DDR von A-Z, Band 1985

 

Wirtschaftsrecht (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1963 1969 1975 1979

 

I. Wirtschaftsrecht als eigener Rechtszweig

 

 

A. Grundmerkmale

 

 

1. Gegenstand. Als eigenständiger Rechtszweig umfaßt W. jene Rechtsnormen, welche die zentrale staatliche Leitung der Wirtschaft einschließlich der Beziehungen zwischen den Wirtschaftseinheiten regeln. Gegenstand des W. sind daher

 

a) die Beziehungen zwischen den wirtschaftsleitenden Organen, der staatlichen Verwaltung und den früheren VVB, sowie den Wirtschaftseinheiten — hierarchischer Ordnung —,

 

b) die Beziehungen der Wirtschaftseinheiten untereinander — Gleichordnung — sowie

 

c) Beziehungen innerhalb der Wirtschaftseinheiten.

 

Zentrale Regelungsmaterie der wirtschaftsrechtlichen Normen sind somit die Verhältnisse der Bereiche Leitung, Planung, Organisation und Kooperation (Betriebsformen und Kooperation) in der sozialistischen Planwirtschaft.

 

2. Geltungsbereich. Der Geltungsbereich des W. bezieht sich im wesentlichen auf die staatliche Industrie, jedoch sind auch Bau- und Wohnungswesen, Verkehrswesen, Binnenhandel, Außenwirtschaft und Außenhandel sowie die Dienstleistungswirtschaft inbegriffen, nicht jedoch das Agrarrecht. Erfaßt werden somit vor allem die innerstaatlichen Wirtschaftsbeziehungen, wobei der Außenhandel insoweit dem wirtschaftsrechtlichen Regelungsbereich unterliegt, wie in diesem Rahmen innerstaatliche Wirtschaftsbeziehungen zwischen Fertigungsbetrieben und Außenhandelsunternehmen entstehen. Die dem W. zugrundeliegende Konzeption und Methode besteht in der Verknüpfung von zentraler staatlicher Leitung und Planung mit der eigenverantwortlichen Wirtschaftstätigkeit in ökonomisch und juristisch selbständigen Betrieben sowie deren Kooperationsbeziehungen untereinander. Hierzu bedarf es der Entwicklung spezifischer Rechtsinstitute und Rechtsformen. Grundlage der betrieblichen Wirtschaftstätigkeit bildet das „Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung“, demgemäß Betriebe ihre Ausgaben durch entsprechende Einnahmen abdecken und den darüber hinaus erwirtschafteten Gewinn anteilig an den Staatshaushalt abführen. Den in wirtschaftlich-operativer Hinsicht selbständigen Wirtschaftseinheiten werden zur Durchführung ihrer Aufgaben materielle und finanzielle Werte (Fonds) aus dem gesamtgesellschaftlichen, nur staatlich verfügbaren Volkseigentum übertragen. Die so institutionalisierte „Rechtsträgerschaft“ (Fondsinhaberschaft) beinhaltet bestimmte rechtliche Befugnisse zur zweckbestimmten Bewirtschaftung der Fonds. Zugleich wird dadurch die Rechtsstellung der Wirtschaftseinheiten so ausgestaltet, daß diese nicht als Eigentümer, sondern nur als Verwalter der zugewiesenen Fonds und Inhaber von Dritten gegenüber absolut wirkenden Besitz-, Nutzungs- und Verfügungsbefugnissen auftreten können. Diese Gesamtkonzeption sichert die richtungweisende Entscheidungskompetenz des Staates und begreift die zentral und staatlich gelenkte Planwirtschaft als ein vielfach gegliedertes System wirtschaftsleitender und wirtschaftender Instanzen und Organisationen.

 

3. W.-Verhältnisse. Die grundlegende juristische Kategorie des W. stellt das W.-Verhältnis dar, das sowohl Austausch- wie Planungsverhältnisse einheitlich erfaßt. Die W.-Verhältnisse basieren auf W.-Normen, d.h. auf den daraus fließenden subjektiven Rechten und Pflichten, deren Träger die W.-Subjekte als grundsätzlich handlungsfähige juristische Personen bilden. Zur Begründung eines konkreten W.-Verhältnisses bedarf es des Hinzutretens von weiteren in der entsprechenden Norm fixierten rechtserheblichen Tatsachen. Die W.-Verhältnisse werden unterschieden

 

a) nach den beteiligten Subjekten:

  • W.-Verhältnisse in der zwischenbetrieblichen Kooperation, im Leitungssystem und außerhalb der Wirtschaft bei Staatsorganen,
  • W.-Verhältnisse in der innerbetrieblichen und innerorganisatorischen Arbeitsteilung, zwischen Struktureinheiten der Wirtschaftsorganisationen oder der Leitungsorgane in ihrer Beziehung untereinander oder zur Organisation, der sie angehören;

 

b) nach ihrem Gegenstand:

  • Planungsrechtsverhältnisse
  • Organisationsrechtsverhältnisse
  • Leistungsrechtsverhältnisse;

 

c) nach der Art und Weise des Zustandekommens [S. 1507]und der Festlegung der subjektiven Rechte und Pflichten der Beteiligten:

  • Leitungsrechtsverhältnisse
  • Vertragsverhältnisse.

 

4. W.-Subjekte. Die W.-Subjekte unterscheiden sich in ihrer Rechtsstellung und Entscheidungskompetenz im Rahmen der „Leitung und Planung der Volkswirtschaft“. Aufgrund der verschiedenen Aufgaben werden 2 Hauptgruppen unterschieden:

  • die staatlichen Organe der Wirtschaftsleitung und
  • die nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden Wirtschaftseinheiten.

 

Zur ersten Gruppe zählen

 

a) die zentralen staatlichen Organe mit zweigleitender Funktion: die Industrieministerien und Ressortministerien wie das Ministerium für Handel und Versorgung,

 

b) mit generell koordinierender Funktion: der Ministerrat, die Staatliche Plankommission (Planung, IV. A.) und das Ministerium für Wissenschaft und Technik,

 

c) mit partiell koordinierender Funktion: das Amt für Preise, das Amt für Standardisierung und das Staatliche Vertragsgericht (StVG) und

 

d die örtlichen Staatsorgane.

 

Die zweite Gruppe umfaßt die unmittelbar wirtschaftsleitenden Organe, wie die früheren VVB, und die Wirtschaftsorganisationen. Unter den Begriff der Wirtschaftsorganisation fallen dabei staatliche (VEB, Kombinate und Kombinatsbetriebe), genossenschaftliche bzw. gesellschaftliche (LPG, PGH, Zentrag) und private Betriebe (Einzelhandwerker, Einzelhändler und andere Gewerbetreibende). Daneben stellen auch staatliche und gesellschaftliche Einrichtungen als Organisationen außerhalb der Wirtschaft wie Universitäten, Akademien und Krankenhäuser sowie Ferienheime und Sanatorien des FDGB, ferner gesellschaftliche Organisationen als Verbraucher und Wirtschaftsgemeinschaften (Kooperationsgemeinschaften) Subjekte des W. dar. Diese Gruppierung ist für die Industrie, den Handel und das Finanzwesen wie auch für die Landwirtschaft und das Handwerk verbindlich; allerdings sind bei letzteren Besonderheiten zu beachten. Ferner bilden die Außenhandelsbetriebe und -unternehmen spezielle Rechtssubjekte und sind mit spezieller Rechtsfähigkeit ausgestattet. Die Bildung von W.-Subjekten erfolgt durch bestimmte Gründungs- und Entstehungsakte wie Wahlen bei Volksvertretungen und Räten, Beschlüssen bei zentralen wirtschaftsleitenden Organen, Gründungsanweisungen bei Kombinaten und VEB, Beschlüssen der Mitglieder und staatlichen Genehmigungen bei LPG und PGH sowie Organisationsverträgen bei Wirtschaftsgemeinschaften. Für private Betriebe bestehen spezielle Vorschriften, z.B. die Gewerbegenehmigung für Handwerksbetriebe. Da die Rechtsstellung der Subjekte die W.-Verhältnisse bestimmt und somit für den angestrebten Wirtschaftsprozeß mitverantwortlich ist, muß vor allem die Rechtsstellung der wirtschaftsleitenden staatlichen Organe und die der produzierenden Wirtschaftsorganisationen aufeinander abgestimmt und exakt und stabil festgelegt werden. Regelungsbedürftig sind die Abgrenzung und das Ineinandergreifen der verschiedenen Kompetenzen. Durch die Reorganisation der Wirtschaftsverwaltung zunächst Ende der 60er Jahre sowie seit 1978 wurde die Subjektstruktur des Wirtschaftssystems dahingehend modifiziert, daß der größte Teil der Industriebetriebe in Kombinate zusammengefaßt wurde.

 

5. Rechtsformen. Als Rechtsformen des W. bestehen

 

a) Rechtsnormen,

 

b) staatliche und betriebliche Einzelentscheidungen und

 

c) Wirtschaftsverträge.

 

In den Rechtsnormen finden die Grundsatzentscheidungen ihren Niederschlag; zugleich bilden sie damit die Grundlage für Einzelentscheidungen und Wirtschaftsverträge. Einer normativen Regelung unterliegen in der Regel:

 

a) das Erlangen und Erlöschen der Rechtsfähigkeit von Wirtschaftsorganisationen sowie deren grundsätzlicher Inhalt, das Verhältnis der Rechtssubjekte zu ihren Gründern und die aus ihrer Rechtsstellung fließenden Aufgaben, Rechte und Pflichten,

 

b) die für den jeweiligen Planungszeitraum festgelegten volkswirtschaftlichen Zielvorgaben in ihren wesentlichen Proportionen und Realisierungsbedingungen als Plankennziffern,

 

c) objektbezogene Parameter, die wichtige wirtschaftliche und technisch-wirtschaftliche Zusammenhänge nach einheitlichen Maßstäben festsetzen, z.B. Fachbereichsstandards, Grenzwertbestimmungen für Immissionen, Voraussetzungen für die Erteilung von Gütezeichen,

 

d) Grundkategorien bestimmter, allgemein wiederkehrender Verhaltensweisen im Rahmen von Leitungs- und Vertragsverhältnissen wie Termine und Ortsbestimmungen, von denen ein rechtlich zulässiges oder gebotenes Handeln abhängt. Bei den Vertragsrechtsverhältnissen werden die zwingenden Rechtsnormen durch dispositive ergänzt.

 

Aufgabe des W. als staatliches Leitungsinstrument ist es, eine effiziente Fertigung und Verteilung im Rahmen der staatlich gesteuerten Planwirtschaft zu gewährleisten, wobei die Umsetzung der wirtschaftspolitischen Entscheidungen der zentralen staatlichen Leitung in die Leitungs- und Wirtschaftstätigkeit der Kombinate und Betriebe und anderer Organisationen im Mittelpunkt steht. Darin ist die Aufgabe eingeschlossen, die Interessen der Wirtschaftseinheiten mit den gesamtstaatlichen Interessen zu verbinden bzw. in Übereinstimmung zu bringen.[S. 1508]

 

B. Abgrenzung und historische Entwicklung

 

 

Das W. der DDR ist ein relativ junger und noch in der Entwicklung stehender Rechtszweig, dessen Existenzberechtigung in der DDR zunächst umstritten war. Als eigenständiges Gebiet der Gesetzgebung, der Forschung und Lehre wird das W. heute in allen RGW-Mitgliedsstaaten anerkannt. In der Frage des W. als einem besonderen Rechtszweig bestehen nach wie vor verschiedene Auffassungen. Im Kern des Meinungsstreites geht es um die Festlegung des Gegenstandes eines Rechtszweiges bzw. die Art und Weise seiner Charakterisierung. So wird in der DDR das entscheidende Kriterium für den Gegenstand der rechtlichen Regelung und damit die Einteilung der Normen und Rechtsinstitute in Rechtszweige im Handeln und Verhalten der Menschen innerhalb eines bestimmten gesellschaftlichen Bereiches gesehen. Da hier die Methoden der rechtlichen Regelung als ein zwar wichtiges, aber von dessen Gegenstand abgeleitetes Kriterium betrachtet werden, erscheint eine Verbindung unterschiedlicher Methoden im W. als zulässig und erforderlich.

 

Die gegenteilige Position stellt darauf ab, daß die Methoden der rechtlichen Regelung, insbesondere Über- und Unterordnungsverhältnisse einerseits und Gleichordnungsbeziehungen andererseits, den ausschlaggebenden Anknüpfungspunkt für die Bildung von Rechtszweigen begründen. Konkret handelt es sich um das Problem, ob diese Verhältnisse in ihrer Gesamtheit einem eigenen Rechtszweig W. zugeordnet oder auf die Rechtszweige Verwaltungs- bzw. Staatsrecht (Über- und Unterordnung) und Zivilrecht (Gleichordnung) aufgeteilt werden müssen.

 

Im Jahr 1958 begann in der DDR die Loslösung der wirtschaftsrechtlichen Materie vom Zivilrecht. Der Aufbau des W. fand mit dem Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft — Vertragsgesetz — vom 25. 2. 1965 (GBl. I, S. 107) sowie der VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Produktionsbetriebe vom 9. 2. 1967 (GBl. II, S. 121) einen ersten Abschluß. Der VII. Parteitag der SED (1967) bestätigte die Existenz des W., das als „sozialistisches Wirtschaftsrecht“ in Art. 12 der Verfassung von 1968 Aufnahme fand. Damit war das W. als selbständiger Rechtszweig im wesentlichen etabliert und wurde seither nicht mehr in Frage gestellt. Entsprechend der im Jahr 1967 nach dem VII. Parteitag der SED verkündeten rechtspolitischen Konzeption sollte die Regelung der zivilrechtlichen Beziehungen der Bürger einem neu zu schaffenden Zivilgesetzbuch vorbehalten bleiben. Nach intensiven Vorbereitungen in den Jahren 1973 und 1974 wurde 1975 das Zivilgesetzbuch (ZGB) der DDR verabschiedet, das 1976 in Kraft trat. Es regelt „Beziehungen, die von den Bürgern zur Befriedigung ihrer materiellen und kulturellen Bedürfnisse mit Betrieben sowie untereinander eingegangen werden“ (§ 1 Abs. 2 ZGB); das Recht der Wirtschaftsbetriebe blieb dabei ausgeklammert.

 

Für die Wirtschaft waren inzwischen weitere besondere Wirtschaftsgesetze verabschiedet worden. Bedeutung erlangten die Durchführungsverordnungen zum Vertragsgesetz, die VO über die vertragliche Sicherung der Kooperation für volkswirtschaftliche strukturbestimmende Erzeugnisse und Erzeugnisgruppen vom 21. 12. 1967 (GBl. II, S. 43), die VO über Kooperationsgemeinschaften vom 12. 3. 1970 (GBl. II, S. 287), die VO über die Aufgaben und Arbeitsweise des Staatlichen Vertragsgerichts vom 18. 4. 1963 (GBl. II, S. 293) i. d. F. vom 12. 3. 1970 (GBl. II, S. 209), die VO über die Material-, Ausrüstungs- und Konsumgüterbilanzierung vom 20. 5. 1971 (GBl. II, S. 377), die zusammenfassende VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB vom 28. 3. 1973 (GBl. I, S. 129), die VO über die Einheit von Plan und Vertrag beim Abschluß und der Erfüllung von Wirtschaftsverträgen vom 26. 1. 1978 (GBl. I, S. 55) sowie die VO über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8. 11. 1979 (GBl. I, S. 355). Den letzten bedeutenden Einschnitt in der Wirtschaftsgesetzgebung bildete die Novellierung des Wirtschaftsvertragsrechts durch das Vertragsgesetz vom 25. 3. 1982 (GBl. I, S. 293) mit den hierzu gleichzeitig erlassenen 5 DVO (GBl. I, S. 325 ff.). Zur Regelung der außenwirtschaftlichen Beziehungen wurde am 5. 2. 1976 das Gesetz über Internationale ➝Wirtschaftsverträge (GIW) erlassen (GBl. I, S. 61). Außer dem W. sind an der Steuerung der Wirtschaftsabläufe jedoch auch andere Rechtszweige beteiligt, insbesondere das Staatsrecht (Staatslehre; Verfassung), das Verwaltungsrecht, einschließlich dem Finanzrecht (Finanzsystem), das Zivilrecht, das Arbeitsrecht, das Bodenrecht und das LPG-Recht (Landwirtschaftliche Betriebsformen).

 

Staats- und Verwaltungsrecht stehen in einer besonders engen Wechselbeziehung zum W., da die Verfassung und andere Normen des Staatsrechts die Grundlage des W. bilden, indem sie die leitenden Prinzipien und Aufgaben der Wirtschaft formulieren. Zudem regelt das Staatsrecht die Stellung der wichtigsten Subjekte des W.: der Minister, der örtlichen Staatsorgane und der Betriebe. Inhalt des Verwaltungsrechts sind die Rechtsvorschriften der vollziehend verfügenden Staatstätigkeit, während das Finanzrecht die Regelung der Leitung von Akkumulation und Verteilung der finanziellen Ressourcen des Staates betrifft (Haushalts-, Steuer- und Abgabenrecht, Investitionswesen, Finanzverwaltungsrecht, Bank- und Kreditrecht, betriebliche Finanzen). Da die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staatsorganen und zwischen diesen und [S. 1509]den Wirtschaftsorganisationen als Wirtschaftsverwaltungsrecht dem W. zugeordnet sind, können diese vom Verwaltungsrecht nur im allgemeinen Rahmen des Aufbaus und der Arbeitsweise des Staatsapparates erfaßt werden.

 

Vor allem das Zivilrecht hat durch die Entfaltung des Rechtszweiges W. bedeutende Einbußen erfahren. Es regelt im wesentlichen noch die Versorgungsbeziehungen der Bürger zum Betrieb oder der Bürger untereinander. Weitgehend überflüssig wurde das Handelsrecht. Durch die rechtliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse ist das Arbeitsrecht erheblich an der Leitung der Arbeitsprozesse beteiligt, indem es die kollektiven und individuellen Beziehungen der Arbeiter und Angestellten (Werktätige) untereinander und zum Betriebe regelt. Arbeitsrecht und W. sind oft aufeinander bezogen und eng miteinander verknüpft.

 

Mit der Kollektivierung der Landwirtschaft (1952) und dem Entstehen der LPG kam es zur Ausbildung eines speziellen Rechtszweiges für diese Genossenschaften. Obwohl vielfach grundlegende wirtschaftsrechtliche Vorschriften angewandt wurden, waren wohl die genossenschaftlichen Eigentums- und Arbeitsverhältnisse für diese Sonderrechtsentwicklung ursächlich. Mit Einschränkungen erfaßt das LPG-Recht den Regelungsbereich des für die Industrie geltenden Arbeits- und Organisationsrechts: es normiert die Beziehungen der Organisation und Tätigkeit der LPG, einschließlich der Wechselbeziehungen zu kooperativen Einrichtungen, die Beziehungen der LPG zu ihren Mitgliedern, ferner die Beziehungen zwischen den Produktionskollektiven untereinander und zur LPG sowie der einzelnen im Produktionskollektiv.

 

Da die Grundlagen für die Existenz eines eigenständigen Rechtszweiges W. lange Zeit umstritten waren, kann die Rechtswissenschaft der DDR auch gegenwärtig kein vollkommen abgeklärtes Bild des Gegenstandes vorweisen. Dazu trägt bei, daß diese Rechtsmaterie aufgrund ihrer Aufgabe und starken Abhängigkeit von wirtschaftspolitischen Entscheidungen einem raschen Wandel unterworfen ist. So ist es bisher auch nicht zu der vor allem 1969 und 1970 diskutierten Gesamtkodifikation des W. gekommen. Zweifelhaft erscheint, ob ein umfassendes Wirtschaftsgesetzbuch noch angestrebt wird. Nach der bescheideneren Zielsetzung des VIII. Parteitages der SED (1971), das W. nur weiter auszugestalten, und nach seiner partiellen Weiterentwicklung in den letzten Jahren kann davon ausgegangen werden, daß diese Kodifikationspläne vorerst fallengelassen wurden. Nicht nur technische Schwierigkeiten, die vielgestaltigen Normen und die Über- und Unterordnungs- sowie Gleichordnungsverhältnisse zu einer einheitlichen Gesamtregelung zu führen, dürfte für die Zurücknahme der ursprünglichen Zielsetzung ausschlaggebend sein.

 

II. Organisationsrecht

 

 

A. Allgemeine Bestimmung

 

 

Als Teilgebiet des W. werden im Organisationsrecht (O.) speziell jene Rechtsvorschriften erfaßt, welche die Gründung, Zusammenlegung, Änderung und Auflösung sowie die Rechtsstellung der nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Rechnungsführung agierenden Wirtschaftseinheiten regeln. Die sich in der Verwirklichung einer bestimmten Rechtsstellung darstellenden Statusverhältnisse sind die zentrale juristische Kategorie des O. Im einzelnen beinhaltet es vor allem subjektbezogene Grundsatzregelungen des Entstehens, Änderns und Auflösens von Organisationen, die Festlegung und Ausgestaltung ihrer typischen inneren Struktur, ihres Leitungssystems, ihrer Fondswirtschaft, ihrer Leistungsgrundsätze sowie ihres rechtserheblichen Willensbildungsprozesses und tatsächlichen Handelns. Diese Regelungsmaterie zielt in erster Linie auf die Grundeinheiten des Wirtschaftsorganismus. Darüber hinaus betrifft das O. auch alle zwischenbetrieblichen Organisationsformen, denen die gemeinschaftliche Lösung wirtschaftlicher Aufgaben oder die zentralisierte Wahrnehmung von Teilfunktionen übertragen ist. Organisationsrechtlich relevant ist in diesem Zusammenhang auch das Handeln und Beziehungsgefüge zwischen den Beteiligten, wenn diese keine eigene Rechtssubjektsqualität aufweisen; ausschlaggebend sind hier ihre selbständige Willensbildung und Funktion.

 

B. Wirtschaftsorganisation

 

 

Die derzeitige Organisationsstruktur der Wirtschaft weist insgesamt 5 Wirtschaftseinheiten auf:

 

1. Volkseigenes Kombinat

 

Gemäß § 1 Abs. 1 der VO über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe (Kombinats-VO) vom 8. 11. 1979 (GBl. I, S. 355) gilt „das volkseigene Kombinat als die grundlegende Wirtschaftseinheit der materiellen Produktion“. Damit wird den Kombinaten eine Schlüsselstellung im Wirtschaftssystem der DDR zugeschrieben. Neben der Wirtschaftstätigkeit übt das Kombinat zugleich „staatliche Funktionen der Wirtschaftsleitung aus“ (§ 4 Abs. 1, S. 1 Kombinats-VO vom 8. 11. 1979). Es ist rechtsfähig, juristische Person, „und begründet im eigenen Namen Verbindlichkeiten und haftet für ihre Erfüllung“ (§ 3 Abs. 4, S. 1 Kombinats-VO). Über die Gründung eines Kombinats entscheidet entweder der Ministerrat (bei direkter Unterstellung unter ein Ministerium), der zuständige Minister (keine direkte Unterstellung unter ein Ministerium) oder der Rat des Bezirkes (Kombinat im Verantwortungsbereich der örtlichen Räte) nach Zustimmung des fachlich zuständigen Ministers (§ 36 Abs. 1–3 Kombinats-VO). Das Kombinat ist in das Register der volkseigenen Wirtschaft, [S. 1510]das durch das StVG bei den Bezirksvertragsgerichten geführt wird, einzutragen. Es weist u.a. die rechtlich vertretungsbefugten Personen aus, die in erster Linie der Generaldirektor und bei Verhinderung seine Stellvertreter sind. Seit der Reorganisation der Wirtschaftsverwaltung ist das Kombinat in der Regel einem Ministerium oder einem Rat des Bezirkes unterstellt. Die Leitung erfolgt entweder über einen Stammbetrieb, über Leitbetriebe oder über ein gesondertes Generaldirektorat.

 

2. Kombinatsbetrieb

 

Innerhalb des Kombinats stellt der Kombinatsbetrieb eine ökonomisch und juristisch selbständige Einheit dar. Er ist ebenfalls juristische Person und begründet Verbindlichkeiten im eigenen Namen, für deren Erfüllung er haftet (§ 6 Abs. 1 u. 2 Kombinats-VO). Die Direktoren als Leiter der Kombinatsbetriebe unterstehen dem Generaldirektor des Kombinats und sind diesem verantwortlich und rechenschaftspflichtig (§ 27 Abs. 4 Kombinats-VO). Die Einordnung in das Kombinat ist als Relativierung der ökonomischen Selbständigkeit des Kombinatsbetriebes anzusehen.

 

3. Volkseigener Betrieb (VEB)

 

Durch die herausgehobene Stellung der Kombinate hat sich die Bedeutung der selbständigen VEB verringert. Standen die Regelungen bezüglich der VEB in den durch § 43 Abs. 2 Kombinats-VO aufgehobenen Abschnitten der VO über die Aufgaben, Rechte und Pflichten der volkseigenen Betriebe, Kombinate und VVB (VVB-VO) vom 28. 3. 1973 (GBl. I, S. 129) noch an erster Stelle, so ist diese Regelungsmaterie in der Kombinats-VO deutlich knapper ausgefallen, wobei häufig nur eine Verweisung auf Bestimmungen der Kombinate und ihrer Betriebe erfolgt. Auch die VEB gelten als „ökonomisch und rechtlich selbständige Einheiten der materiellen Produktion oder eines anderen Bereichs der Volkswirtschaft“ (§ 31 Abs. 1, S. 1 Kombinats-VO). Sie gehören keinem Kombinat an, sondern sind „einem Staatsorgan oder wirtschaftsleitenden Organ unterstellt“ (§ 31 Abs. 1, S. 2 Kombinats-VO). Gleich dem Kombinatsbetrieb ist der VEB rechtsfähig (juristische Person), und für die Vertretung der VEB im Rechtsverkehr gelten die Regelungen des Kombinats entsprechend.

 

4. Vereinigung volkseigener Betriebe (VVB)

 

Mit dem forcierten Auf- und Ausbau der Kombinate gingen Anzahl und Bedeutung der VVB sehr stark zurück. Die VVB bildeten eine Art Zwischenglied zwischen den zentralen wirtschaftsleitenden Staatsorganen und den Wirtschaftseinheiten, wobei sie letzteren näherstanden, als sie mit eigenen (finanziellen) Fonds ausgestattet wurden. Für ihre Stellung gelten die §§ 34 ff. VVB-VO vom 28. 3. 1973. Sie stellten bis 1978 häufiger die wirtschaftsleitenden Organe für bestimmte Sortiments- und Fertigungskomplexe, bestehend aus unterstellten VEB. Parallel zu den Kombinatsregelungen sind auch VVB rechtsfähig (§ 35 Abs. 1, S. 1 VVB-VO) und werden von einem Generaldirektor mit Weisungsrecht gegenüber den nachgeordneten Einheiten geleitet (§ 35 Abs. 2, S. 1 VVB-VO).

 

5. Kooperations- oder Wirtschaftsgemeinschaften

 

Art. 42 Abs. 2 der Verfassung der DDR sieht die Bildung von Wirtschaftseinheiten vor, deren nähere Ausgestaltung durch die VO über Kooperationsgemeinschaften vom 12. 3. 1970 (GBl. II, S. 287) vorgenommen wird. Diese können von mehreren rechtsfähigen Betrieben, Kombinaten, Genossenschaften und anderen Wirtschaftsorganisationen auf freiwilliger Basis und unter wirtschaftlicher und juristischer Eigenverantwortung der Beteiligten zur gemeinsamen Lösung wirtschaftlicher Aufgaben oder zur gemeinsamen Wahrnehmung von Funktionen gebildet werden. Voraussetzung hierzu ist ein Organisationsvertrag. Als kooperative Organisationsform haben die Wirtschaftsgemeinschaften eine effizientere Arbeitsteilung, die Konzentration der Forschungskapazität, komplexe Rationalisierungsmaßnahmen u.ä. zum Ziel. In der Regel besitzen sie keine Rechtsfähigkeit.

 

C. Kompetenzen der Wirtschaftseinheiten

 

 

Mit Ausnahme der Kooperations- oder Wirtschaftsgemeinschaften sind den übrigen Wirtschaftseinheiten bestimmte Kompetenzen zugewiesen. Diese differieren entsprechend der unterschiedlichen Rechtsstellung und beinhalten die

  • Planungskompetenz: Aufstellen von Fünfjahr- und Jahresplänen aufgrund staatlicher Planentscheidungen und eigener Analysen der allgemeinen und Bedarfsentwicklung (§§ 9 Abs. 1 u. 2, 34 Abs. 2, S. 1 Kombinats-VO; §§ 36, 37 VVB-VO);
  • Fondskompetenz. Befugnis, Fonds im Rahmen der Rechtsvorschriften und des Planes zu bilden, zu besitzen, zu nutzen und über sie zu verfügen (§§ 3 Abs. 2, 14, 15, 18, 31 Abs. 4, 34 Abs. 1 u. 4 Kombinats-VO; § 44 Abs. 1 VVB-VO);
  • Kooperationskompetenz: Recht auf Schaffung von Kooperationsbeziehungen mit anderen Wirtschaftseinheiten auf Grundlage der staatlichen Plankennziffern und anderer staatlicher Planentscheidungen (§§ 23, 34 Kombinats-VO; §§ 34 ff. VVB-VO);
  • Produktionskompetenz. Durchführung der in den staatlichen Plänen festgelegten mengenmäßigen, bedarfs- und qualitätsgerechten Produktion und anderer Wirtschaftstätigkeiten, wie die Entwicklung neuer Erzeugnisse, Rationalisierungsmaßnahmen u.ä. (§§ 1, 2 Abs. 1, 6, 17, 31 Abs. 1, 34 Kombinats-VO; §§ 34 ff. VVB-VO).

 

Zu diesen grundsätzlichen Befugnissen treten bei Kombinaten weitere hinzu:[S. 1511]

  • Außenhandelskompetenz: Berechtigung, „gemeinsam mit den zuständigen Außenhandelsbetrieben internationale Wirtschaftsverträge über die Spezialisierung und Kooperation der Produktion“ mit Partnern der RGW-Mitgliedsstaaten abzuschließen (§ 16 Abs. 5 Kombinats-VO). Daneben können Außenhandelsaufgaben durch einen dem Kombinat zugehörigen Außenhandelsbetrieb (AHB) wahrgenommen werden (§ 17 Abs. 3 Kombinats-VO). Diese dem Außenhandelsministerium unterstellten Betriebe — und nicht die Kombinate — sind Vertragspartner bei Außenhandelsgeschäften.
  • Organisationskompetenz: Unter bestimmten Voraussetzungen ist dem Generaldirektor die Befugnis verliehen, Funktionen und Aufgaben der Kombinatsbetriebe zu ändern (§ 7 Abs. 1 Kombinats-VO) bzw. gewisse Aufgaben zu zentralisieren (§ 7 Abs. 2 Kombinats-VO). Weiterhin hat er die Kooperationsbeziehungen innerhalb des Kombinats auf der Grundlage des Planes und des Vertragsgesetzes zu regeln sowie die dabei auftretenden Streitigkeiten zu entscheiden (§ 23 Abs. 2 Kombinats-VO).
  • Normsetzungskompetenz: Auf Grundlage und in Ausführung der Kombinats-VO und weiterer Rechtsvorschriften sind Aufgaben, Rechte und Pflichten des Kombinats in einem Statut festzulegen (§ 29 Abs. 1 Kombinats-VO). Die weitere Ausgestaltung des Statuts erfolgt durch Ordnungen, die der Generaldirektor erläßt (§ 29 Abs. 5 u. 6 Kombinats-VO).

 

Bei den VEB kann von einer Außenhandelskompetenz nur insofern gesprochen werden, als bestimmte VEB spezielle Außenhandelsbetriebe (AHB) darstellen. Diese schließen Im- und Exportverträge in eigenem Namen für Rechnung der Produktions- oder Binnenhandelsbetriebe. In der Organisationskompetenz der VEB liegt die Festlegung der betrieblichen Leitungsstruktur durch den Direktor, die das übergeordnete Organ zu bestätigen hat (§ 33 Abs. 1 Kombinats-VO). Die Normsetzungskompetenz erschöpft sich im wesentlichen in der durch § 92 Abs. 1 AGB eingeräumten Befugnis des Betriebsleiters, eine Arbeitsordnung (§ 91 AGB) zu erlassen (Arbeitsrecht). Gemäß § 31 Abs. 5 Kombinats-VO können bestimmte VEB auch ein Statut haben. Die Leitung der Wirtschaftseinheiten wird von einem Generaldirektor oder Direktor nach dem Prinzip der Einzelleitung wahrgenommen. Die Berufung und Abberufung des Betriebs- oder Kombinatsleiters erfolgen durch das übergeordnete Organ, dem dieser verantwortlich und rechenschaftspflichtig ist (§§ 5, 24 und 25; 27, 28; 32 Kombinats-VO und §§ 34 ff. VVB-VO). Den Beschäftigten kommen die in Art. 21 der Verfassung, im AGB, der Kombinats- und VVB-Verordnung (und der VO über Kooperationsgemeinschaften) niedergelegten Mitwirkungsrechte zu (Mitbestimmungs-, Mitgestaltungs-, Mitwirkungsrechte).

 

III. Leitungsrecht

 

 

A. Struktur der Wirtschaftsleitung

 

 

Das Leitungsrecht normiert in erster Linie die durch Über- und Unterordnungsverhältnisse zwischen den Wirtschaftseinheiten bestehenden Beziehungen. Dem vertikalen Leitungsrechtsverhältnis steht das horizontale Vertragsrechtsverhältnis gegenüber. Die Grundlage des Leitungssystems der Wirtschaftseinheiten bildet das Organisationsprinzip des Demokratischen Zentralismus, dessen beide Begriffskomponenten im Prinzip der Einzelleitung und der in verschiedenen Rechtsvorschriften festgelegten „umfassenden demokratischen Mitwirkung der Werktätigen“ zum Ausdruck kommen.

 

Das Leitungsrecht steht in enger Beziehung zum Planungsrecht, jedoch können bei weitem nicht alle Maßnahmen und Entscheidungen der staatlichen Wirtschaftsleitung als staatliche Planungstätigkeit qualifiziert werden. Gekennzeichnet wird das Wirtschaftsleitungsrecht dadurch, daß es rechtsverbindliche Maßstäbe für die Entscheidungen der Leitungsorgane und für das Verhalten der betroffenen Adressaten setzt. Da dies in gewissem Sinne auch auf das Planungsrecht zutrifft, kann das Leitungsrecht als die umfassende und übergreifende Basisregelung begriffen werden.

 

Das Leitungssystem der DDR-Wirtschaft gliedert sich im wesentlichen in 2 Ebenen:

 

1. Als zentrales Organ der Wirtschaftsleitung fungiert der Ministerrat, der seine Tätigkeit auf Grundlage und entsprechend der Direktiven der SED sowie der Wirtschafts- und Haushaltspläne des Staates entfaltet (vgl. § 3 Abs. 1, S. 1 Gesetz über den Ministerrat der DDR vom 16. 10. 1972, GBl. I, S. 253). Die Ministerien, Ämter und andere zentrale staatliche Leitungsinstanzen nehmen als Organe des Ministerrates dessen Leitungsaufgaben wahr. Die direkte Anleitung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche erfolgt durch Institutionen mit bereichsleitender Funktion, den Industrie- und anderen Zweigministerien (z.B. Ministerium für Außenhandel, für Bauwesen, für Post- und Fernmeldewesen) (Industrieministerien). An dieser Steuerung sind auch generell koordinierende Ministerien und Staatsorgane beteiligt (wie das Ministerium für Wissenschaft und Technik, Ministerium für Materialwirtschaft) sowie partiell koordinierende und/oder kontrollierende Organe wie das Amt für Preise, das Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung, das Amt für Erfindung und Patentwesen, die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik (Rechnungsführung und Statistik), das Staatliche Vertragsgericht und das Komitee der Arbeiter-und-Bauern-Inspektion (ABI). Die Planungsfunktion wird vor allem von der Staatlichen Planungskommission als generell koordinierende Aufgabenstellung durchgeführt (Planung, IV. A.).

 

[S. 1512]2. Die zweite Ebene bilden die Kombinate mit ihren Kombinatsbetrieben und die VEB. Zwischen diesen beiden Ebenen gab es bis Ende der 70er Jahre eine mittlere Ebene, bestehend vor allem aus den VVB.

 

B. Leitungsmittel

 

 

Dem Grundsatz der Über- und Unterordnung folgend, wird das Leitungsrechtsverhältnis inhaltlich von der übergeordneten Instanz bestimmt, wobei die nachgeordnete Wirtschaftseinheit an der Entscheidungsbildung beteiligt werden soll.

 

Die Leitungsmittel (Rechtsformen) zur Gestaltung der Leitungsrechtsverhältnisse und damit der wirtschaftsrechtlichen Leitungsentscheidung sind vielgestaltig und haben noch keine gesetzlich einheitliche Normierung erfahren. Grundsätzlich wird zwischen a) Rechtsnorm und b) Einzelentscheidung unterschieden. Von Staatsorganen, denen eine Normierungsbefugnis zusteht — Ministerien und Ämter —, können Anordnungen und Durchführungsbestimmungen erlassen und im Gesetzblatt verkündet werden. Wirtschaftseinheiten und wirtschaftsleitende Organe können normative Weisungen aussprechen. Richtlinien, Dienstanweisungen und Verfügungen können von allen Leitungsorganen erlassen werden. Mittels Anordnungen werden Sachverhalte geregelt, die zum einen für einen bestimmten Industriezweig von zentraler Bedeutung sind. In der Regel spielen dabei eine längerfristige Konzeption der Regelung und ein erhöhter Publizitätsgrad als Voraussetzungen der praktischen Umsetzung eine Rolle. Zum anderen bilden sie die Regelungsart für bereichsüberschreitende Normierungen und solche, die unmittelbare Auswirkungen außerhalb des betroffenen Ministeriums haben, sowie für die Festlegung der Rechte und Pflichten von Betrieben und Einrichtungen außerhalb der Industrie.

 

Durchführungsbestimmungen werden vom zuständigen Minister im Rahmen seiner Befugnisse zur Durchführung von Verordnungen und Beschlüssen des Ministerrates erlassen. Normative Verfügungen haben die Rechte und Pflichten der Leiter und nachgeordneten Wirtschaftseinheiten zum Inhalt. Als eine Anleitung zum Handeln vermitteln die Richtlinien sowohl Ziele wie Lösungswege für bestimmte Aufgaben. Schließlich ergehen Regelungen als Dienstanweisung, um die Verhaltensweisen der Mitarbeiter des Ministeriums, der Generaldirektoren sowie der Leiter der anderen direkt unterstellten Wirtschaftseinheiten verbindlich festzulegen.

 

Bei den Einzelentscheidungen kann zwischen normativen und individuellen Entscheidungen ähnlich der Abgrenzung zwischen Verwaltungsvorschrift und Weisung unterschieden werden. Meistens ergeht die Einzelentscheidung auf der Grundlage oder in bezug zu einer Rechtsnorm; sie kann auch auf einer höherrangigen Einzelentscheidung beruhen.

 

Von herausragender Bedeutung sind die staatlichen Planentscheidungen, als deren wichtigste individuelle Entscheidungen die staatlichen Aufgaben (Pflicht zur Erarbeitung eines Planentwurfs), Planauflagen (verpflichtend vorgeschriebenes Verhalten zur Planerfüllung) und Bilanzentscheidungen (Koordinierung von Planentscheidungen verschiedener Verantwortungsbereiche) zu sehen sind (Planung, V.). Sofern die Einzelentscheidung nicht im Planungsbereich getroffen wird, fällt sie in der Regel als Weisung (komplexes Leitungsverhältnis) oder als Auflage (partielles Leitungsverhältnis). Als eine Sonderform der Weisung greifen die „operativen Entscheidungen“, wie Bilanz- oder Standardänderung, in den planmäßigen Wirtschaftsablauf der Betriebe ein. Schließlich werden Einzelentscheidungen zur Durchsetzung von Rechten und Pflichten bzw. zur Konfliktlösung getroffen, z.B. Entscheidungen des Amtes für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung über den Entzug des Gütezeichens oder Schiedssprüche des Staatlichen Vertragsgerichts.

 

Die Entscheidungsfindung soll durch eine klar umrissene Entscheidungskompetenz, hohe Qualifikation der Leitungsinstanzen und das Zusammenspiel von Eigenverantwortung und demokratischer Mitwirkung der Geleiteten den „gesellschaftlichen Erfordernissen“ entsprechend optimiert werden. Dabei werden neben den direkten, administrativen Leitungsmitteln auch indirekte verwandt, die unter dem Begriff „ökonomische Hebel“ zusammengefaßt sind (Finanzsystem, VI.). Vom Leitungsrecht im engeren Sinn nicht mehr umfaßt sind „Koordinierungsentscheidungen“, die die verbindliche Gestaltung der Zusammenarbeit nicht unterstellter Leitungsorgane regeln. Rechtsformen sind die Abstimmung, Zustimmung und die gemeinsame Entscheidung.

 

Pflichtverletzungen der nachgeordneten Wirtschaftseinheiten können eine materielle, die der Wirtschaftsfunktionäre als schuldhaftes Handeln eine persönliche Verantwortlichkeit auslösen. Die haftungsrechtlichen Sanktionsformen sind vielgestaltig und reichen von den an den Staatshaushalt abzuführenden Wirtschaftssanktionen (systemwidriges Handeln) über Ordnungsstrafen (persönliche Verantwortlichkeit), die Festsetzung von Zwangsgeld zur Durchsetzung von vertragsgerichtlichen Entscheidungen bis hin zum Schadensersatz und der Vertragsstrafe bei der Verletzung von Wirtschaftsverträgen. Die persönliche Verantwortlichkeit ist daneben auch disziplinarischen und strafrechtlichen Regelungen unterworfen. Demgegenüber erscheint die materielle Verantwortlichkeit der Leitungsorgane eher schwach ausgeformt.

 

IV. Recht der Planung und Bilanzierung

 

 

Die „sozialistische Planwirtschaft“ ist die in Art. 9 Abs. 3 verfassungsrechtlich verankerte Wirtschafts[S. 1513]ordnung der DDR. In der westlichen Betrachtung ist dafür der Idealtypus „Zentralverwaltungswirtschaft sowjetischen Typs“ geläufig. Danach erfolgt die Steuerung des Wirtschaftsprozesses durch zentrale normative Planung und Leitung der zuständigen Staatsorgane in Ausführung der richtungweisenden Beschlüsse und Direktiven der Führung der SED. Bestimmendes Moment der Planung ist ihre auf der Grundlage des Volks- bzw. Genossenschaftseigentums bestehende gesamtgesellschaftliche Zielrichtung. Als konkrete Ausdrucksform der Wirtschaftsplanung fungieren zwei Grundtypen von staatlichen Plänen:

  • mittelfristige Fünfjahrpläne und
  • kurzfristige Volkswirtschaftspläne, in welche die Zielvorgaben der Fünfjahrpläne sukzessive in den jährlichen Planungsabschnitt übertragen werden.

 

Die jährlich aufgestellten Volkswirtschaftspläne bilden das entscheidende direkte Steuerungsmittel des Wirtschaftsablaufes, an deren Ausarbeitung zahlreiche Institutionen und alle Wirtschaftseinheiten beteiligt sind. Das Planungsrecht umfaßt die rechtliche Regelung jener Beziehungen, die bei der Festlegung (Planentscheidung) der Produktions- und Effektivitätsziele und den hierzu einzusetzenden Fonds und Ressourcen sowie bei deren Realisierung im jeweiligen Planungszeitraum entstehen. Es regelt sowohl das Verfahren der arbeitsteiligen Vorbereitung und des Treffens von Planentscheidungen wie auch den Prozeß der Planrealisierung, in dem durch die betriebliche Planung mittels interner Weisungen und Entscheidungen die nötigen Durchführungsvoraussetzungen geschaffen werden und zum anderen durch den Abschluß von Kooperations- und Leistungsverträgen die Präzisierung des Plans erfolgt. Aufgabe des Planungsrechts ist es somit, das koordinierte Zusammenwirken aller am Planungsprozeß beteiligten Staatsorgane und Wirtschaftseinheiten verbindlich auszugestalten, die Stabilität der Planung sicherzustellen und die Wiederholbarkeit der Planungsprozesse zu gewährleisten. Im einzelnen werden insbesondere folgende Sachverhalte geregelt:

  • die Fixierung der Kompetenzen der Planungsorgane und Wirtschaftseinheiten,
  • die Ordnung und Gestaltung des Planungsablaufes einschließlich der Planbestätigungen und Planänderungen,
  • die Bilanzierung und territoriale Koordinierung der Pläne,
  • die Planinformation, -abrechnung und -kontrolle,
  • die Planpflichtverletzungen,
  • die Wechselbeziehungen zwischen der innerstaatlichen Planung und der Plankoordinierung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW). Der Planungsprozeß läßt sich rechtlich nicht gleichmäßig präzise regeln. So kann der konkrete Inhalt eines Planungszieles nicht direkt rechtlich-normativ erfaßt werden; jedoch werden dessen Erarbeitung und Realisierung davon beeinflußt, indem
  • die Planziele als rechtsverbindliche Entscheidungen (Planentscheidungen) formuliert werden,
  • die Anforderungen an die Planentscheidungen normiert werden,
  • das einheitliche und aufeinander abgestimmte Handeln der am Planungsprozeß Beteiligten rechtlich ausgestaltet wird,
  • die einheitliche Anwendung der planungsorganisatorischen und -technischen Arbeitsmittel und -methoden durch rechtsverbindliche Festsetzung sichergestellt wird.

 

Im Planungsrecht gibt es 3 Rechtsformen:

 

1. Planungsgesetze. In Gesetzesform werden von der Volkskammer der Fünfjahrplan sowie der Volkswirtschaftsplan und der Staatshaushaltsplan des jeweiligen Planjahres verabschiedet. Der Staatshaushaltsplan beruht auf der Zielstellung des Volkswirtschaftsplans und sichert dessen Finanzierung. Die Grundsätze der Haushaltswirtschaft sind im Gesetz über die Staatshaushaltsordnung der DDR vom 13. 12. 1968 (GBl. I, S. 383) niedergelegt (Staatshaushalt).

 

Die Plangesetze enthalten in komprimierter Form die Globalziele, die über die Planentscheidungen aufgeschlüsselt werden. Die Staatsbilanzen sind kein Bestandteil der Plangesetze; sie werden vom Ministerrat bestätigt (§ 4 Abs. 3 des Ministergesetzes vom 16. 10. 1972) und bilden die quantitative Zusammenfassung der wichtigsten Ziele und des Ressourcen- und Fondseinsatzes (Planung, VI. B.).

 

2. Planentscheidungen. Sie beruhen überwiegend — ausnahmsweise auch durch Wirtschaftsvertrag möglich — auf einseitigen Willenserklärungen übergeordneter oder gesetzlich für zuständig erklärter Organe und setzen den Beteiligten rechtsverbindliche Ziele für die auszuarbeitenden Pläne und die Durchführung des Produktions- und Reproduktionsprozesses. Inhaltlich erfassen die an einzelne W.-Subjekte adressierten Planentscheidungen:

  • die Erzeugung von Produkten oder die Erbringung anderer Leistungen,
  • die Verwendung von Erzeugnissen und Leistungen sowie die Inanspruchnahme anderer Ressourcen,
  • die Entwicklung des Verhältnisses von Aufwand und Nutzen sowie andere Effektivitätsfaktoren,
  • die Bildung und Verwendung materieller und finanzieller Fonds.

 

Planentscheidungen als Instrumente für die verbindliche Steuerung des Verhaltens der Betroffenen ergehen nicht isoliert, sondern als hierarchisch miteinander verknüpfte Entscheidungsketten. Auf allen Stufen des Planungsprozesses ist nach staatlichen und betrieblichen Planentscheidungen zu differenzieren. Staatliche Planentscheidungen haben vor allem die Formen

 

[S. 1514]a) der Planbeschlüsse über die Aufgaben der Fünfjahr- und Jahrespläne und

 

b) als staatliche Plankennziffern zur Ausarbeitung und Durchführung der Volkswirtschaftspläne und Staatshaushaltspläne. Davon umfaßt werden auch die Bilanzentscheidungen als staatlich verbindliche Naturalkennziffern des Aufkommens und der Verwendung von Material, Ausrüstung, Bauleistungen, Konsumgütern, Arbeitsvermögen, finanzieller Fonds u.ä. Bilanzentscheidungen unterliegen einem rechtlich geordneten Verfahren. Als Resultat eines wechselseitigen Informationsaustausches zwischen Herstellern und Abnehmern und unter Zugrundelegung der zentralen Vorgabebilanzen (Bilanzabstimmungen) sind die so vom entscheidungsbefugten Bilanzorgan gewonnenen Bilanzentscheidungen in den jeweiligen Plan aufzunehmen. Die staatlichen Planentscheidungen werden durch das Planungsstadium charakterisiert: Sie ergehen als Planaufgaben während der Planausarbeitung und als Planauflagen während der Plandurchführung (Planung, V. A., Planung, V. C.). Betriebliche Planentscheidungen beruhen auf staatlichen Vorgaben und umfassen in erster Linie Entscheidungen des Kombinatsleiters.

 

3. Verfahrensregelungen für die Ausarbeitung der Planentwürfe. Sie regeln die Vorbereitung und das Treffen der Planentscheidungen, wobei die Planungsordnung hierfür die zentrale Grundlage bildet. Die derzeit in Kraft befindliche Planungsordnung ist die AO über die Ordnung der Planung der Volkswirtschaft der DDR 1981 bis 1985 vom 28. 11. 1979 (GBl. SDr. 1020 a–q), die im Frühjahr 1981 aufgrund der Reform der Wirtschaftsorganisation — Kombinate traten an die Stelle der VVB — durch die AO über die Ergänzung der Ordnung der Planung der Volkswirtschaft 1981–1985 vom 30. 4. 1981 (GBl. I, S. 149) in vielen Teilen abgeändert und neu gefaßt wurde. Das Bilanzierungsverfahren ist zuletzt vor allem in der VO über die Material-, Ausrüstungs- und Konsumgüterbilanzierung — Bilanzierungs-VO — vom 15. 11. 1979 (GBl. I, 1980, S. 1) geregelt worden. Ergänzende Bestimmungen enthält die Rahmenrichtlinie für die Planung in den Kombinaten und Betrieben der Industrie und des Bauwesens (GBl. SDr. 1021 vom 22. 2. 1980; vgl. dazu GBl. I, 1980, S. 40), die Finanzierungsrichtlinie über die volkseigene Wirtschaft vom 21. 8. 1979 (GBl. I, S. 253) und die VO über die gesellschaftliche Verantwortung, die Vollmachten und Pflichten des Hauptbuchhalters in den volkseigenen Kombinaten und volkseigenen Betrieben — Hauptbuchhalterverordnung — vom 7. 6. 1979 (GBl. I, S. 156). Die Planungsordnung regelt die Ausarbeitung, Durchführung und Abrechnung der staatlichen Pläne bis zum Betrieb, wobei sie auf die Kombinats- und Betriebsplanung nur insofern einwirkt, als sie mit der für diesen Bereich geltenden Rahmenrichtlinie korrespondiert. Ziel und Aufgabe der Planungsordnung ist die Sicherstellung des koordinierten Zusammenwirkens der am Planungsprozeß beteiligten Wirtschaftssubjekte.

 

4. Die Regelungsmaterie des Planungsrechts umfaßt ferner:

  • die VO über die Durchführung von Investitionen vom 27. 3. 1980 (GBl. I, S. 107),
  • die VO über Rechnungsführung und Statistik vom 20. 6. 1975 (GBl. I, S. 585), geändert durch die 2. VO vom 24. 5. 1979 (GBl. I, S. 163), geändert durch die 2. VO vom 10. 7. 1980 (GBl. I, S. 215), geändert durch die 3. VO über Rechnungsführung und Statistik vom 28. 1. 1982 (GBl. I, S. 125),
  • die VO über die Energiewirtschaft in der DDR
  • Energie-VO — vom 30. 10. 1980 (GBl. I, S. 321) und
  • die VO über die Entwicklung und Sicherung der Qualität der Erzeugnisse vom 1. 12. 1983 (GBl. I, S. 405).

 

5. Planpflichtverletzungen. Sie werden nach den Grundsätzen der materiellen und persönlichen Verantwortlichkeit geahndet. Beim Vorliegen gesetzlich fixierter Tatbestände treten die im einzelnen vorgesehenen, juristisch differenziert ausgestalteten Rechtsfolgen ein. In erster Linie soll die Plandisziplin über die Leistungsbewertung der Betriebe gewährleistet werden; daneben finden auch moralische Stimuli Verwendung. In Fällen besonders schwerwiegender Planabweichungen können Sanktionen ergriffen werden. Im Rahmen der individuellen Verantwortlichkeit stehen

 

a) Disziplinierungsmaßnahmen des Arbeitsrechts und

 

b) Ordnungsstrafen als Sanktionen zur Verfügung (Ordnungswidrigkeiten).

 

Im Rahmen der rechtlichen Verantwortlichkeit der Betriebe sind

 

a) Wirtschaftssanktionen und

 

b) Maßnahmen des staatlichen Leistungszwanges zu unterscheiden. Letztere stellen erhebliche staatlich-administrative Eingriffe dar, indem sie die Verfügungsgewalt der Betriebe über ihre finanziellen Fonds und Bankkonten durch umgehende Abführung an den Staatshaushalt und Kontosperren einschränken. Zuständig ist der Minister der Finanzen. Über Wirtschaftssanktionen entscheidet das Staatliche Vertragsgericht auf Antrag von Staatsorganen und wirtschaftsleitenden Organen. Die in verschiedenen Rechtsvorschriften formulierten Sanktionstatbestände sind aber nur bis zu einem gewissen Grad geeignet, einen optimalen Planungs- und Bilanzierungsprozeß zu gewährleisten. Überzogene Strafdrohungen stehen im Gegensatz zu der im gewissen Rahmen geforderten Initiative und Eigenverantwortlichkeit der Planungsbeteiligten. Die Aufrechterhaltung der Risikobereitschaft und Entscheidungsfreudigkeit der Leiter ist daher ein wesentlicher Grund für die relativ geringe Bedeutung [S. 1515]des zur Sicherstellung der Plandisziplin eingesetzten juristischen Instrumentariums der Wirtschaftssanktion.

 

V. Wirtschaftsvertragsrecht/Vertragssystem

 

 

A. Allgemeine Bestimmung

 

 

Das Wirtschaftsvertragsrecht regelt die Gestaltung der wirtschaftlichen Beziehungen, die Betriebe und andere W.-Subjekte auf gleicher Leitungsebene untereinander eigenverantwortlich und verbindlich organisieren und realisieren. Die übliche Rechtsform ist der Wirtschaftsvertrag. Das Vertragssystem bezeichnet die Gesamtheit der Maßnahmen zur Organisierung und Durchführung der binnenwirtschaftlichen Kooperationsbeziehungen der Wirtschaftseinheiten, insbesondere des zwischenbetrieblichen Austausches von Lieferungen und Leistungen, durch Wirtschaftsverträge. Mit der rechtlichen Gestaltung der Beziehungen der Wirtschaftseinheiten untereinander stellt das Vertragssystem das Verbindungsglied zwischen den staatlichen und betrieblichen Planentscheidungen dar, wodurch es zum integrierenden Bestandteil des Leitungs- und Planungssystems wird. Zentral und hoheitlich vorgegebene Planziele sind von den Wirtschaftseinheiten in horizontale Beziehungen umzusetzen. Die relative Eigenverantwortung der Betriebe bezieht sich lediglich auf die Art der Durchführung. Ziel des Vertragssystems ist es, „die Einheit von Plan, Bilanz und Wirtschaftsvertrag konsequent zu verwirklichen“ (Präambel, Vertragsgesetz vom 25. 3. 1982). Das Vertragssystem erfaßt Wirtschaftseinheiten aller Eigentumsformen und stellt auch insofern ein Instrument dar, das die zentrale Leitung und Planung mit den eigenverantwortlichen Aktivitäten der Wirtschaftseinheiten verbindet.

 

Das Vertragssystem wurde 1951 mit dem Vertragsgesetz vom 11. 12. 1952 (GBl. I, S. 627) eingeführt. Letzteres wurde 1965 durch das Vertragsgesetz vom 25. 2. 1965 abgelöst, das davon ausging, daß Wirtschaftsverträge ein kennzeichnender Bestandteil sowohl der zentralen Planung wie der im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) entwickelten „wissenschaftlichen Führungstätigkeit mittels ökonomischer Hebel“ sind (GBl. I, S. 107). Gegenwärtig sind die wichtigsten gesetzlichen Bestimmungen in dem Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft — Vertragsgesetz — vom 25. 3. 1982 (GBl. I, S. 293) und in den parallel dazu erlassenen 5 DVO (GBl. I, S. 325) enthalten. Normiert das Vertragsgesetz die binnenwirtschaftlichen Beziehungen der Wirtschaftseinheiten, so sind die außenwirtschaftlichen Beziehungen durch die Rechtsvorschriften im Rechtsanwendungsgesetz vom 5. 12. 1975 (GBl. I, S. 748) sowie vor allem im Gesetz über Internationale ➝Wirtschaftsverträge (GIW) vom 5. 2. 1976 (GBl. I, S. 51) geregelt worden.

 

B. Vertragsgesetz (VG)

 

 

Das Vertragsgesetz vom 25. 3. 1982 (GBl. I, S. 293) regelt in seinem sachlichen Geltungsbereich „die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Wirtschaftseinheiten sowie der staatlichen Organe bei der Organisierung und Realisierung der Kooperationsbeziehungen durch Wirtschaftsverträge über die Koordinierung der Wirtschaftstätigkeit, über Leistungen sowie über die gemeinschaftliche Lösung von Aufgaben“ (§ 1, Abs. 1 VG). Der personelle Geltungsbereich erfaßt — als juristische Person — volkseigene Kombinate, Kombinatsbetriebe, VEB, volkseigene Einrichtungen, Genossenschaften der Landwirtschaft, des Handels und des Handwerks, und ihre rechtsfähigen Betriebe und Einrichtungen, Betriebe von Parteien und gesellschaftlichen Organisationen, Betriebe und Einrichtungen, die staatliche Aufgaben und Planauflagen erhalten, und rechtsfähige „sozialistische Gemeinschaften“ mit ihren rechtsfähigen gemeinschaftlichen Einrichtungen. Darüber hinaus gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes auch für Wirtschaftsverträge, die staatliche Organe und rechtsfähige staatliche Einrichtungen, Parteien und gesellschaftliche Organisationen sowie deren rechtsfähige Einrichtungen abschließen.

 

Mit dem Vertragsgesetz wurde eine vom Zivilrecht abweichende, zwingende normative Grundlage geschaffen. Lediglich auf dem Umwege über den Grundsatz der Einheit des sozialistischen Rechts kann im Einzelfall noch auf Bestimmungen des ZGB zurückgegriffen werden, soweit hier durch das Vertragsgesetz oder andere kooperationsrechtliche Vorschriften eine Regelung nicht erfolgte.

 

Das Vertragsgesetz bildet keine geschlossene Regelung des Wirtschaftsvertragsrechts. Es beschränkt sich vielmehr auf die Grundsätze, die allgemeinen Rechte und Pflichten der Partner von Wirtschaftsverträgen sowie der übergeordneten Organe in bezug auf diese Verträge, die Grundsätze der Aufgaben des Staatlichen Vertragsgerichts und auf die Rechtsfolgen von Pflichtverletzungen. Die 5 DVO spezifizieren die Regelungen für einige besondere Arten von Wirtschaftsverträgen und die Vertragsstrafe.

 

C. Wirtschaftsverträge

 

 

Die Wirtschaftsverträge, zu deren Abschluß die Betriebe verpflichtet sind, bilden das allgemeine juristische Instrument zur Vorbereitung und Abwicklung planmäßiger Kooperationsbeziehungen zwischen den Wirtschaftseinheiten. Durch sie werden die in den staatlichen Plänen festgelegten Aufgaben hinsichtlich Menge, Sortiment, Qualität und Termin konkretisiert. Bei stärkerer Betonung der Planerfüllungsfunktion verliert das dem Vertragsbegriff immanente Willensmoment an Bedeutung.

 

Das Vertragsgesetz klassifiziert die Wirtschaftsver[S. 1516]träge nach drei Grundklassen: a) Koordinierungsverträge (§§ 34–36), b) Leistungsverträge (§§ 37 bis 72) und c) Verträge über die gemeinschaftliche Lösung von Aufgaben (§§ 73–77).

 

Mit dem Koordinierungsvertrag verpflichten sich die Partner gegenseitig zu aufeinander abgestimmten Handlungen, um ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel zu erreichen, das entweder in der künftigen Organisierung von Leistungsbeziehungen auf einem bestimmten angestrebten technischen und ökonomischen Niveau der Erzeugnisse und Verfahren oder in der Schaffung der Voraussetzungen für eine aufgrund abgestimmter Arbeitsteilung effizienteren Wirtschaftstätigkeit jedes einzelnen Partners liegt. Als Vertragspartner kommen sowohl Wirtschaftseinheiten als auch wirtschaftsleitende Organe in Frage. Innerhalb der Leistungsverträge hebt das Gesetz neben den traditionellen Formen des Liefervertrages die Verträge über wissenschaftlich-technische Leistungen sowie über Leistungen zur Vorbereitung und Durchführung von Investitionen hervor. Typisches Merkmal der Leistungsverträge sind die Gegenüberstellung von Leistung und Gegenleistung sowie die Zuordnung von Nebenleistungen und Mitwirkungshandlungen.

 

Die Leistung umfaßt eine bestimmte Tätigkeit oder den dadurch erzielten Erfolg. Die Mitwirkungshandlung stellt eine Voraussetzung der Leistung des Partners dar, etwa die Rechnungserteilung als Voraussetzung der Zahlung. Nebenpflichten sind beispielsweise die Verpackung und Verladung des Leistungsgegenstandes bei Versandpflicht. Das Verhältnis der Koordinierungsverträge zu den Leistungsverträgen ist durch den Subsidiaritätsgedanken gekennzeichnet, d.h. Koordinierungsverträge sind dann nicht abzuschließen, wenn die Voraussetzungen zum Abschluß von Leistungsverträgen vorliegen (§ 34 Abs. 2).

 

Das Abgrenzungskriterium zu den beiden genannten Vertragsklassen ist für die an Artikel 42 Abs. 2 der Verfassung anknüpfenden Verträge über die gemeinschaftliche Lösung von Aufgaben, daß Aufgaben zu einem gemeinsamen Anliegen werden, indem die hierfür erforderliche gemeinschaftliche Willensbildung und Handlung sowie die Stabilität der Zusammenarbeit durch den organisatorischen Zusammenschluß gesichert werden. Im Unterschied zu den seit 1982 nicht mehr vorgesehenen Organisationsverträgen des alten Vertragsgesetzes, deren Kennzeichen der organisationsbegründende Tatbestand war, soll für die Gemeinschaftsverträge der Rationalisierungseffekt im Vordergrund stehen. Die Gemeinschaften als solche sind in der Regel nicht rechtsfähig, die Rechtsbeziehungen nach außen werden von einem geschäftsführenden Leitbetrieb wahrgenommen.

 

Mit den neuen Regelungen des Vertragsgesetzes soll eine noch engere Verbindung der zentralen staatlichen Leitung und Planung mit der eigenverantwortlichen Tätigkeit der Wirtschaftseinheiten erreicht werden. Das weiter ausgestaltete Primat der Planerfüllung wird durch die breite Einarbeitung der Vorschriften der VO zur Sicherung der Einheit von Plan und Vertrag bei dem Abschluß und der Erfüllung von Wirtschaftsverträgen vom 26. 1. 1978 (GBl. I, S. 85) in das Vertragsgesetz deutlich. Um eine Produktion „auf Verdacht“ zu verhindern, besteht ein Anspruch auf Vertragsabschluß nur im Umfang des volkswirtschaftlich begründeten Bedarfs. Auf Verlangen des einen Partners hat der andere den Bedarf auf Grundlage der staatlichen Planentscheidungen nachzuweisen, wie umgekehrt bei Wegfall des Bedarfs eine Informationspflicht besteht. Gemäß § 6 Abs. 2 des Vertragsgesetzes haben die Wirtschaftseinheiten die abgeschlossenen Wirtschaftsverträge in ihre Planentwürfe und Pläne einzuordnen bzw. sind die auf der Grundlage der staatlichen Planauflagen des Fünfjahrplanes abgeschlossenen langfristigen Wirtschaftsverträge in die Jahrespläne und Jahresbilanzen einzubeziehen (§ 12 Abs. 3). Dies bedeutet aber andererseits, daß Verträge, die sich nicht in die Pläne und Bilanzen einordnen lassen, aufzuheben sind (§ 78). Weiterhin wurden die vertikalen Leitungs- und Planungsbeziehungen jetzt enger mit den partnerschaftlichen Kooperationsbeziehungen der Wirtschaftseinheiten untereinander verknüpft (Entscheidungspflicht der Leiter der zentralen und örtlichen Staatsorgane in § 17, damit korrespondierend das Entscheidungsverlangen in § 27 und die Normierung der Voraussetzungen und Folgen operativer Leitungsmaßnahmen in § 24).

 

Dem Vertragsgesetz liegt das Prinzip der materiellen Verantwortlichkeit zugrunde (§ 15), das vom Erziehungsgedanken und dem Ziel des Ausgleichs des durch Pflichtverletzung entstandenen Schadens bestimmt wird. Bei Nichterfüllung oder nicht vertragsgerechter Erfüllung der vertraglichen Pflichten hat der Verletzer alle Rechtsfolgen der Vertragsverletzung zu tragen. Dies gilt auch für die Verletzung gesetzlicher Pflichten. Eine nicht qualitätsgerechte Leistung berechtigt den anderen Partner, die Annahme zu verweigern oder Garantieforderungen zu erheben und Vertragsstrafe und Ersatz des darüber hinaus entstandenen Schadens zu verlangen (§ 88). Im Rahmen der Garantieforderungen sind Nachbesserung (Hauptform), Ersatzleistung und Minderung vorgesehen (§ 94). Bei Leistungsverzug und Nichterfüllung sieht das Gesetz Vertragsstrafe und darüber hinaus Ersatz des entstandenen Schadens vor. Im Falle des Verzuges steht dem Auftraggeber ein Rücktrittsrecht vom Vertrage zu, wenn die Leistung dadurch ihren wirtschaftlichen Zweck verliert. Neu normierte Pflichtverletzungstatbestände sind die Rechtsmängelfreiheit (§ 99), die Mitteilungspflicht bei drohendem Verzug oder Nichterfüllung (§ 105 Abs. 1) und die verspätete Rückgabe des Nutzungs[S. 1517]gegenstandes (§ 105 Abs. 2). Neben den Sanktionsformen der Abnahmeverweigerung, Garantieforderung, des Rücktritts, Aufwendungs- und Schadensersatzes und der Vertragsstrafe — ausschließliche Detailregelung in der 5. DVO zum Vertragsgesetz (GBl. I, S. 342) — werden in den §§ 109/110 die Wirtschaftssanktionen geregelt. Damit können Wirtschaftseinheiten bei der Verletzung von Pflichten, die unmittelbar gegenüber dem Staat bestehen, zur Gewährleistung der Staatsdisziplin zur Zahlung von Geldbeträgen an den Staatshaushalt verpflichtet werden.

 

D. Staatliches Vertragsgericht (StVG)

 

 

Das durch die VO vom 6. 12. 1951 geschaffene Staatliche Vertragsgericht nahm im April 1952 seine Tätigkeit auf. Als rechtliche Grundlage für die Tätigkeit des StVG gilt heute eine VO vom 12. 3. 1970 (GBl. II, S. 205). Mit dem § 22 des VG von 1982 wurden jedoch Stellung und Aufgaben des StVG erstmals ausführlich in Form einer Grundsatzvorschrift präzisiert, so daß schon bald mit einer entsprechenden Novellierung der Verfahrensordnung zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang erfuhren die Absätze 3 und 4 des § 22 VG durch die 4. DB zur VO über die Aufgaben und die Arbeitsweise des StVG — Ausspruch von Anerkennungen und Durchführung von Kontrollverfahren — vom 6. 12. 1983 (GBl. I, 1984, S. 1) eine nähere Ausgestaltung. Das StVG ist nicht Teil der justiziellen Gerichtsbarkeit und somit kein Gericht im eigentlichen Sinne, sondern als juristische Person ein zentrales staatliches Organ, das dem Ministerrat unterstellt und rechenschaftspflichtig ist. Als eine Institution der Wirtschaftsleitung arbeitet es jedoch mit gerichtsähnlichen Methoden (Spruchtätigkeit). Das Gericht wird von einem Vorsitzenden (gegenwärtig: Manfred Flegel, Stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates, NDPD) geleitet. Es gliedert sich in das zentrale Vertragsgericht und die Bezirksvertragsgerichte. Die Zuständigkeit der Vertragsgerichte in den Bezirken richtet sich nach dem Sitz des Antragsgegners, soweit die Entscheidung nicht beim Zentralen StVG liegt. In seine Kompetenz fallen Streitigkeiten, die für die Entwicklung der Volkswirtschaft, für die Förderung des wissenschaftlich-technischen Fortschritts, die Steigerung der Arbeitsproduktivität und für die Durchsetzung des ökonomischen Systems der Leitung und Planung von besonderer Bedeutung sind. Seine allgemeine Funktion liegt darin, für die Durchsetzung der in den Beschlüssen der SED und der Regierung formulierten Wirtschaftspolitik und deren Konkretisierung in den staatlichen Plänen zu sorgen. Das StVG entscheidet in einem Schiedsverfahren durch Beschluß zu folgenden Gegenständen:

  1. den Abschluß, die Änderung und die Aufhebung eines Vertrages (Gestaltungsverfahren),
  2. den Anspruch auf Leistungen aus Verträgen oder sonstige Leistungen (Leistungsverfahren),
  3. die Festsetzung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Verantwortlichkeit von Vertragsverletzungen (Feststellungsverfahren),
  4. die Sicherung der Vertragserfüllung (Kooperationsverfahren),
  5. den Anspruch auf Ausgleich ökonomischer Nachteile (Ausgleichsverfahren).

 

Die Grundsatzregelung des § 22 VG orientiert sich an Rechtssätzen, die in der Neufassung der VO über die Aufgaben und die Arbeitsweise des StVG vom 12. 3. 1970 (GBl. II, S. 209) enthalten sind. Durch erweiterte Aufgaben wurde die Position des Zentralen StVG gestärkt. So kann das Gericht auch Leitern von Wirtschaftseinheiten und staatlichen Organen, mit Ausnahme der zentralen staatlichen Organe, Auflagen erteilen. Sein Vorsitzender kann von Leitern zentraler Staatsorgane die Herbeiführung von Entscheidungen beim Abschluß und der Erfüllung von Wirtschaftsverträgen verlangen, wenn die ihnen unterstehenden Kombinate und staatlichen Organe alle Möglichkeiten zu einer Klärung ausgeschöpft haben. Neu ist die Möglichkeit, solchen Wirtschaftseinheiten, die ihre Pflichten zur Sicherung der „Einheit von Plan, Bilanz und Vertrag“ bei dem Abschluß und der Erfüllung der Wirtschaftsverträge vorbildlich erfüllen, eine Anerkennung auszusprechen. Für den umgekehrten Fall bleibt es bei der bisherigen Regelung, Sanktionen verhängen zu können. Bei Verletzungen der Staatsdisziplin kann das StVG Wirtschaftssanktionen bis zu 500.000 Mark festlegen (§ 110 VG).

 

Rechtserziehend wirkt das Gericht neben der Spruchtätigkeit auch durch Prophylaxe. Indem es Leitern von Betrieben, Kombinaten, Einrichtungen und gleichgestellten Organen Auflagen dann erteilt, wenn es Mängel oder Rechtswidrigkeiten bei der Vorbereitung und Erfüllung von Wirtschaftsverträgen feststellt, soll das Gericht Rechtsstreitigkeiten vermeiden helfen. Es bedient sich dabei des Beauflagungsverfahrens (§ 22, Abs. 5 VG).

 

Ferner erfüllt das StVG eine rechtspolitische Informations- und Lenkungsaufgabe, indem es die bei seiner Tätigkeit gewonnenen Kenntnisse auszuwerten, zu verallgemeinern und dem Ministerrat Vorschläge für notwendige Veränderungen zu unterbreiten hat wie auch die zuständigen Staatsorgane durch einzelne Informationen, Berichte und Analysen zu unterrichten sind. Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die Mitwirkung bei der einschlägigen Gesetzgebung, die dem Vorsitzenden des StVG obliegt. Zudem erläßt er Kommentierungen mit grundsätzlichem Charakter zu den Rechtsnormen des Vertragssystems. Das StVG kann auch Verfahren ohne Antrag einleiten. 1980 wurden vor den verschiedenen Instanzen des StVG insges. fast [S. 1518]33.000 Verfahren durchgeführt, davon rd. 6.500 ohne Antrag.

 

Gegen Schiedssprüche der Bezirksvertragsgerichte können die Vertragspartner und ihre übergeordneten Organe beim Vorsitzenden des zentralen StVG Einspruch einlegen und, nach Prüfung der Voraussetzungen, ein Nachprüfungsverfahren in Gang setzen. Liegen die Voraussetzungen — Widerspruch zu den im sozialistischen Recht enthaltenen Grundsätzen der Wirtschaftspolitik — nicht vor, wird der Einspruch zurückgewiesen. Jedoch kann der Vorsitzende des zentralen StVG ein Nachprüfungsverfahren aus eigenem Ermessen einleiten, wie ihn auch der Vorsitzende des Ministerrates im Rahmen der allgemeinen Dienstaufsicht hierzu anweisen kann. Am Ende des Nachprüfungsverfahrens steht ein unanfechtbarer Beschluß.

 

Nicht zuständig ist das Gericht für Streitigkeiten zwischen Kombinatsbetrieben, denen entsprechend der Kombinats-VO vom 8. 11. 1979 (GBl. I, S. 355) durch den Generaldirektor geregelte Kooperationsbeziehungen zugrunde liegen (Betriebsformen und Kooperation, V. B.). Allerdings sollen die Grundsätze des Vertragsgesetzes bei der kombinatsinternen Kooperation beachtet werden.

 

Ralf Rytlewski/Nikolaus Zornek

 

Literaturangaben

  • Gabler, U.: Plan — Bilanz — Vertrag. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1978.
  • Heuer, U.-J.: Recht und Wirtschaftsleitung im Sozialismus. Von den Möglichkeiten und von der Wirklichkeit des Rechts. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1982.
  • Heuer, U.-J.: Sozialistisches Wirtschaftsrecht — Instrument der Wirtschaftsführung. Berlin (Ost): Dietz 1971.
  • Kommentar zum Kooperationsrecht. Autorenkoll. u. Ltg. v. O. Spitzner. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1970.
  • Kommentar zum Vertragsgesetz. Autorenkoll. u. Ltg. v. O. Spitzner. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1967.
  • Lehr- und Studienmaterial zum Wirtschaftsrecht. Hefte 1–8. Autorenkoll. u. Ltg. v. H. Such, R. Schüsseler. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1972–1974.
  • Lexikon der Wirtschaft — Wirtschaftsrecht. Autorenkoll. u. Ltg. von H. Such. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1978.
  • Spitzner, O.: Wirtschaftsverträge — sozialistische Wirtschaftsleitung. Rolle und Bedeutung der Wirtschaftsverträge im neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1965.
  • Vertragsgesetz: Kommentar zum Gesetz über das Vertragssystem in der sozialistischen Wirtschaft vom 25. Feb. 1965. Autorenkoll. u. Ltg. v. G. Walter. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1975.
  • Walter, G.: 20 Jahre Vertragsgericht. In: Wirtschaftsrecht 1972, S. 1 ff. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1972.
  • Wirksamkeit des Wirtschaftsrechts. Autorenkoll. u. Ltg. v. U.-J. Heuer. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1979.
  • Wirtschaftsrecht für das staatswirtschaftliche Studium. Grundriß. Autorenkoll. u. Ltg. v. G. Feige. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1978.
  • Wirtschaftsrecht — Lehrbuch. Autorenkoll. u. Ltg. v. U.-J. Heuer. Erscheint voraussichtlich I. Quartal 1985.
  • Wirtschafts- und Außenwirtschaftsrecht für Ökonomen. Autorenkoll. u. Ltg. v. G. Pflicke. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1977.

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 1506–1518


 

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Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.