
Leipziger Messe (1985)
Siehe auch:
[S. 825]Die LM. ist mit ihrer über 800jährigen Tradition (Gründung um 1165) die älteste Messe der Welt. Sie gehört heute nach der Zahl der Aussteller und Größe der Ausstellungsfläche zu den bedeutendsten internationalen Messen. Sie findet jährlich zweimal, im Frühjahr und im Herbst, statt. Schwerpunkte sind dabei zur Frühjahrsmesse: die Branchen Werkzeugmaschinen, Elektrotechnik, Elektronik, Informationstechnik und wissenschaftlicher Gerätebau, Metallurgie, Schwermaschinen- und Anlagenbau sowie Land- und Nahrungsgütertechnik. Zur Herbstmesse stehen im Vordergrund: Chemie und Chemieanlagen, Textilmaschinen, Straßenfahrzeuge, Freizeitgestaltung und Sportartikel sowie Unterrichtsmittel, Ausstattungen und Möbel für Bildungseinrichtungen. Auf beiden LM. werden in den Konsumgüterbranchen Textilien und Bekleidung, Nahrungs- und Genußmittel, Glas und Keramik sowie Leichtchemie und — zur Frühjahrsmesse — Bücher besonders gefördert. An der Veränderung der Ausstellungsfläche und der wachsenden Zahl der Aussteller läßt sich die Entwicklung der LM. erkennen.
Die 1970 zu beobachtende Verringerung der Ausstellungsfläche und die Abnahme der Ausstellerzahlen ab 1969/70 haben ihren Grund vor allem in der seit 1969 vorgenommenen schwerpunktmäßigen Aufteilung der Hauptbranchen auf Frühjahrs- und Herbstmessen mit einer Verschiebung zugunsten der Herbstmesse.
Von östlicher Seite wird die Bedeutung der LM. für die „Förderung des wissenschaftlich-technischen Leistungsvergleiches“ sowie für den „völkerverbindenden Handel“, insbesondere den Ost-West-Handel (Außenwirtschaft und Außenhandel), hervorgehoben. Seit 1963 werden die besten technischen Erzeugnisse und Konsumgüter mit Goldmedaillen und Diplomen ausgezeichnet. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die tatsächliche wirtschaftliche Bedeutung der LM. kaum an den gemeldeten Abschlußzahlen abgelesen werden kann, da es sich vielfach nicht um echte Messeabschlüsse handelt. Bereits ausgehandelte Verträge werden oft nur im Rahmen der Messe unterzeichnet. Die mit den sozialistischen Ländern getätigten Umsätze sind in der Regel ohnehin planmäßig gebunden. Zusätzliche echte Abschlüsse außerhalb der Planung lassen sich nicht abgrenzen, da nicht zu überprüfen ist, inwieweit die DDR die erforderlichen Reserven für zusätzliche Leistungen freimachen kann.
In der Zeit unmittelbar nach dem II. Weltkrieg lag die Bedeutung der LM. nicht allein auf wirtschaftlichem, sondern eher auf politischem Gebiet. Der Partei- und Staatsführung der DDR ging es darum, ihrer Bevölkerung und den Besuchern die Erfolge sozialistischen Wirtschaftens vor Augen zu führen. Vor allem aber sah die SED-Führung die LM. ähnlich wie die regelmäßig von der DDR besuchten westlichen Messen und Ausstellungen (s. u.) als geeignete Plattform zur Propagierung ihrer außen- und deutschlandpolitischen Zielvorstellungen an.
Mit Beginn der vor allem von der Bundesrepublik Deutschland betriebenen Entspannungspolitik Anfang der 70er Jahre, besonders jedoch nach Abschluß des Grundlagenvertrages und dem Einsetzen der „Anerkennungswelle“, nahm der politische Charakter der LM. ab. An seine Stelle trat eine eher von wirtschaftlich-pragmatischen Gesichtspunkten geprägte Atmosphäre. So wurde z.B. die Leipziger Herbstmesse 1973 als unpolitische Veranstaltung bezeichnet, nicht zuletzt, weil auf ihrer Eröffnungsfeier erstmals Parteiprominenz fehlte. Die Messediskussion steht mit zunehmendem Westhandel der DDR im Zeichen der damit verbundenen wirtschaftlichen Probleme, so vor allem der Finanzierung des Handelsbilanzdefizits über Kompensationen, der Kreditierung und Intensivierung der noch ungenügend entwickelten Kooperationsaktivitäten der DDR.
[S. 826]Andererseits ist die weitgehende Ignorierung der Bundesrepublik Deutschland, die der größte westliche Aussteller ist, in der Messeberichterstattung beibehalten worden, obwohl auch hier Auflockerungstendenzen spürbar sind. Trotz der tendenziell abnehmenden Beteiligung von Ausstellern aus der Bundesrepublik — zur Frühjahrsmesse 1982 kamen rd. 780 Aussteller gegenüber nahezu 1000 Ausstellern im Jahre 1970 — wird regelmäßig die starke Beteiligung von Firmen aus der Bundesrepublik Deutschland unter Nennung einiger repräsentativer Firmennamen angesprochen.
Einer Versachlichung der Messeatmosphäre dient die Maßnahme der Messeleitung, bestimmte Angebotsbereiche aus den Nationenständen herauszunehmen und sie Fachgruppen, für die eigene Serviceeinrichtungen geschaffen wurden, zuzuordnen.
Die folgenden Fachgruppen wurden bisher gebildet: Glasmaschinen, textile Flächenbildung, konfektionierte Oberkleidung, Sondermaschinen (innerhalb des Werkzeugmaschinenbaues), Verpackungsmaschinen.
Jedoch nicht nur im organisatorischen, sondern auch im Bereich des Handels sind Wandlungen eingetreten. Waren ursprünglich die Aussteller vor allem aus kapitalistischen Ländern auf den Markt der DDR orientiert, ist seit 1973 zu beobachten, daß die Messen zunehmend als Drehscheibe des Ost-West-Handels fungieren.
Die organisatorische Leitung liegt in den Händen des LM.-Amtes. Es hat für die Konzipierung, Vorbereitung und Durchführung der LM. zu sorgen. Leitungsmäßig ist es an die Weisungen der Kammer für Außenhandel (KfA) bzw. des Ministeriums für Außenhandel (MAH) gebunden. Hauptaufgaben des Amtes: Gesamtgestaltung der LM.; Anwerbung und Auswahl der Aussteller; Werbung von Einkäufern; Organisation der Dienstleistungen für Aussteller und Besucher; Organisation des wissenschaftlich-technischen Programms; Herausgabe von Publikationen („Leipziger Messe-Journal“, „Wer liefert was?“, „MM-Informationen“) und Presseinformationen. Das Amt mit Sitz in Leipzig unterhält Zweigstellen in Berlin (Ost) und im Ausland.
Die Messeaktivitäten der DDR beschränken sich nicht nur auf die LM. Eine weitere wichtige internationale Messe ist z.B. die „Internationale Leipziger Rauchwarenauktion“.
Besonders seit Mitte der 60er Jahre zeigt die DDR im Zuge ihrer verstärkten Westhandelsorientierung auch ein wachsendes Interesse an Messe- und Ausstellungsbeteiligungen in westlichen Industrieländern. Wurden 1963 lediglich 24 Messen und Fachausstellungen — davon 8 Kollektivbeteiligungen von Außenhandelsbetrieben und 16 Einzelbeteiligungen — in westlichen Industriestaaten besucht, waren es 1964 schon 56 Beteiligungen (11 Kollektiv-, 45 Einzelbeteiligungen der AHB). Im Jahr 1980 wurden 111 Gesamtbeteiligungen gezählt. Im Jahr 1963 wurden noch 7.170 qm, 1980 22.100 qm Fläche in Anspruch genommen. Regionale Schwerpunkte der Messe- und Ausstellungsaktivitäten der DDR in den westlichen Industrieländern sind die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande und Österreich. Diese Länder zählen gleichzeitig zu den größten westlichen Handelspartnern der DDR.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 825–826
Leichtindustrie | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Leistungsfonds |