DDR von A-Z, Band 1985

Wasserwirtschaft (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1956 1958 1959 1960 1962 1963 1965 1966 1969 1975 1979


 

Bereich der Industrie, der für die Wasserbereitstellung und die Verteilung von Wasservorkommen an die Bedarfsträger Sorge zu tragen hat. Im einzelnen fallen diesem Bereich folgende 4 Aufgaben zu:

 

1. Bereitstellung von Trink- und Brauchwasser für Haushalte, Industrie, Landwirtschaft, Verkehrswesen sowie Feuerwehr u.a.

 

2. Ableitung, Behandlung und Reinigung der Abwässer zur Gewährleistung einer schnellen Wasserwiederbenutzung; hiermit in Zusammenhang steht der Schutz der Gewässer vor Verunreinigung (z.B. um Beeinträchtigungen der Fischwirtschaft zu vermeiden; Umweltschutz).

 

3. Kontinuierlicher Ausbau der Gewässer und laufende Instandhaltung der Talsperren, Rückhaltebecken sowie der Wasserförderungs- und Leitungssysteme, um dadurch dem steigenden Wasserbedarf gerecht werden zu können.

 

4. Realisierung eines wirksamen Hochwasser- und Küstenschutzes.

 

Die Leitung, Planung und Organisation der W. obliegen dem Ministerium für Umweltschutz und Wasserwirtschaft. Es sorgt z.B. für die Aufstellung von Wasserbilanzen, in denen Wasserbedarf und -dargebot für bestimmte Gebiete unter Berücksichtigung der Wassergüte gegenübergestellt werden. Dabei muß die regionale Witterungsabhängigkeit von Bedarf und Dargebot berücksichtigt werden, weil einige Gebiete niederschlagsarm und andere niederschlagsreich sind. Für Trinkwasser werden Bilanzen sowohl für alle Bezirke als auch für das Gebiet der gesamten DDR ausgearbeitet. In der DDR ist das durchschnittliche jährliche Wasserdargebot auf 15 Mrd. m³ Wasser zu beziffern. Während in Trockenjahren nur etwa 7–8 Mrd. m³ Wasser anfallen, sind es in niederschlagsreichen Jahren bis zu 30 Mrd. m³. Die Hauptdargebotsarten sind Oberflächenwasser, Grundwasser sowie uferfiltriertes Wasser. Dem steht gegenwärtig ein Gesamtverbrauch bei Industrie, Landwirtschaft und privaten Haushalten von 10 Mrd. m³ gegenüber, 1985 werden es rd. 11 Mrd. m³ sein. Diese Gegenüberstellung allein wird allerdings der wasserwirtschaftlichen Situation der DDR nicht gerecht, denn es muß berücksichtigt werden, daß dort die Inanspruchnahme des Wassers — bei einem zwei- bis dreimal so hohen Nutzungsgrad wie in anderen mitteleuropäischen Ländern — extrem hoch ist. Während im internationalen Vergleich für einen Bewohner jährlich im Durchschnitt 11.200 m³ Wasser zur Verfügung stehen, sind es in Europa nur 1710 m³ und in der DDR lediglich 880 m³. In Trockenjahren muß deshalb das Wasser in industriellen Ballungsgebieten (so z.B. das der Flüsse Saale und Pleiße) bis zu 13mal genutzt werden. Hinzu kommt, daß der Wasserbedarf sprunghaft ansteigt. Gegenwärtig entfallen auf die Industrie rd. 66 v.H., die Landwirtschaft 18 v.H. und die Haushalte gut 16 v.H. des gesamten [S. 1464]Wasserbedarfs. Industrielle Großverbraucher sind die Energie mit einem Drittel, die Chemie mit 30 v.H. sowie der Bergbau und die Metallurgie mit je 9 v.H. des Wasserbedarfs der Industrie. Entscheidend ist, daß bei der Industrie gerade die starken Wassernutzer — wie Kraftwerke, chemische Betriebe, Einrichtungen der Metallurgie, der Kaliindustrie sowie der Zellstoff- und Papiererzeugung — auch künftig noch erheblich expandieren werden. Aber auch der Wohnungsbau erfordert einen zunehmenden Wasserverbrauch: Während in städtischen Altbauten pro Kopf und je Tag nur 40 bis 70 l Wasser sowie in modernisierten Wohnungen 110 bis 125 l verbraucht werden, sind es in Neubauwohnungen (mit Bad, WC, Waschmaschine, Durchlauferhitzer und Zentralheizung) 250 l, in heißen Perioden sogar 400 l Wasser. Auch für die Landwirtschaft ist ein erheblich steigender Wasserbedarf festzustellen: So sollen bis 1990 in 5 zusammenhängenden Gebieten (Magdeburger Börde, Erfurter Ackerebene und vor allem in den Nordbezirken) 2,7 Mill. ha Boden bewässert werden, das sind 43 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche der DDR. Damit steigt der Wasserbedarf für die landwirtschaftliche Bewässerung von derzeit gut 1,1 Mrd. m³ auf 1,4 Mrd. m³ an. Insgesamt wird die Zunahme des gesamten Wasserbedarfs der DDR (gegenüber 1980) bis 1990 auf 20 bis 25 v.H. geschätzt. Dabei ist durch Rationalisierungsmaßnahmen vorgesehen, den hohen spezifischen Wasserbedarf der Industrie deutlich zu senken. Dennoch rechnet man bis 1990 für die Industrie mit einer Verbrauchszunahme von etwa 8 v.H. und in der Landwirtschaft von einem Vielfachen davon.

 

In der Zeit von 1945 bis 1982 sind in der DDR 125 Talsperren, Rückhaltebecken und andere Speicheranlagen mit einem Speicherraum von nahezu 800 Mill. m³ gebaut worden; damit beläuft sich der gesamte Stauraum gegenwärtig auf 1,4 Mrd. m³.

 

Das 1. größere wasserwirtschaftliche Bauvorhaben war die Errichtung der „Sosa-Talsperre“ im Erzgebirge mit einem Fassungsvermögen von 6 Mill. m³, die 1953 fertiggestellt wurde. Sie dient der Sicherstellung des Wasserbedarfs für den Uranbergbau im Erzgebirge. Das 2. Projekt war der 1952 in Angriff genommene und 1959 fertiggestellte Bau der „Rapp-Bode-Talsperre“ mit einer 106 m hohen Staumauer bei Blankenburg im Harz. Sie kann 110 Mill. m³ Wasser speichern und dient der Wasserversorgung von Industrie, Landwirtschaft sowie der 2 Mill. Einwohner im Raum Halle-Magdeburg. Das 3. größere Vorhaben war der Bau der Talsperre „Pöhl“ im Vogtland in den Jahren 1958–1965; sie hat ein Fassungsvermögen von 64 Mill. m³. Ein weiteres Großvorhaben ist das Projekt „Elbaue“, das später dem im Regenschatten des Harzes liegenden Industriegebiet Halle-Leipzig Elbwasser zuführen soll. In den Jahren 1966–1970 sind Speicherkapazitäten von ca. 120 Mill. m³ geschaffen worden. Neben der Errichtung von Talsperren hat dabei zunehmend auch der Bau von Kleinspeichern — in der Größenordnung von 1000 m³ bis zu einigen Mill. m³ eine Rolle gespielt. Aber auch die Bedeutung von größeren „Wasserleitungssystemen“ zur Umleitung von Wasser aus niederschlagsreichen in niederschlagsarme Gebiete (Beispiel: Bewässerungsanlagen, die 5.400 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche im Kreis Riesa über Pump- und Rohrleitungssysteme mit Elbwasser künstlich beregnen) hat zugenommen.

 

Für den Zeitraum von 1971 bis 1975 war der Bau von 250 Mill. m³ zusätzlicher Speicherkapazität vorgesehen, erreicht wurden 232 Mill. m³. Damit wurde 1975 einerseits das System der Gottleuba-Talsperren im Osterzgebirge fertiggestellt, das nicht nur die Industriegebiete Pirna und Heidenau mit Trinkwasser versorgt, sondern auch — zusammen mit 4 weiteren Rückhaltebecken — das in der Vergangenheit häufig von Hochwasserkatastrophen heimgesuchte Gebiet schützt. Weiterhin wurden die Talsperren „Zeulenroda“, „Schönbrunn“ sowie „Lichtenberg“ in Betrieb genommen. Letztere hat ein Fassungsvermögen von 15 Mill. m³ und versorgt die Städte Brand-Erbisdorf und Freiberg. Andererseits ist der Ausbau der im flachen Land liegenden Spreetalsperren erheblich vorangetrieben worden. So erhielten das seit 1965 betriebene erste Staubecken nördlich von Spremberg (zur Belieferung der Kraftwerke Lübbenau und Vetschau) sowie das 1970 in Betrieb genommene Speicherbecken „Lohsa“ nahe der Kleinen Spree wichtige Ergänzungen durch die 1974 fertiggestellten Talsperren „Quitzdorf“ bei Niesky sowie „Bautzen“. Diese Talsperren sind im Zusammenhang mit dem Energieprogramm der DDR zu sehen und dienen vornehmlich der Wasserversorgung des Kraftwerkes Boxberg. Da Großkraftwerke in der Nähe von Kohlevorkommen entstehen, jedoch ebenfalls in erheblichem Umfang Wasser benötigen, mußte man Flachlandtalsperren bauen.

 

[S. 1465]Im Fünfjahrplanzeitraum 1976–1980 wurde der Stauraum in Talsperren und anderen Speichern um 101 Mill. m³ erweitert (geplant waren 180 Mill. m³). Rund 813.000 Wohnungen wurden an die zentrale Wasserversorgung angeschlossen, was besonders starke Kapazitätserweiterungen bei Wasser- und Klärwerken voraussetzte. Kernstück der Neubautätigkeit war die 1974 begonnene Talsperre „Eibenstock“ bei Aue, deren Stauraum 84 Mill. m³ betragen soll, erreicht wurden bisher 76,9 Mill. m³, da die Staumauer erst ¾ der projektierten Höhe erreicht hat. Diese Talsperre wurde 1982 in Betrieb genommen, sie versorgt vor allem Karl-Marx-Stadt, Zwickau und Stollberg mit Trinkwasser. Im vergangenen Jahrfünft wurden außerdem die Talsperren Markersbach (Schwarzenberg) einschließlich des Pumpspeicherwerkes für das Oberbecken, und Seebach (Mühl[S. 1466]hausen) sowie die Speicher in Borna, Muldenstein (Bitterfeld), der Dossespeicher (Kyritz) und das Rückhaltebecken Stöhna (Borna) in Betrieb genommen. Daneben waren besondere Anstrengungen darauf gerichtet, die Wasserversorgung und die Abwasserbehandlung in Neubau- und Ballungsgebieten zu verbessern, vor allem in Berlin (Ost) (Erweiterung der Wasserwerke Friedrichshagen und Stolpe sowie Bau des Klärwerkes Falkenberg), Leipzig (Erweiterung der Kläranlage Leipzig-Rosental sowie Ausbau des Wasserwerkes Mockritz), Karl-Marx-Stadt (Aufbau des Wasserwerkes Eibenstock, Erweiterung des Wasserwerkes Einsiedel und Erweiterung der Kläranlage Heinersdorf) und in anderen Großstädten. Die Kapazitäten der Wasserwerke stiegen in der Zeitspanne von 1976 bis 1980 von 5.800 Tsd. m³ pro Tag auf 7.000 Tsd. m³. Das Trinkwasserleitungsnetz betrug 1980 rd. 80.000 km, 1982 waren es etwa 83.000 km; das Abwassernetz ist auf 30.500 km zu veranschlagen, 1985 sollen es 32.000 km werden.

 

 

 

Im Fünfjahrplan 1981–1985 sind keine detaillierten Planziele für die W. genannt. Hinweise lassen erkennen, daß statt des Neubaus vermehrt die Rekonstruktion bestehender Talsperren im Vordergrund stehen wird (so z.B. 1983 bei den TS Kriebstein, Muldenberg und den Trink- und Brauchwasserbecken Einsiedel, Neunzehnhain und Werda/Geigenbach). Daneben sollen die Anstrengungen zur Minderung des spezifischen Wasserverbrauchs durch den Übergang zu wassersparenden Technologien, insbesondere die Nutzung von Kühl- und Betriebwasser aus innerbetrieblichen Kreisläufen, intensiviert werden. Dadurch hofft man, die Erhöhung des Wasserverbrauchs der Industrie auf durchschnittlich jährlich 0,8 v.H. eingrenzen zu können. In der Landwirtschaft soll der Wasserverbrauch der Beregnungsanlagen durch Optimierungsrechnungen um 10–15 v.H. je Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche gesenkt werden.

 

Mit dem neuen Wassergesetz (GBl. I, 1982, S. 467 ff. sowie S. 477 ff. und S. 485 ff.) wird nicht nur versucht, Wasser und Gewässer vor Einwirkungen zu schützen, die ihre Nutzbarkeit beeinträchtigen (z.B. durch die Festlegung von Grenzwerten für Inhaltstoffe der Abwässer), sondern vordringlich dient es dazu, einen sparsamen Wasserverbrauch zu erreichen. Diesem Ziel dienen künftig staatliche Normen für den maximalen Wasserverbrauch, Wassernutzungsentgelte (vgl. SDr des GBl. 1980, Nr. 1052) sowie Sanktionen bei nicht genehmigter Wasserentnahme. Daneben wird eine bessere Nutzung der bestehenden wasserwirtschaftlichen Anlagen angestrebt, z.B. durch die Schaffung von Gemeinschaftsanlagen für Verwender verschiedener Bereiche bzw. durch den Übergang zu gemeinsamer Nutzung von gegebenen Kapazitäten. Mit Hilfe besserer Bedarfsrechnungen — aufgrund mathematischer Modelle — und einer daran orientierten Steuerung der Wasserabgabe, gelang es im vergangenen Jahrfünft, eine höhere Wasserverfügbarkeit in den vorhandenen 180 Talsperren zu erreichen, die sonst zusätzliche Kapazitäten erfordert hätte.

 

Trotz durchaus beachtlicher Neubauten ist die W. insgesamt — als ein wichtiger Infrastrukturbereich — doch stark vernachlässigt worden: So ist der Anteil des Brutto-Anlagevermögens der W. an der Industrie in der Zeit von 1960 bis 1976 von 8,4 auf 6,6 v.H. zurückgegangen (vgl. Statistisches Jahrbuch der DDR 1977, S. 83), seitdem werden über die Entwicklung des Anlagevermögens der Industriebereiche keine Angaben mehr gemacht. Nach 1976 dürfte sich allerdings die relative Abnahme fortgesetzt haben. Sie ist jedoch mit den stark ansteigenden Anforderungen an die W. nicht vereinbar. Erhebliche Schwierigkeiten macht auch das Problem der Regenerierung und Wiederverwendung der in immer größeren Mengen anfallenden Abwässer der Industrie, besonders der Chemischen Industrie, wofür nur unzureichend Investitionsmittel bereitgestellt werden. Gegenwärtig wird noch ein Teil der industriellen Brauchwässer ungenügend regeneriert wieder in die Flüsse, Seen und Grundwässer eingespeist.


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1463–1466


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.