DDR von A-Z, Band 1985

Potsdamer Abkommen (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1953 1954 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Vereinbarung, die die Hauptsiegermächte des II. Weltkrieges, die USA, UdSSR und [S. 1031]Großbritannien am Schluß ihrer vom 17. 7. bis 2. 8. 1945 dauernden Konferenz in Potsdam bei Berlin geschlossen haben. Die drei Mächte fixierten darin u.a. „die politischen und wirtschaftlichen Grundsätze der gleichgeschalteten Politik der Verbündeten in bezug auf das besiegte Deutschland für die Zeit der alliierten Kontrolle“ (§ III, 1). Frankreich ist, entgegen sowjetischen Behauptungen (Prawda vom 25. 4. 1953) dem PA. nicht beigetreten, hat aber davon offiziell „Kenntnis genommen“ und einige „den französischen Interessen günstige Bedingungen“ akzeptiert. Es stimmte dabei allerdings u.a. folgendem nicht zu: der Wiederherstellung zentraler deutscher Verwaltungen oder gar einer deutschen Zentralregierung, einer Gebietsregelung ohne „gemeinsame Prüfung durch alle interessierten Mächte“ und der Bildung gesamtdeutscher Parteien.

 

Über Deutschlands politische Zukunft nach seiner Entnazifizierung und Entmilitarisierung sah das PA. vor, daß ein künftiger Friedensvertrag mit Deutschland „durch die für diesen Zweck geeignete Regierung Deutschlands angenommen werden kann, nachdem eine solche Regierung gebildet sein wird“ (§ II, 3).

 

Die Erklärung, daß es um Deutschland „innerhalb seiner Grenzen … am 31. 12. 1937“ gehe, die die Vier Mächte am 5. 6. 1945 bei ihrer Feststellung über die Besatzungszonen in Deutschland abgaben, wird im PA. weder erwähnt noch aufgehoben. Dagegen enthält das PA. Bestimmungen über die provisorische Behandlung der Gebiete östlich von Oder und westlicher Neiße, die bis auf weiteres, d.h. bis zum Abschluß eines Friedensvertrages mit Deutschland, unter polnische Verwaltung gestellt wurden. Ferner wird im PA. noch einmal bekräftigt, was bereits in den rechtlich höherrangigen Kontrollabkommen von 1944 festgelegt worden war: Bis zum Friedensvertrag „wird die höchste Regierungsgewalt in Deutschland durch die Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken und der Französischen Republik nach den Weisungen ihrer entsprechenden Regierungen ausgeübt, und zwar von jedem in seiner Besatzungszone, sowie gemeinsam in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Kontrollrates in den Deutschland als Ganzes betreffenden Fragen (Kontrollrat). Soweit dieses praktisch durchführbar ist, muß die Behandlung der deutschen Bevölkerung in ganz Deutschland gleich sein“ (§ III, A, 1, 2).

 

Weiter wird bestimmt: „Die endgültige Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage und eine eventuell friedliche Mitarbeit Deutschlands am internationalen Leben sind vorzubereiten“ (§ III, A, 3, IV).

 

Über die Schaffung einer rechtsstaatlichen und parlamentarischen Demokratie heißt es: »Das Gerichtswesen wird entsprechend den Grundsätzen der Demokratie und der Gerechtigkeit auf der Grundlage der Gesetzlichkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied der Rasse, der Nationalität und der Religion reorganisiert werden.

 

Die Verwaltung Deutschlands muß in Richtung auf eine Dezentralisation der politischen Struktur und der Entwicklung einer örtlichen Selbstverantwortung durchgeführt werden. Zu diesem Zweck (wird bestimmt): I. Die lokale Selbstverwaltung wird in ganz Deutschland nach demokratischen Grundsätzen, und zwar durch Wahlausschüsse (Räte), so schnell, wie es mit der Wahrung der militärischen Sicherheit und den Zielen der militärischen Besatzung vereinbar ist, wiederhergestellt. — II. In ganz Deutschland sind alle demokratischen politischen Parteien zu erlauben und zu fördern mit der Einräumung des Rechts, Versammlungen einzuberufen und öffentliche Diskussionen durchzuführen« (§§ III, A, 8, 9, I, II).

 

Die Vorbereitung einer künftigen Zentralregierung wird vorgesehen: „Bis auf weiteres wird keine zentrale deutsche Regierung errichtet werden. Jedoch werden einige wichtige zentrale deutsche Verwaltungsabteilungen errichtet werden, an deren Spitze Staatssekretäre stehen, und zwar auf den Gebieten des Finanzwesens, des Außenhandels und der Industrie. Diese Abteilungen werden unter der Leitung des Kontrollrates tätig sein“ (§ III, A, 9, IV).

 

Die Demokratisierung ganz Deutschlands wird näher umschrieben: „Unter Berücksichtigung der Notwendigkeit zur Erhaltung der militärischen Sicherheit wird die Freiheit der Rede, der Presse und der Religion gewährt. Die religiösen Einrichtungen sollen respektiert werden. Die Schaffung Freier Gewerkschaften wird … gestattet werden“ (§ III, A, 10).

 

Laut § III, A, 12–14 soll das deutsche Wirtschaftsleben dezentralisiert werden, dabei „ist das Hauptgewicht auf die Entwicklung der Landwirtschaft und der Friedensindustrie für den inneren Bedarf (Verbrauch) zu legen. Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen.“

 

In der Einschätzung des PA. bestehen zwischen DDR und Bundesrepublik Deutschland nach wie vor erhebliche Differenzen. Im in der Bundesrepublik vorherrschenden Verständnis handelt es sich um Vereinbarungen zwischen den Siegermächten, die einen deutschen Souverän nicht binden können, da Deutschland nicht Normadressat war, zumal selbst zwischen den Alliierten von Anfang an aufgrund politischer Gegensätze keine Übereinstimmung in der Interpretation zentraler Begriffe und Bestimmungen bestanden habe. Dieser Tatbestand habe wesentlich zur unterschiedlichen Entwicklung in den Besatzungszonen (Besatzungspolitik) und schließlich zur von der UdSSR verursachten Spaltung Deutschlands geführt.

 

Für die SED handelt es sich um ein sowohl die Unterzeichner als auch die „Nachfolgestaaten des 1945 untergegangenen Deutschen Reichs, die DDR und die Bundesrepublik“, und, nach Art. 107 der UN-Charta, auch alle Mitgliedstaaten der UNO bindendes, völkerrechtlich unverändert geltendes Abkommen.

 

Die „Grundsätze des PA.“ seien jedoch nur in der DDR verwirklicht worden, auf deren Gebiet der deutsche „Militarismus und Nazismus ausgerottet“ worden sei. In den westlichen Besatzungszonen habe dagegen die [S. 1032]„deutsche Reaktion die Macht der Imperialisten und Militaristen restauriert“. Die Spaltung Deutschlands sei auf „diese Kräfte“ zurückzuführen, die im Interesse ihrer Klassenherrschaft den „westdeutschen Separatstaat“ geschaffen und damit das PA. gebrochen hätten. Mit dem Hinweis auf die angebliche Verwirklichung des PA. in der DDR hat die SED zunächst auch alle Wiedergutmachungsansprüche von Staaten (z.B. Israels), Organisationen, Wirtschaftsunternehmen und Einzelpersonen kategorisch zurückgewiesen (Wiedergutmachung). Erst nach der Anerkennungswelle von 1972/73 hat sie in wenigen Fällen (USA, Schweiz) eine gewisse Gesprächsbereitschaft erkennen lassen, ohne daß bisher konkrete Vereinbarungen über Entschädigungsleistungen erreicht wurden. Oder-Neiße-Grenze.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1030–1032


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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