Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB) (1985)
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Massenorganisation der Genossenschaftsbauern und -gärtner und Trägerin der Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG), die ländliche Handels-, Produktions- und Dienstleistungseinrichtungen unterhalten. Der 1947 gegründete Verband war seit dem Ende der 60er Jahre politisch kaum noch hervorgetreten. Er wird seit 1982 reaktiviert.
I. Entwicklung und Funktion
Die VdgB entstand 1945/46 aus den (während der Bodenreform gegründeten örtlichen) Bauernkomitees und Ausschüssen der gegenseitigen Bauernhilfe. Sie waren von der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zur Unterstützung ihrer Bündnispolitik ins Leben gerufen worden. Diese lokalen Zusammenschlüsse wurden zunächst zu Kreis- und Ländervereinigungen zusammengefaßt. 1947 erfolgte ihr Zusammenschluß zur Zentralvereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (ZVdgB, später VdgB).
A. 1946--1952
Die Aufgabe der Bauernausschüsse bzw. der VdgB bestand zunächst in der Unterstützung der Neubauern, d.h. jenes Teils der selbständigen landwirtschaftlichen Produzenten, die durch die Bodenreform (Agrarpolitik, III. A.) zu Landbesitzern geworden waren. Dieser Personenkreis (er umfaßte nach einer DDR-Erhebung noch 1951 28,4 v.H. aller Bauern) sollte mit finanziellen und materiellen Betriebsmitteln ausgestattet und zur gegenseitigen Hilfe motiviert werden. Die VdgB bildete einen Hilfsfonds für schwache Landbetriebe und sammelte das technische Inventar der enteigneten Großbetriebe sowie neue Landtechnik in „Maschinenhöfen“, die ihre Geräte vorrangig an Neubauern und schlecht ausgerüstete Klein- und Mittelbetriebe ausliehen. Der Maschinen- und Gerätebestand dieser Einrichtungen (Ende 1947 existierten ca. 4.000) wurde 1949 staatlichen „Maschinen-Ausleihstationen“ (MAS) übergeben. Aus ihnen gingen 1953 die Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) hervor. Sie wurden von der SED als „Stützpunkte der Arbeiterklasse“ auf dem Lande definiert und unterstützten nachhaltig die 1952 beginnende Kollektivierung — ökonomisch und politisch, durch die bei ihnen bestehenden Grundorganisationen der SED.
Die Führung der VdgB hatte von ihrer Gründung an stets in den Händen von SED-Mitgliedern gelegen, die Gesamtorganisation aber entwickelte sich in den späten 40er Jahren zu einem politisch und sozial heterogenen Verband. In der Mitgliederschaft sank der Anteil der SED-Angehörigen sowohl relativ von 41,7 v.H. (1947) auf 29,4 v.H. (1950) als auch absolut von ca. 169.000 auf 165.000. Es wuchs dagegen der der „Altbauern“ (Selbständige schon vor der Bodenreform) von 36,1 v.H. auf 49,5 v.H.; 1949 kamen nur 38,3 v.H. der 1. Vorsitzenden der örtlichen VdgB-Ausschüsse aus der Gruppe der „Neubauern“.
Diese Entwicklung widersprach der seit 1948 (Beginn der mittelfristigen Wirtschaftsplanung) sich verändernden Agrarpolitik der SED. Wie in allen anderen Bereichen wurde seither auch auf dem Lande der sozialstrukturelle Wandel beschleunigt. Im Mittelpunkt stand die Förderung der „werktätigen Einzelbauern“ (Kleinbesitzer ohne fremde Arbeitskräfte) und der Kampf gegen die „Großbauern“ (zunächst Eigentümer von Betrieben mit mehr als 50, dann Bauern mit mehr als 20 ha LN und lohnabhängigen Arbeitskräften). Deren starke soziale und ökonomische Stellung in den Dörfern, in der Sicht [S. 1406]der SED: ihr Versuch, „die Neu- und Mittelbauern wirtschaftlich hörig zu machen“, sollte „von den werktätigen Bauern mit verschärftem Klassenkampf beantwortet werden …“ (Paul Merker, Der Klassenkampf im Dorfe, in: Einheit 11/1948, S. 1019 ff.). Hierbei mitzuwirken, wurde Aufgabe auch der VdgB, die — seit 1948 Körperschaft des öffentlichen Rechts — zunehmend staatlicher Kontrolle unterlag. Ihr politischer Beitrag beschränkte sich in der Folgezeit jedoch im wesentlichen (ebenso wie der der 1948 gebildeten Demokratischen Bauernpartei Deutschlands [DBD]) auf die propagandistische Unterstützung der staatlichen Maßnahmen gegen die Großbauern. Organisationsintern wurde der Einfluß der SED verstärkt, in der Publizistik die Rolle der VdgB als Interessenvertretung der „kleinen und mittleren“ Bauern definiert. Darüber hinaus nutzte die VdgB ihre seit 1946 gegebenen parlamentarischen Mitwirkungsmöglichkeiten zur Stärkung der SED-Position. Sie hatte 1946 an den Wahlen teilgenommen und in den Gemeinden 5,2 v.H., in den Kreisen 6,2 v.H. der Mandate sowie insgesamt 15 Sitze in den Regionalparlamenten der Länder und Provinzen (14 dieser Abgeordneten waren Mitglieder der SED) gewonnen. 1948 war sie Mitträgerin des Deutschen Volksrates (Deutscher Volkskongreß) geworden und konnte 1950 über die Einheitsliste 5 Abgeordnete in die erste Volkskammer der DDR entsenden. Dort war sie bis 1963 als kleinste Fraktion mit 12 Abgeordneten (darunter 2 aus Berlin [Ost]) vertreten.
Ihren wesentlichen organisatorischen Beitrag zur Durchsetzung der ordnungspolitischen Ziele der Partei- und Staatsführung leistete die VdgB in dieser Phase mit der Instrumentalisierung der landwirtschaftlichen (Raiffeisen-)Genossenschaften (L. G.) für die Agrarpolitik und ihrer Einbeziehung in die Planwirtschaft. Die im November 1945 von der SMAD gestattete Wiedergründung dieser traditionellen Kooperativen hatte zu einem raschen Anwachsen ihrer Aktivitäten und Mitgliederzahlen geführt. Im April 1946 arbeiteten im Gebiet der SBZ mehr als 6.000 (Kredit-, Molkerei-, Einkaufs-, Absatz-, Saatzucht- und Meliorations-)Genossenschaften (eGmbH) mit ca. 793.000 Mitgliedern. Sie waren in 5 Landesverbänden organisiert. Die Bildung eines zonalen „Zentralverbandes der landwirtschaftlichen Genossenschaften Deutschlands“ wurde erst gestattet, nachdem sichergestellt war, daß dieser Verband systemloyal arbeiten werde. Seine Gründung erfolgte im März 1949. Im Vorstand der neuen Organisation dominierten Mitglieder der SED. Der Widerstand von Funktionären der L. G. gegen die Zentralisierung und den Einbau der Genossenschaften in das staatliche Erfassungssystem führte wiederholt zu Amtsenthebungen und politischen Prozessen.
Im November 1950 wurden beide Organisationen nach einem gemeinsamen Beschluß des Hauptausschusses der VdgB und des Beirates des Zentralverbandes zur VdgB (BHG) zusammengeschlossen. Diese Doppelbezeichnung behielt die Organisation bis 1957 bei. Seitdem führt der Gesamtverband nur noch die Bezeichnung VdgB, während die BHG sich VdgB/Bäuerliche Handelsgenossenschaften bzw. VdgB/BHG nennen. Zum Vorsitzenden wurde Friedrich Wehmer (bis 1946 SPD, dann SED) gewählt, der das Amt bis zu seinem Tode (1964) ausübte.
Mit der De-facto-Übernahme der L. G. (Mitgliederstand 1950: ca. 970.000) durch die VdgB (Mitgliederstand 1950: ca. 540.000) wurde die Verstaatlichung des privaten ländlichen Dienstleistungssektors weitergeführt. Bereits 1948 waren die genossenschaftlichen Reparaturbetriebe enteignet und den VdgB-„Maschinenhöfen“ angeschlossen worden. 1949 verloren die BHG ihre Vermarktungs-Funktion an die staatliche „Vereinigung Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetriebe“ (VVEAB), die den Aufkauf von Agrarprodukten zentralisierte, 1951 büßten sie das Recht auf Beschaffung und Verkauf landwirtschaftlicher Produktionsmittel (Maschinen, Dünger usw.) ein. Diese Aufgabe übernahmen „Staatliche Kreiskontore für landwirtschaftlichen Bedarf“. Die BHG wurden nur noch als Zwischenhändler zwischen Kreiskontoren und privaten Bauern tätig. Seit 1950 mußten die ländlichen Kreditgenossenschaften auf Kreditvergaben verzichten. Zur gleichen Zeit wurde den BHG die Unterstützung ländlicher Sparinstitute gestattet, die regionalen Zentralkassen (Landesgenossenschaftsbanken) allerdings zur staatlichen Landwirtschaftsbank (jetzt Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft [BLN]) zusammengefaßt und den BHG die Abwicklung des ländlichen Spar- und Giroverkehrs übertragen.
Auch die Einrichtungen der Molkerei-Genossenschaften blieben nach der Überführung ihrer Träger in die VdgB bestehen. Sie verloren aber ihren genossenschaftlichen Charakter; neben sie traten staatliche und halbstaatliche Betriebe.
Die Meliorations-G. nahmen unter den alten Genossenschaften eine Sonderstellung ein. Großflächige Meliorationen setzen die Zusammenarbeit von Eigentümern voraus, eignen sich also als Organisationsformen des Übergangs zu Produktionsgenossenschaften. Gleichwohl wurden sie nach ihrer Eingliederung in die VdgB erst einmal aufgelöst. Die 1955 wiedergegründeten erhielten ein neues Statut, nach dem (neben VdgB-Mitgliedern) auch andere Personen und Einrichtungen die Mitgliedschaft erwerben konnten. Diese Meliorations-G. blieben auch nach Abschluß der Kollektivierung bestehen, wurden nun aber zu „Zwischengenossenschaftlichen Einrichtungen“ (ZGE) im Ensemble der Landwirtschaftlichen Betriebsformen. 1980 arbeiteten 161 Zusammenschlüsse dieser Art.[S. 1407]
B. 1952--1960
Die politischen Aufgaben der VdgB traten in der Kollektivierungsphase besonders deutlich hervor. Materiell unterstützte sie die Bildung der LPG durch die Übereignung ihres durch die Bodenreform entstandenen Vermögens (Maschinen, Werkstätten, Gebäude, Grundstücke), organisatorisch durch die Initiierung von LPG-Vorformen in Gestalt von Bestell-, Pflege-, Ernte- und Druschgemeinschaften. Bei den BHG (von den 1955 bestehenden 2.505 arbeiteten 1959 noch 1900, von den 1955 tätigen 628 genossenschaftlichen Molkereien noch 511) bildete die VdgB-Führung zusätzliche Gemeinschaftseinrichtungen. Sie sollten nach dem Musterstatut der BHG von 1957 dazu beitragen, „Bäuerinnen und Bauern an die gemeinschaftliche und genossenschaftliche Produktion heranzuführen“.
Politisch profilierte sich die Vereinigung in dieser Zeit zur Massenorganisation der „werktätigen Bauern“. Seit 1952 wurden Groß- und Mittelbauern (Eigentümer mit mehr als 20 ha LN) aus ihren Vorständen entfernt. Bereits 1952 kamen etwa 87 v.H. der Leitungsmitglieder aus der Gruppe der „werktätigen Bauern“. Mitglieder, die sich der Kollektivierung widersetzten, wurden zuweilen ausgeschlossen. Die von der VdgB seit 1947 veranstalteten „Deutschen Bauerntage“ (Bauernkongreß der DDR) warben in allen Phasen der Kollektivierung für die jeweilige Agrarpolitik und versuchten, die Gesamtorganisation auf deren Ziele festzulegen.
Das gelang allerdings nur bedingt. Obwohl der Anteil der Mitglieder mit Landbesitz von mehr als 20 ha schon 1955 bei nur 5,5 v.H. lag, die weit überwiegende Mehrzahl also aus der Klein- und Mittelbauernschaft kam, wuchs die Gruppe der Genossenschaftsbauern innerhalb der VdgB-Mitgliederschaft nur langsam an. Sie bildete 1955 einen 8,6 v.H.-Anteil und stellte Ende 1959 erst 26,2 v.H. der VdgB-Angehörigen. Als Avantgarde der Kollektivierung hatte sich die Vereinigung mithin nicht erwiesen. Dies zeigte sich auch in der Entwicklung der Mitgliederschaft insgesamt. Sie wuchs bis zum Jahre 1956 kontinuierlich an (Ende 1947: 488.000; Ende 1956: 641.000), ging aber seitdem bis in die jüngste Zeit ständig zurück (1964: 479.600).
Während der Kollektivierungs-Periode warb die Vereinigung für den Übergang von der „niederen“ (LPG Typ I) zur „höheren“ Form (LPG-Typen II und III) der genossenschaftlichen Produktion und propagierte den Sozialistischen Wettbewerb im Dorf. Zugleich unternahm sie Anstrengungen, die Arbeit der Dorfklubs und Dorfakademien (Kooperationsakademien) zu organisieren.
C. 1960--1982
Mit Beginn der Kooperationsphase (1960–1972) konzentrierte sich die Vereinigung darauf, die Weiterentwicklung der LPG und GPG zu fördern. Sie propagierte den Übergang zur vollgenossenschaftlichen Produktion (Übergang zur LPG Typ III) und zur zwischengenossenschaftlichen bzw. zwischenbetrieblichen Kooperation (Zusammenarbeit von LPG bzw. GPG mit staatlichen Betrieben).
Bedeutendes politisches Gewicht erlangte die Organisation jedoch nicht mehr. Da für neue Mitglieder nicht geworben wurde, zahlreiche ältere starben oder die Vereinigung stillschweigend verließen, ging die Zahl der in der VdgB Organisierten seit 1964 (rd. 480.000 in ca. 10.000 Ortsorganisationen) bis 1982 (rd. 120.000 in ca. 5.000 Ortsverbänden) ständig zurück. In den Volksvertretungen stellte die Organisation 1981 noch 7.491 Abgeordnete (davon 623 in Kreistagen, die anderen in Vertretungen der Gemeinden, Städte und Stadtbezirke; das waren 3,7 v.H. der Abgeordneten dieser Ebenen).
Zusammen mit den anderen Massenorganisationen beteiligte sie sich im Rahmen der Nationalen Front der DDR an deren Aufklärungs- und Schulungsarbeit, richtete für die Genossenschaftsbauern einen Reise- und Feriendienst ein und widmete sich der Verwaltung ihrer Produktions-, Handels- und Dienstleistungseinrichtungen.
Die Zahl der BHG (1967 = 844) und Molkerei-G. (1967 = 132) nahm allerdings zunächst beständig ab. Deren Einrichtungen wurden teils den LPG übergeben, teils (seit 1972) den kooperativen Betriebsformen überlassen. Darüber hinaus wirkte und wirkt sie außenpolitisch als Kontaktpartner zu Bauernverbänden und anderen Agrarorganisationen (zumeist aus Ländern der Dritten Welt) und unterhält in Teutschenthal (Bezirk Halle) die Agrar-Ingenieurschule „Friedrich Wehmer“, auf der insbesondere Spezialisten für Lateinamerika und die arabischen Staaten ausgebildet werden.
Seit ihrer Gründung (1961) haben bis 1984 rd. 1600 Funktionäre aus Kuba und arabischen Ländern die Schule besucht.
II. Die Reaktivierung der VdgB seit 1982
Im Mai 1984 verabschiedete die 7. Zentrale Delegiertenkonferenz der VdgB, die 6. war im Dezember 1960 zusammengetreten, eine neue Satzung. In ihr wird die Vereinigung erstmals als „sozialistische“ (früher: „demokratische“) Massenorganisation definiert. Sie soll künftig unter Führung der SED dazu beitragen, in der Land- und Forstwirtschaft „die Produktion und deren Effektivität systematisch zu erhöhen“ und „die Lebensbedingungen des Dorfes denen der Stadt anzunähern, um die wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land allmählich zu überwinden“. Im Rahmen dieser Funktionsbestimmung ist es ihre Aufgabe, „die politischen, ökonomischen, sozialen und geistig-kulturellen Interessen“ ihrer Mitglieder zu vertreten.
Mitglieder können Genossenschaftsbauern und -gärtner, aber auch alle anderen Personen (über 16 Jahre) werden, „die durch ihre berufliche oder gesellschaftliche Tätigkeit mit der sozialistischen Landwirtschaft, dem Gartenbau und den Aufgaben der VdgB verbunden sind“. Alle Angehörigen der VdgB sind, wie bisher, zugleich Mitglieder der Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG).
Organisationsstruktur und Willensbildungsprozesse der Vereinigung entsprechen den Prinzipien des Demokratischen Zentralismus. Die VdgB verfügt über Orts-, Kreis- und Bezirksorganisationen. Das formal höchste Organ ist die Zentrale Delegierten-Konferenz. Sie tritt in der Regel alle 5 Jahre zusammen und wählt den Zentralvorstand. Dieser bestimmt aus seiner Mitte das Präsidium und das Sekretariat sowie den 1. Vorsitzenden und den 1. Sekretär, der zugleich Stellvertreter des Vorsitzenden ist.
Derzeitiger Vorsitzender ist Fritz Dallmann, Leiter der LPG Priborn (Kreis Röbel/Bezirk Neubrandenburg) und Mitglied des Zentralkomitees (ZK) der SED; 1. Sekretär ist Manfred Scheler (SED), zuvor Vorsitzender des Rates des Bezirks Dresden. Beide wurden im September 1982 vom Zentralvorstand berufen und im Mai 1984 von der 7. Zentralen Delegiertenkonferenz in ihren Funktionen bestätigt. Das Amt des VdgB-Vorsitzenden war nach dem Tode von Ernst Wulf (Vors. seit 1964) im Jahre 1979 nicht sofort neu besetzt worden; interimistisch wurde diese Funktion von dem 1. Sekretär der VdgB Fritz Zeuner in Personalunion wahrgenommen, der im April 1982 verstarb.
Der sich auch in der neuen Satzung zeigende Versuch zur Reaktivierung der Organisation geht auf einen Beschluß des ZK-Sekretariats der SED vom 18. 8. 1982 zurück, nach dem die VdgB zur „sozialistischen Massenorganisation der Genossenschaftsbauern und Genossenschaftsgärtner“ entwickelt werden sollte. Im gleichen Zusammenhang wurde ferner gefordert, „die Verantwortung der Klasse der Genossenschaftsbauern als Bündnispartner der Arbeiterklasse (Klasse/Klassen, Klassenkampf) für den Leistungsanstieg der Volkswirtschaft zu erhöhen, ihre aktive Teilnahme an der Entwicklung der sozialistischen Demokratie und der Leitung des Staates weiter zu fördern und das gesellschaftliche Leben im Dorf noch inhaltsreicher zu gestalten“ (Neuer Weg, 9/1983, S. 363). Der Beschluß folgt einerseits dem Ziel der gegenwärtigen Agrarpolitik, durch eine Reorganisation der Kooperationsbeziehungen (u.a. Aufhebung der strikten Trennung von Pflanzen- und Tierproduktion) und die Erschließung von Produktivitätsreserven (Nutzung von Kleinst- und Splitterflächen, Förderung der Persönlichen ➝Hauswirtschaften, der Produktion der Kleingärtner, Fischer usw.) das Aufkommen der Landwirtschaft zu erhöhen, die „Eigenversorgung in den Dörfern“ zu verbessern und den Import von Getreide, Nahrungs- und Futtermitteln zu senken. Andererseits entspricht die Förderung der VdgB der seit 1981 (X. SED-Parteitag) erkennbaren Aufwertung der Blockparteien (Parteien) und Massenorganisationen. Sie steht offenbar im Zusammenhang mit einer Neubewertung der Erziehungs-, JOIN:'Erziehungs-,' Erziehungs, Mobilisierungs- und Integrations-Funktionen der Parteien und Verbände (Bündnispolitik), die angesichts der Desintegrationserscheinungen in Polen vorgenommen wurde.
Seit dieser Entscheidung der SED-Führung (18. 8. 1982) ist die Mitgliederschaft der VdgB rasch gewachsen. Im Oktober 1983 registrierte die Vereinigung 307.000 Mitglieder, im Mai 1984 ca. 425.000 (Stand August 1982: 120.000). Nach Angaben ihrer Führung war damit mehr als die Hälfte der Genossenschaftsbauern und [S. 1408]-gärtner in der VdgB organisiert. Gleichzeitig stieg die Zahl der Ortsorganisationen von knapp 5.000 (Ende 1982) auf etwa 7.300 (Mai 1984).
Diese raschen Erfolge gehen vor allem auf die intensive Unterstützung durch die ländlichen Grundorganisationen der SED zurück. Diese verpflichteten ihre Angehörigen zur Mitarbeit in der VdgB, zur Werbung neuer Mitglieder und zur Übernahme ehrenamtlicher Funktionen. Inhaltlich konzentriert sich die neue VdgB-Führung bislang im wesentlichen auf den Wiederaufbau der Organisation. Darüber hinaus bemüht sich die VdgB um eine engere Zusammenarbeit mit dem Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter (VKSK), der Freien Deutschen Jugend (FDJ) und dem Demokratischen Frauenbund Deutschlands (DFD) sowie um eine stärkere Repräsentanz in der Nationalen Front und in den Wahlkörperschaften. Seit den Kommunalwahlen im Mai 1984 ist die Vereinigung in den Gemeindevertretungen und Kreistagen mit ca. 16.000 Abgeordneten vertreten; das sind etwa 8 v.H. der Mandatsträger in diesen Gremien. In den Dörfern sind die Ortsorganisationen u.a. aufgefordert, Initiativen im Rahmen des „Mach-Mit-Wettbewerbs“ zu unterstützen, „Bäuerinnentreffs“ zu organisieren, in den Dorfklubs Veranstaltungen abzuhalten und für den Verbleib der Landjugend in den landwirtschaftlichen Betrieben zu werben. Zunächst aber zeigt sich die Verlebendigung der VdgB auf ihrem traditionellen Aktionsfeld, d.h. in ihren organisationseigenen Betrieben, den BHG.
Nach VdgB-Berichten verbesserte sich das Angebot der ländlichen Verkaufs- und Dienstleistungseinrichtungen. Es wurden neue „Ausleihstützpunkte“ mit Gerätschaften für die landwirtschaftliche und gärtnerische Kleinproduktion eröffnet, zusätzliche „Lohnmostereien“ (für Obstsäfte) und zahlreiche „Selbsthilfewerkstätten“ eingerichtet. 1983 verfügten die verbliebenen 271 BHG über 2.021 Verkaufsstellen. Zum Angebot gehören neben Arbeitsklei[S. 1409]dung, Werkzeugen und Haushaltswaren auch Baumaterialien (das 50 Artikel zählende Sortiment umfaßt u.a. Mauersteine, Fenster, Türen, Klärgrubensegmente) aus der Produktion der organisationseigenen Betriebe.
Die gegenwärtig tätigen ca. 160 Molkerei-G. arbeiten in enger Kooperation mit Einrichtungen der LPG oder VEB der Nahrungsgüterwirtschaft.
1982 waren in den Handelseinrichtungen etwa 23.700, in den Produktionsbereichen der VdgB 16.200 Arbeiter und Angestellte beschäftigt, ferner annähernd 1000 Lehrlinge. Die ca. 2.600 Zahlstellen der BHG erledigen den bargeldlosen Zahlungsverkehr der Landbevölkerung. Mit rd. 9,4 Mrd. Mark verwalteten sie 1982 knapp 9 v.H. der Spareinlagen der DDR-Bevölkerung. Landwirtschaft.
Dietrich Staritz
Literaturangaben
- Droste, Helmut: Zur Rolle der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe bei der Verwirklichung des Bündnisses zwischen Arbeiterklasse und werktätiger Bauernschaft, Diss. phil. Leipzig 1961.
- Früchte des Bündnisses. Werden und Wachsen der sozialistischen Landwirtschaft der DDR (Autorenkollektiv unter Leitung von Rosemarie Sachse). Berlin (Ost) 1980.
- von der Neide, K.: Raiffeisens Ende in der Sowjetischen Besatzungszone. Bonn/Berlin (West) 1952 (Bonner Berichte aus Mittel- und Ostdeutschland).
- Die gesellschaftlichen Organisationen in der DDR. Stellung, Wirkungsrichtungen und Zusammenarbeit mit dem sozialistischen Staat, hrsg. v. d. Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR Potsdam-Babelsberg. Berlin (Ost) 1980.
- Reutter, Rudolf: Was will die Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe? Berlin (Ost) 1947.
- Scheler, Manfred: Die VdgB stärkt die sozialistische Demokratie auf dem Lande, in: Neue Justiz 5/1984, S. 173 ff.
- Staritz, Dietrich: Neue Akzente in der SED-Bündnispolitik, in: DDR-Report 2/1983, S. 70 ff.
- Wernet-Tietz, Bernhard: Bauernverband und Bauernpartei in der DDR. Die VdgB und die DBD 1945–1952. Ein Beitrag zum Wandlungsprozeß des Parteiensystems der SBZ/DDR. Köln 1984.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1405–1409
| Verband der Theaterschaffenden der DDR | A, B, C, D, E, F, G, H, I, J, K, L, M, N, O, P, Q, R, S, T, U, V, W, Z | Vereinigung der Juristen der DDR (VdJ) |