
Gruppe Sowjetischer Streitkräfte in Deutschland (GSSD) (1985)
Siehe auch die Jahre 1975 1979
Offizielle Bezeichnung für die in der DDR stationierten Truppenteile der Armee der UdSSR. Es handelt sich bei der GSSD um jene Einheiten, die nach dem Ende des II. Weltkrieges nicht aus der SBZ abgezogen wurden und denen im Rahmen der sowjetischen Besatzungspolitik die Aufgabe zufiel, die systematische Umgestaltung des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens in der SBZ mit dem Ziel des Aufbaus einer sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu sichern. Die genaue Stärke der GSSD ist nicht bekannt, westliche Schätzungen nennen rd. 380.000 Mann — gegliedert in 20 Divisionen und 1 Luftarmee. Sie ist damit ungefähr doppelt so stark wie die Nationale Volksarmee (NVA) (einschl. Grenztruppen der DDR). Es handelt sich um eine vollmotorisierte, mit taktischen Atomwaffen ausgerüstete Truppe von hoher operativer Beweglichkeit. Sie gilt als einer der schlagkräftigsten Verbände der Sowjetarmee. Ihre zahlenmäßige Stärke ist in den 50er und Anfang der 80er Jahre im Zuge sowjetischer Truppenreduzierungen geringfügig zurückgegangen, ohne daß dadurch ihre Kampfkraft verringert worden ist.
Die GSSD gliedert sich in:
Landstreitkräfte. 9 Panzer-, 10 motorisierte Schützen- und eine Artilleriedivision (mit rd. 380.000 Mann und etwa 5.000–6.000 Kampfpanzern, zum großen Teil des neuesten Typs T 72), einschließlich logistischer Verbände, mit je einem Raketenbataillon, ausgerüstet mit Kurzstrecken-Raketen von bis zu 300 km Reichweite.
Luftstreitkräfte. Zusammengefaßt in der 24. Taktischen Luftarmee, die als die am besten ausgerüstete Teilstreitkraft der sowjetischen Luftstreitkräfte gilt und zu der rd. 1000 bis 1200 fliegende Einheiten sowie Flugabwehr- und Raketenverbände gehören. Etwa 80 v.H. der fliegenden Einheiten sind potentielle Kernwaffenträger.
Sitz des Kommandostabes ist Wünsdorf bei Berlin (Ost), Oberbefehlshaber ist gegenwärtig (seit 1980) Armeegeneral Saizew, Chef des Stabes ist Generalleutnant Swiridow, Chef der Politverwaltung ist Generaloberst Lisitschew. Der Posten des Oberbefehlshabers gilt als einer der wichtigsten in der sowjetischen Militärhierarchie.
Die GSSD bildet zusammen mit der Nationalen Volksarmee, polnischen und tschechoslowakischen Verbänden den Hauptteil der sog. „1. Strategischen Staffel“ der Vereinten Streitkräfte des Warschauer Paktes, die Anfang der 60er Jahre als voll mobiler, vollständig aufgefüllter und ständig einsatzbereiter Verband aufgestellt wurde und der auch für Angriffszwecke ausgerüstet ist.
Seit 1957 wird die Anwesenheit der GSSD in einem Truppenstationierungsvertrag zwischen DDR und UdSSR geregelt (GBl. I, S. 237–285). Im Gegensatz zu anderen von der UdSSR abgeschlossenen Stationierungsverträgen sieht dieser Vertrag lediglich „Konsultationen“ mit der Regierung der DDR über Manöverbewegungen, Standortveränderungen und Stärke der GSSD vor. „Im Fall der Bedrohung der Sicherheit“ der GSSD kann ihr Oberkommando alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, die es für erforderlich hält. Diese Generalklausel stellt eine Notstandsregelung ohne Mitspracherecht der DDR dar und muß als wesentliche Einschränkung ihrer Souveränität angesehen werden.
In der Ausbildung, beim Gefechtstraining und bei der Durchführung militärischer Wettbewerbe ist in den letzten Jahren die Zusammenarbeit zwischen Einheiten der NVA und Truppenteilen der GSSD erheblich verstärkt worden (Motto: „Waffenbrüderschaft mit dem Regiment nebenan“). Die weitgehende Isolation der streng kasernierten sowjetischen Verbände von der deutschen Bevölkerung ist dadurch bisher jedoch nicht wesentlich durchbrochen worden.
Einheiten der GSSD waren maßgeblich an der Niederschlagung des Volksaufstandes vom 17. 6. 1953 in der DDR, beim Bau der Mauer in Berlin am 13. 8. 1961 und am Einmarsch von Truppen des Warschauer Paktes am 21. 8. 1968 in die ČSSR beteiligt. Außenpolitik.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 587