DDR von A-Z, Band 1985

Filmwesen (1985)

 

 

Siehe auch:


 

Das gesamte F. untersteht der einheitlichen Leitung durch die Hauptverwaltung Film des Ministeriums für Kultur, deren Leiter den Rang eines der Stellvertreter des Ministers bekleidet. Beratende Funktion hat dabei ein 1973 gebildetes Komitee für Filmkunst, dem neben staatlichen Leitern Regisseure und Autoren, Studiodirektoren, der Rektor der Hochschule für Film und Fernsehen der DDR sowie Vertreter des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und der Freien Deutschen Jugend (FDJ) angehören.

 

Die DDR-Filmproduktion liegt ausschließlich in den Händen der DEFA (ursprüngliche Abkürzung und Firmenzeichen für die im Mai 1946 gegründete „Deutsche Film AG“), der volkseigenen Filmindustrie in der DDR. Die DEFA unterhält folgende Studios: für Spielfilme in Potsdam-Babelsberg (auf einem Gelände von ca. 500.000 qm mit 11 Atelierhallen) mit einer Jahresproduktion von 15 bis 20 Filmen für Kino (davon ca. 3 Kinder- und Jugendfilme) und ca. 25 Filmen für das Fernsehen; für Dokumentarfilme in Potsdam-Babelsberg und Berlin (Ost) mit einer Jahresproduktion von ca. 170 Filmen für Kino und Fernsehen einschließlich Auftrags- und Werbefilme; für Trickfilme in Dresden mit einer Jahresproduktion von ca. 65 Zeichentrick-, Puppentrick-, Handpuppen- und Silhouettenfilmen für [S. 389]Kino (überwiegend Kinderprogramme) und Fernsehen; für Synchronisation in Berlin (Ost). Zur DEFA gehören außerdem Kopierwerke und die Zentralstelle für Filmtechnik sowie der DEFA-Außenhandel, der für den gesamten Filmexport und -import zuständig ist. Er unterhält Kontakte mit 1100 Filmverleihgesellschaften und Fernsehstationen in 105 Ländern, verkaufte bis 1976 über 8.000 Spielfilm- und Kurzfilmlizenzen an Partner in rd. 80 Ländern und erwarb von 1950 bis 1976 Spielfilmlizenzen aus 38 Staaten.

 

Sämtliche in der DDR eingesetzten Filme werden über den Progress-Film-Verleih an 15 Bezirksfilmdirektionen verliehen.

 

Der Film hat als wichtigstes Massenmedium neben dem Fernsehen eine besondere Funktion bei der Bewußtseinsbildung des Publikums zu erfüllen. Nach einer Definition des DDR-Filmwissenschaftlers Manfred Gerbing soll er „auf den Intellekt und die Emotionen der Zuschauer Einfluß nehmen, die neue sozialistische Denk- und Lebensweise durchsetzen helfen, neue Bedürfnisse (einschließlich ästhetische) im Menschen wecken … Er soll helfen, die ideologisch-moralische Psyche des Menschen nach sozialistischen Kriterien zu bilden, die schöpferischen Fähigkeiten des Menschen allseitig zu entfalten, zur weiteren Humanisierung der zwischenmenschlichen Beziehungen beizutragen.“

 

Die DEFA wurde als erste deutsche Filmgesellschaft nach dem 2. Weltkrieg gegründet und erhielt am 17. 5. 1946 eine sowjetische Lizenz. Anfangs eine deutsch-sowjetische Aktiengesellschaft, wurde sie 1952 Volkseigener Betrieb. Das Profil ihrer Produktion war stets von der jeweiligen politischen Situation, vom Stand der gesellschaftlichen Entwicklung abhängig. Neben der Propaganda für den Wiederaufbau leistete die DEFA in den ersten Jahren ihres Bestehens einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über die jüngste NS-Vergangenheit. Filme antifaschistischer Thematik bildeten vor allem bis Ende der 60er Jahre einen wesentlichen Bestandteil der Produktion und gehörten zu den auch künstlerisch gelungensten Arbeiten. Filme nach historischen Stoffen, insbesondere mit Themen aus der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, dienten der Förderung eines neuen Geschichtsbewußtseins sozialistischer Prägung.

 

Wichtige Marksteine der Filmentwicklung waren die Filmkonferenzen von 1952 und 1958, auf denen der Vorrang von Stoffen aus der Gegenwart betont und die Filmemacher auf die Methode des damals dogmatisch ausgelegten Sozialistischen Realismus festgelegt wurden (Kulturpolitik, II.). Neben Filmen politischer Thematik wurden stets auch Unterhaltungsfilme produziert. Seit den 60er Jahren hat die thematische und stilistische Vielfalt der Produktion zugenommen; Filme mit DDR-Gegenwartsthematik reflektieren, besonders seit dem Übergang zu der unter Honecker praktizierten relativ offeneren Kulturpolitik seit 1972, eine differenzierte Auseinandersetzung mit individuellen und gesellschaftlichen Problemen und entsprechen vielfach auch formal anspruchsvollem internationalem Standard. Vor allem den Bedürfnissen jugendlicher Kinobesucher dienen die seit 1966 produzierten Indianerfilme, deren Stoffe auf historischen Fakten basieren, und heitere Musikfilme; Literaturverfilmungen nach Vorlagen aus vergangenen Epochen und von DDR-Autoren haben ebenfalls einen festen Platz in den Produktionsplänen. Als drittes Land nach den USA und der Sowjetunion entwickelte die DDR die Aufnahme- und Produktionstechnik für den 70-mm-Film, stellte jedoch die 1967 aufgenommene Produktion solcher Filme 1973 als vorerst unrentabel wieder ein.

 

Zu den bedeutendsten, auch außerhalb der DDR bekannten Spielfilmregisseuren zählen Konrad Wolf (gest. 1982), Egon Günther (hat seit 1979 nur noch für die ARD gedreht), Frank Beyer, Lothar Warneke, Heiner Carow. Die Nachwuchsausbildung erfolgt an der 1954 gegründeten Hochschule für Film und Fernsehen der DDR (bis 1970: Deutsche Hochschule für Filmkunst) in Potsdam-Babelsberg. Eine Sektion Forschung an der Hochschule beschäftigt sich mit filmwissenschaftlichen Fragen und gibt dazu in unregelmäßiger Folge Publikationen heraus.

 

Ein Film- und Fernsehrat der DDR, dem Persönlichkeiten der DEFA, des DDR-Fernsehens, des Progress-Film-Verleihs, des Staatlichen Filmarchivs und anderer Einrichtungen angehören, besteht seit 1978 zur Koordinierung der Mitarbeit von Repräsentanten der DDR in internationalen nichtstaatlichen Film- und Fernsehverbänden. Die DDR ist in 11 derartigen Organisationen vertreten. Der Film- und Fernsehrat der DDR ist Mitglied des Internationalen Film- und Fernsehrats bei der UNESCO.

 

Die in verschiedenen Abkommen festgelegte Zusammenarbeit mit anderen sozialistischen Ländern auf filmischem Gebiet realisiert sich u.a. in der Mitwirkung von Schauspielern aus diesen Ländern in DEFA-Filmen und umgekehrt sowie in Koproduktionen (bisher mit der Sowjetunion, Polen, der ČSSR, Bulgarien und der Mongolischen Volksrepublik).

 

Die DDR stellt z. T. auf der Grundlage der Gegenseitigkeit eigene Produktionen auf Filmwochen im Ausland vor (bis 1976 organisierte der VEB DEFA-Außenhandel mehr als 83 solcher Veranstaltungen); bis 1977 beteiligte sie sich an 421 internationalen Festivals (seit 1975 auch an den Internationalen Filmfestspielen in Berlin [West]) und errang insgesamt 249 Preise. 1980 wurden erstmals offizielle Filmwochen beider deutscher Staaten auf Gegenseitigkeit in jeweils 3 Städten mit je 7 Spiel- und 5 Kurzfilmen durchgeführt.

 

Als einziges internationales Filmfestival in der DDR findet seit 1960 alljährlich im November die Leipziger Dokumentar- und Kurzfilmwoche für Kino und Fernsehen statt unter dem Motto „Filme der Welt — für den Frieden der Welt“.

 

Seit dem Herbst 1978 wird jährlich ein nationales Festival des Dokumentar- und Kurzfilms für Kino und Fernsehen in Neubrandenburg veranstaltet. Jeweils alternierend durchgeführte Nationale Kinderfilm- und Spielfilmfestivals gibt es seit 1979 bzw. 1980 in Gera bzw. Karl-Marx-Stadt.

 

In den Kinospielplan werden pro Jahr ca. 140 Spielfilme [S. 390]neu aufgenommen; dazu kommen besonders zusammengestellte Kinderfilmprogramme. Im allgemeinen stammen jeweils etwa zwei Drittel der Importe aus sozialistischen und ein Drittel aus kapitalistischen Ländern.

 

Die meisten Filme (ca. 30 pro Jahr) werden aus der Sowjetunion eingeführt. Aus der Bundesrepublik Deutschland kommen jährlich etwa 5 Filme in den Verleih. (Umgekehrt laufen in der Bundesrepublik Produktionen aus der DDR vorwiegend in nichtkommerziellen Filmtheatern, gelegentlich auch im Fernsehen.) Manche anspruchsvollen Filme (ca. 18 pro Jahr) laufen vorwiegend oder ausschließlich in Filmkunsttheatern oder an Filmkunsttagen der Kinos. Zur Verbreitung des künstlerisch wertvollen Films tragen über 400 Filmklubs mit mehr als 250.000 Mitgliedern bei. Zur Anleitung und Koordinierung ihrer Arbeit wurde im November 1973 eine Zentrale Arbeitsgemeinschaft Filmklubs der DDR beim Ministerium für Kultur gegründet, der Vertreter der Filmklubs, des Staatlichen Filmarchivs, des Progress-Film-Verleihs, der Bezirksfilmdirektionen, des Verbandes der Film- und Fernsehschaffenden sowie der Massenorganisationen, bei denen Filmklubs bestehen (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund [FDGB]; Freie Deutsche Jugend [FDJ]; Kulturbund [KB]; Nationale Volksarmee [NVA] u.a.), angehören. Die Arbeitsgemeinschaft ist Mitglied der Internationalen Föderation der Filmklubs (FICC).

 

1982 gab es 832 stationäre Filmtheater und rd. 280 Dorfkinos, die in 799.913 Vorstellungen 72,37 Mill. Besucher zählten. Damit erreichte der parallel mit der Zunahme des Fernsehens (1982 gab es in 90 v.H. aller Haushalte mindestens einen Apparat) zurückgegangene Kinobesuch (Höchststand: 1955 mit 309,91 Mill. in 1423 Filmtheatern) nach vorübergehendem leichten Aufschwung ab 1976 einen neuen Tiefstand. Zur Befriedigung differenzierterer Publikumsansprüche wurden seit Mitte der 70er Jahre neue Kinoformen entwickelt. 1980 gab es 33 Ur- und Erstaufführungstheater, 18 Studio-, 12 Kinder- und Jugendfilmtheater, 17 Klubkinos, 32 Kinovisionsbars und ein Zeitkino. Die nur in größeren Städten bestehenden Studiokinos führen vorwiegend künstlerisch anspruchsvollere Filme im Programm; jährlich bleiben in der Regel 18 importierte Filme als sogenannte Studio-Filme dem Einsatz in diesen Kinos vorbehalten. Die Klubkinos und Kinovisionsbars bieten einen Getränke- und Verzehrservice und sind vor allem für Besuche durch betriebliche Kollektive (Arbeitsbrigaden) gedacht. Das Zeitkino spielt im Bereich des Leipziger Hauptbahnhofes durchgehend vom Vormittag bis zum späten Abend. In Ferienzentren wurden Zeltkinos errichtet.

 

Während des jährlich veranstalteten „Kinosommers“ von Mai bis September finden Filmvorführungen auf rd. 150 Freilichtbühnen statt. Weitere ständige Veranstaltungen sind: eine „Kinderfilmwoche der DDR“ und eine „Woche des sowjetischen Kinder- und Jugendfilms“, die beide im Wechsel alle zwei Jahre im Februar stattfinden, die jedes Jahr im September in einem anderen Bezirk organisierten „Tage des sozialistischen Films“ mit neuen Produktionen aus RGW-Ländern, über die auch Delegationen von Filmemachern mit Angehörigen von Betrieben diskutieren, sowie ein „Festival des sowjetischen Kino- und Fernsehfilms“, in dessen Rahmen jeweils Anfang November neue Produktionen aus der Sowjetunion vorgestellt werden. 1981 ist in Potsdam ein Filmmuseum der DDR eröffnet worden.

 

Im Bereich des Amateurfilms gibt es 200 Amateurfilmstudios, die bei den Gewerkschaften und anderen gesellschaftlichen Organisationen bestehen, 30 Jugendfilmstudios für Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 25 Jahren sowie 50 Amateurfilmstudios für Einzelpersonen und Kamerabesitzer in Klubhäusern, Dorfklubs und Gemeindeverbänden. Alle zwei Jahre finden Bezirksleistungsvergleiche statt, auf denen ca. 500 Amateurfilme vorgestellt werden. Zentrale Amateurfilmwettbewerbe werden alle 3 Jahre durchgeführt. Hierbei gelangen etwa 150 bis 200 Filme in den Endausscheid.

 

Zeitschriften: Filmspiegel (14täglich), Film und Fernsehen (monatlich), Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft (bis zu sechsmal jährlich), Progress Filmprogramm (monatlich, nur in Kinos).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 388–390


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.