DDR von A-Z, Band 1985

Nationaler Verteidigungsrat der DDR (NVR) (1985)

 

 

Siehe auch:


 

Durch Gesetz vom 10. 2. 1960 (GBl. I, S. 89) errichtete die Volkskammer den NVR. Dieses Gesetz trat nach Verabschiedung des neuen Verteidigungsgesetzes vom 13. 10. 1978 (GBl. I, S. 377), das jetzt auch die Aufgaben und Pflichten des NVR regelt, außer Kraft. Der NVR beschließt über die „allgemeine oder teilweise Mobilmachung“, und zwar bereits, wenn eine „bedrohliche Lage“ dies erfordert. Im Falle des inneren oder äußeren Notstandes erhält er alle legislativen und exekutiven Vollmachten. Nach Art. 73 der Verfassung der DDR (unverändert i. d. F. vom 7. 10. 1974) organisiert der Staatsrat „die Landesverteidigung mit Hilfe“ des NVR. Weitere Aufgaben können dem NVR „die Volkskammer oder ihr Präsidium übertragen“. Sein Vorsitzender, im Verteidigungsfall Oberbefehlshaber aller Bewaffneten Kräfte der DDR, wird von der Volkskammer (Art. 50, unverändert i. d. F. vom 7. 10. 1974) gewählt, seine („mindestens“ 12) Mitglieder aber werden seit dessen Konstituierung (12. 9. 1960) vom Staatsrat (Art. 73, Absatz 2) berufen. Ihm (wie der Volkskammer) gegenüber sind sie auch für ihre Tätig[S. 938]keit verantwortlich. Die Namen der Mitglieder des NVR wurden bisher nicht bekanntgegeben.

 

Vorsitzender des NVR war seit seiner Gründung bis Juni 1971 der Vorsitzende des Staatsrates, W. Ulbricht, Sekretär war E. Honecker. Am 24. 6. 1971 wurde, nach Ablösung Ulbrichts, der Erste Sekretär (seit 1976 Generalsekretär) des Zentralkomitees (ZK) der SED, E. Honecker, zum Vorsitzenden gewählt und 1976 und 1981 in diesem Amt bestätigt. Honecker, seit Ende 1976 auch Vorsitzender des Staatsrats der DDR, hat damit drei der wichtigsten Funktionen im Herrschaftsapparat der DDR inne. Sekretär des NVR ist (seit 1972) der stellvertretende Verteidigungsminister und Chef des Hauptstabes der Nationalen Volksarmee (NVA), Generaloberst Streletz (SED). Zu den Mitgliedern des NVR dürften ferner u.a. der Vorsitzende des Ministerrates, W. Stoph, die Minister für Auswärtige Angelegenheiten, des Inneren, für Nationale Verteidigung und für Staatssicherheit, Fischer, Dickel, Hoffmann und Mielke, der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, Schürer, die ZK-Sekretäre für Sicherheits- und Wirtschaftspolitik, Verner und Mittag, sowie möglicherweise die Chefs der Truppengattungen der NVA gehören.

 

Dem NVR unterstehen eine zentrale Einsatzleitung sowie die operativen Einsatzleitungen auf Bezirks- und Kreisebene, deren Vorsitzende stets die 1. Sekretäre der SED-Bezirks- bzw. Kreisleitungen sind. Zur Durchführung seiner Aufgaben kann der NVR Rechtsvorschriften in der Form von Anordnungen und Beschlüssen erlassen, die von „Gesetzen oder anderen Rechtsvorschriften“ abweichen dürfen. Im Notstandsfall ist er damit oberstes Entscheidungsgremium und vereinigt in sich alle exekutiven und legislativen Befugnisse. Militärpolitik; Notstandsgesetzgebung.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 937–938


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.