
Jugendhilfe (1985)
Siehe auch die Jahre 1969 1975 1979
1. Begriff und Aufgaben. Der Begriff der Jugendwohlfahrt ist durch den Begriff der J. ersetzt. Rechtsgrundlagen sind der § 20 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungswesen vom 25. 2. 1965 (GBl. I, S. 83) und die VO über die Aufgaben und die Arbeitsweise der Organe der J. vom 3. 3. 1966 (GBl. II, S. 215). Die J. untersteht dem Ministerium für Volksbildung und soll den elternlosen, gefährdeten und familiengelösten Kindern und Jugendlichen eine positive Entwicklung im Sinne des sozialistischen Erziehungsziels (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem) sichern. Jugend.
„Jugendhilfe umfaßt die rechtzeitige korrigierende Einflußnahme bei Anzeichen der sozialen Fehlentwicklung und die Verhütung und Beseitigung der Vernachlässi[S. 690]gung von Kindern und Jugendlichen, die vorbeugende Bekämpfung der Jugendkriminalität, die Umerziehung von schwererziehbaren und straffälligen Minderjährigen sowie die Sorge für elternlose und familiengelöste Kinder und Jugendliche“ (Jugendhilfe-VO vom 3. 3. 1966, § 1, GBl. II, S. 215). Damit umfaßt die J. der DDR die nach westdeutschem Sprachgebrauch unter dem Begriff Jugendfürsorge zusammengefaßten Aufgaben, nicht aber die Jugendpflege und die Jugendsozialarbeit. Die Organe der J. werden tätig, „wenn trotz gesellschaftlicher Unterstützung der Erziehungsberechtigten die Gesundheit oder die Erziehung und Entwicklung Minderjähriger gefährdet sind, wenn für Minderjährige niemand die elterliche Sorge ausübt oder wenn sie in gesetzlich besonders bestimmten Fällen die Interessen Minderjähriger vertreten müssen“.
2. Organisation. Organe der J. sind a) die Abt. J. und Heimerziehung im Ministerium für Volksbildung (1975 Aufteilung der vormaligen Abt. J. und Sonderschulwesen), die Referate J. in den Abt. Volksbildung der Bezirke, Kreise, Stadtkreise und Stadtbezirke, die Jugendkommissionen bei den Räten der Städte, Stadtbezirke und Gemeinden, b) der Zentrale Jugendausschuß beim Ministerium für Volksbildung, die Jugendausschüsse bei den Räten der Bezirke, Kreise, Stadtkreise und Stadtbezirke, c) die Vormundschaftsräte bei den Räten der Kreise, Stadtkreise und Stadtbezirke. Die ehrenamtliche Arbeit hat auf dem Gebiet der J. große Bedeutung. Die Jugendhelfer sowie die Mitglieder der Jugend-Ausschüsse und der Vormundschaftsräte werden durch die Organe der Verwaltung berufen. Die J.-Kommissionen setzen sich aus den ehrenamtlich tätigen Jugendhelfern zusammen. Jugendhelfer und J.-Kommissionen werden betreuend, helfend, kontrollierend, gutachtlich und sichernd tätig. Außerdem wirken sie mit bei der Auswahl von Vormündern und Pflegern, bei der Vorbereitung der Annahme an Kindes Statt, bei den Vorbereitungen zur Regelung der Unterhaltsansprüche Minderjähriger und ähnlichem. Die Vormundschaftsräte haben die Organe, Einrichtungen und Bürger, die für die Sicherung der sozialistischen Erziehung von elternlosen oder familiengelösten Minderjährigen verantwortlich sind, zu beraten, anzuleiten und zu kontrollieren. Die Organe der J. bei den Räten der Kreise (Stadtkreise, Stadtbezirke) entscheiden durch Beschluß über Maßnahmen zur Erziehungshilfe (z.B. Klage auf Entzug des Erziehungsrechts nach § 51 Abs. 1 des Familiengesetzbuches, Zuführung des Kindes zum Erziehungsberechtigten), des Vormundschaftswesens (z.B. Anordnung der Vormundschaft und Pflegschaft) (Freiwillige Gerichtsbarkeit) und über den Rechtsschutz für Minderjährige (z.B. für die Beurkundung der Anerkennung der Vaterschaft). Die Zuständigkeit ist zwischen dem J.-Ausschuß und dem Referat J. geteilt.
3. Personal. 1982 hatte die J. 13.900 Mitarbeiter, darunter 10.600 weibliche. Davon war der überwiegende Teil als erzieherisches oder technisches Personal in den Heimen der J. tätig. Die Mitarbeiter der Referate J. (Jugendfürsorger) machten etwa 10 v.H. aller hauptamtlich Tätigen aus. Die Aus- und Weiterbildung dieses Personenkreises liegt beim Institut für J., Falkensee, Kr. Nauen. Die leitenden Funktionäre der J. werden seit 1966 zum sozialpädagogischen Studium im „Wissenschaftsbereich Pädagogik der Jugendhilfe und Heimerziehung“ der Sektion Pädagogik der Humboldt-Universität Berlin (Ost) delegiert. Bis Ende 1976 hatten hier 118 Personen die Diplomprüfung abgelegt und 8 promoviert.
Ferner hatte 1984 die J. 32.000 ehrenamtliche Mitarbeiter, darunter 3.480 Mitglieder der J.-Ausschüsse und Vormundschaftsräte, rd. 25.000 Mitglieder der über 3.900 J.-Kommissionen, weitere 3.440 Jugendhelfer in kleinen Gemeinden ohne solche Kommissionen. 11700 Personen waren als Vormund, Pfleger oder Erziehungshelfer ehrenamtlich auf dem Gebiet der J. tätig.
Die Alters- und Sozialstruktur der ehrenamtlichen Mitarbeiterschaft ist nach in der DDR geäußerten Auffassungen nicht zufriedenstellend. Rentner, Angestellte und insbesondere Pädagogen sind überrepräsentiert, die FDJ, die bis zu 40jährigen und vor allem die Arbeiterschaft in nur geringem Maße vertreten.
4. Umfang der J.-Tätigkeit. Angaben zum Etat der J. werden seit 1970 nicht mehr veröffentlicht. Von 1960 bis 1970 stieg er von 127,7 auf 171,7 Mill. Mark. Auch Angaben zum Umfang der J.-Tätigkeit sind selten. 1977 wurde angegeben, die J. leiste jährlich für rd. 25.000 Minderjährige Erziehungshilfe gem. § 50 Familiengesetzbuch. Hinzu kämen die Entscheidungen auf dem Gebiete des Vormundschaftswesens und des Rechtsschutzes. 1978 verfügte die J. über rd. 500 Heime. Darin lebten rd. 29.000 Kinder und Jugendliche. Etwa 100 der Heime waren Spezialheime (Aufnahmeheime, Spezialkinderheime, Jugendwerkhöfe, Sonderheime für stark verhaltensgestörte Kinder und Jugendliche). Bis 1980 sollten 6.150 Heimplätze geschaffen werden.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 689–690
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