DDR von A-Z, Band 1985

Kredit (1985)

 

 

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Grundsätzlich wird auch im sozialistischen Wirtschaftssystem die befristete und in der Regel mit dem Zins verbundene Überlassung von Kaufkraft als K. bezeichnet. Allerdings tritt er legal nur in Form des Bank-K. auf und erfüllt auf der Grundlage der materiellen Planung — wie auch die übrigen Instrumente des Finanzsystems — subsidiäre Funktionen der Verteilung und Umverteilung von Geldmitteln, Stimulierung von ökonomischen Verhaltensweisen der Wirtschaftssubjekte und Kontrolle des Ablaufs der Wirtschaftsprozesse. „Aktive K.-Politik“ und die im Programm der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) (1976) hervorgehobene wachsende Rolle der Geld- und K.-Politik sind somit keine Alternative, sondern integrale Bestandteile der staatlichen Wirtschaftslenkung und zielen auf eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Effizienz ab. Im Mittelpunkt der K.-Planung steht die von der Staatsbank erarbeitete und vom Ministerrat zu bestätigende Bilanz des K.-Systems. Sie erfaßt neben den K.-Quellen die Bestände, Veränderungen und Struktur der K. nach folgenden Hauptpositionen:

  1. K. an die Wirtschaft zur Investitions- und Umlaufmittelfinanzierung;
  2. K. an das Wohnungswesen und den Bau staatlicher Einrichtungen;
  3. K. an die Bevölkerung;
  4. K. für Auslandsbeziehungen, z.B. Investitionsbeteiligungen und zur Finanzierung von Exportgeschäften der Außenhandelsbetriebe (in Mark);
  5. Refinanzierungskredite der Staatsbank (GBl., SDr., Nr. 1020 n, S. 68).

 

Die K.-VO vom 28. 1. 1982 (GBl. I, S. 126) regelt die Grundsätze, Zwecke und Vertragsgestaltung der K.-Beziehungen. Dem Prinzip der Planmäßigkeit entsprechend basiert die K.-Gewährung auf den beschlossenen Volkswirtschaftsplänen einschließlich der Teilpläne für Investitionen, Grundmittel und Umlaufmittel sowie der K.-Bilanzen. Darüber hinaus gilt als allgemeine Voraussetzung, daß die Betriebe ihre Pläne und Wirtschaftsverträge erfüllen, eine bedarfsgerechte Produktion und ständige Zahlungsfähigkeit garantieren und die aufgenommenen K. mit höchstem Nutzeffekt einsetzen. Die Vorbereitung, Durchsetzung und Kontrolle dieser optimalen K.-Politik obliegt den Instituten des Bankwesens.

 

Nach dem Einsatzbereich lassen sich folgende K.-Arten unterscheiden:

 

1. Investitions-K. mit einer Laufzeit von in der Regel bis zu 5 Jahren;

 

2. Umlaufmittel-K. zur Finanzierung der Materialvorräte, Bestände an unfertigen Erzeugnissen und der Forschung;

 

3. Zusatz-K. zur Vorfinanzierung zusätzlicher Projekte und Überwindung von Liquiditätsschwierigkeiten;

 

4. Konsumtions-K. für die Bevölkerung;

 

5. Devisen-K. für planmäßige Importe und Zusatzimporte.

 

Investitionskredite, Umlaufmittelkredite, Zusatzkredite: Die Einzelheiten regeln K.-Verträge zwischen den Betrieben und den zuständigen Geschäftsbanken, die über die allgemeinen K.-Voraussetzungen hinaus Zweck, Höhe, Termine der Inanspruchnahme, Laufzeit und Tilgungsfristen sowie den Zinssatz enthalten. Letzterer beträgt als Grundzinssatz 5 v.H. p. a. Zur Stimulierung ökonomischer Verhaltensweisen kann er durch differenzierte Zu- und Abschläge als Vorzugszinssatz (1,8 v.H.), Zinssatz für Zusatz-K. (8 v.H.) oder Sanktionszinssatz (12 v.H.) bei Verstößen gegen die Bestimmungen des K.-Vertrages festgelegt sein. Die besondere Rolle der Banken tritt nicht nur in der von der gewählten Finanzierungsform unabhängigen Bankkontrolle als Teil der Finanzkontrolle und Finanzrevision hervor, wo sie u.a. die Sperrung von Importen veranlassen können. Darüber hinaus haben sie das Recht, in die betriebliche Finanzplanung einzugreifen, K.-Anträge abzulehnen und K.-Zusagen zurückzuziehen sowie vom Generaldirektor des zuständigen Kombinats eine Garantieerklärung zu verlangen. Schließlich können sie bei Vorliegen einer K.-Vertragsverletzung die Betriebe von der K.-Gewährung ausschließen und ausgereichte K. ganz oder teilweise zurückfordern.

 

Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des K. war in den einzelnen Phasen der Wirtschaftspolitik unterschiedlich. Gegenwärtig beläuft sich der K.-Anteil an der Umlaufmittelfinanzierung auf über 50 v.H. und schwankt in der Industrie (Durchschnitt 51 v.H.) zwischen 55 v.H. (Leichtindustrie) und 49 v.H. (Erzbergbau, Metallurgie und Kali). Von den Investitionen werden in der Industrie 40 v.H. und in der Landwirtschaft 25 v.H. kreditiert. Wesentlich höher liegt der K.-Anteil mit 90 v.H. der staatlichen und 85 v.H. (Arbeiterwohnungsbaugenossenschaften [AWG]) bzw. 75 v.H. (Gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaften) der genossenschaftlichen Baukosten. Dieser K. (Zins: 4 v.H.; Tilgung: 1 v.H.) wird nach dem Annuitätenprinzip in 41 gleichbleibenden Jahresraten an die Staatsbank zurückgezahlt.

 

Konsumtionskredite: Die Bevölkerung kann unter bestimmten Voraussetzungen folgende wohnungs-, verbrauchs- und bevölkerungspolitisch motivierte K.-Arten in Anspruch nehmen:

 

a) Die Sparkassen und Filialen der Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN) kreditieren den Eigenheimbau oder den Kauf sowie die Modernisierung oder Instandsetzung privater Häuser nach der Eigenheim-VO vom 31. 8. 1978 (GBl. I, S. 425). K.-Höhe und K.-Verzinsung richten sich nach den zurechnungsfähigen Kosten (sog. Aufwandsnormativ) und der sozialen Stellung des K.-Nehmers. So erhalten Arbeiter, Angestellte, Angehörige der bewaffneten Organe, Genossenschaftsmitglieder und kinderreiche Familien finanzielle Vergünstigungen. Im Neu[S. 751]bau beträgt das nach der Anzahl der Familienmitglieder gestaffelte Aufwandsnormativ zwischen 65.000 Mark (bis zu 4 Personen) und 80.000 Mark (über 6 Personen). Davon können 60 v.H. bzw. bei Fertigteilhäusern 70 v.H. durch einen zinslosen K. und der restliche Finanzbedarf abzüglich der eingebrachten Eigenleistungen durch einen verzinslichen (4 v.H.) K. finanziert werden. Um die Bürger zu einer möglichst hohen Eigenleistung anzuregen, erhalten sie nach Fertigstellung des Eigenheimes 10 v.H. dieses Betrages als staatlichen Tilgungszuschuß zur Rückzahlung des verzinslichen K. Des weiteren braucht dieser Personenkreis kein Nutzungsentgelt für die zur Verfügung gestellten Baugrundstücke, keine Grundsteuer und keine Baugebühren zu zahlen. Arbeitnehmer, die sich verpflichten, noch für mindestens 15 Jahre in ihrem Betrieb tätig zu sein, erhalten einen einmaligen Zuschuß in Höhe von 10.000 Mark. Errichten junge Eheleute ein Eigenheim, so werden ihnen 5.000 Mark des verzinslichen K. zinslos gewährt. — Erhalten andere als die oben genannten Personen eine Baugenehmigung, z.B. wenn sie für kinderreiche Familien eine größere Wohnung freimachen, so können diese bis zu 75 v.H. der Baukosten sowie die Baulandkosten durch einen verzinslichen K. finanzieren. Diese Regelung gilt allgemein auch für den Kauf von Eigenheimen. Bei Modernisierung und Instandsetzung können bis zu 90 v.H. der normierten Kosten kreditiert werden, wobei sich der Tilgungs- und Zinssatz (nicht-bevorzugte Bürger: 4,5 v.H.) auf jeweils 1 v.H. beläuft.

 

b) Teilzahlungskredite zum Kauf bestimmter Güter, die in einem vom Ministerium für Handel und Versorgung herausgegebenen Warenverzeichnis enthalten sind. Sie dienen vornehmlich zur Belebung der Nachfrage für Erzeugnisse, bei denen Marktsättigungstendenzen erkennbar sind (z.B. Fernsehgeräte). In der Regel sind K.-Laufzeit mit 2 Jahren, K.-Höhe mit 2.000 Mark und die K.-Zinsen mit 6 v.H. fixiert. Die Eigenmittelbeteiligung liegt differenziert nach Warenart und K.-Nehmern (Erleichterungen für kinderreiche Familien, Rentner und Fürsorgeempfänger) zwischen 0 und 25 v.H. des Einzelhandelsverkaufspreises (GBl. II, 1964, S. 610).

 

Für Familien mit 4 und 5 Kindern ermäßigt sich der Zinssatz auf 3 v.H., Familien mit 6 und mehr Kindern erhalten zinslose Teilzahlungs-K., die für diese Personenkreise eine Laufzeit von bis zu 5 Jahren haben.

 

c) Zinsermäßigte Darlehen bis zu 4.000 Mark für in die DDR zuziehende Personen (GBl. II, 1966, S. 676).

 

d) Familiengründungskredit an Arbeiter, Angestellte und Genossenschaftsmitglieder, die sich im Alter bis zu 26 Jahren verheiraten. Diesen jungen Ehepaaren, auf die 1980 fast zwei Drittel aller Eheschließungen entfielen, erhalten einen zweckgebundenen und bis zur Höhe von 5.000 Mark zinslosen K. für den Erwerb von Anteilen der Wohnungsbaugenossenschaften oder den Kauf, Bau oder Umbau eines Eigenheimes mit einer Laufzeit von 8 Jahren, wobei die Tilgung spätestens nach 3 Jahren einsetzt. Die bisher geltende Einkommensbegrenzung (1400 Mark monatlich) und die Bedingung einer Erst-Ehe sind seit dem 1. 9. 1981 weggefallen. Zur Beschaffung von Einrichtungsgegenständen auf der Grundlage einer Liste „kreditwürdiger“ Erzeugnisse kann ein gleich hoher K. aufgenommen werden, der ebenfalls innerhalb von 8 Jahren zu tilgen ist. Während dieses Zeitraumes werden bei der Geburt des ersten Kindes 1000 Mark, des zweiten Kindes 1500 Mark und des dritten Kindes weitere 2.500 Mark erlassen bzw. zurückerstattet. Dieser K.-Erlaß gilt nunmehr auch für vor der Ehe geborene und an Kindes Statt angenommene Kinder. Ist bei der Geburt die noch vorhandene Restschuld geringer als der entsprechende Nachlaß, erhalten die Ehepaare eine Rückzahlung in Höhe des Differenzbetrages. Seit Einführung dieser Familiengründungs-K. im Mai 1972 wurden bis zum Dezember 1982 856.288 K.-Verträge mit einem Volumen von 5 Mrd. Mark abgeschlossen. Für ca. 1 Mill. bzw. 45 v.H. der in dieser Zeit geborenen Kinder traten K.-Erlasse in Höhe von 1,2 Mrd. Mark in Kraft. 30.000 Ehepaaren bzw. weniger als 4 v.H. der K.-Nehmer wurde die K.-Summe von 5.000 Mark erlassen, weil sie 3 oder mehr Kinder haben.

 

Devisenkredite. Im Rahmen der internationalen Finanzbeziehung gewährt und empfängt die DDR K. Hervorgehoben seien die Waren-K. im Rahmen des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) (Internationale Investitionsbank [IIB]). So wurden als Investitionsbeteiligungen in den Jahren 1966–1980 über 12 Mrd. Mark zur Sicherung vorrangig der Rohstoffversorgung aus der Sowjetunion bereitgestellt. Im Rahmen von Außenwirtschaft und Außenhandel mit den westlichen Industrieländern tritt die DDR vor allem als K.-Schuldner auf. Über diese bei westlichen Banken, Lieferanten und Regierungen aufgenommenen K. in konvertiblen Währungen publiziert die DDR keine Angaben (Rechnungsführung und Statistik). Die vorliegenden Schätzungen kommen aufgrund unterschiedlicher Abgrenzungen, Methoden, Quellen sowie auch Zielen zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen. So beziffert das 1983 von 200 Internationalen Banken in 39 Ländern zur Analyse der Weltverschuldung gegründete Institute of International Finance (Washington) die Bruttoschulden der DDR auf 14 Mrd. US-Dollar (Handelsblatt, Nr. 82 vom 26. 4. 1984, S. B 21). Regelmäßig berichtet die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel über die Entwicklung der internationalen Bank-K. Danach beliefen sich zum Jahresende 1983 die Verbindlichkeiten — allerdings ohne die innerdeutschen K.-Beziehungen — auf 7,8 Mrd. US-Dollar (1981: 10,1 Mrd. US-Dollar), denen Forderungen der DDR an die der BIZ berichtenden Banken in Höhe von 3,2 Mrd. US-Dollar (1981: 2,1 Mrd. US-Dollar) gegenüberstanden (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich [BIZ]: Das Internationale Bankgeschäft. Viertes Quartal 1983, Basel [19. 4.] 1984, Table 5).

 

Unabhängige davon lassen sich für die West-K. der DDR folgende Entwicklungstendenzen verallgemeinern: Einmal wird sich die in den 70er Jahren erfolgte drastische K.-Aufnahme auf absehbare Zeit nicht wie[S. 752]derholen. So hat die internationale K.-Würdigkeit der DDR unter den Zahlungsproblemen Polens und Rumäniens gelitten, was sich in höheren Zinssätzen sowie sinkendem Bonitätsindex des Banken-Magazins „Institutional Investor“ (New York) niedergeschlagen hat. Zum zweiten weist das Jahr 1981 in allen Analysen das bisher höchste K.-Volumen aus, wobei eine K.-Obergrenze von ca. 15 Mrd. US-Dollar — was bei dem damaligen Wechselkurs ca. 33 Mrd. DM entsprach — an Brutto- und ca. 12,5 Mrd. US-Dollar (ca. 28 Mrd. DM) an Nettoverbindlichkeiten nicht überschritten wurde. Drittens schließlich hat die DDR — auch unter dem Anpassungsdruck der westlichen Banken — seither ihre Westverschuldung durch eine wohl einmalige Exportoffensive zu Lasten des privaten Verbrauchs abgebaut. Mit Ausnahme des K. in Höhe von 1 Mrd. DM von westdeutschen Banken im Jahre 1983 hat die DDR nach Angaben der Europäischen Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen seit dem zweiten Halbjahr 1982 (1979: 0,7 Mrd. US-Dollar; 1980: 0,4 Mrd. US-Dollar; 1981: 0,5 Mrd. US-Dollar; 1982: 0,1 Mrd. US-Dollar) keine neuen mittel- und langfristigen Bank-K. mehr aufgenommen (United Nations [ed]: Trade. Economic Bulletin for Europe. Vol. 35, Geneva 1983, p. 2.31).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 750–752


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.