
Kraftfahrzeugindustrie (1985)
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Entsprechend der Industriezweigsystematik der DDR der Industriezweig des Straßenfahrzeug- und Traktorenbaus. Kraftfahrzeuge sind nichtgleisgebundene maschinenbetriebene Landfahrzeuge, nicht jedoch Fahrräder mit Hilfsmotor und Mopeds. Zur K. zählen im einzelnen der Lkw-, der Pkw-, der Traktoren- und Anhängerbau. Ferner gehören zu dieser Wirtschaftsgruppe die Betriebe zum Bau von Krafträdern. Insgesamt sind in der K. etwa 95.000 Arbeiter und Angestellte tätig.
Die Bedeutung der K. der DDR im Verhältnis zum entsprechenden Sektor der Bundesrepublik Deutschland ist nach dem Kriege u.a. durch Demontagen stark gesunken. Die Bevorzugung der Produktionsgütererzeugung verhinderte einen umfassenden Neuaufbau. Die Betriebe wurden und werden bis heute nur unzulänglich mit Investitionsmitteln ausgestattet. Allerdings ist die DDR in den letzten Jahren zunehmend am Ausbau der Automobilproduktion interessiert, um dem ständig steigenden Bedarf der Bevölkerung, der nur zum Teil gedeckt werden kann, zu entsprechen. Mehrjährige Wartezeiten beim Kauf von Pkw aus eigener Produktion sind aber immer noch die Regel. Auf den „Wartburg“, das beliebteste in der DDR produzierte Auto, muß man oft bis zu 10 Jahren warten; geringer sind die Wartezeiten bei ausländischen Modellen aus Osteuropa. Diese Pkw gelten allerdings als störanfälliger als die DDR-Erzeugnisse.
Zunehmend wird in der DDR wie in westlichen Ländern das Auto zum Statussymbol, obgleich die Anschaffungs- und Unterhaltskosten relativ hoch sind. Vergaserkraftstoffe für die in der DDR produzierten Pkw kosten pro Liter 1,50 Mark, der sog. Sonder-Kraftstoff (94 Oktan) 1,65 Mark.
Vor dem Kriege entfiel auf das Gebiet der heutigen DDR ein Anteil von ca. 25 v.H., 1975 nur noch von ca. 6 v.H. der deutschen K. Die SED-Führung erklärte die schwache Entwicklung der K. lange Zeit damit, daß der Motorisierungsgrad der Bevölkerung in einem „sozialistischen Land“ kein Indikator für ihren Lebensstandard sei. So räumte die DDR dem öffentlichen Personenverkehr zu Lasten des Individualverkehrs uneingeschränkte Priorität in allen Verkehrsplanungen ein. Angesichts der energiewirtschaftlichen Schwierigkeiten seit Mitte der 70er Jahre und der sich daraus ergebenden deutlichen Verminderung des Verbrauchs von Mineralölprodukten wurde die Produktion von Personenkraftwagen trotz immens hoher Nachfrage nur langsam erhöht.
Die bis heute kleinen Produktionsserien liegen weit unter der Rentabilitätsgrenze jeder K., so daß dieser Industriezweig hoch subventioniert werden muß. Ein Teil der Subventionen wird durch die privaten Käufer aufgebracht, die für Pkw im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland deutlich höhere Preise zahlen müssen. Der aus der DDR-eigenen Produktion beliebteste Pkw wird im VEB Automobilwerk Eisenach (annähernd 9.000 Beschäftigte; Hauptproduktion: Personenkraftwagen Typ „Wartburg-353“, Dreizylinder-Zweitaktmotor, 992 ccm, 50 PS, Spitzengeschwindigkeit 130 km/h [Kombi 125 km/h], Verbrauch 7,4–10,9 Liter pro 100 km, Tankinhalt 44 Liter, Frontantrieb, Einzelradaufhängung, Scheibenbremsen vorn, Preis: etwa 20.000 Mark; Jahresproduktion 1980: ca. 60.000) hergestellt.
Der seit 1958 (seit 1962 mit einer neuen, der heutigen Karosserieform) gebaute Kleinwagen „Trabant“ wird im VEB Sachsenring Zwickau (10.000 Beschäftigte; Hauptproduktion: „Trabant“, querstehender Zweizylinder-Zweitakt-Motor, 600 ccm, 26 PS, Spitzengeschwindigkeit 100 km/h, Verbrauch 7–9 Liter pro 100 km, Tankinhalt 26 Liter, Länge 3,50 m, Duroplast-Karosserieschale, Preis: je nach Ausstattung 8.000–10.000 Mark; Jahresproduktion 1980: ca. 115.000) hergestellt. Motorräder werden in verschiedenen Größen und Ausführungen von den beiden Werken VEB Motorradwerk Zschopau in Zschopau/Sachsen („MZ“) und VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson in Suhl/Thüringen („Simson“) produziert.
Eine geplante Kooperation zwischen den Skoda-Werken in der ČSSR und dem VEB Automobilwerk Eisenach kam nicht zustande. Beabsichtigt war, auf der Grundlage des Skoda-Motors und eines DDR-Getriebes ein Gemeinschaftsprodukt zu entwickeln und zu bauen, das nur noch in der Gestaltung der Karosserie nationale Eigenheiten bewahren sollte. 1975 ist dieser Plan aber aufgegeben worden, weil die DDR erklärte, bis 1980 seien ihre Investitionsmittel durch Großprojekte derart in Anspruch genommen, daß an Modernisierung und Ausbau der Automobilfertigung nicht zu denken sei. Die Spezialisierung und Produktionsaufteilung, die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) bei vielen Produktgruppen geplant oder schon verwirklicht ist, hat die Pkw-Produktion bisher kaum berührt. Nahezu jeder RGW-Staat stellt eigene Pkw her. Die DDR hat in den letzten 15 Jahren weniger Pkw ein- als ausgeführt. Im Fünfjahrplan-Zeitraum 1966–1970 betrug der Exportüberschuß rd. 43.000 Stück. Im Fünfjahrplan-Zeitraum 1971–1975 waren es noch 15.000, 1976–1980 rd. 32.000. (1981–1982 betrug der Exportüberschuß aufgrund drastisch gesunkener Einfuhren über 86.000 Pkw.) Die DDR lieferte bisher einen großen Teil ihrer Eigenproduktion in das östliche Ausland. Die Exportquote betrug in den 5 Jahren 1966–1970 fast 40 v.H. der Produktion (gemessen an der Stückzahl), im folgenden Jahrzehnt gut 50 v.H. (Exportquote 1982: 46,4 v.H.).
1982 waren in der DDR 2,922 Mill. Pkw zugelassen, d.h. auf 5,7 Einwohner ein Fahrzeug (BRD 2,5 Einwohner). Gegenüber 1970 beträgt die Zunahme 152 v.H. Auf 100 Haushalte entfielen 1982 40 Pkw (1970 erst 15,6). Damit hat die DDR innerhalb des RGW den mit Abstand höchsten Motorisierungsgrad erreicht. Beträchtliche Nachteile bestehen nach wie vor in der sortiments- und termingerechten Bereitstellung mit Kraftfahrzeug-Ersatzteilen, wenn auch in den letzten [S. 747]Jahren die Produktion von Ersatzteilen — allerdings zum Teil zu Lasten der Finalproduktion — stark erhöht werden konnte.
Aufgrund einer Absprache mit den übrigen Ländern des RGW werden in der DDR im Lastkraftwagenbau nur Wagen mit einer Nutzlast von maximal 5 t hergestellt. Die Lastwagenfertigung beginnt mit dem 1-Tonner-Frontlenker B-1000 (Zweitaktmotor, 42 PS) des VEB Barkas-Werke in Karl-Marx-Stadt. Den nächstgrößeren Lkw stellt der VEB Robur-Werke in Zittau/Sachsen her. Seit Anfang 1960 wird dieser 3-Tonner (gegenwärtig in 11 Grundvarianten mit 30 länderspezifischen Modifikationen) gebaut. Im VEB Kraftfahrzeugwerk Ernst Grube in Werdau/Sachsen wird ein größerer 4-Tonner gebaut. Im Juli 1965 wurde im VEB IFA-Automobilwerk Ludwigsfelde in Ludwigsfelde (Kreis Zossen) mit der Produktion des 5-Tonners W 50 L begonnen (Frontlenker, Vier-Zylinder-Diesel-Motor, 125 PS). Der W 50 wird gegenwärtig (1982) in 53 Grundvarianten und über 200 länderspezifischen Modifikationen gebaut. Im April 1984 wurde der 400.000. Lkw W 50 seit der Produktionsaufnahme fertiggestellt. Die Jahresproduktion beträgt knapp 30.000. Daneben ist noch ein Sonderfahrzeug aus dem VEB Fahrzeugwerk Waltershausen in Waltershausen/Thüringen zu erwähnen. Der Kleintransporter (2-t-Nutzmasse) „Multicar 25“ ist mit einem wassergekühlten 45-PS-Dieselmotor (Höchstgeschwindigkeit 45 km/h) ausgestattet, wird in 15 Varianten gebaut und kann z.B. als Leiterfahrzeug, Muldenkipper und zur Straßenreinigung eingesetzt werden. Dieser Kleintransporter wurde 1979 neu entwickelt und löste den Transporter der Typenreihe „Multicar 24“ ab.
In der DDR gibt es zwar nur wenige Lkw-Haupttypen, von denen jedoch zahlreiche Nebentypen (Fahrzeuge für die verschiedenen Verwendungszwecke mit unterschiedlichen Motoren, Radständen und Aufbauten) geliefert werden können. Schwere Zugmaschinen, Kipper und Lkw müssen importiert werden.
Der Omnibusbau konzentriert sich unter Verwendung von Bauteilen der Lkw-Typen auf kleine Modelle (Robur-Omnibusse). Schwere Omnibusse werden nach einer Absprache der Länder des RGW in der DDR nicht entwickelt und auch nicht gefertigt.
Der Traktorenbau ist ebenfalls schwach entwickelt. Bis September 1967 wurden nur Radschlepper mit etwa 20 PS gefertigt, die zum größten Teil exportiert wurden, da sie für die Großflächenbearbeitung in der DDR nicht geeignet waren. Seitdem werden auch Radtraktoren des Typs ZT 300 (90 PS) sowie ab 1982 des Typs ZT 303 im Schönebecker Traktorenwerk (4.000 Beschäftigte) hergestellt.
Seit dem 1. 1. 1978 wurde die Produktion von Kraftfahrzeugen in 4 neuen Kombinaten organisiert, die dem Bereich der Industrieverwaltung Fahrzeug- und Automobilbau (IFA) zugeordnet sind.
– Das IFA-Kombinat Personenkraftwagen, dem 13 Industriebetriebe angehören, darunter der VEB Automobilwerke Eisenach und der VEB Sachsenring, die Automobilwerke Zwickau, der VEB WTZ-Automobilbau (Wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit [WTZ]) und 10 Handelsbetriebe. Dem Kombinat gehören annähernd 50.000 Beschäftigte an.
– Das IFA-Kombinat Nutzkraftwagen (insgesamt 40.000 Beschäftigte) mit den Herstellerbetrieben Ludwigsfelde, Robur in Zittau, VEB Fahrzeugwerk Waltershausen und weiteren 14 Motoren-, Fahrzeugzubehör- und Handelsbetrieben.
– Das IFA-Kombinat „Ernst Grube“ Spezialaufbauten und Anhänger mit dem Stammbetrieb VEB Kraftfahrzeugwerk „Ernst Grube“, Werdau, und 9 weiteren Werken.
– Das IFA-Kombinat Zweiradfahrzeuge mit dem Stammbetrieb VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenwerk „Ernst Thälmann“, Suhl, und dem VEB Motorradwerk Zschopau, dem VEB Mifa-Werk Sangerhausen und VEB Blechformwerke Erzgebirge.
Die 4 neuen Kombinate sind dem Ministerium für Allgemeinen Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau direkt unterstellt. Mit der Neugründung der Kombinate wurden aufgelöst: die VVB Automobilbau, die Hauptdirektion IFA-Vertrieb und das Kombinat VEB Barkas-Werke. Die bisherigen Betriebsteile des VEB IFA-Karosserie Dresden in Halle, Aschersleben, Meerane und Erfurt wurden selbständige Betriebe. Der VEB Dieselmotorenwerk Schönebeck wurde in den VEB Kombinat Forst- und Landmaschinen Neustadt/Saale eingegliedert.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 746–747
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