
Kollektive Führung (1985)
Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979
Unter KF. wird in der DDR unter Berufung auf W. I. Lenin (der sich verschiedentlich für das „Kollegialitätsprinzip“ ausgesprochen hat) das Führungsprinzip verstanden, das insbesondere die Tätigkeit der Parteileitungen kennzeichnen soll. Vor allem Grundsatzentscheidungen sollen in den Leitungsgremien kollektiv beraten werden. Dabei dürfe jedoch die Einzelverantwortlichkeit der Leitungsmitglieder entsprechend den Prinzipien des Demokratischen Zentralismus und der Einzelleitung nicht verwischt werden; Leitungskollektive sind ebenso wie andere sozialistische ➝Kollektive arbeitsteilig und hierarchisch organisiert.
Die Verwendung des Begriffs KF. beschränkt sich wesentlich auf die SED; KF. ist jedoch lediglich ein Sonderfall der „Kollektivität der Leitung“, die das Funktionieren aller gewählten Leitungen in den Parteien und den Massenorganisationen sowie im Staatsapparat kennzeichnen soll. Das geltende (5.) Parteistatut der SED (1976) besagt dazu in Ziffer 24: „Das höchste Prinzip der Arbeit der leitenden Parteiorgane ist die Kollektivität. Alle Leitungen haben die vor der Partei stehenden Probleme, die Aufgaben und die Planung der Arbeit im Kollektiv zu beraten und zu entscheiden. — Der Grundsatz der Kollektivität schließt die persönliche Verantwortung des einzelnen ein. Personenkult und die damit verbundene Verletzung der innerparteilichen Demokratie sind unvereinbar mit den leninschen Normen des Parteilebens und können in der Partei nicht geduldet werden.“
Der Begriff KF. wurde vor allem nach dem XX. Parteitag der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU) (1956) verwendet. In ihm sollte die Abwendung vom Personenkult und damit die Wiederherstellung der „innerparteilichen Demokratie“ gemäß den „leninschen Parteinormen“ zum Ausdruck gebracht werden. Der zwischen der Forderung nach „Kollektivität der Leitung“ und den anderen Prinzipien des Demokratischen Zentralismus bestehende, konfliktreiche Spannungszustand ist bisher immer — am sichtbarsten innerhalb des Politbüros des ZK der SED — zugunsten einer deutlich herausgehobenen Stellung des 1. Sekretärs (seit 1976 in Anlehnung an die KPdSU: Generalsekretär) der Partei entschieden worden. Erscheinungen des Personenkults hat es besonders um den Vorgänger Erich Honeckers in diesem Amt, Walter Ulbricht, auch nach 1956 gegeben; aber spätestens seit dem IX. Parteitag der SED (1976), besonders auffällig auf dem X. Parteitag der SED (1981), ist auch eine verstärkte Hervorhebung der Aktivitäten und der Person Erich Honeckers zu beobachten. Derartige Erscheinungen lassen den Schluß zu, daß eine Reihe von Entscheidungen der Parteiführung zwar gemeinsam getroffen und nach außen kollektiv verantwortet werden, der Person des 1. Sekretärs/Generalsekretärs jedoch nach wie vor eine überragende Bedeutung zukommt.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 732
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