DDR von A-Z, Band 1985

Institut für Internationale Politik und Wirtschaft (IPW) (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1979


 

Gegr.: Juli 1971 durch Zusammenlegung des Staatssekretariats für westdeutsche Fragen, des Deutschen Instituts für Zeitgeschichte (DIZ) und des Deutschen Wirtschaftsinstituts (DWI); Sitz: Berlin (Ost). Direktor: Prof. Dr. Max Schmidt (SED), Stellv.: Lutz Maier (SED).

 

1. Ziele der Gründung des IPW. Mit der Gründung des IPW sollte eine Konzentration der marxistisch-leninistischen Imperialismusforschung, insbesondere der Analyse der Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland, erreicht werden. In diesem Bereich ist das IPW Leitinstitut. Es arbeitet eng mit der Abteilung für Westarbeit (Abt. 70) des Zentralkomitees (ZK) der SED zusammen und beeinflußt mit seinen Analysen und Berichten auch die Westarbeit anderer Institutionen und Massenorganisationen, die der Nationalen Front der DDR, der Liga für Völkerfreundschaft (Freundschaftsgesellschaften), des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Das IPW arbeitet im übrigen auch dem Ministerium für Staatssicherheit zu.

 

Das IPW war nicht lediglich eine Zusammenfassung bereits bestehender Einrichtungen, vielmehr sollte es die gesamte „Westpropaganda“ verbessern und vereinheitlichen. Diese Aufgabenstellung steht in einem engen Zusammenhang mit der Anfang der 70er Jahre einsetzenden Politik der Abgrenzung der DDR. Das IPW hat demnach einen Doppelcharakter, der seine Tätig[S. 654]keit prägt: es ist einerseits zeitgeschichtliches, wirtschaftswissenschaftliches und gesellschaftspolitisches Forschungsinstitut und gleichzeitig ein Instrument der Westpropaganda. Die starke Einbeziehung des IPW in die deutschlandpolitischen Auseinandersetzungen hat zu einer Überlagerung seiner wissenschaftlichen Tätigkeit durch die propagandistisch-ideologischen Aufgaben geführt und damit seinen Ruf als wissenschaftliche Forschungsstätte beeinträchtigt. Da neben dem IPW an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG) ein Institut für Imperialismusforschung innerhalb der Partei besteht, hat das IPW auf seinem Tätigkeitsfeld keine Monopolstellung.

 

2. Aufgaben. a) Spezielle analytische Arbeit über den „Niedergang des Kapitalismus“ und den „Imperialismus der BRD“ auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus. Ferner werden Probleme des Ost-West-Handels, von Konzentrationsprozessen der Industrie in der Bundesrepublik Deutschland und in Westeuropa sowie die Entwicklung der multinationalen Konzerne vorwiegend in Westeuropa untersucht. Ein weiteres Arbeitsgebiet sind der wissenschaftlich-technische JOIN:'wissenschaftlich-technische' wissenschaftlichtechnische Fortschritt und seine ökonomisch-sozialen Folgen in den westlichen Industriestaaten.

 

b) Laufende umfassende Beobachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland, einschl. der Analyse aller politischen Strömungen und Veränderungen sowie der Reaktionen der westdeutschen Bevölkerung auf die politischen Aktivitäten und Beeinflussungsversuche von seiten der DDR.

 

c) Beratung der Parteiführung in deutschlandpolitischen Fragen.

 

d) Erarbeitung von Informationsmaterialien für die Partei- und Staatsführung (Westabteilung des ZK der SED, Ministerrat der DDR, Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Ministerium für Außenhandel [MAH] usw.). Derartige Informations- und Dokumentationsmaterialien werden auch wichtigen Institutionen in der UdSSR und in anderen sozialistischen Staaten zur Verfügung gestellt. Eine besonders enge Zusammenarbeit und gegenseitige Abstimmung findet mit dem IMEMO, Moskau, statt. Diese Kooperationen sind Ausdruck der Aufgaben- und Arbeitsteilung in den sozialistischen Ländern (z.B. liegt der Schwerpunkt der Analyse der USA bei der Sowjetunion, die Analyse der Bundesrepublik Deutschland bei der DDR).

 

e) Das IPW versucht, auf die linken Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar einzuwirken. Es bedient sich dabei nicht zuletzt der DKP (Kommunistische Partei Deutschlands (KPD)/Deutsche Kommunistische Partei [DKP]).

 

f) Publikationstätigkeit: Monatlich erscheint die Zeitschrift „IPW-Berichte“, seit 1973 vierteljährlich die „IPW-Forschungshefte“. Als interne Veröffentlichung erarbeitet das IPW den Wochendienst „Aktuelle Information aus Politik und Wirtschaft“.

 

Forschung und Publikationstätigkeit werden über den bei dem IPW bestehenden Wissenschaftlichen Rat für Imperialismusforschung (Vors.: Max Schmidt) koordiniert.

 

3. Organisation. Das IPW untersteht dem Präsidium des Ministerrates der DDR; innerhalb der Parteiführung ist es dem Mitgl. des Politbüros des ZK der SED und Sekretär des ZK der SED, Joachim Herrmann, zugeordnet. Die Grundlinien seiner Forschungstätigkeit sind dem IPW durch den zentralen Forschungsplan der Gesellschaftswissenschaften vorgegeben. Weitere Anforderungen ergeben sich aus den aktuellen politischen Bedürfnissen der Partei- und Staatsführung. Das IPW ist in 3 Hauptabteilungen gegliedert: „Ökonomie“; „Politik“ und „Ideologie“. Jede dieser Hauptabteilungen besteht aus mehreren Abteilungen. Die Hauptabteilung mit den meisten Mitarbeitern ist die Hauptabteilung „Ökonomie“. Sie umfaßt u.a. folgende Abteilungen: Weltwirtschaft (einschl. der Arbeitsgruppen für Asien, besonders Japan und die USA); Westeuropa; Reproduktion (d.h. Analyse der Probleme der Wissenschaftlich-technischen Revolution (WTR) in den westlichen Industrieländern); Konjunktur und Krise; Monopolisierung (in der Bundesrepublik Deutschland und in Westeuropa); Agrarfragen (einschl. der Probleme der Welternährung); Lage und Probleme der Arbeiterklasse; ökonomische Fragen der Rüstung; ökonomische Rolle der Entwicklungsländer. Zur Hauptabteilung „Politik“ gehören u.a. die Abteilungen: Sicherheit und Entspannung; Rüstung, Rüstungspolitik und Abrüstung; innenpolitische und gesellschaftliche Entwicklung in Westeuropa (insbesondere Analyse des politischen Systems einschl. der Parteien- und der Organisationsstrukturen des Staates). In der Hauptabteilung „Ideologie“ sind die bedeutendsten Abteilungen: Konzeptionelle Grundfragen der friedlichen Koexistenz; Beobachtung ideologischer Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland und in Westeuropa. Die Abteilung „Feindbeobachtung“ verfolgt die Berichterstattung der Massenmedien in der Bundesrepublik.

 

Die Hauptabteilung „Ideologie“ hat verschiedentlich propagandistische Spezialaufträge durchgeführt: z.B. Herausgabe des „Chile-Schwarzbuches“. Zur gleichen Hauptabteilung gehört eine etwa 10 Mitarbeiter umfassende Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Dr. H. Bertsch (SED), die direkten Kontakt zum Ministerrat der DDR sowie zur Hauptverwaltung „Aufklärung“ des Ministeriums für Staatssicherheit hat.

 

Das IPW hat seit 1975 Promotionsrecht, ist aber keine Ausbildungsstätte.

 

4. Internationale Kontakte. Das IPW arbeitet auf vertraglicher Grundlage eng mit vergleichbaren Einrichtungen in den anderen sozialistischen Ländern, insbesondere in der Sowjetunion, zusammen. Über die Abteilung Internationale Verbindungen des ZK der SED ist es auch mit den kommunistischen und Arbeiterparteien in westlichen Staaten verbunden. Das IPW unterhält darüber hinaus Kontakte zu wissenschaftlichen Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland. Das IPW ist Mitglied einer Kommission der Vereinten Nationen für „Imperialismus und Kolonialismus“.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 653–654


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.