DDR von A-Z, Band 1985

Kinderkrippe, Kindergarten (1985)

 

 

Siehe auch:


 

Der Bereich der Vorschulerziehung in Form der Kk. und Kg. ist in der DDR sehr stark ausgebaut. Für die besondere Förderung und die hohen Versorgungsraten in diesem Bereich sind im wesentlichen 3 Gründe zu erkennen: die gesellschaftliche Betreuung von Kindern im Vorschulalter erfüllt erstens eine sozioökonomische Funktion, indem sie beide Elternteile für den Arbeitsprozeß freistellt. (In der DDR sind 87 v.H. der Frauen im berufsfähigen Alter berufstätig oder in der Ausbildung. Frauen.) Neben dem Gewinn zusätzlicher Arbeitskräfte wird dabei in der Berufstätigkeit der Frau gemäß der Rolle, die der Begriff „Arbeit“ in der marxistisch-leninistischen Weltanschauung einnimmt, eine wichtige Funktion für die Gleichberechtigung und die Selbstverwirklichung der Frauen gesehen.

 

Zweitens soll die Vorschulerziehung in Kk. und Kg. dazu beitragen, das oberste Ziel des Einheitlichen sozialistischen Bildungssystems — die Herausbildung „der sozialistischen Persönlichkeit“ — so früh und so umfassend wie möglich zu verwirklichen. Schließlich soll drittens durch die starke Betonung des Vorschulcharakters inbesondere im Kg. erreicht werden, daß zum Zeitpunkt der Einschulung unabhängig vom Elternhaus möglichst gleiche Bildungsvoraussetzungen bei allen Kindern vorhanden sind. (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem, IV.)

 

Es gibt kommunale, betriebliche, genossenschaftliche, aber auch kirchliche Kk. und Kg. Normal ist die Tagesbetreuung, es gibt aber auch Wochen-Kk. und -Kg. sowie — überwiegend für Beschäftigte in der Landwirtschaft — Saisoneinrichtungen. Daneben gibt es Kinderheime für Kinder, die eine dauerhafte Betreuung benötigen.

 

Der Besuch der Vorschuleinrichtungen ist freiwillig und [S. 714]wird vom Staat hoch subventioniert. In vielen Fällen reicht das Angebot jedoch nicht aus, um die Nachfrage nach Plätzen zu befriedigen. Bei der Aufnahme werden Kinder von alleinstehenden Müttern oder Vätern bzw. von Eltern, die beide berufstätig oder in der Ausbildung sind, bevorzugt behandelt.

 

1. Kinderkrippe. Kinder bis zu 3 Jahren werden in der DDR nach Möglichkeit in Kk. untergebracht. Nach dem Gesetz über das Einheitliche sozialistische Bildungssystem werden in den Kk. „vorwiegend Kinder, deren Mütter berufstätig sind oder studieren, von den ersten Lebenswochen bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres in engem Zusammenwirken mit der Familie gepflegt und erzogen. In den Kk. ist zu gewährleisten, daß sich die Kinder gesund und, vor allem durch das Spiel, körperlich und geistig harmonisch entwickeln.“ In den Kk., die der Aufsicht des Ministeriums für Gesundheitswesen (MfG) unterstehen, wurden 1982 rd. 64 v.H. der Kinder bis zu 3 Jahren betreut. Das MfG hat für die Arbeit in den Kk. einheitliche Grundsätze herausgegeben. Danach wird das Kind in der Kk. mit der „unmittelbaren Umwelt“ bekannt gemacht, hier lernt es seinen Lebenskreis kennen und wird in der Gruppe an Ordnung und Regelmäßigkeit gewöhnt. Breiter Raum wird der Körperertüchtigung gewidmet. Empfindungs- und Erlebnisfähigkeit sowie Sprechen und Denken werden systematisch gefördert. Eine umfassende Gesundheitsfürsorge ist sichergestellt. Besondere Aufmerksamkeit gilt der Früherfassung von geschädigten Kindern.

 

2. Kindergarten. Der Kg. ist nach Zielstellung und Bildungs- und Erziehungsinhalt grundlegender Bestandteil des „einheitlichen sozialistischen Bildungssystems“. Anleitung und Aufsicht unterstehen deshalb dem Ministerium für Volksbildung, unter dessen Anleitung ein einheitlicher „Bildungs- und Erziehungsplan“ für die Erziehung im Kg. entwickelt wurde. In den Kg. wurden 1982 rd. 91 v.H. der 3- bis 6jährigen — überwiegend in Jahrgangsgruppen — betreut. Die Eltern zahlen einen Unkostenbeitrag zum Essen in Höhe von ca. 55 Pfennig pro Tag.

 

Gemäß dem Bildungsgesetz von 1965 soll der Kg. „Stätte frohen Kinderlebens“ sein. Begabungen werden systematisch gefördert; so werden z.B. musikbegabte Kinder vom 5. Lebensjahr an zum Besuch einer Musikschule angehalten. 1981 betrug die Zahl der ausgebildeten Erzieherinnen in den Kg. 59.165. Danach hat jede Kindergärtnerin im Durchschnitt 12 Kinder zu betreuen.

 

Als Erziehungsschwerpunkte im Kg. gelten die Vorbereitung der Kinder auf das „Leben in der sozialistischen Gesellschaft der DDR“ sowie die Heranbildung zu „harmonisch entwickelten sozialistischen Persönlichkeiten“. Dazu gehört, daß sich die Kinder in die Gemeinschaft — das Kollektiv — einfügen lernen, um in ihr später „gesellschaftlich nützlich“ tätig zu werden. Sie sollen Verhaltensweisen erlernen, die den „sozialistischen Normen“ entsprechen. Systematisch sollen die Kinder auf den Schulbesuch vorbereitet, aber ihnen noch keine von der Schule vermittelte Fähigkeiten, wie zum Beispiel Lesen und Schreiben, beigebracht werden. Alle Erziehungs- und Lerninhalte sollen aber bereits von den Vorstellungen und Normen des Marxismus-Leninismus durchdrungen sein.

 

Für Kinder, die nur im Elternhaus aufwachsen, weil für sie noch kein Kg.-Platz bereitsteht, werden im letzten Jahr vor der Einschulung alle 14 Tage Spiel- und Lernnachmittage veranstaltet. Sie finden unter der Leitung von Kindergärtnerinnen und Lehrern oder Lehrerinnen statt und sollen jeweils 90 Minuten dauern. Betreut werden die Kinder in den Kk. und Kg. von Kindergärtnerinnen mit abgeschlossener Fachschulausbildung, Erziehungshelferinnen mit pädagogischer Kurz- oder Teilausbildung, Helferinnen ohne pädagogische Ausbildung.

 

Kindergärtnerin kann jede Frau werden, die den Abschluß der 10. Klasse hat (oder entsprechenden Bildungsstand). Nach einer Eignungsprüfung studiert sie im Direkt- oder Fernstudium 3 Jahre lang an einer Pädagogischen Fachschule.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 713–714


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.