
Parteischulung der SED (1985)
Siehe auch:
Die P. ist eines der wichtigsten Mittel zur ideologischen Beeinflussung der Mitglieder und zur politisch-ideologischen Aus- und Weiterbildung der Kader (Kaderpolitik).
Das Schulungssystem der SED ist in folgende Stufen gegliedert:
- Parteilehrjahr als Instrument der Massenqualifizierung der Parteimitglieder;
- Kreis- und Betriebsschulen des Marxismus-Leninismus;
- Bezirksparteischulen;
- Sonderschulen der Bezirksleitungen;
- Parteischule „Karl Liebknecht“;
- Sonderschulen des ZK.
1. Geschichte. Bereits im Sommer 1945 richtete die KPD in der sowjetischen Besatzungszone „Schulungsabende“ für ihre Mitglieder ein und baute besondere Internatsschulen auf Landesebene für die Parteikader auf. Nach Gründung der SED wurden die Schulungsabende fortgeführt und 1950 durch das Parteilehrjahr ersetzt. Durch Beschluß des Parteivorstandes der SED vom 14. 5. 1946 wurden neben den von der KPD übernommenen Landesschulen Kreisparteischulen und die Parteihochschule „Karl Marx“ eingerichtet. 1952 wurde das Institut für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED gegründet, das vor allem Dozenten für die Parteischulen und das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium an den Hoch- und Fachschulen ausbildete. 1953 sind dann zusätzlich „Zentralschulen“ eingerichtet worden, an denen leitende Kader des Parteiapparates eine politisch-fachliche Ausbildung erhielten.
2. Funktion der Parteischulung. Die Funktion der P. ist in ihrer gegenwärtig gültigen Fassung in zwei Beschlüssen des Sekretariats des ZK der SED vom März und April 1968 festgelegt worden:
- Im Rahmen eines umfassenden Weiterbildungssystems (Einheitliches sozialistisches Bildungssystem, XII.) wurde die eindeutig politische Aufgabenstellung der P. bestätigt; ihre Bildungsmaßnahmen wurden aber verstärkt mit denen anderer Institutionen koordiniert;
- im Gegensatz zu anderen Weiterbildungsbereichen wurden in der P. keine strukturellen Veränderungen vorgenommen;
- die Schulungsinhalte sollten verändert und den Anforderungen entsprechend gestaltet werden, welche die „wissenschaftliche Führungstätigkeit“ an die Partei stellt. Von diesen Veränderungen blieb die fachliche Weiterbildung der Parteikader unberührt, da diese nach 1963 aus dem Schulungssystem der SED herausgenommen worden war.
Der politische Stellenwert der P. wurde durch diese Maßnahmen nicht tangiert. Nach wie vor ist der Besuch von Parteischulen neben der fachlichen und berufsbezogenen Weiterbildung unabdingbare Voraussetzung dafür, leitende Positionen im Staats- und Wirtschaftsapparat oder anderen gesellschaftlichen Bereichen zu erlan[S. 969]gen. Daher nehmen nicht nur Mitarbeiter des Parteiapparates, sondern auch Kader aus dem Staats- und Wirtschaftsapparat, den Massenorganisationen, dem Wissenschafts- und Kultursektor u.a. in ihrer Funktion als Parteimitglieder an den Kursen und Lehrgängen der Parteischulen teil.
In Hinblick auf die fachliche und berufsbezogene Qualifizierung wurde besonders nach 1963 der Versuch unternommen, die leitenden Parteikader dazu zu bewegen, ein Hoch- oder Fachschulstudium zu absolvieren oder sich auf andere Weise fachlich zu qualifizieren. (Zum Zeitpunkt des VIII. Parteitages der SED [1971] verfügten z.B. 95,3 v.H. der Mitglieder der Sekretariate der Kreisleitungen und 80 v.H. der Parteisekretäre in Großbetrieben über einen Hoch- oder Fachschulabschluß. Bis zum IX. Parteitag [1976] erhöhten sich diese Zahlen auf nahezu 100 v.H. bzw. 94 v.H.) Auf dem X. Parteitag (1981) wurde im Bericht des ZK der Anteil der Hoch- und Fachschulabsolventen bei den Mitgliedern und Kandidaten der SED mit 34,1 v.H., der der Parteisekretäre mit 64,5 v.H. angegeben. Erkennbare Unterschiede im Qualifikationsniveau der Kader bestehen zwischen Großindustrie und Staatsapparat und anderen gesellschaftlichen Bereichen, insbesondere der Landwirtschaft.
Im Bericht der Zentralen Revisionskommission wurde Kritik an der z. T. ungenügenden Delegierung der Kader zu Lehrgängen der Parteischulen geübt.
3. Das Parteilehrjahr. Grundlage des Parteilehrjahres ist der in seinen Grundstrukturen noch gültige Beschluß des Politbüros der SED vom 8. 6. 1976: „Aufgaben und Gestaltung des Parteilehrjahres in den Jahren 1976–1981“ (Neuer Weg, Nr. 12, 1976, Beilage). Wichtigste Neuerung dieses Beschlusses ist die Neueinstufung der Teilnehmer „entsprechend ihrer Qualifikation, ihren Interessen und den Aufgaben der Grundorganisationen“. Für Kandidaten und Mitglieder, „die erst beginnen, sich mit dem Marxismus-Leninismus zu beschäftigen“, werden „Zirkel“ (1. für die Kandidaten; 2. für Mitglieder) zum „Studium der Grundlagen des Marxismus-Leninismus“, für die übrigen Mitglieder „Seminare“ eingerichtet. Seminarthemen sind: Studium von Grundproblemen des revolutionären Weltprozesses; zur Theorie und Politik der weiteren Gestaltung der „entwickelten sozialistischen Gesellschaft“ in der DDR; zum Studium von Grundproblemen der Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR und der sozialistischen ökonomischen Integration; zum Studium der Geschichte der KPdSU; zum Studium der Geschichte der SED.
Ferner finden im Rahmen des Parteilehrjahres Vorträge und Seminare für leitende Kader statt, die an den Parteischulen durchgeführt und von führenden Politikern der SED geleitet werden.
Dieses Rahmenprogramm wird durch jährliche Themenpläne konkretisiert, die vom Sekretariat des Zentralkomitees (ZK) der SED verabschiedet werden. Arbeitsmaterial sind im parteieigenen Dietz-Verlag erscheinende Studieneinführungen zu den Themenschwerpunkten des Parteilehrjahrs. Von 1976 bis 1980 nahmen etwa 1,5 Mill. Parteimitglieder und Kandidaten sowie ca. 200.000 Parteilose am Parteilehrjahr teil.
4. Parteischulen. Bei allen Kreisleitungen der SED bestehen Kreisschulen des Marxismus-Leninismus, in Großbetrieben mit Grundorganisationen, im Staatsapparat und in den Massenorganisationen Betriebsschulen. Letztere wurden in größerem Umfang 1967/68 eingerichtet. Beide führen in erster Linie Lehrgänge zur „marxistisch-leninistischen Grundausbildung“ auf allgemeinverständlichem Niveau durch. Arbeitsgrundlage sind vom ZK der SED herausgegebene Themenprogramme und inhaltliche Materialien. Die Lehrgangsteilnehmer — vorwiegend Sekretäre und Leitungsmitglieder der Grundorganisationen, Parteigruppenorganisatoren, Nachwuchskader für die Funktion des Parteigruppenorganisators und Mitglieder der FDJ — werden während des Studiums nur teilweise (bei ganztägigen Seminaren) von ihrer Arbeit befreit. In der Regel dauern die Lehrgänge ein Jahr, vielfach ist wöchentlich ein ganzer Tag für Lehrveranstaltungen vorgesehen. Die Schulen arbeiten häufig mit ehrenamtlichen Lektoren und Seminarleitern, die vorwiegend aus anderen Bildungseinrichtungen kommen. Ein praxisbezogener Schwerpunkt der Lehre sind Probleme der Parteiarbeit in den Grundorganisationen und ein entsprechender Erfahrungsaustausch der Teilnehmer.
Den Kreisschulen ist außerdem die Durchführung offizieller Qualifizierungslehrgänge für Nomenklaturkader (Kader; Nomenklatur) der Kreisleitungen — vor allem Parteisekretäre, Mitglieder und Mitarbeiter der Kreisleitungen und Kader aus den staatlichen Organen und Massenorganisationen — übertragen, deren vorrangiges Ziel es ist, mit jeweils aktuellen Beschlüssen der Partei und Problemen der „wissenschaftlichen Führungstätigkeit“ vertraut zu machen.
Wichtigste Aufgabe der Bezirksparteischulen ist die Durchführung von einjährigen Internatslehrgängen für Nomenklaturkader der Bezirks- und Kreisleitungen der SED, darüber hinaus aber auch für höhere Funktionäre der FDJ. Da insbesondere leitende Kader selten in der Lage sind, ein Jahr aus ihrer Tätigkeit auszuscheiden, wird zunehmend die Möglichkeit geboten, das Pensum des Einjahrlehrgangs im Rahmen eines 2jährigen Fernunterrichts zu absolvieren. Ferner werden seit 1967 externe Klassen für weibliche Leitungskader eingerichtet.
Themenschwerpunkte sind neben den auf allen Ebenen der P. behandelten — wenn auch auf unterschiedlichem Niveau — gleichen politisch-ideologischen Themen Fragen der Staats- und Rechtsordnung, der Sozialistischen ➝Demokratie und der „wissenschaftlichen Führungstätigkeit“ der Partei.
Zeitlich weniger umfangreiche Lehrgänge werden an den bei den meisten Bezirksleitungen außerdem eingerichteten Sonderschulen durchgeführt. (Der erfolgreiche Abschluß eines 3monatigen Lehrgangs an einer Sonderschule ist in der Regel auch die Voraussetzung für den Besuch der Bezirksparteischule.) Sie wurden vor allem für Mitglieder der Bezirks- und Kreisleitungen eingerichtet, „die entsprechend ihrer Funktion noch [S. 970]nicht über die erforderlichen marxistisch-leninistischen Kenntnisse verfügen“, ferner für Parteisekretäre großer Grundorganisationen, für Leitungsmitglieder aus Parteiorganisationen im Staatsapparat, aus den Massenorganisationen und dem Bereich der Volksbildung sowie für leitende Funktionäre der FDJ. Die Sonderschulen führen darüber hinaus Kurzlehrgänge (3–4 Wochen) und einwöchige Kurzlehrgänge zu aktuellen Fragen durch. Letztere dienen vor allem der „Auswertung“ von Parteitagen und ZK-Tagungen und der Erläuterung der „Parteilinie“ (Linie). An den Lehrgängen der Kreis- und Bezirksschulen sowie der Parteischule „Karl Liebknecht“ beim ZK der SED (der Parteischule des zentralen Parteiapparates) nahmen von 1976 bis 1980 500.195 Kader teil.
Die Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED (PHS) führt ein 3jähriges Diplomstudium für Gesellschaftswissenschaften, einjährige Lehrgänge zur Weiterbildung leitender Parteikader und Vorträge in unregelmäßigen Abständen durch. Sie besitzt Promotions- und Habilitationsrecht und ist von daher den Universitäten und Hochschulen gleichgestellt.
Die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED (AfG), höchste Bildungseinrichtung der Partei, führt die Bildungsmaßnahmen der Parteihochschule fort und hat vor allem Forschungsaufgaben. Das Studium findet in Form einer wissenschaftlichen Aspirantur (Universitäten und Hochschulen, V. F. 2.) statt und endet nach 4 Jahren mit der Promotion. Von 1976 bis 1980 studierten dort 3.376 Kader.
Schließlich sind dem ZK der SED 3 Sonderschulen zugeordnet, die — anders als die entsprechenden Einrichtungen der Bezirksleitungen — mit der Weiterbildung eines speziellen Personenkreises betraut sind. Gegenwärtig bestehen:
- die Sonderschule für die Ausbildung hauptamtlicher Parteikader in Brandenburg;
- die Sonderschule für die marxistisch-leninistische Weiterbildung von Lehrern der Bezirksparteischulen der SED und Dozenten des gesellschaftswissenschaftlichen Grundstudiums an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen in Klein-Machnow;
- die Sonderschule für die Ausbildung von Kulturkadern in Woltersdorf.
Die Sonderschule des ZK in Brandenburg führt laufend kurzfristige Lehrgänge durch, an denen leitende Kader des zentralen und regionalen Parteiapparates und Parteikader der Wirtschaft, des Staatsapparates, der Massenorganisationen, wichtiger Bildungsinstitutionen und der Massenmedien teilnehmen.
Die 1973 erfolgte Gründung der Sonderschule des ZK in Klein-Machnow (in den früheren Räumlichkeiten der Parteihochschule) verweist darauf, daß sowohl die Qualität des gesellschaftswissenschaftlichen Grundlagenstudiums an den Universitäten, Hoch- und Fachschulen als auch das Niveau der Lehrveranstaltungen an den Bezirksparteischulen von der SED als ungenügend angesehen wird. Ihr wurde das Recht verliehen, die akademischen Grade „Diplom-Philosoph“ und „Diplom-Ökonom“ zu verleihen, was im wesentlichen der „Akademisierung“ des Lehrpersonals an den Bezirksparteischulen dienen dürfte.
Neben den erwähnten Weiterbildungseinrichtungen bestehen noch Institute des ZK zur Weiterbildung von Parteikadern für die sozialistische Landwirtschaft in Schwerin, Pillnitz und Liebenwalde. In diesem Zusammenhang sei schließlich noch die Parteihochschule beim ZK der KPdSU erwähnt, da der Besuch eines mehrjährigen Lehrgangs an dieser Hochschule nach wie vor Voraussetzung dafür ist, Spitzenfunktionen in Partei, im Wirtschafts- und Staatsapparat zu erlangen.
Seit einigen Jahren nutzt die SED unter dem Aspekt der fachlichen Weiterbildung ihres Führungspersonals zunehmend auch außerparteiliche Bildungsinstitutionen. Sie ist vor allem bestrebt, Leitungsfunktionen des Parteiapparates in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen oder der Landwirtschaft mit qualifizierten Fachleuten zu besetzen. Die Weiterbildung dieser Kader erfolgt zum Beispiel am Zentralinstitut für Sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZSW), an den Industrieinstituten oder in Sonderklassen an den Hoch- und Fachschulen, die für langjährige Parteiarbeiter eingerichtet wurden mit dem Ziel, diesen Personenkreis in einem 2jährigen Studium zu Diplom-Ingenieuren, Diplom-Ökonomen oder staatlich geprüften Landwirten auszubilden.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 968–970
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