DDR von A-Z, Band 1985

Agrarwissenschaften (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1979


 

1. Wissenschaftsgebiete. Die A. befassen sich mit der Erforschung und Lehre der natürlichen, technischen und ökonomischen Bedingungen der landwirtschaftlichen Produktion. Die A. umfassen eine Vielzahl unterschiedlicher selbständiger Disziplinen der naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer, der technischen Wissenschaften und der Gesellschaftswissenschaften.

 

Die landtechnischen Disziplinen entwickelten sich als Spezialbereiche der Technikwissenschaften und als neue Erfordernisse der agrarischen Wissenschaften. Die aus den Naturwissenschaften Biologie, Chemie, Physik u.a. entstandenen Fachdisziplinen sind z.B. Acker- und Pflanzenbau, Pflanzen- und Tierernährung, Pflanzen- und Tierzucht; die aus den technischen Disziplinen hervorgegangenen landwirtschaftlichen Gebiete sind u.a. Landtechnik, Landwirtschaftliches Bauwesen, Meliorationstechnik. Der gesellschaftswissenschaftliche Bereich umfaßt Agrargeschichte, Agrarrecht, Agrar- und Ernährungswirtschaft, Agrarsoziologie, Agrarökonomie u.a. Institutionen der A. sind landwirtschaftliche Sektionen der Universitäten, landwirtschaftliche Hochschulen, staatliche Akademien und Gesellschaften sowie Institute und Forschungsanstalten.

 

Wesensmerkmal der A. in der DDR ist die enge Verknüpfung der wissenschaftlichen Forschung mit der landwirtschaftlichen Praxis, wie auch die Lehrtätigkeit häufig mit der Tätigkeit in landwirtschaftlichen Betrieben verbunden sein kann.

 

Zwei Disziplinen aus dem gesellschaftswissenschaftlichen Bereich sind besonders hervorzuheben: Agrarökonomie und Agrarsoziologie. Diese Disziplinen haben in der Agrarpolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) für die Realisierung ihrer gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen auf dem Land im allgemeinen und die Landwirtschaft im speziellen besondere Bedeutung.

 

a) Agrarökonomie (Aö.): Nach DDR-Verständnis sind die Grundlagen der sozialistischen Aö. von K. Marx und F. Engels geschaffen und von W. I. Lenin weiterentwickelt worden. Aus Erfahrungen und Ergebnissen der UdSSR entstand in der DDR eine Aö., die sich voll und ganz auf die Klassiker des Marxismus-Leninismus stützt. Die Aö. als Zweig der politischen Ökonomie umfaßt heute sowohl die Ökonomie der Landwirtschaft (innerhalb der Volkswirtschaft) als auch die Sozialistische Betriebswirtschaftslehre (SBWL) für Landwirtschaftsbetriebe. Gemeinsame Aufgabe beider Wissenschaftszweige ist die Erforschung und Lehre der ökonomischen Gesetzmäßigkeiten bei der Planung, Leitung und Organisation der Wirtschaftsabläufe innerhalb der Landwirtschaft bzw. deren Betriebe. Ziel der Forschungstätigkeiten ist die Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen einer effektiven und nutzbringenden Nahrungsgüterproduktion.

 

Im Hinblick auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Aö. sollen mit ihrer Hilfe Grundlagen für die Leitung und Planung des Sektors Landwirtschaft innerhalb des Agrar-Industrie-Komplexes (AIK) erarbeitet werden, die den effektivsten Einsatz der verfügbaren Produktionsmittel ermöglichen. Für die im engeren Sinne betriebliche Aö. ist im Verlauf der verschiedenen Kollektivierungsphasen der Landwirtschaft die betriebswirtschaftliche Orientierung der landwirtschaftlichen [S. 30]Betriebsformen ständig verändert worden. In Zielsetzung und Methode unterscheidet sich die betriebliche Aö. dabei nicht wesentlich von der sozialistischen Betriebswirtschaftslehre. Im Wissenschaftlichen Rat für gesellschaftliche und ökonomische Fragen des volkswirtschaftlichen Agrar-Industrie-Komplexes werden Forschungsergebnisse beraten und mit anderen Gebieten verglichen bzw. verallgemeinert. Der Wissenschaftliche Rat hat seinen Sitz an der Parteihochschule „Karl Marx“ beim ZK der SED.

 

b) Agrarsoziologie (As.): Die As. ist ein Teilbereich der marxistisch-leninistischen Soziologie (Soziologie und Empirische Sozialforschung, IV. D.). Die As. erforscht die soziale Entwicklung auf dem Lande und in der Landwirtschaft unter besonderer Berücksichtigung der gesellschaftlichen Zielstellung der Überwindung der wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land. Die As. untersucht die Wechselbeziehungen zwischen wissenschaftlich-technischen, wirtschaftlichen, sozialen und geistig-kulturellen Entwicklungen der zunehmend industriemäßig produzierenden Landwirtschaft sowie der in ihr tätigen Landbevölkerung und deren veränderte Lebensweise (Lebensweise, Sozialistische).

 

2. Forschungsorganisation. a) Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR (AdL). Durch Beschluß des Ministerrates vom 11. 1. 1951 wurde die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften zu Berlin (DAL) gegründet; seit 1972 trägt sie ihren jetzigen Namen. Die AdL ist die zentrale Forschungseinrichtung für die Landwirtschafts- und Forstwissenschaften der DDR. Sie untersteht dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft (MfLFN). Die Organe der AdL sind der Präsident, das Präsidium, das Plenum (Vollversammlung der Akademiemitglieder) und die Sektionen. Die Sektionen entsprechen den einzelnen Wissenschaftszweigen; in ihnen arbeiten in der Regel Wissenschaftler, Praktiker sowie Vertreter der SED und der Massenorganisationen zusammen. Zur AdL gehören 2 Forschungszentren, 20 Institute sowie weitere Einrichtungen (z.B. Lehr- und Versuchsgüter mit rd. 35.000 ha LN). Die AdL hat rd. 10.000 Beschäftigte, von denen etwa 2.000 Wissenschaftler sind.

 

Die AdL plant und koordiniert die Forschung in den A. mit den anderen Akademien, den Universitäten und Hochschulen sowie mit benachbarten Einrichtungen anderer Wirtschafts- und Wissenschaftszweige. Die AdL ist die zentrale Leitinstitution für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der A. mit anderen Staaten. Sie dient ferner als Zentraleinrichtung zur Auswertung und Sammlung internationaler Forschungsergebnisse. — Als Leiteinrichtung im Bereich Informationssammlung und -vermittlung verfügt die AdL über das Institut für landwirtschaftliche Information und Dokumentation (ILID). Dieses Institut gliedert sich in die Abteilungen Information, Dokumentation, Publikation und in die landwirtschaftliche Zentralbibliothek. Das ILID gibt produktionsorientierte Informationsreihen sowie Referatekarteien heraus. Außerdem veröffentlicht das ILID das 1953 von der DAL gegründete „Landwirtschaftliche Zentralblatt“. Das ILID arbeitet eng mit AGRO-INFORM, dem internationalen Informationssystem auf dem Gebiet der Land- und Forstwirtschaft (1964 für die Mitgliedsländer des RGW mit Sitz in Moskau gegründet) zusammen.

 

Für hervorragende wissenschaftliche Leistungen verleiht die AdL die „Erwin-Baur-Medaille“.

 

b) Universitäten und Hochschulen. Agrarwissenschaftliche Sektionen existieren an den Universitäten zu Berlin, Dresden, Halle, Jena, Leipzig und Rostock. Den Sektionen gehören je nach den in ihnen vertretenen Schwerpunkten in Forschung und Lehre spezielle Institute an: z.B. für Pflanzen- bzw. Tierproduktion, für das Veterinärwesen, für Agrartechnik, für Lebensmitteltechnologie, für Ernährungswissenschaften. Insgesamt gibt es ca. 100 derartige Institute. Die Universität Leipzig ist darüber hinaus auf die tropische und subtropische Landwirtschaft spezialisiert. Studenten aus Entwicklungsländern werden vornehmlich an der Universität Halle ausgebildet.

 

Die Hochschulen für landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften in Meißen bzw. für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft in Bernburg bilden vor allem Fach- und Führungskader aus. Insgesamt sind an den Universitäten und Hochschulen rd. 8.000 Studierende in den agrarwissenschaftlichen Disziplinen eingeschrieben. Die jährlichen Absolventenzahlen betragen: rd. 600 in der Pflanzen- bzw. Tierproduktion und für die Agrartechnik; rd. 180 in der Lebensmitteltechnologie; rd. 40 im Veterinärwesen.

 

Während die agrarwissenschaftlichen Einrichtungen an den Universitäten dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen zugeordnet sind, unterstehen die beiden Hochschulen in Bernburg und Meißen dem Ministerium für Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft.

 

c) Agrarwissenschaftliche Gesellschaft der DDR (AwG, auch AwiG). Diese Organisation wurde am 12. 10. 1960 als Deutsche Agrarwissenschaftliche Gesellschaft gegründet; ihren heutigen Namen erhielt sie 1971. Die AwG besitzt Untergliederungen in den Bezirken und Kreisen; daneben bestehen auf allen Ebenen des Organisationsaufbaues Fachkommissionen. Der alle 5 Jahre stattfindende Kongreß der AwG wird auf Bezirksdelegiertenkonferenzen vorbereitet. Die SED nutzt die AwG, um die in dieser Organisation zusammengefaßten Hoch- und Fachschulkader sowie Spezialisten der Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft für ihre agrarpolitischen Ziele zu gewinnen. Die AwG ist darüber hinaus ein wichtiges Instrument zur Weiterqualifizierung der in der Landwirtschaft praktisch Tätigen. Diesem Ziel dienen zeitweilige Arbeitsgemeinschaften, Exkursionen in Mustereinrichtungen, Einzelvorträge und Seminare. Die AwG hat über 50.000 Mitglieder und mehr als 450 Arbeitsgemeinschaften.

 

d) Sonstige Einrichtungen der A.: 1. Das 1975 vom Ministerrat der DDR bestätigte Institut für Ökonomik der Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (1972 als Institut für Agrarökonomik gegründet) ist eine zentrale wissenschaftliche Einrichtung des MfLFN. Das Institut erforscht grundlegende Probleme der Weiter[S. 31]entwicklung der Land- und Nahrungsgüterwirtschaft. Im Mittelpunkt seiner Forschungsaktivitäten stehen die ökonomischen Wechselbeziehungen und die Auswirkungen des Übergangs zur industriemäßig betriebenen Landwirtschaft, sowie die Steigerung der Effektivität mit Hilfe neuer Organisationsformen und verbesserter Produktionsverfahren. Weiter befaßt sich dieses Institut allgemein mit der Erhöhung der Arbeitsproduktivität und mit der Ausgestaltung der ökonomischen Beziehungen in und zwischen den Landwirtschaftsbetrieben. Als Einrichtung des Ministeriums kann dieses Institut andere wissenschaftliche Einrichtungen ebenso wie gesellschaftliche Organisationen zur Mitwirkung bei der Lösung von gemeinsam interessierenden Aufgaben heranziehen.

 

2. Andere Institute und Forschungseinrichtungen (wie z.B. Institute für bodenkundliche Untersuchungen oder für die Futtermittelforschung), die regelmäßig oder auch nur zeitweise für die A. und die Überführung von deren Ergebnissen in die Produktion tätig sind, unterstehen dem Ministerium für Bezirksgeleitete Industrie und Lebensmittelindustrie, da es sich bei ihnen vielfach um Einrichtungen der Bezirke handelt.

 

3. Forstwissenschaftliche Einrichtungen. Forst- und Holzwirtschaft.

 

4. Der Propagierung und Verbreitung von Forschungsergebnissen der A. dienen u.a. auch die Landwirtschafts- und Gartenbauausstellung der DDR (LuG; agra) sowie die Internationale Gartenbauausstellung der DDR (iga).


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 29–31


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.