Agrarpolitik (1985)
I. Theoretische Grundlagen
Mit der Errichtung eines auf den Prinzipien des Marxismus-Leninismus beruhenden Wirtschaftssystems wurde nach 1945 in der SBZ/DDR auch die marxistisch-leninistische Agrartheorie in ihrer sowjetischen Ausformung für die praktische A. der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) verbindlich.
Karl Marx war in der Begründung seiner Agrartheorie davon ausgegangen, daß in der Landwirtschaft der wissenschaftlich-technische Fortschritt zwangsläufig (gesetzmäßig) zu den gleichen Effekten führe (Überlegenheit des Großbetriebes), die er für die Entwicklung der Industrie des frühen 19. Jahrhunderts festgestellt zu haben meinte. Nach seinen Überlegungen sollten daher in der Landwirtschaft die gleichen Konzentrations- und Spezialisierungsprozesse wie in der Industrie eintreten, d.h. die gesamte bisherige Art und Weise der Erzeugung pflanzlicher und tierischer Produkte nach dem Beispiel der industriellen Großproduktion umgestellt werden. Dieser kapitalaufwendige Prozeß mußte nach seiner Meinung unter privatwirtschaftlichen (kapitalistischen) Verhältnissen dazu führen, daß die Masse der Agrarproduzenten (Klein- und Mittelbauern) zunehmend verelendete, zu eigentumslosen Landarbeitern würde oder gar gänzlich aus dem Produktionsprozeß ausschiede. Er sah jedoch gleichzeitig, daß selbst das auf diesem Weg entstandene „Landproletariat“ kein sicherer „Bündnispartner“ (Bündnispolitik) einer proletarischen Revolution sein würde, und riet deshalb, die Bauern durch materielle Anreize für die Sache der Arbeiterklasse zu gewinnen oder zumindest neutral zu halten.
Die Schwierigkeit einer derartigen Politik bestand jedoch darin, daß fast alle Marxisten aus gesellschaftspolitischen Gründen und aus Rentabilitätsüberlegungen die Errichtung nichtprivater landwirtschaftlicher Großbetriebe als unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren einer sozialistischen Gesellschaftsordnung ansahen. Eine proletarische Revolution konnte gerade aus diesen Gründen keine Garantie für die Beibehaltung oder gar Wiederherstellung privatbäuerlicher Betriebe geben. — Friedrich Engels, der sich intensiver als Marx mit der Agrarfrage beschäftigte und die emotionale Bindung der Bauern an ihren Grund und Boden realistischer bewertete, warnte aus diesen Gründen davor, die Bauern durch die Forderung nach einer Vergesellschaftung von Grund und Boden zu Gegnern der Revolution werden zu lassen. Als Ausweg aus diesem Dilemma entwickelte Engels den schon von Marx erwogenen Gedanken, materielle Anreize für die Gewinnung der Bauern einzusetzen, weiter. Er ging davon aus, daß insbesondere die Kleinbauern für einen kollektiven Zusammenschluß gewonnen werden müßten und könnten, und schlug deshalb eine differenzierte Behandlung der Bauernschaft vor: lediglich der Großgrundbesitz sollte wegen seiner „kapitalistischen“ Produktionsweise enteignet werden; bei den selbst noch unmittelbar in der landwirtschaftlichen Produktion tätigen Groß- und Mittelbauern könne dagegen von einer Enteignung abgesehen werden, um diese im revolutionären Prozeß neutral zu halten; dagegen seien die Kleinbauern aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation von vornherein für die Sache der Revolution zu gewinnen. Mit dem wirtschaftlichen Erstarken der kollektiv bewirtschafteten Betriebe nach erfolgter Revolution ergäbe sich zwangsläufig ein Niedergang der Groß- und Mittelbauern, dem diese auf Dauer nur durch den Anschluß an die Kollektivwirtschaften entgehen könnten.
Lenin hat nach der russischen Oktoberrevolution die von Marx und Engels für die Revolution in einem Industriestaat entwickelten Agrarthesen weitergeführt und versucht, die im damaligen Agrarstaat Rußland bestehenden Verhältnisse zu berücksichtigen. Er unterschied — einschließlich der Landarbeiter — bis zu 6 Klassen/Schichten der ländlichen Bevölkerung, die ihren unterschiedlichen Interessen entsprechend in verschiedener Weise behandelt werden sollten. Großgrundbesitzer und Großbauern sollten enteignet und der politische und sozialökonomische Einfluß der Mittelbauern beseitigt werden, da diese sozialen Gruppen als Gegner der Revolution angesehen wurden.
Kennzeichnend für die frühe sowjetische A. war, daß Lenin die enteigneten Betriebe mit ihrem Grund und Boden zwar verstaatlichte, die Flächen und das Inventar aber zunächst noch Landarbeitern, Heuerlingen und landarmen Bauern zur privatwirtschaftlichen Nutzung überließ. Erst zu einem späteren Zeitpunkt sollten die kleinbäuerlichen Betriebe auf genossenschaftlicher Basis organisiert und mit dem [S. 14]Aufbau großer Kollektivbetriebe begonnen werden. Von der fortschreitenden Mechanisierung wurde ferner die Angleichung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Landbevölkerung an die der Stadt erwartet. Versuche, sofort zum Aufbau von Kollektivwirtschaften überzugehen, wurden 1921 — wegen des im Gefolge des Bürgerkrieges eingetretenen wirtschaftlichen Chaos — vorläufig aufgegeben. Über die stufenweise Einrichtung von Kollektivwirtschaften veröffentlichte Lenin 1923 in der „Prawda“ mehrere Aufsätze, die gemeinsam mit anderen Veröffentlichungen aus den Jahren 1917–1922 als „Leninscher Genossenschaftsplan“ bekannt geworden sind. Dieser Genossenschaftsplan bzw. die „schöpferische Auslegung und Anwendung der theoretischen, praktischen und taktischen Hinweise Lenins zur Führung der Bauernschaft bei der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft und bei der Weiterentwicklung der sozialistischen Produktionsverhältnisse auf dem Lande“ ist in der Folgezeit zur Grundlage der A. aller sozialistischen Staaten geworden. (Der Leninsche Genossenschaftsplan, Kernstück der Bündnis- und Agrarpolitik der KPdSU. — Chrestomathie, Autorenkollektiv u. Ltg. von J. Müller, Markkleeberg 1978, S. 5.)
II. Ziele und Instrumente der Agrarpolitik
Die agrarpolitische Zielsetzung in der SBZ/DDR richtete sich seit 1945 vornehmlich auf eine möglichst weitgehende Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sowie auf die Belieferung der Industrie mit landwirtschaftlichen Rohstoffen aus einheimischer Produktion (hoher Selbstversorgungsgrad). Der Nahrungsgüterimport sollte zunehmend auf Produkte, die aus klimatischen Gründen nicht in der DDR erzeugt werden konnten, sowie auf die Einfuhr von Zuchtmaterial beschränkt werden.
Bereits 1945 wurde mit der Umgestaltung der Agrarverfassung auf der Grundlage der marxistisch-leninistischen Agrartheorie, d.h. mit einer Änderung der bestehenden Eigentumsordnung, der Besitz- und Betriebsgrößenstruktur sowie der Arbeitsverfassung begonnen. Langfristig strebte die SED die Entwicklung spezialisierter Großbetriebe auf der Grundlage kollektiven Eigentums und die Angleichung der ländlichen Arbeits- und Lebensbedingungen an die der Stadt an.
Soweit in der Verfolgung der beiden genannten Hauptziele Konflikte auftraten, wurde dem Streben nach hohen Erzeugungsleistungen Vorrang gegeben, sofern dadurch keine Gefährdung der gesellschaftspolitischen Ziele eintrat. Andererseits nahm die SED jedoch auch Produktionseinbußen in Kauf, wenn Verzögerungen oder Einschränkungen bei der Durchsetzung ihrer gesellschaftspolitischen Vorstellungen drohten.
Für die Erreichung der genannten Ziele wurde das traditionelle agrarpolitische Instrumentarium (Preisgestaltung, Steuern, Agrarkredite, Subventionen usw.; Agrarpreissystem; Agrarsteuern) um zahlreiche mehr oder weniger administrative Maßnahmen erweitert. Zu diesen zählten die entschädigungslose Enteignung von Betrieben und Betriebsmitteln, Auflagen für die Ausgestaltung der Betriebsorganisation, Vorschriften über die Verwendung der Erzeugnisse und der Betriebseinkommen sowie die Investitionsmittellenkung, die Auflösung, Umbildung und/oder Neueinrichtung von landwirtschaftlichen Dienstleistungsbetrieben und -organisationen. Um ihren organisatorischen Einfluß sicherzustellen, gründete die SED außer in den Gemeinden auch sehr bald in den Landwirtschaftsbetrieben eigene Parteigruppen. Diese waren und sind mit Kontrollrechten gegenüber den Betriebsleitungen ausgestattet (Grundorganisationen der SED). Daneben wurde und wird die SED in ihrer A. und Agrarpropaganda auch von den anderen Parteien und Massenorganisationen unterstützt. Gleichen Zielen dienen zahlreiche Schulungs- und Ausbildungseinrichtungen, die sowohl auf produktionstechnische als auch auf gesellschaftspolitische Ziele ausgerichtet sind (Bauernkongreß der DDR; Berufsausbildung, landwirtschaftliche; Genossenschaftsbauer; Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe [VdgB]).
III. Entwicklungsetappen bei der Verfolgung der agrarpolitischen Ziele
Der Aufbau sozialistischer Großbetriebe mit spezialisierter Produktionsrichtung in der Landwirtschaft der DDR folgte dem Vorbild der UdSSR und damit dem Leninschen „Genossenschaftsplan“. Ebenso wie in der UdSSR wurden die aus gesellschaftspolitischen Gründen zuvor künstlich geschaffenen und vielfach nicht existenzfähigen Kleinbetriebe zu kollektiven Großbetrieben zusammengefaßt, wobei nicht selten die wirtschaftlichen Zielkonflikte zwischen hoher Arbeits- und Flächenproduktion sowie zwischen hoher Nutzungsintensität und Betriebsgröße nur ungenügend berücksichtigt wurden. Auf dem Wege zur sozialistischen Agrarverfassung sind in der SBZ/DDR folgende Phasen zu unterscheiden, die sich allerdings teilweise überlappen bzw. fließend ineinander übergehen:
- A. Die Bodenreform 1945–1949;
- B. Die erste Zuspitzung des Klassenkampfes auf dem Lande 1949–1952/53;
- C. Die Kollektivierung 1952–1960;
- D. Konsolidierung und Konzentration durch Kooperation 1960–1968;
- E. Die Industrialisierung der Landwirtschaft 1968–1983.
A. Die Bodenreform 1945--1949
Gestützt auf eine gemeinsame Erklärung der nach Kriegsende zugelassenen Parteien ergingen in den [S. 15]Ländern der SBZ zwischen dem 3. und 10. 9. 1945 gleichlautende „Verordnungen über die Bodenreform“, die kurz zuvor aus dem Russischen übersetzt worden waren und mit den Texten ähnlicher VO in anderen osteuropäischen Staaten zumindest in einzelnen Passagen wörtlich übereinstimmten. Als die Außenminister der 4 Besatzungsmächte den Plan einer Bodenreform für ganz Deutschland am 12. 4. 1947 billigten, war diese deshalb in der damaligen SBZ schon fast abgeschlossen.
Die VO über die Bodenreform hatten vornehmlich zum Inhalt, daß
- sämtliche Betriebe mit mehr als 100 ha Betriebsfläche einschl. des gesamten Inventars und
- sämtliche Betriebe auch unter 100 ha, deren Eigentümer als aktive Vertreter der NSDAP bzw. als Kriegsschuldige oder Kriegsverbrecher eingestuft wurden, entschädigungslos zu enteignen waren.
Der Großgrundbesitz hatte in den 5 Ländern der SBZ unterschiedliches Gewicht. Während in Thüringen und Sachsen nur 10 bzw. 13 v.H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche (LN) von Betrieben mit mehr als 100 ha bewirtschaftet wurden, waren es in Sachsen-Anhalt 27 v.H., in Brandenburg 30 v.H. und in Mecklenburg 48 v.H. Die Durchführung der Bodenreform erfolgte — unter Anleitung der Länderverwaltungen — durch die Kreis- und Gemeindeverwaltungen. Auf sämtlichen Verwaltungsebenen wurden insgesamt rd. 10.000 Bodenreformkommissionen mit 52.292 Mitgliedern gebildet (Zusammensetzung: Parteilose 56,8 v.H.; KPD 23,9 v.H.; SPD 17,5 v.H.; LDP und CDU zusammen 1,8 v.H.). Das Grundeigentum der Kirchen wurde von der Bodenreform nicht betroffen.
Die enteigneten Flächen wurden gemeinsam mit denen der landeseigenen Betriebe sowie anderer Körperschaften einem Bodenfonds zugeführt. Die in den enteigneten Betrieben vorhandenen Maschinen und Gerätschaften bildeten den Grundstock für die sehr bald geschaffenen Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS), aus denen die Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) hervorgehen sollten.
Von den in Volkseigentum überführten rd. 1,1 Mill. ha waren 0,61 Mill. ha forstwirtschaftliche und 0,498 Mill. ha landwirtschaftliche Nutzflächen; bei den an Private verteilten rd. 2,2 Mill. ha entfielen 0,433 Mill. ha auf Waldflächen und 1,757 Mill. ha auf LN. Auf den in Privatbesitz vergebenen Flächen entstanden rd. 210.000 Neubauernstellen. Rd. 122.000 bereits bestehende Betriebe (landarme Bauern, Pächter) erhielten zusätzliches Land (im Durchschnitt 2,8 ha). 460.000 Altbauern bekamen eine „Waldzulage“ und mehr als 183.000 Personen Gartenland.
Mit der Bodenreform stieg die Zahl der Betriebe, die vor dem II. Weltkrieg auf dem Gebiet der heutigen DDR bei rd. 570.000 gelegen hatte, auf fast 800.000 an. Diese Zahlenangaben belegen, daß die Bodenreform vor allem die Zahl der wirtschaftlich schwachen, weil in der Regel unzureichend mit Maschinen, Inventar und Vieh ausgestatteten Betriebe unter 20 ha (d.h. die Gruppe der „werktätigen Bauern“) vermehrte. Es waren im wesentlichen Flüchtlinge und Umsiedler aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße sowie ehemalige Landarbeiter, die Neubauernstellen erhielten. Im Unterschied zur Veränderung der Agrarstruktur in Rußland in der Folge der Oktoberrevolution war mit der Bodenreform in der SBZ keine generelle Verstaatlichung von Grund und Boden vorgenommen worden. Lediglich ein Drittel der enteigneten Flächen war den bestehenden Staatsgütern und landeseigenen Betrieben (die in „Volkseigentum“ überführt wurden) zugeschlagen worden. Der Bodenreform fielen jedoch die ökonomisch stärksten agrarischen Wirtschaftseinheiten zum Opfer, allerdings ohne daß zunächst die Masse der Bauern in ihrem Besitzstand angegriffen worden wäre. Es wurden sogar für diese Bauern Eigentumsgarantien ausgesprochen und noch in die DDR-Verfassung vom 7. 10. 1949 aufgenommen. Immer erneut leugneten in jenen Jahren die für die A. der SED Verantwortlichen die Absicht einer späteren Kollektivierung.
Zur Sicherung der Nahrungsmittelversorgung wurde eine Ablieferungspflicht eingeführt und Ablieferungsnormen (je ha LN) festgesetzt. Die über die Ablieferungsnormen hinaus erzeugten Produkte durften auf hierfür eingerichteten „Bauernmärkten“ zu frei ausgehandelten (und deshalb höheren) Preisen verkauft werden.
Bereits 1945 waren auf Anweisung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) die Bäuerlichen Raiffeisengenossenschaften wieder zugelassen worden, die bis zur Bildung der Vereinigung Volkseigener Erfassungs- und Aufkaufbetriebe (VVEAB) im Jahre 1949 über die Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG) (Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe [VdgB]) den Aufkauf von Agrarerzeugnissen organisierten. Als Massenorganisation für die Bauern war zugleich mit der Bodenreform die VdgB gegründet worden, die u.a. die in den Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS) zusammengefaßten Maschinen verwaltete. (Die MAS [S. 16]wurden nach 1949 zu selbständigen Betrieben mit Produktions-, Reparatur- und Lagereinrichtungen ausgebaut.)
B. Die erste Zuspitzung des Klassenkampfes auf dem Lande 1949--1952/53
Die kurz nach Kriegsende ausgesprochene Eigentumsgarantie für die privatbäuerlichen Betriebe galt bereits 1949 — als sie ausdrücklich in die DDR-Verfassung aufgenommen wurde — faktisch nur noch für den Besitz der Klein- und Mittelbauern. Auch für diese Gruppe wurde sie spätestens mit der Kollektivierung bis zur Unkenntlichkeit eingeschränkt, als die privaten Eigentümer aller Betriebsgrößen den neu entstehenden Kollektivwirtschaften (Genossenschaften) das uneingeschränkte und dauernde Nutzungsrecht an den eingebrachten Produktionsmitteln und -flächen übertragen mußten.
Der nach der Bodenreform eingeleitete „Klassenkampf auf dem Lande“ hatte zum Ziel, die mit der Bodenreform entstandene Mehrheit der „werktätigen Bauern“ als Bündnispartner für die A. der SED zu gewinnen und gleichzeitig die Großbauern (Betriebe über 50 ha, später über 20 ha) und im weiteren auch die Mittelbauern sozial zu isolieren und deren wirtschaftlichen Niedergang zu betreiben. Zur Förderung dieser Ziele wurde ein Unterstützungsprogramm für die Klein- und Neubauern ausgearbeitet, auf dessen Grundlage mit Hilfe von Staatszuschüssen (1,35 Mrd. Mark in den Jahren bis 1953) rd. 95.000 Wohngebäude, 104.000 Kleinställe und 39.000 Scheunen neu errichtet wurden, während gleichzeitig Bauern mit mehr als 20 ha LN vielfältigen restriktiven Maßnahmen ausgesetzt wurden.
Das Ablieferungssystem wurde mit der Schaffung der VVEAB so gestaffelt, daß Betriebe mit mehr als 50 ha (später auch mit mehr als 20 ha) erheblich höhere Mengen je ha zu niedrigeren Erfassungspreisen abliefern mußten als Betriebe unter 10 ha LN. Damit hatten die meist vieharmen Großbetriebe kaum noch die Möglichkeit, Teile ihrer Produktion (die das Abgabesoll übersteigenden „Freien Spitzen“) zu den weit höheren Aufkaufpreisen zu liefern bzw. auf den Bauernmärkten zu verkaufen (Agrarpreissystem).
Eine bedeutende Rolle im Kampf gegen die Groß- und Mittelbauern spielten die Maschinen-Ausleih-Stationen (MAS) (1952 in die Maschinen-Traktoren-Stationen [MTS] umbenannt), die ausdrücklich als „Stützpunkte der Arbeiterklasse auf dem Lande“ bezeichnet wurden. Die Tarife der MAS wurden 1949 so gestaffelt, daß mit zunehmender Betriebsgröße höhere Ausleihgebühren je ha entrichtet werden mußten. Gleichzeitig wurden darüber hinaus die Betriebsmittel-, Maschinen- und Ersatzteilversorgung für die größeren Betriebe eingeschränkt und erschwert. Die Ersatzteil- und Produktionsmittelbeschaffung auf dem „Schwarzmarkt“ gegen höhere als die amtlich festgesetzten Preise wurde ebenso wie die Nichterfüllung der Ablieferungspflichten als Wirtschaftsverbrechen bestraft. Die Inhaftierung von Groß- und Mittelbauern mußte deren Betriebe in große zusätzliche Schwierigkeiten bringen.
Ferner wurden die traditionellen Selbsthilfeorganisationen der Bauern, die Raiffeisengenossenschaften bzw. Genossenschaftskassen, unter staatliche Kontrolle gestellt und 1950 als BHG der VdgB angeschlossen.
Diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Diskriminierungen der Groß- und Mittelbauern führten schließlich dazu, daß bereits bis 1953 rd. 24.000 bäuerliche Betriebe mit rd. 700.000 ha LN (11 v.H. der LN der DDR) aufgegeben, verlassen oder beschlagnahmt wurden.
C. Die Kollektivierung 1952--1960
Im Gegensatz zu zahlreichen früheren Beteuerungen beschloß die SED auf ihrer 2. Parteikonferenz im Juli 1952 die „freiwillige Vorbereitung des Sozialismus auf dem Lande“ durch Gründung Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften (LPG). Um den Bauern den Zugang zur kollektiven Betriebsweise zu erleichtern, wurden drei Typen von LPG konzipiert, die sich durch einen unterschiedlichen Grad der Vergesellschaftung der Produktionsmittel voneinander unterschieden (Landwirtschaftliche Betriebsformen, III. A.). Trotz dieser Zugeständnisse bedeutete die Vorbereitung zur Gründung von LPG die Ausdehnung des „Klassenkampfes auf dem Lande“ auf alle privaten Landwirtschaftsbetriebe.
An der Gründung der LPG war die alteingesessene bäuerliche Bevölkerung bis zum Jahre 1957 nur in geringem Umfang beteiligt. Mitglieder wurden vielmehr in diesen Jahren fast ausnahmslos Neubauern, Arbeiter und Inhaber wirtschaftsschwacher Betriebe, was zur Folge hatte, daß auch die Wirtschaftsleistung der LPG unbefriedigend blieb. Am Jahresende 1952 gab es 1906 LPG mit rd. 218.000 ha LN (3,3 v.H. der LN der DDR). Ihre Zahl wuchs bis 1955 auf 6.047 (19,7 v.H. der LN der DDR) und bis 1957 auf 6.691 (25,2 v.H. der LN der DDR). Die anhaltende Ablehnung der Bauernschaft gegenüber den LPG, wie sie in dieser relativ geringen zahlenmäßigen Zunahme zum Ausdruck kommt, wurde offiziell mit den negativen Einflüssen des „Klassenfeindes“ erklärt (Juni-Aufstand 1953 in der DDR, 1956 Unruhen in Polen und Ungarn usw.); dieser Widerstand führte aber auch zeitweise zu einer Mäßigung der Kollektivierungskampagnen der SED.
Die LPG-Mitglieder setzten sich 1957 wie folgt zusammen: 28,5 v.H. Neubauern, 42,5 v.H. Landarbeiter, 11,3 v.H. Industriearbeiter, 5,1 v.H. Parteifunktionäre, Mitglieder der Landintelligenz u.a. Altbauern waren dagegen nur mit 12,6 v.H. [S. 17](10,3 v.H. Kleinbauern, 2,3 v.H. Bauern mit Wirtschaften von mehr als 20 ha LN) vertreten. Die von den LPG bewirtschafteten Flächen stammten zu 54 v.H. aus den 1953 gebildeten „Örtlichen Landwirtschaftsbetrieben“ (Landwirtschaftliche Betriebsformen, III. C.), die überwiegend den Boden von verlassenen bäuerlichen Betrieben bewirtschafteten.
Die ausschließlich den MTS zur Verfügung gestellten neuen Maschinenkapazitäten wurden bereits 1955 zu 64 v.H., später zu 80–90 v.H. in den LPG eingesetzt. Demgegenüber hatten die privaten Bauernwirtschaften nicht nur die hohen Tarife für Arbeiten der MTS zu entrichten, sondern konnten auch selbst keine neuen Maschinen anschaffen. Darüber hinaus wurden die LPG trotz ihrer vergleichsweise beachtlichen Größe in ihren Ablieferungsnormen um 10–20 v.H. niedriger eingestuft als private Betriebe mit 5–10 ha LN. Ferner erhielten die LPG Sonderkredite, Wirtschaftsbeihilfen u.a. Der Aufbau der LPG war mit der Gründung von Grundorganisationen der SED verbunden, die in Zusammenarbeit mit den in den MTS bestehenden politischen und kulturellen Abteilungen der SED die „Umgestaltung des Dorfes auf sozialistischer Grundlage“ vorantreiben sollten.
Nachdem in den Jahren 1958 und 1959 der wirtschaftliche und psychologische Druck gegen die verbliebenen privaten Betriebe (rd. 530.000 Betriebe mit rd. 66 v.H. der LN) mit nur mäßigem Ergebnis außerordentlich verstärkt worden war, ging die SED im Frühjahr 1960 unter Einsatz aller Mittel gegen die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandenen rd. 450.000 Einzelbauern vor. Innerhalb von nur 3 Monaten wurden fast 2,5 Mill. ha (ca. 39 v.H. der LN) kollektiviert — fast ebensoviel wie in den 7½ Jahren zuvor.
D. Konsolidierung und Konzentration durch Kooperation 1960--1968
In den folgenden Jahren ging es der SED zunächst darum, die während der Kollektivierungskampagne des Jahres 1960 vielfach überhastet gebildeten LPG, die mehr einer Agglomeration von Einzelwirtschaften denn einem organisierten Großbetrieb entsprachen, mit einer funktionsfähigen inneren Organisation zu versehen, die Produktionseinbrüche der Jahre 1961/62 wettzumachen und diese neuen Genossenschaften in gefestigte LPG des Typs III zu überführen. Der — insbesondere 1960 — überwiegend unfreiwillige Eintritt der Bauern in die LPG hatte nämlich zur Folge gehabt, daß fast ausschließlich LPG des Typs I gebildet worden waren. Damit befanden sich jedoch auch nach der Vollkollektivierung noch wesentliche Teile der Nutzflächen (Grünland, Wald) und des Besatzkapitals (Gebäude, Maschinen, Vieh) in privat-bäuerlicher Nutzung.
Die Kooperation in der Landwirtschaft erwies sich als ein geeignetes Mittel zur Transformation dieser gesellschaftspolitisch nicht erwünschten Formen der LPG I und II in solche des Typs III sowie zur Vergrößerung der bestehenden Betriebe. Insbesondere die zunächst im Vordergrund stehende horizontale Kooperation führte in der Regel zu einem Zusammenschluß der kooperierenden LPG, wobei gleichzeitig die LPG der Typen I und II in LPG des Typs III überführt wurden. Später erstreckte sich die Kooperation auch auf Investitionen von LPG zur Errichtung gemeinsamer Nebenbetriebe (Meliorationen; Bauwesen).
In den Jahren 1965–1970 wurden im Zuge der horizontalen Kooperation die Betriebe angehalten, Kooperationsgemeinschaften (KOG) zu bilden. Mit dem Übergang zur Industrialisierung wurden diese KOG dann jedoch wieder aufgelöst. Dagegen wurde die gleichfalls begonnene vertikale Integration der Betriebe in Kooperationsverbände (KOV) weitergeführt.
Um die Richtigkeit ihrer Kollektivierungspolitik unter Beweis zu stellen, schuf die Parteiführung für die LPG günstige Rahmenbedingungen bei der Produktionsmittelversorgung, der Subventions-, Preis- und Steuerpolitik, der Entwicklung von Forschung, Lehre und Ausbildung sowie in Form zahlreicher weiterer leistungsfördernder, z. T. auch vertrauensbildender Maßnahmen. — Die MTS wurden aufgelöst und der Maschinenpark den LPG vorerst leihweise, dann später zu verbilligten Preisen übergeben, wobei die LPG der Typen I und II in der Preisgestaltung und in den Finanzierungsmöglichkeiten gegenüber den LPG des Typs III benachteiligt wurden. Das Recht der LPG, ihren Maschinenbedarf eigenverantwortlich zu planen, zu bestellen und zu erwerben, wurde jedoch bald wieder eingeschränkt.
Zur Finanzierung der Investitionen und des steigenden Produktionsmitteleinsatzes wurden die Erzeugerpreise im Rahmen des Neuen Ökonomischen Systems (NÖS) mehrfach verändert und bis zum Ende der 60er Jahre weitgehend vereinheitlicht (Agrarpreissystem). Die auf diese Weise ermöglichten Mehreinnahmen der Betriebe konnten jedoch nur teilweise an die LPG-Mitglieder weitergegeben werden. Zur Vermeidung zu hoher persönlicher Einkommen wurden diese Auszahlungen nämlich davon abhängig gemacht, daß die Betriebe angemessene Rücklagen zur Investitionsfinanzierung bildeten, deren Höhe vor Beginn des Wirtschaftsjahres mit den Kreislandwirtschaftsräten vereinbart werden mußte. Das Jahr 1969 brachte die Einführung eines für jeden Betrieb gesondert zu ermittelnden „Rückführungsbetrages“, der 1971 zur „ökonomisch begründeten Abgabe“ weiterentwickelt wurde (Agrarsteuern). Für ganzjährig mitarbeitende LPG-Mitglieder war bereits 1962 ein staatlich garantiertes Mindesteinkommen von 3.120 [S. 18]Mark/Jahr festgelegt worden. Zugleich wurde die Höhe der jährlichen Einkommen nach oben begrenzt: für die 8.000 Mark (später 7.500 Mark) übersteigenden Einkommen war von den LPG eine progressiv gestaffelte Konsumtionsabgabe zu zahlen. Diese Preis- und Steuerpolitik ermöglichte es, in den Betrieben steigende Beträge zur Finanzierung der Investitionen zu akkumulieren.
Die im NÖS angestrebte Leitung und Planung durch sog. „ökonomische Hebel“ erforderte einschneidende Reorganisationsmaßnahmen in der Wirtschaftsverwaltung (Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft [MfLFN]; Rat für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft [RLN]), die mit ihrem aus der Zeit der Kollektivierung stammenden Aufbau und ihrer Arbeitsweise den neuen Anforderungen der Wirtschaftsreformen nicht mehr entsprachen. Durch die Einbeziehung und Beteiligung der Betriebsleiter und sonstiger Angehöriger der landwirtschaftlichen Bevölkerung auf allen Ebenen der staatlichen Leitung ergab sich eine sinnvolle Zusammenarbeit von Wissenschaft, Praxis und Politik, die gemeinsam mit der flexiblen Anwendung der ökonomischen Hebel und der verbesserten Produktionsmittelversorgung zur bisher erfolgreichsten Entwicklungsphase der Landwirtschaft der DDR beitrug.
Die neue Leitungsorganisation bewirkte einerseits, daß die konkreten Verhältnisse auf dem Lande und die wissenschaftlichen Ergebnisse der Agrarforschung in den Beschlüssen der staatlichen Leitung berücksichtigt wurden. Andererseits war es den in den neu geschaffenen Räten mitwirkenden Vertretern der Landwirtschaftsbetriebe möglich, sich mit den von der Partei- und Staatsführung gefaßten Beschlüssen stärker zu identifizieren. Diese Identifikation mußte jedoch zwangsläufig zu einem Hemmnis werden, sobald die neu entstandenen Betriebsformen im Zuge der Spezialisierung erneut umgestaltet wurden.
E. Die Industrialisierung der Landwirtschaft 1968--1983
1. Ziele. 1964 waren auf dem VIII. Bauernkongreß und der 12. Landwirtschaftsausstellung der DDR (Landwirtschafts- und Gartenbauausstellung der DDR (LuG; agra)) erste Beispiele einer industriemäßigen Agrarproduktion vorgestellt worden, ohne daß diese jedoch zunächst weiter verfolgt worden wären. Erst auf dem X. und XI. Bauernkongreß (1968 bzw. 1972) sowie dem VII. und VIII. Parteitag der SED (1967 bzw. 1971) wurde der Übergang zu industriemäßigen Produktionsmethoden in der Landwirtschaft zum agrarpolitischen Hauptziel der SED erklärt.
Die industriemäßige Agrarproduktion sollte der letzte Schritt des von den Klassikern des Marxismus-Leninismus vorgezeichneten gesetzmäßigen Entwicklungsweges der Landwirtschaft sein. Die industrielle Großproduktion sollte auch in der Landwirtschaft gewährleisten, daß durch sie Handarbeit zunehmend durch Maschinenarbeit ersetzt wird, große einheitliche Partien landwirtschaftlicher Produkte erzeugt, neueste Erkenntnisse der Gesellschafts-, Wirtschafts- und Naturwissenschaften angewendet und die wesentlichen Unterschiede in den Arbeits- und Lebensbedingungen zwischen Stadt- und Landbevölkerung endgültig beseitigt werden. Als auslösende und zugleich vorantreibende Faktoren dieser Entwicklung galten der wissenschaftlich-technische Fortschritt — bzw. allgemeiner — der erreichte Stand der Produktivkräfte. Deren Zusammenwirken erfordere „gesetzmäßig“ die weitere Konzentration von Nutzflächen und Besatzkapital sowie die Spezialisierung der Betriebe auf bestimmte Produkte, um die in der Industrie nachgewiesenen Vorteile der Serien- bzw. Massenproduktion auch in der Landwirtschaft wirksam werden zu lassen.
Im Zuge der daraus resultierenden Intensivierung, d.h. des Einsatzes ertragssteigernder Mittel und Maßnahmen (Düngung, Pflanzenschutz, Veterinärpharmaka, Züchtung, Mechanisierung, Meliorationen usw.), sollte auch die Abhängigkeit der Landwirtschaft von negativen Witterungseinflüssen eingeschränkt und die Nahrungsgütererzeugung in einen wissenschaftlichen Prozeß überführt werden, der die Naturgewalten in seinen Dienst zu stellen weiß. Zu diesem Zweck wurde u.a. damit begonnen, eine Vielzahl landwirtschaftlicher Trocknungs- und Pelletieranlagen aufzubauen, die Be- und Entwässerungsnetze auszubauen sowie die Beregnungsflächen auszudehnen (Meliorationen).
2. Maßnahmen. Die nach 1965 gebildeten bzw. im Entstehen begriffenen KOG wurden aufgelöst und die ihnen angehörenden Betriebe dazu aufgefordert, andere Formen der Kooperation in der Landwirtschaft einzugehen. Zunächst wurden sie dazu angehalten, ihre gesamte pflanzliche Erzeugung in Kooperativen Abteilungen Pflanzenproduktion (KAP), aus denen später selbständige Betriebe (LPG und VEG Pflanzenproduktion) hervorgingen, gemeinsam zu erledigen (Landwirtschaftliche Betriebsformen, IV. B.). Parallel dazu entstanden als Kooperative Einrichtungen (KOE) weitere spezialisierte „Dienstleistungsbetriebe“, die für jeweils mehrere Betriebe bestimmte Arbeiten, wie Düngung und Pflanzenschutz, technische Trocknung und Strohpelletierung übernahmen. Die aus den MTS hervorgegangenen Kreisbetriebe für Landtechnik (KfL) wurden zu zentralen Reparatur- und Pflegestützpunkten ausgebaut. Die ursprünglichen LPG und VEG, die dadurch fast alle Funktionen eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Ausnahme der tierischen Erzeugung verloren hatten, wurden in LPG bzw. VEG Tierproduktion (LPG [T] bzw. VEG [T]) umbenannt.
[S. 19]Überdies galt in der tierischen Erzeugung der Neubau hochtechnischer, z. T. automatisierter Großanlagen als nahezu einzige Möglichkeit, um auch in diesem Produktionsbereich zur „industrialisierten Produktion“ überzugehen. Aufgrund der damit verbundenen hohen Investitionen für Gebäude und Infrastruktur (Strom, Wasser, Wegenetz) war dieses Ziel nur in Form volkseigener Betriebe oder als gemeinsames Investitionsvorhaben mehrerer LPG als „Kooperative Einrichtung“ zu erreichen. Ein durchaus erwünschter Nebeneffekt war, daß mit dieser Weiterentwicklung des genossenschaftlichen Eigentums dessen Annäherung an die Form des Volkseigentums gefördert wurde.
Die Ende der 60er Jahre angestrebten Stallkapazitäten wurden 1974 nochmals erhöht und im Ergebnis für die einzelnen Tierarten folgende Richtgrößen für den Neubau von Stallanlagen vorgegeben:
Daneben entstanden aber auch Anlagen mit weit höheren Tierkonzentrationen als Volkseigene Kombinate für industrielle Mast (KIM), die — anders als die industriemäßigen Anlagen — in einem geschlossenen Produktionszyklus wirtschaften. Diese KIM sind in der VVB Industrielle Tierproduktion (ab 1. 1. 1984 VE Kombinat Industrielle Tierproduktion) zusammengeschlossen.
Mit der Begründung, die industriemäßige Produktion erfordere den Einsatz von Maschinenkomplexen (Landtechnik), erfolgte mit dem Übergang zu den KAP — nach Bodenreform und Kollektivierung — eine dritte Neuordnung der Flur- und Schlageinteilung, um die leistungsfähigen Maschinensysteme auf möglichst großen Schlägen undifferenziert einsetzen zu können. Durch verstärkte Melioration, die Rodung von Hecken und Feldgehölzen sowie die Begradigung von Schlägen sollte insgesamt die „technologische Eignung der Böden“ verbessert werden. Züchtung und Forschung wurden darauf orientiert, für die industriemäßige Produktion geeignete Pflanzensorten und Tierrassen bereitzustellen.
3. Ergebnisse. Diese Zielsetzungen und die zu ihrer Erreichung ergriffenen Maßnahmen stimmten weitgehend mit den von den Klassikern des Marxismus-Leninismus entwickelten theoretisch-ideologischen Vorstellungen überein. Ihre Verwirklichung hat aber gleichzeitig eine Fülle neuer Probleme mit sich gebracht, die zu ihrer Lösung erneut besonderer agrarpolitischer Maßnahmen bedurft hätten. Diese mit der Industrialisierungskonzeption verbundenen Probleme und Schwierigkeiten fanden in jener Zeit jedoch kaum die notwendige Beachtung. Insbesondere wurde zuwenig in Rechnung gestellt, daß die Agrarproduktion ein biologischer und deswegen nur in engen Grenzen manipulierbarer Prozeß ist und die Pflanzenproduktion saisonabhängig verläuft (Arbeitsausgleich). Außerdem läßt sich die jeweils zu bewirtschaftende Fläche in ihrer räumlichen Ausdehnung nicht konzentrieren, d.h. entsprechend der zunehmenden Größe der zu bewirtschaftenden Schläge stiegen die innerbetrieblichen Transportentfernungen zur Beförderung von Personen und Gütern. Selbst bei den weitgehend flächenunabhängigen Zweigen der Landwirtschaft (vor allem bei der Tierproduktion, z.B. Schweinemast und Geflügelhaltung) führte ein höherer Transportaufwand zu Kostensteigerungen. Weiter mußte eine derart konzentrierte Tierhaltung zu zusätzlichen infrastrukturellen Aufwendungen führen und darüber hinaus erhebliche veterinärhygienische, seuchenprophylaktische und ökologische Probleme mit sich bringen. Die sich daraus ergebenden Folgekosten (zusammen mit den größeren Transportaufwendungen) übertreffen bis heute vielfach die bei der technischen Ausstattung von Großanlagen realisierbaren Kostensenkungen.
Um dennoch den Nachweis einer ökonomischen Überlegenheit der aus vorwiegend gesellschaftspolitischen Gründen (z.B. Annäherung der Genossenschaftsbauern an die Lebensweise der Arbeiterklasse, Abbau der Unterschiede zwischen Stadt und Land) begonnenen Industrialisierung zu erbringen, wurden jene Betriebe und Anlagen, die den agrarpolitischen Vorstellungen der SED von einer „industriell produzierenden Landwirtschaft“ am nächsten kamen, bevorzugt mit günstigen Krediten und Zuschüssen bedacht, mit neuen Maschinen und Saatgutsorten bzw. Konzentratfuttermitteln sowie besonders leistungsfähigen Zuchttieren beliefert. Außerdem wurden den industriemäßig arbeitenden Tierproduktionsanlagen höhere Erzeugnispreise zugestanden (Agrarpreissystem). Auf diese Weise gelang es in den ersten Jahren tatsächlich, in diesen Betrieben höhere Erträge und Rentabilitäten nachzuweisen, zumal weiterhin die verbesserten Ergebnisse aus den betriebsgrößenunabhängig wirkenden Intensivierungsfaktoren (Dünger, Pflanzenschutz, Züchtung) ebenfalls als Folge der Konzentration gewertet wurden. In dem Maße, in dem diese allgemeinen Intensivierungsfaktoren jedoch in allen Betrieben unabhängig von deren Größe wirksam werden konnten, wurden die Nachteile der forcierten Industrialisierung deutlich, ohne daß diese Erfahrungen jedoch zunächst die Konzentrationsbemühungen geschwächt hätten.
Die Spezialisierung der Pflanzenproduktionsbetriebe (LPG [P] und VEG [P]) auf bestimmte Hauptkulturen und deren Trennung von den Betrieben der [S. 20]Tierproduktion führte ferner zu Arbeitsspitzen im Jahresablauf, die nur durch den Einsatz einer wachsenden Zahl „freiwilliger Helfer“ aus anderen Bevölkerungsgruppen (NVA, Schüler, Studenten, Hausfrauen) bewältigt werden konnten und können, während außerhalb der Saison und in den Wintermonaten eine Tendenz zur Unterbeschäftigung besteht, derentwegen ein Teil der in den Landwirtschaftsbetrieben Tätigen in andere Volkswirtschaftsbereiche delegiert werden muß (Forst, Straßenwinterdienst, Industriebetriebe). Zudem sind der Spezialisierung in der Pflanzenproduktion aus phytosanitären Gründen (Fruchtfolge) Grenzen gesetzt, sollen nicht Ertragsdepressionen entstehen. Schließlich erforderte die „Überwindung der unmittelbaren technologischen, organisatorischen und ökonomischen Verflechtung“ von Pflanzen- und Tierproduktion in einem Betrieb die Errichtung zusätzlicher Leitungsebenen sowohl innerhalb als insbesondere zwischen den spezialisierten Betrieben. Diese überbetrieblichen Koordinationsaufgaben werden von sog. Kooperationsräten wahrgenommen, die u.a. Art, Umfang und Zeitpunkt von Lieferungen bzw. Leistungen vereinbaren und Abrechnungsmodalitäten festlegen.
IV. Neue Akzente in der Gegenwart
Die Preissteigerungen für Energie, Getreide und Rohstoffe auf den Weltmärkten und innerhalb des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) führten dazu, daß die geschilderten Nachteile der Industrialisierung der Landwirtschaft (Vervielfachung der Transportentfernungen und -entgelte, überhöhte Produktionskosten, stagnierende Erträge) auch von der SED nicht mehr geleugnet werden konnten. Eine Flucht in noch größere organisatorische Einheiten, wie sie die 1976 vorgestellten Agrar-Industrie-Vereinigungen (AIV) darstellten (sie sollten 30.000–40.000 ha LN zusammenfassen), bot jedenfalls keine überzeugende Problemlösung.
Der Beginn einer Kurskorrektur in der A. der SED ist in der 1978 ergangenen Aufforderung zu sehen, der Modernisierung bereits bestehender Stallanlagen wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken. In der Folge wurden die übertriebenen Spezialisierungs- und Konzentrationsbestrebungen der frühen 70er Jahre Zug um Zug zurückgenommen. Die auf dem X. Parteitag der SED (1981), der 3. ZK-Tagung der SED (1981) und dem XII. Bauernkongreß (1982) erhobenen Forderungen nach einer verbesserten territorialen Organisation der Betriebe, nach der Verkleinerung der Schläge und nach einem besseren Zusammenwirken der Tier- und Pflanzenproduktionsbetriebe im „einheitlichen Reproduktionsprozeß“ sowie der Baustopp für die Errichtung neuer industriemäßiger Anlagen und die generelle Verminderung der bei Neubauten anzustrebenden Stallkapazitäten auf etwa 30 v.H. der noch 1974 vorgeschlagenen Größen, belegen die Bemühungen der SED, zumindest die extremen Auswüchse der Konzentration und Spezialisierung der 70er Jahre zu korrigieren.
Die gesellschaftspolitischen Zielsetzungen der A. der SED sind indes im Unterschied zu den verfehlten ökonomischen Zielen annähernd erreicht worden. Die auf eine Annäherung der Genossenschaftsbauern an die Arbeiterklasse ausgerichtete A. hat die in den 60er Jahren bestehenden Einkommensunterschiede zwischen Genossenschaftsmitgliedern und Arbeitern weitgehend aufgehoben (Einkommen). Die in den 70er Jahren vorhandenen Bestrebungen zur Einführung einheitlicher Lohnformen in der Landwirtschaft, d.h. die Entlohnung auch der Genossenschaftsbauern nach den im Rahmenkollektivvertrag (RKV) für Landarbeiter geltenden Regelungen, wurden Anfang der 80er Jahre jedoch nicht weiter verfolgt (Arbeitseinheit).
Die mit steigenden Zuschüssen aus dem Staatshaushalt zur Sozialversicherung für Genossenschaftsbauern (1971 = 401 Mill. Mark; 1978 = 909 Mill. Mark) erreichte soziale Absicherung ist in Art und Umfang der von Landarbeitern in jeder Hinsicht vergleichbar. Ebenso wurde den Genossenschaftsbauern das für Arbeiter gesetzlich festgelegte Mindesteinkommen garantiert. Nur noch in den Entlohnungsformen und den gewerkschaftlichen Vertretungen im Betrieb (Betriebsgewerkschaftsorganisation [BGO]) bestehen weiterhin Unterschiede, nachdem mit den 1977 beschlossenen Musterstatuten für die LPG der Pflanzen- und Tierproduktion auch den Arbeitern und Angestellten das volle Stimmrecht in den Gremien der LPG zugestanden worden war und ihnen ebenfalls die vorher nur den Genossenschaftsbauern zugestandene Führung einer persönlichen ➝Hauswirtschaft ermöglicht wurde.
Die seit dem X. Parteitag der SED in den Ausführungen maßgeblicher Politiker festzustellende Tendenz zur besonderen Betonung des „einheitlichen Reproduktionsprozesses“ von Tier- und Pflanzenproduktion und der besonderen Bedeutung der Kooperationsräte haben auf der 7. ZK-Tagung (1983) eine weitere Verstärkung erfahren, nachdem bereits das 1982 neugefaßte Gesetz über die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG-Gesetz) die Kooperation ausführlich behandelt hatte. Diese Äußerungen könnten den Versuch andeuten, unter Beibehaltung der juristischen Selbständigkeit der einzelnen Betriebe die in ihren ökonomischen Auswirkungen verhängnisvolle Spezialisierung der 70er Jahre auf einer höheren Ebene der Leitungs- und Planungshierarchie durch die Bildung ökonomisch (nicht flächenhaft) größerer Einheiten dadurch wieder aufzuheben, daß künftig ein „territorial organisierter“ Pflanzenproduktionsbetrieb gemeinsam mit den von ihm mit Futter versorgten 3–4 [S. 21]Tierproduktionsbetrieben als „Kooperation“ einem als eine Art Unternehmensleitung fungierenden Kooperationsrat untersteht. Landwirtschaft.
Karl Hohmann
Literaturangaben
- Zur Agrar- und Bündnispolitik der SED bei der Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. Autorenkoll. u. Ltg. v. D. Sachse. Berlin (Ost): Dietz 1977.
- Arbeiter und Bauern im Bündnis. Autorenkoll. u. Ltg. v. D. Sachse. Berlin (Ost): Dietz 1981.
- Hoell, G.: Die Agrarverhältnisse im Sozialismus. Berlin (Ost): Dietz 1980. (Lehrhefte: Politische Ökonomie des Sozialismus.)
- Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion. Grundprobleme der weiteren Intensivierung der landwirtschaftl. Produktion u. d. schrittweisen Übergangs zu industriemäßigen Produktionsmethoden. Berlin (Ost): Akademie-Verl. 1979. (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften der DDR. W 2.)
- Agrar-industrielle Kooperation in der Tierproduktion. Autorenkoll. u. Ltg. v. C. Howitz u. J. Ilgner. Berlin (Ost): Deutscher Landwirtschaftsverl. 1981.
- Staatliche Leitung der Landwirtschaft in der DDR und der UdSSR. Autorenkoll. aus der DDR u. der UdSSR u. Ltg. v. R. Arlt. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1980.
- Lemcke, W.: Sozialistisches Eigentum in der Landwirtschaft der DDR. Berlin (Ost): 1980. (Thematische Information und Dokumentation. 16.)
- Lexikon — Recht der Landwirtschaft der DDR. Autorenkoll. u. Ltg. v. R. Arlt. Berlin (Ost): Staatsverl. d. DDR 1975.
- Industriemäßige Produktionsmethoden in der sozialistischen Landwirtschaft der DDR. Entwicklung und gesellschaftliche Organisation der Arbeitsteilung. Autorenkoll. u. Ltg. v. K. Groschhoff u. R. Heinrich. Berlin (Ost): Dietz 1976.
- Industriemäßige Tierproduktion-Grundlagen. Lehrbuch. Autorenkoll. u. Ltg. v. K. Pilz. Berlin (Ost): Deutscher Landwirtschaftsverl. 1978.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 13–21