DDR von A-Z, Band 1985

Imperialismus (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

[S. 602]I. ist ein zentraler Begriff des Marxismus-Leninismus, insbesondere von zwei seiner Teilbereiche, der Politischen Ökonomie und des wissenschaftlichen Kommunismus.

 

1. Vorgeschichte des Leninschen I.-Begriffs. Der Begriff I. — in Anlehnung an das lateinische Wort „Imperium“ = Weltreich gebildet — kam zur Kennzeichnung des napoleonischen Herrschaftsstrebens über Europa in Gebrauch, wobei die persönliche Herrschaftsausübung (Cäsarismus, Bonapartismus) als wichtiges Kennzeichen galt. Als um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert die Verteilung der Erde vor allem unter die großen Kolonialmächte abgeschlossen schien, erfuhr der Begriff des I. einen Bedeutungswandel. Zunehmend wurde I. nicht mehr nur oder vorwiegend als besondere Form politischer Herrschaft gedeutet, vielmehr begann die Erforschung seiner ökonomischen Gründe, Ziele und Folgen. Dabei waren es vor allem das Entstehen von Großunternehmen, die die Staatsgrenzen überschritten, das Entstehen von Großbanken sowie eines internationalen Kapitalmarktes und die mit diesen ökonomischen Institutionen gegebenen Möglichkeiten zur Kapital- und damit Machtkonzentration sowie zum Kapitalexport im Rahmen eines zunehmend dichter und konfliktreicher werdenden Netzes des Welthandels, die zum Gegenstand von I.-Analysen wurden.

 

2. Lenins I.-Begriff. Unter dem Eindruck des I. Weltkrieges und der sich dabei aus seiner Sicht eröffnenden Chance zur revolutionären Ablösung des Kapitalismus (Gesellschaftsordnung), wandte sich auch W. I. Lenin der Untersuchung des I. zu. Er stützte sich in seinen eigenen Arbeiten dabei wesentlich auf die Studien des liberalen Ökonomen J. A. Hobsen (Imperialismus, London u. New York 1902) und des österreichischen sozialdemokratischen Marxisten R. Hilferding (Das Finanzkapital, Wien 1910). In der bis heute für den Marxismus-Leninismus als wichtige theoretische Untersuchung geltenden Arbeit Lenins „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ (geschrieben 1916, veröffentlicht 1917 in Petrograd [jetzt: Leningrad]; hier zitiert nach: W. I. Lenin, Werke, Bd. 22, Berlin [Ost], 1966, S. 189 ff.) fragt dieser nach dem „ökonomischen Wesen“ des I., das diesen von voraufgegangenen Erscheinungsformen des Kapitalismus (K.) unterscheide. Die wesentliche Differenz sieht Lenin in der Ablösung des K. der freien Konkurrenz durch den K. der Monopole. Mit dieser Entwicklung sei der Konkurrenzkampf (relativ) kleiner privater Eigentümer abgelöst worden durch die Auseinandersetzungen marktbeherrschender, die nationalen Grenzen überschreitender Großunternehmen, der „Monopole“. Die Monopolstellung mache es diesen möglich, über den normalen Gewinn/Profit (Wert- und Mehrwerttheorie) Extraprofite/Monopolprofite einzustreichen, d.h. die Ausbeutung verschärfe sich. Neben der sich in dem Entstehen der Monopole manifestierenden Konzentration der Produktionsmittel und damit der Gütererzeugung in Großbetrieben, Kartellen, Trusts usw. nennt Lenin u.a. folgende Kennzeichen des I.:

 

a) Zusammenwachsen von Industrie- und Bankkapital, wobei letzteres als „monopolistisches Finanzkapital“ die eigentliche Herrschaft ausübt;

 

b) der Warenexport verliert gegenüber dem Kapitalexport an Bedeutung;

 

c) die Erde ist unter den Monopolverbänden ökonomisch aufgeteilt, wobei zwischen ihnen die erbitterte Auseinandersetzung um Behauptung bzw. Erweiterung der Einflußsphären weitergeht;

 

d) auch territorial ist die Erde unter den imperialistischen Großmächten verteilt, wobei diese untereinander im Streit liegen sowie die ausgebeuteten und unterdrückten Völker in den Kolonien bzw. abhängigen Territorien sich gegen die ausländische Dominanz zu wehren beginnen.

 

Lenin sieht in dieser Entwicklungsetappe des K. dessen „höchstes“ und „letztes“ Stadium. Für ihn ist der I. „der Vorabend der sozialistischen Revolution“. Zwar gäben die von den Monopolen im Ausland bzw. in den Kolonien erzielten Extraprofite diesen die Möglichkeit, Teilen („den oberen Schichten“) der Arbeiterklasse höhere Löhne zu zahlen, sie also zu korrumpieren und damit eine den Monopolinteressen folgende „Arbeiteraristokratie“ herauszubilden. (Lenin sieht hierin die Wurzeln des Opportunismus, des Reformismus, des Sozialdemokratismus.) Trotzdem könne auch in den hochentwickelten kapitalistischen Staaten auf diese Weise eine dauerhafte innenpolitische, soziale Stabilisierung nicht erreicht werden. Letztlich stünde einer zahlenmäßig kleinen Gruppe der „Monopolbourgeoisie“ und den von diesen unmittelbar abhängigen Schichten die Masse der sozialen Klassen (einschl. der Bauern, der Handwerker, des kleinen und mittleren Bürgertums) unversöhnlich gegenüber. Der Kampf um Marktanteile und Einflußsphären mache Kriege zwischen imperialistischen Staaten unvermeidlich. Die inneren sozialen Gegensätze würden zusätzlich dadurch verschärft, daß der I. kein wachsender, die Produktivkräfte weiterentwickelnder K. — wie noch der Konkurrenz-K. — sei. „In dem Maße, wie Monopolpreise, sei es auch nur vorübergehend, eingeführt werden, verschwindet bis zu einem gewissen Grade der Antrieb zum technischen und folglich auch zu jedem anderen Fortschritt, zur Vorwärtsbewegung; und insofern entsteht die ökonomische Möglichkeit, den technischen Fortschritt künstlich aufzuhalten“ (Lenin, a.a.O., S. 281). Der I. führe somit zur Herausbildung eines „Rentnerstaates“, in dem nur noch die profitable, an Zinseinkünften orientierte Kapitalanlage interessiere. Lenin spricht daher mit diesen Begrün[S. 603]dungen auch vom „verfaulenden“ und vom „parasitären“ K.

 

3. Etappen der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Unter dem Eindruck des I. Weltkrieges sowie dessen sozialen und politischen Auswirkungen rechnete Lenin offensichtlich mit dem Beginn einer über Rußland hinausgreifenden, zumindest die europäischen Staaten erfassenden weltrevolutionären Entwicklung. Für ihn hatte die letzte, die allgemeine Krise des K. begonnen, wenn er sich auch hütete, präzise Voraussagungen über den Verlauf des „Sterbens des K.“ zu machen. Die folgenden 60 Jahre zeigten zwar mannigfache weltwirtschaftliche, weltpolitische und innenpolitische Veränderungen des K. (nicht zuletzt die Auflösung der Kolonialreiche, mehrfache wissenschaftlich-technische Innovationsschübe [ Wissenschaftlich-technische Revolution (WTR) ], weltweite ökonomische Krisen und Kriege usw.), ohne daß es jedoch dabei zur Weltrevolution bzw. zur Endkrise des K. gekommen wäre. Die kommunistische Weltbewegung und der Marxismus-Leninismus standen und stehen daher vor der Aufgabe — ohne die grundsätzlichen Leninschen Positionen aufzugeben — immer erneut die I.-Theorie als strategische Leitlinie für die konkrete Politik neu zu fassen.

 

Heute werden 3 Etappen der allgemeinen Krise des K. unterschieden, ohne daß dabei die einzelnen Phasen des I. als dem „letzten Stadium des K.“ durch eindeutige Kriterien voneinander abgegrenzt worden wären:

 

a) der Beginn der allgemeinen Krise wird im Ausbruch des I. Weltkrieges gesehen, in dem sich die auftretenden Widersprüche des I. erstmals entladen hätten. Dabei sei es mit der Oktoberrevolution 1917 erstmals einem Land — Rußland — gelungen, aus dem kapitalistischen Weltsystem auszubrechen und mit dem Aufbau des Sozialismus zu beginnen. Nach einer kurzen Phase der Stabilisierung habe die 1929 einsetzende Weltwirtschaftskrise zu einer Erschütterung des K. und als deren Folge zur Errichtung faschistischer Diktaturen vor allem in Italien, Deutschland und Japan geführt. Damit seien zugleich die Wurzeln für den II. Weltkrieg gelegt worden, mit dessen Ausgang der Marxismus-Leninismus eine neue Etappe beginnen sieht.

 

b) Im Ergebnis der Zerschlagung der faschistischen Staaten sei es gelungen, dem Sozialismus außerhalb der Sowjetunion in einer Reihe europäischer und asiatischer Staaten zum Siege zu verhelfen und damit dem K. ein Sozialistisches Weltsystem entgegenzusetzen. Dieses habe die nationalen Befreiungsbewegungen unterstützt und dadurch die weitgehende Ablösung der imperialistischen Kolonialherrschaft durch neue Nationalstaaten beschleunigt (Entwicklungshilfe; Nationale Demokratie (National-demokratische Staaten)). Damit in Verbindung stehend haben sich gleichzeitig die Gegensätze zwischen dem sozialistischen Weltsystem und den kapitalistischen Ländern in Form des „Kalten Krieges“ zugespitzt. Die Brechung des Atomwaffenmonopols, die Entwicklung der Weltraumfahrt durch die UdSSR als Ausdruck der technischen Möglichkeiten des Sozialismus usw. haben jedoch die Existenz des sozialistischen Lagers gesichert und zugleich den Ausbruch offener Konflikte verhindert. In der zunehmenden Machtposition der sozialistischen Staaten im weltpolitischen Maßstab werden die Voraussetzung und die Chance für die gegenwärtig als Leitlinie für die Beziehungen zu den westlichen Industriestaaten geltende Politik der Friedlichen Koexistenz gesehen. Unter Ausnutzung der Nachkriegskonjunktur und in Weiterentwicklung bereits vorhandener Verbindungen zwischen Staatsapparat und Monopolen habe sich der staatsmonopolistische K. als Ausformung des K. der Gegenwart deutlicher ausgeprägt (vgl. dazu weiter unten). Die USA wurden in dieser Zeit zur imperialistischen Führungsmacht.

 

c) Der Ausgang der 50er Jahre markiert nach marxistisch-leninistischer Auffassung den Beginn einer dritten, noch andauernden Etappe der allgemeinen Krise des K. In ihr sei mit dem Zerfall des portugiesischen Kolonialreiches das alte Kolonialsystem endgültig abgelöst worden. Im gleichen Zeitraum sei es gelungen, in Kuba, in Vietnam usw. weitere sozialistische Systeme zu etablieren. Der staatsmonopolistische K. habe in der Ende der 60er Jahre einsetzenden, seit 1974/75 manifest gewordenen zyklischen Krise die Grenzen seiner Regulierungsmöglichkeiten offenbart. Die Ungleichmäßigkeiten der ökonomischen und politischen Entwicklungen hätten zudem zu einer Zuspitzung in den „zwischenimperialistischen Beziehungen“ und zur Herausbildung dreier, international rivalisierender Zentren des I.: USA, Westeuropa, Japan geführt.

 

Da die Voraussagen über eine Endkrise des K. vielfach von der historischen Entwicklung widerlegt worden sind, wird heute vor derartigen Prognosen gewarnt: „Auch im Stadium ihrer gegenwärtigen Vertiefung bedeutet die allgemeine Krise keine absolute Ausweglosigkeit des Kapitalismus, führt sie nicht zu seinem automatischen Zusammenbruch. Der Zwang zur Anpassung an neue Existenzbedingungen veranlaßt den I. zugleich, bestimmte Reserven zur Festigung seiner Positionen zu mobilisieren“ (Ökonomisches Lexikon, Bd. H-P, Berlin [Ost] 1979, S. 329). Diese Vorsicht bei Voraussagen impliziert aber gleichzeitig das Hervorheben der Rolle der marxistisch-leninistischen Partei: Die soziale Revolution ist aus dieser Sicht nicht spontanes Ergebnis eines historischen Prozesses, sondern muß „bewußt“ gemacht werden, was letztlich nur unter Führung der kommunistischen Partei als der Verkörperung des „richtigen, wissenschaftlichen Bewußtseins“ möglich ist.

 

4. Staatsmonopolistischer Kapitalismus. Dieser Ausdruck findet sich bereits bei Lenin, ohne daß dieser daraus eine Theorie entwickelt hätte. Er verwendet staatsmonopolistischer K. und monopolistischer K. jeweils synonym. Allenfalls hat der sowjetische Ökonom und Analytiker des K. Eugen Varga (1879–1964) angesichts der zunehmenden staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsablauf während und nach der Weltwirtschaftskrise am Ausgang der 20er Jahre den Begriff staatsmonopolistischer K. in vergleichbarer Weise wie die heutige marxistisch-leninistische Politische Ökonomie gebraucht. Staatsmonopolistischer K. als ein besonderer Abschnitt des I. wird erst Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre Gegenstand der [S. 604]wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion auch und vor allem in der DDR (vgl. Margaret Wirth, Kapitalismustheorie in der DDR, Frankfurt a. M. 1972, S. 21 ff.). Die anhaltende Nachkriegskonjunktur hat ebenso wie die sich u.a. in der Nachfolge des liberalen englischen Ökonomen J. M. Keynes (1883–1946) ergebenden Veränderungen in den westlichen Wirtschaftswissenschaften zugunsten einer aktiven Rolle des Staates im wirtschaftlichen Geschehen und das Entstehen sowie die Anwendung entsprechender wirtschaftspolitischer Instrumentarien dazu beigetragen, daß es zu einer erneuten Diskussion um den K. im Stadium des I. kam.

 

Heute wird im staatsmonopolistischen K. kein neues Entwicklungsstadium des K. jenseits des I. gesehen, vielmehr verkörpere er lediglich „die höchste Stufe der Monopolisierung“. Im Mittelpunkt aller Aussagen über ihn stehen die „personelle sowie die institutionell-organisatorische Verflechtung zwischen der Monopolbourgeoisie und dem Staatsapparat“ (Politische Ökonomie des Kapitalismus und des Sozialismus. Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium, 9., überarb. Aufl., Berlin [Ost] 1983, S. 336) und die sich aus dieser Verbindung ergebenden Möglichkeiten sowie Notwendigkeiten für den Staat, mit seinen Mitteln regulierend in den Wirtschaftsprozeß einzugreifen.

 

Im einzelnen werden in der marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie folgende Aspekte des staatsmonopolistischen K. besonders hervorgehoben:

 

a) Staatliches Eigentum an Teilen des Produktionskapitals;

 

Im einzelnen werden in der marxistisch-leninistischen politischen Ökonomie folgende Aspekte des staatsmonopolistischen K. besonders hervorgehoben:

 

a) Staatliches Eigentum an Teilen des Produktionskapitals;

 

b) Aneignung und Umverteilung zunehmend größerer Anteile des Nationaleinkommens durch den Staat;

 

c) Eingriffe in die Konkurrenzbeziehungen (z.B. Festlegen von Preisen und Handelsspannen, Verbot oder Zulassung von Kartellen) und in die Beziehungen zwischen Kapital und Arbeit (z.B. Schlichtungen bei Tarifkonflikten, Ausgestaltung des Arbeitsrechts);

 

d) Ausgestaltung einer aktiven staatlichen Wirtschaftspolitik (z.B. Entwicklung und Einsatz eines den Wirtschaftsablauf regulierenden Instrumentariums entsprechend mittel- und langfristiger Wirtschaftsprogramme).

 

Alle derartigen Eingriffe erfolgen jedoch nicht — so der Marxismus-Leninismus — im Interesse der Gesamtgesellschaft, sondern dienen der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems vor allem zum Nutzen und zur Sicherung der Monopole. Zwar zeige sich in den Regulierungsfunktionen des Staates die Notwendigkeit — angesichts der zunehmenden Wirtschaftsverflechtung, d.h. der zunehmenden Vergesellschaftung des Produktionsprozesses — zu einer gesamtgesellschaftlichen Planung überzugehen. Insoweit bereite der staatsmonopolistische K. den Sozialismus materiell vor. Unter Berufung auf Lenin heißt es, daß der staatsmonopolistische K. „die vollständige materielle Vorbereitung des Sozialismus, seine unmittelbare Vorstufe ist, denn auf der historischen Stufenleiter gibt es zwischen dieser Stufe und derjenigen, die Sozialismus heißt, keinerlei Zwischenstufen mehr“ (Politische Ökonomie …, a.a.O., S. 360; Hervorhebungen im Original). Dem staatsmonopolistischen K. könne jedoch eine wirkliche, krisenfreie Planung nicht gelingen. Auch die Monopole blieben an die Existenz des Privateigentums, an die profitable Verwertung von Einzelkapitalen gebunden. Die Monopole beherrschten letztlich den Staat und könnten ihre partikularen Interessen im Gegensatz zu denen der Masse der Gesellschaftsmitglieder nicht zuletzt mit seiner Hilfe durchsetzen. Daraus folge, daß sich Krisen nicht vermeiden lassen und sich die binnengesellschaftlichen und internationalen Konflikte weiter zuspitzen müßten. Die zunehmende Militarisierung und das Anwachsen der innenpolitischen Repression seien notwendige Existenzbedingungen des staatsmonopolistischen K., damit dieser sich außen- und innenpolitisch behaupten könne.

 

5. Funktionen der I.-Theorie in der Politik. Der Begriff I. und die mit ihm verbundenen Sichtweisen des als feindlich verstandenen kapitalistischen Systems spielen eine bedeutende Rolle in der Ausgestaltung der Politik kommunistischer Staaten und Parteien:

 

a) Die Ergebnisse der I.-Forschung, d.h. die Analyse bürgerlich-kapitalistischer Systeme sind Grundlage für die Konzipierung der Außenpolitik wie umgekehrt die jeweilige außenpolitische Linie ihren Niederschlag in den Veröffentlichungen aus dem Bereich der I.-Forschung findet.

 

b) Über die I.-Konzeption versuchen die Sowjetunion und die mit ihr verbündeten Staaten auf die Entwicklungsländer Einfluß zu nehmen, um diese zu einer „antiimperialistischen Orientierung“ zu veranlassen.

 

c) Die Auffassung vom I. bzw. staatsmonopolistischen K. liegt der Bündnispolitik der nichtregierenden kommunistischen Parteien zugrunde. Die Aussage, daß es vor allem die „Monopole“ seien, die den Staat in ihren Dienst genommen hätten, ermöglicht die Propagierung eines „antimonopolistischen Bündnisses“ und führt von kommunistischer Seite zu dem Versuch, alle gesellschaftlichen Klassen und Schichten und nicht nur die Arbeiterklasse (Klasse/Klassen, Klassenkampf) politisch zu beeinflussen und — wenn möglich — in einen Kampf gegen die Monopole zu führen.

 

d) Unter Berufung auf die imperialistische Bedrohung bzw. die imperialistischen Einflüsse werden die einzelnen sozialistischen Staaten sowie die nichtregierenden kommunistischen Parteien zur Treue und Gefolgschaft gegenüber der UdSSR bzw. der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) verpflichtet.

 

e) Die marxistisch-leninistische I.-Theorie erklärt die Ursachen der internationalen ökonomischen und politischen Abhängigkeiten, die Aufteilung der Erde in Einflußsphären, das Entstehen von Kriegen usw. in der Gegenwart ausschließlich aus der monopolistischen Struktur des Privateigentums an Produktionsmitteln; damit wird der K. zum alleinigen Verursacher innen- und außenpolitischer Konflikte. Die Sicherung und Ausweitung des sowjetischen Machtbereiches (z.B. Afghanistan, die Nahost-, Afrika- und Lateinamerikapolitik, ČSSR, Polen), (militärische) Konflikte zwischen sozialistischen Staaten (z.B. Sowjetunion — China, China — Vietnam) werden auf diese Weise der Kritik, es [S. 605]handele sich auch hier um imperialistische Politik („Sowjetimperialismus“) entzogen bzw. als Abwehr imperialistischer Einmischungen und Einflüsse oder aber als Unterstützung „antiimperialistischer Befreiungsbewegungen“ gerechtfertigt.

 

6. I.-Forschung. Zwischen den einzelnen Staaten des sowjetischen Machtbereiches ist die I.-Forschung arbeitsteilig aufgeteilt. Während in der Sowjetunion z.B. die USA im Mittelpunkt der I.-Forschung stehen, ist es in der DDR wesentlich die Bundesrepublik Deutschland. An allen Universitäten und Hochschulen finden Forschung und Lehre zum I. statt. Das Institut für internationale Politik und Wirtschaft (IPW) widmet sich ausschließlich der I.-Forschung mit dem Schwerpunkt Bundesrepublik Deutschland; bei ihm besteht als Leitungs- und Koordinierungseinrichtung der Wissenschaftliche Rat für I.-Forschung. Der Auseinandersetzung mit dem I. dienen ferner der Wissenschaftliche Rat für Grundfragen der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und I. bei der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), der Wissenschaftliche Rat für außenpolitische Fragen beim Institut für internationale Beziehungen bei der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR.

 

Die allgemeine ideologisch-politische Leitfunktion auf dem Gebiet der I.-Forschung kommt — wie in anderen gesellschaftswissenschaftlichen Bereichen auch — der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) zu; bei ihr bestehen mit entsprechenden Aufgabenstellungen u.a. der Rat für wissenschaftlichen Kommunismus und der Wissenschaftliche Rat für internationale Arbeiterbewegung.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 602–605


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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