenzen bei diesen beiden Gruppen waren unverkennbar. Mit Abstand die geringsten E. bezogen auch hier die Rentner, obwohl der Unterschied nicht so kraß ausfiel wie bei den Haushalts[S. 343]E. insgesamt. Zwischen 1960 und 1970 erhielten die Rentner 50–60 v.H. des Pro-Kopf-E. im Arbeitnehmerhaushalt, mittlerweile sind es immerhin rd. 75 v.H.

 

Wie bei der personellen Verteilung (E. je E.-Bezieher) hat der Abstand zur Bundesrepublik Deutschland auch bei den Haushalts-E. der Arbeitnehmer und Rentner ständig zugenommen und ähnliche Relationen erreicht. Bemerkenswert ist die unterschiedliche E.-Situation der Rentner innerhalb der beiden Staaten. In der Bundesrepublik Deutschland entsprachen die Pro-Kopf-E. der Rentner schon Mitte der 70er Jahre denen in den Arbeitnehmerhaushalten — eine finanzielle Gleichstellung dieser Gruppen ist seit längerem erreicht. Die DDR-Rentner konnten — wie bereits erwähnt — pro Kopf früher nur über gut die Hälfte und heute über drei Viertel des E. eines Arbeitnehmerhaushaltes verfügen. Die Differenzierung der Arbeitnehmerhaushalte (über die Hälfte aller privaten Haushalte in beiden Staaten sind Arbeitnehmerhaushalte) nach E.-Klassen läßt für 1960 in beiden Teilen Deutschlands eine ähnliche Verteilung der Netto-E. im unteren und mittleren Bereich erkennen. Erst bei E. von über 1200 Mark/DM monatlich war der entsprechende Anteil der Haushalte in der Bundesrepublik nennenswert größer (19 v.H.) als in der DDR (9 v.H.). In der Folgezeit hat sich die Struktur in beiden Staaten zugunsten der höheren E.-Klassen verschoben. Dieser Trend war in der Bundesrepublik aber ungleich stärker. Insgesamt ist festzustellen, daß die Haushalts-E. der Arbeitnehmer in der DDR gleichmäßiger verteilt sind als in der Bundesrepublik. Die Tendenz zur Nivellierung — in beiden Staaten vorhanden — ist überdies in der DDR größer.

 

Der Vergleich der Haushalts-E. in der DDR und in der Bundesrepublik Deutschland ist nur bedingt geeignet, Unterschiede im Lebensstandard sichtbar zu machen. Dieser hängt, soweit durch den privaten Verbrauch bestimmt, auch von den jeweiligen Preisen für die angebotenen Güter und Dienstleistungen (Preissystem und Preispolitik) und damit von der Kaufkraft der Währungen ab. Die Kaufkraft der Mark gegenüber der DM hat sich seit 1960 sowohl für den Verbrauch der Arbeitnehmerhaushalte als auch für den der Rentnerhaushalte — in erster Linie als Folge der Preissteigerungen in der Bundesrepublik — fast ständig erhöht. Diese Verbesserung der Kaufkraftparität hat aber nicht die Relation der Real-E. (um Kaufkraftunterschiede bereinigte Netto-E. — nicht zu verwechseln mit gleichlautendem DDR-Terminus: Lohnformen und Lohnsystem) verändert. Die nominalen E. der Arbeitnehmerhaushalte sind in der Bundesrepublik Deutschland sehr viel stärker gestiegen als in der DDR, so daß der Abstand der Real-E. in der DDR zu denen der Bundesrepublik sogar größer geworden und für 1982 mit gut 50 v.H. zu veranschlagen ist (1960: 30 v.H.). Für Rentnerhaushalte galt 1982 eine ähnliche Relation.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 340–343


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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