DDR von A-Z, Band 1985

Neokolonialismus (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Sammelbegriff in Presse und Fachliteratur der DDR für eine Vielzahl komplexer Methoden „imperialistischer“ Politik, mit der die „kapitalistischen Staaten“ durch indirekten und direkten Druck („ökonomische Infiltration“) und „sozialstrategische Steuerung“ politischen Einfluß auf Staaten der Dritten Welt zu gewinnen bzw. rückzugewinnen suchen. Grundzug versuchter und praktizierter Einflußnahme des N. sei der Antikommunismus. Demzufolge richte er sich in erster Linie gegen Entwicklungsländer mit „sozialistischer Orientierung“ bzw. gegen die Ausweitung des revolutionären Kampfes in einzelnen Ländern und damit gegen das sich „ständig vertiefende Bündnis des Weltsozialismus mit den nationalen Befreiungsbewegungen“.

 

Neben den kapitalistischen Staaten — Hauptkraft sei der „US-Imperialismus“ — werden auch die Weltbank, die EG, die Interamerikanische und Asiatische Entwicklungsbank sowie die internationalen Konzerne des N. in seiner gegenwärtig charakteristischen Form, des kollektiven Kolonialismus, beschuldigt. Auch die Assoziierungsabkommen von AKP-Staaten (Länder Afrikas, der Karibik und des pazifischen Raums) mit der EG dienen nach Auffassung der SED den Zielen des N. Im Kampf gegen den N. sei die sozialistische Staatengemeinschaft der natürliche Verbündete der „national befreiten Staaten“, denen auch von der DDR bei jeder Gelegenheit solidarische, d.h. uneigennützige Hilfe auf politischem, wirtschaftlichem, militärischem, technischem und kulturellem Gebiet versprochen wird. Der Vorwurf westlicher Staaten, aber ebenso zahlreicher Entwicklungsländer, es gebe auch einen sozialistisch drapierten N., wird von der DDR entschieden zurückgewiesen. Die von einer Mehrzahl der nichtpaktgebundenen Entwicklungsländer erhobene Forderung nach Schaffung einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung wird zwar von der DDR verbal, z.B. in der UNO und auf den Welthandelskonferenzen, energisch unterstützt, jedoch in erster Linie als gegen den Imperialismus gerichtet interpretiert. Sie ist z.B. für den Entwicklungsländerhandel der DDR bisher ohne Konsequenzen geblieben, der nach wie vor streng bilateral abgewickelt wird und sich am „gegenseitigen Nutzen“ orientieren soll. Außenpolitik, V.; Entwicklungshilfe.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 941


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.