
Neue Medien (1985)
In der DDR wird neben dem Begriff der NM. auch der Begriff „neue Kommunikationstechniken“ verwandt, wobei hierunter ebenso wie in der Bundesrepublik Deutschland der Satellitenrundfunk, die Kabelverteileinrichtungen und Teleschriftformen (Teletext, Bildschirmtext und Videotext) verstanden werden.
Der Aufbau einer neuen Medieninfrastruktur in der Bundesrepublik Deutschland und in Berlin (West) tangiert auf verschiedenen Gebieten die Zielsetzungen und Aufgabenstellungen der Medienpolitik der SED, da damit eine erhebliche Verbreitung der Empfangs- und Informationsmöglichkeiten verbunden sein kann.
An NM. sind in der DDR vornehmlich Satellitenrundfunk (Hörfunk und Fernsehen) und Kabelverteileinrichtungen von Relevanz. Abgesehen von einzelnen Entwicklungsarbeiten (gemeinsam mit anderen RGW-Staaten) sind jedoch bisher konkrete Schritte zur Einführung NM. in der DDR nicht erkennbar. Lediglich die Weiterentwicklung der Technik bei Gemeinschaftsantennenanlagen und Großgemeinschaftsantennenanlagen (im klassischen Sinne keine NM.) und die damit verbundene Verkabelung großer Wohngebiete (überwiegend Neubaugebiete) wird von der DDR seit 1971 intensiv betrieben. Im einzelnen stellt sich der Entwicklungsstand bei den NM. in der DDR wie folgt dar:
Satellitenrundfunk. Rundfunksatelliten dienen der Direktabstrahlung von Signalen, die mit speziellen Empfangsanlagen (Parabolantennen) empfangbar sind. Auf der Funkverwaltungskonferenz der Internationalen Fernmeldeunion im Februar 1977 in Genf wurde Einigkeit (auch mit der DDR und den osteuropäischen Staaten) über die Verteilung der Frequenzen für den Satelliten-Direktempfang erzielt. In der Regel verfügt dabei jeder Staat nach dem derzeitigen internationalen Frequenzplan über 5 Satellitenkanäle. In einem Kanal können entweder ein Fernsehprogramm oder mehrere Hörfunkprogramme übertragen werden. Die Frequenzaufteilung ist 1979 in Kraft getreten und hat 15 Jahre Gültigkeit.
Durch Zulieferungen für die Raumfahrtprogramme der UdSSR verfügt die DDR zwar über gewisse Erfahrungen in der Satellitentechnik, ist aber im Bereich Forschung und Entwicklung des Rundfunksatelliten-Direktempfangs unmittelbar auf die Technologieentwicklung der UdSSR angewiesen, die ihr Territorium bereits durch entsprechende geostationäre Satelliten (Typ EKRAN und HORIZONT) versorgt. Da die UdSSR für ihre Satelliten bereits über die notwendigen Parabolantennen verfügt, könnten auch in der DDR und den übrigen RGW-Staaten diese Einrichtungen zum Einsatz kommen.
Obwohl in Fachkreisen der DDR die Vorteile einer möglichen Satellitenversorgung diskutiert werden (nach DDR-Schätzungen belaufen sich die Kosten eines Satelliten-Fernsehkanals auf 15–20 Mill. Mark, während das bisherige terrestrische Sendenetz ein fünf- bis sechsfaches dieser Kosten verursacht), ist ihre Einführung derzeit nicht erkennbar und nur im Zusammenhang mit einer weitestgehenden Verkabelung/Anbindung an Großgemeinschaftsantennen-Anlagen denkbar.
Großgemeinschaftsantennen-/Kabelrundfunkanlagen. Kabelverteilnetze werden in örtlich begrenzten Bereichen genutzt, um Hörfunk- und Fernsehprogramme — auch von ortsüblich nicht empfangbaren Programmen — über eine Zentralempfangseinrichtung an die Haushalte weiterzugeben. Sofern die technischen Voraussetzungen gegeben sind, ist auch die direkte Verteilung lokal produzierter Programme in diesen Netzen möglich. Die Technik für Koaxialkabelverteilnetze (Kupferkabel) steht in der DDR zur Verfügung. Sie ermöglicht (technisch) die Verteilung einer Vielzahl auch von ortsüblich normalerweise nicht zu empfangenden Hörfunk- und Fernsehprogrammen. Damit kann auch die Zu- oder Abschaltung von Programmen (ganz oder in Teilen) gesteuert werden, und die SED politische Wirkungen dieser elektronischen Massenkommunikation zu verhindern versuchen.
Derzeit sind über 2 Mill. Haushalte in der DDR (knapp 40 v.H.) über Gemeinschaftsantennen bzw. Großgemeinschaftsantennen-Anlagen mit Kabelanschluß versorgt. Bis 1990 sollen es im Zusammenhang mit den Wohnungsbauprogrammen etwa 60 v.H. sein. Großgemeinschaftsantennen-Anlagen gibt es u.a. in Berlin-Marzahn, Leipzig-Grünau, Halle-Neustadt, Neubrandenburg, Eisenhüttenstadt und Rostock-Lütten Klein. Die DDR verfügt über alle technischen Voraussetzungen für den Aufbau von Kabelrundfunk. Zum Teil sind bereits einige Großgemeinschaftsantennen-Anlagen hierfür ausgelegt (z.B. Neubrandenburg und Schwedt). Die Kapazität reicht jedoch für eine umfassende und zügige Einführung eines eigenen Kabelrundfunks mit zusätzlichen eigenen Programmen nicht aus.
Während Planungen in der UdSSR bereits die Vollverkabelung Moskaus mittels Glasfaser bis 1990 vorsehen, ist die Anwendung des Glasfaserkabels in der DDR erst in der Erprobungsphase. Die DDR ist aber bemüht, Versorgungslücken zu schließen und die in zahlreichen [S. 944]Gebieten (insbesondere durch Hochhäuser in den Neubaugebieten) verursachten sog. Abschattungen und die hiermit verbundenen Probleme beim Empfang von Sendungen zu mindern. Seit einiger Zeit ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß dort, wo westdeutsches Fernsehen in der DDR empfangen werden kann, es auch über die Großgemeinschaftsantennen-Anlagen an die einzelnen Haushalte verteilt wird. Empfangseinrichtungen für die Allgemeinheit in den Gebieten, in denen ein Empfang des westdeutschen Fernsehens bisher nicht möglich war, sind dagegen nicht vorgesehen. Es wurde aber seit 1979 beobachtet, daß Dorfgemeinschaften oder Ortsteile Gemeinschaftsantennenanlagen in Privatinitiative unter Einsatz von Verstärkern für den besseren Empfang u.a. des westdeutschen Fernsehens aufgebaut haben.
Die Ausstattung für Gemeinschaftsantennen-Anlagen wird entwickelt und gefertigt in: VEB Antennenwerk Bad Blankenburg (Antennen), VEB Kabelwerk Oberspree (Kabeleinrichtungen) und VEB Fernsehgerätewerk Straßfurt (Verstärker).
Bildschirmtext/Videotext. Beim Bildschirmtext wird das Fernsprechnetz zur Informationsübermittlung genutzt, wobei das Fernsehempfangsgerät zur Darstellung der Informationen mittels eines vom Fernsprechnetz geschalteten Modems dient.
Videotext ist eine Fernsehkommunikationsform, bei der in den Leerzeilen des Fernsehbildsignals (Austastlücke) Textinformationen übertragen und mit Hilfe eines in den Fernseher eingebauten Zusatzgerätes (Decoder) auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden. Bildschirmtext, aber auch Videotext werden als Individualkommunikationsmittel in der DDR auf lange Sicht nicht eingeführt werden. Entwicklungsarbeiten für Bildschirmtext in der DDR — aber auch in den übrigen RGW-Staaten — sind bisher nicht bekanntgeworden.
Die Einführung eines eigenen Videotextangebots für zusätzliche bzw. aktuelle Informationen erscheint aus ökonomischen Gründen sehr fraglich. Die von Ungarn innerhalb des RGW durchgeführten Erprobungen haben einen außerordentlich geringen Umfang und lassen die Einführung von Videotext (u.a. verbunden mit einer eigenen Serienproduktion z.B. der notwendigen Decoder) kaum erwarten.
Videorecorder (Pal- und Secam-verwendbar) sind in der DDR als westliche Produktionen in den Intershops erhältlich; auch ausgewählte Personen und Institutionen verfügen über Videorecorder. Ihre weite Verbreitung in naher Zukunft ist aus politischen und ökonomischen Gründen unwahrscheinlich.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 943–944