
Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland (1985)
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Nach Errichtung der Mauer in Berlin am 13. 8. 1961 wurden zunächst alle Anträge auf Ü. abgelehnt. Im 1. Halbjahr 1962 durften dann wieder einige hundert Personen, meist im Rentenalter, im Rahmen der Familienzusammenführung in die Bundesrepublik ausreisen. Seit dem 1. 7. 1962 sind die Zuwanderer, die mit Genehmigung der DDR-Behörden in die Bundesrepublik übergesiedelt sind, im Bundesnotaufnahmeverfahren besonders erfaßt worden:
Diese Statistik erfaßt jedoch nur die Übersiedler, die im Bundesgebiet die Notaufnahme beantragt haben. Es ist aber davon auszugehen, daß dies nicht alle Übersiedler getan haben. Die wirkliche Zahl derjenigen, die seit dem 1. 7. 1962 die DDR mit Genehmigung der dortigen Behörden verlassen haben, ist also höher. Sie übertrifft bei weitem die der Flüchtlinge.
Im Zusammenhang mit dem Grundlagenvertrag vom 21. 12. 1972 ist vereinbart worden, auch Probleme der Familienzusammenführung zu lösen, und zwar durch Zusammenführung von Ehegatten, den Umzug von Eltern, die von ihren Kindern betreut werden sollen oder umgekehrt und in besonderen Ausnahmefällen auch durch die Genehmigung zur Eheschließung und der Ausreise des in der DDR lebenden Verlobten.
Entsprechendes gilt für den Umzug von Großeltern zu ihren Kindern. Für diesen Bereich hat die DDR erst am 27. 9. 1983 eine VO zur Familienzusammenführung und der Eheschließung von DDR-Bürgern und Ausländern erlassen, mit der erstmals ein Antrags- und Einspruchsverfahren festgelegt wurde. Seit 1973 ist mit der Genehmigung der Ü. die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR verbunden.
Umzugsgut darf mitgenommen werden, soweit dies nach den zollrechtlichen Bestimmungen der DDR zulässig ist.
Die Zahl der Ausreisewilligen in der DDR ist jedoch weit höher, als dies in den o. a. Zahlen zum Ausdruck kommt. Insbesondere seit der Schlußakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1. 8. 1975, die auch von der DDR unterzeichnet worden ist, beantragen viele Bewohner der DDR unter Berufung auf die Menschenrechte die Ausreise aus der DDR. Um diesen meist erfolglosen Bemühungen Nachdruck zu verleihen, legen einige Ausreisewillige sogar ihre Arbeit nieder, demonstrieren öffentlich gegen die Verletzung der Menschenrechte oder wenden sich an westliche Organisationen. Die Behörden in der DDR reagieren darauf sehr oft mit Schikanen, Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung, Vernehmungen und seit 1976 in zahlreichen Fällen mit Verhaftungen und Verurteilungen wegen Asozialen Verhaltens, Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit, landesverräterischer Nachrichtenübermittlung, landesverräterischer Agententätigkeit oder staatsfeindlicher Hetze (Staatsverbrechen).
Anfang 1984 ist es zu einer neuen Ausreisewelle gekommen. Bis zum 30. 4. 1984 durften etwa 25.400 DDR-Bürger in die Bundesrepublik übersiedeln, vorwiegend solche Personen, die sich darum schon seit Jahren bemüht hatten. Seitdem ist die Zahl der Ausreisenden wieder erheblich zurückgegangen. Offenbar hat sich die mit der großzügigen Praxis verbundene Hoffnung der DDR, das Problem der Ü. dadurch zu bewältigen, nicht erfüllt. Die Ausreisewelle hat statt dessen weitere Bewohner der DDR ermutigt, nunmehr ebenfalls ihre Ü. zu beantragen.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1367
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