DDR von A-Z, Band 1985

Sozialistische Wirtschaftsführung (1985)

 

 

Siehe auch:

  • Sozialistische Wirtschaftsführung: 1969 1975 1979
  • Wirtschaftsführung, sozialistische: 1969

 

1. Bezeichnung für das praktische Führen und Leiten gesamt- und einzelwirtschaftlicher Abläufe.

 

2. Teildisziplin der Wirtschaftswissenschaften. Sie behandelt als Lehre die „zweckmäßigste Art und Weise“ der Leitung der Volkswirtschaft, der Kombinate und Betriebe. Der Gegenstand dieser spezifischen Sozialistischen ➝Leitungswissenschaft ist der Gesamtbereich wirtschaftlichen Handelns: die Organisation des volkswirtschaftlichen Leitungssystems, Leitungsaufgaben wie Prognose, Planung und Kontrolle, die Finanzierung und das Wirtschaftsrecht als Leitungsinstrumente, die Rolle des Leiters, Methoden der Personalführung und die Entscheidungsfällung mittels moderner Verfahren. Die Lehre soll auf Erkenntnissen des Marxismus-Leninismus, der Kybernetik und Mathematik, der Soziologie und Empirischen Sozialforschung und der Rechtswissenschaft aufbauen. Ziel der SW. ist es, die Produktions- und Leitungsprozesse der Gesamtwirtschaft wie der einzelnen Wirtschaftsbereiche, Betriebe und Genossenschaften mit höchster Effizienz zu steuern und zu lenken. Erforderlich wurden Einführung und Entfaltung der SW., als aufgrund der bis dahin praktizierten unzureichenden Leitungsformen und -kenntnisse das Neue Ökonomische System (NÖS) die Verbesserung der Ausbildung der Wirtschaftsleiter und die Änderung der Lehrprogramme und Lehrmethoden zu wirtschaftspolitischen Zielen erklärte. In seminaristischen Veranstaltungen sollen die Erfahrungen der Wirtschaftspraktiker systematisch erörtert und ggf. als allgemeine Lösung ausgearbeitet werden. Andererseits dienen die Lehrgänge dazu, neue wirtschaftspolitische Maßnahmen und wirtschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse zu erläutern und ihre Anwendung durch das Leitungspersonal vorzubereiten. Da das Leitungssystem und der Organisationsaufbau der Wirtschaft wie auch die Planungsordnung durch die Partei- und Staatsführung häufiger einschneidend verändert werden (Wirtschaft), verschieben sich entsprechend oft die aktuellen Anforderungen an die SW. Die für die 80er Jahre aufgegebene Strategie, Wachstum durch die intensivere Nutzung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts sowie einer höheren Effizienz der Produktions- und Arbeitsweise zu sichern, führte in Verbindung mit der Umwandlung nahezu aller VVB in Kombinate (1978–1981) dahin, sich während der letzten Jahre auf die Probleme der internen Struktur der Kombinate und ihrer Zusammenarbeit mit den vorgeordneten Ministerien und Ämtern zu konzentrieren (Intensivierung und Rationalisierung).

 

 

Inzwischen wird SW. an mehreren Universitäten, Technischen Hochschulen, außeruniversitären Instituten für [S. 1191]sozialistische Wirtschaftsführung, die Ministerien direkt unterstellt wurden, sowie an Akademien der Industriezweige und Betriebe gelehrt (vgl. obiges Schema). Als zentrales Organ wurde Ende 1965 das Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung beim ZK der SED (ZSW) gegründet. Zusammen mit dem Arbeitskreis „Sozialistische Wirtschaftsführung“ gibt das Zentralinstitut eine „Schriftenreihe zur sozialistischen Wirtschaftsführung“ heraus; ferner ist der zentrale Wissenschaftliche Rat für Fragen der Leitung in der Wirtschaft dem ZSW zugeordnet (Wissenschaftlicher Rat für wirtschaftswissenschaftliche Forschung bei der AdW). Neben dem Zentralinstitut widmen sich die übrigen Institute und Akademien den Lehraufgaben und Forschungszielen der SW. Im Mittelpunkt der Arbeit aller Einrichtungen stehen die Aus- und Weiterbildung des Führungs- und Leitungspersonals der Wirtschaft. Während Spitzenkräfte im Zentralinstitut ausgebildet werden, erfassen die universitären Institute und Sektionen und die Ausbildungsstätten der Ministerien vor allem Abteilungsleiter der staatlichen Verwaltung, Direktoren der Betriebe und Banken sowie Wirtschaftssekretäre der Kreisleitungen der SED (Personal der Nomenklaturgruppen II und III). Dabei konzentriert sich jedes Institut auf die Aus- und Weiterbildung von Personal möglichst begrenzter Wirtschaftsbereiche oder Industriezweige. So sind etwa die Institute für SW. der Handelshochschule Leipzig und der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List“, Dresden, für die Weiterbildung im Handels- bzw. Verkehrsbereich, das Institut für SW. der Technischen Hochschule für Chemie „Carl Schorlemma“, Leuna-Merseburg, für die Zweige der chemischen Industrie zuständig. Die untere Ebene des Aus- und Weiterbildungssystems setzt sich aus den Akademien der Industriezweige, Kombinate und Betriebe sowie den Betriebsschulen zusammen. Hier werden vor allem Direktoren von Betrieben und Kreisbauämtern, Abteilungsleiter von Betrieben und Räten [S. 1192]der Kreise, Meister sowie Sekretäre der betrieblichen Parteiorganisationen der SED aus- und weitergebildet (Personal der Nomenklaturgruppe III).

 

Mit der Etablierung und Entfaltung der SW. gelang es, das Ausbildungsniveau des Führungs- und Leitungspersonals anzuheben, indem die Aus- und Weiterbildung stärker auf wissenschaftliche Methoden und Erkenntnisse gegründet wurde. Mängel der SW. bestehen bei der Programmanpassung, der Zusammenarbeit der Institute mit den Wirtschaftsbetrieben und Verwaltungsstellen sowie bei der Schulung des Führungsnachwuchses. Hinderlich ist häufig auch die geringe Bereitschaft der Wirtschaftsleiter zur eigenen Weiterbildung. Parteischulung der SED.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1190–1192


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.