Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) (1985)
Siehe auch:
- Akademie der Wissenschaften, Deutsche (DADW): 1954
- Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAdW): 1969
Die AdW ist die bedeutendste Forschungsinstitution der DDR. Ihr ist die Aufgabe übertragen, in enger Zusammenarbeit mit den Universitäten und Hochschulen, Forschungsinstitutionen des Partei-, Wirtschafts- und Staatsapparates und den entsprechenden Akademien der sozialistischen Länder naturwissenschaftlich-technische und gesellschaftswissenschaftliche Grundlagenforschung zu betreiben. Sie ist verantwortlich für die Festlegung der inhaltlichen Schwerpunkte der Grundlagenforschung, deren planmäßige Durchführung, insbesondere für die Koordinierung der Arbeit der verschiedenen Forschungsinstitutionen und die Gewährleistung einer schnellen praktischen Nutzung der Forschungsergebnisse.
Die AdW ist Nachfolgerin der am 11. 7. 1700 gegründe[S. 32]ten Kurfürstlich Brandenburgischen Societät der Wissenschaften. Ihre Wiedereröffnung nach dem II. Weltkrieg erfolgte am 1. 7. 1946 als Deutsche Akademie der Wissenschaften aufgrund eines Befehls der SMAD. Ihre gegenwärtige Funktion erhielt die AdW im Zuge der Neugestaltung der Wissenschaftsorganisation der DDR im Jahre 1970 („Akademiereform“). Nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 wurde die Akademie durch Zuweisung weiterer Aufgaben in ihrer herausragenden Funktion bestätigt. Ihren heutigen Namen erhielt sie im Oktober 1972.
Die AdW untersteht dem Ministerrat. Die Leitung der Akademie obliegt dem Präsidenten (gegenwärtig Prof. Dr. Werner Scheler [SED]), dem ein Präsidium als Beratungsorgan zugeordnet ist (gegenwärtig [1983] 15 Mitglieder). 1981 gehörten der AdW 153 ordentliche und 76 korrespondierende Mitglieder an. Wissenschaftler außerhalb der DDR können zu auswärtigen Mitgliedern ernannt werden. Von den gegenwärtig 132 auswärtigen Mitgliedern aus 24 Ländern kommen 27 aus der Bundesrepublik Deutschland. Die ordentlichen Mitglieder bilden das Plenum. Neben seinen Plenartagungen mit wissenschaftlichen Vorträgen von Mitgliedern der AdW zu Themen von allgemeiner wissenschaftlicher Bedeutung veranstaltet das Plenum in unregelmäßigen Abständen wissenschaftliche Konferenzen mit zumeist internationaler Beteiligung. Es hat das Recht zur Wahl neuer ordentlicher, korrespondierender und auswärtiger Mitglieder, die einer der gegenwärtig 9 problemgebundenen Klassen zugeordnet sind: Physik; Mathematik; Chemie; Biowissenschaften; Medizin; Werkstofforschung; Umweltschutz und Umweltgestaltung; Philosophie, Ökonomie, Geschichte, Staats- und Rechtswissenschaften (Gesellschaftswissenschaften I); Literatur-, Sprach-, Geschichts- und Kunstwissenschaften (Gesellschaftswissenschaften II). In den Klassen arbeiten Akademiemitglieder und andere Wissenschaftler verschiedener Wissenschaftsrichtungen an der Lösung komplexer Fragestellungen (z.B. Klasse „Optimale Gestaltung der Umweltbedingungen; Mensch und Umwelt“).
Darüber hinaus verfügt die AdW über einen großen wissenschaftlichen Apparat mit ca. 20.000 Beschäftigten. Dieser gliedert sich in Zentralinstitute, Institute und Forschungsstellen. Zentralinstitute der AdW sind Forschungseinrichtungen zur Lösung komplexer Forschungsaufgaben. Sie üben in vielen Fällen die Funktion einer Leiteinrichtung für die gesamte in der DDR auf diesem Gebiet betriebene Forschung aus.
Die Aufgabenstellung der Institute ist begrenzter und umfaßt meist Teilbereiche eines Wissenschaftsgebietes. Forschungsstellen werden für zeitweilige Aufgaben eingerichtet, wenn erkennbar ist, daß sie zu einem Institut oder Zentralinstitut ausgebaut werden können. Die Zentralinstitute werden mit den Instituten und Forschungsstellen, die verwandten Wissenschaftsbereichen zuzuordnen sind, in Forschungsbereiche zusammengefaßt.
1. Forschungsbereich Geo- und Kosmoswissenschaften. Zentralinstitute für Astrophysik, für solar-terrestrische Physik, für Physik der Erde; Institut für Meereskunde, Institut für Elektronik, Institut für Geographie und Geoökologie (früher Geographisches Institut) und Forschungsstelle Umweltgestaltung.
2. Forschungsbereich Mathematik/Kybernetik. Zentralinstitute für Mathematik und Mechanik sowie für Kybernetik und Informationsprozesse, Zentrum für Rechentechnik.
3. Forschungsbereich Physik, Kern- und Werkstoffwissenschaften. Zentralinstitute für Elektronenphysik, für Festkörperphysik und Werkstofforschung, für Isotopen- und Strahlenforschung, für Kernforschung, für Optik und Spektroskopie; Institute für Festkörperphysik und Elektronenmikroskopie (angeschlossen ist das Internationale Zentrum für Elektronenmikroskopie), für Hochenergiephysik, für Physik der Werkstoffbearbeitung sowie Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau.
4. Forschungsbereich Chemie. Zentralinstitute für physikalische Chemie, für anorganische Chemie, für organische Chemie; Institute für Polymerenchemie, für technische Chemie, für Aufbereitung sowie für Technologie der Fasern; Forschungsstelle für chemische Toxikologie.
5. Forschungszentrum für Molekularbiologie und Medizin. Zentralinstitute für Krebsforschung, für Herz- und Kreislauf-Regulationsforschung, für Molekularbiologie, für Mikrobiologie und experimentelle Therapie, für Genetik und Kulturpflanzenforschung sowie für Ernährung; Institut für Biochemie der Pflanzen; Institut für Wirkstofforschung; Zoologische Forschungsstelle für Wirbeltierforschung.
6. Forschungsbereich Gesellschaftswissenschaften.
Zentralinstitute für Philosophie, für Wirtschaftswissenschaften, für Geschichte, für Literaturgeschichte, für Sprachwissenschaft (Sprache, VIII.) sowie für alte Geschichte und Archäologie; Institute für Wirtschaftsgeschichte, für Theorie, Geschichte und Organisation der Wissenschaft, für Theorie des Staates und des Rechts, für sorbische Volksforschung sowie für Soziologie und Sozialpolitik (gegr. 1978).
Darüber hinaus bestehen die Forschungsstelle für Akademiegeschichte, die Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle und ein Wissenschaftliches Informationszentrum. 1982 wurden ein Institut für Ästhetik und Kunstwissenschaften und ein Physikalisch-Technisches Institut neu gegründet.
Nach dem VIII. Parteitag der SED (1971) wurde der AdW die Funktion einer zentralen Koordinationsstelle für die gesamte naturwissenschaftlich-technische und für ausgewählte Gebiete der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung in der DDR übertragen. Auf der Grundlage der Perspektiv- und Jahrespläne und der im „Staatsplan Wissenschaft und Technik“ bzw. im „Zentralen Forschungsplan der marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft“ enthaltenen Ziele der Forschungspolitik werden zwischen der AdW und den Ministerien und zentralen Staatsorganen, denen Forschungseinrichtungen unterstehen, Forschungspläne für die jeweiligen Bereiche erstellt. Im Rahmen dieser Pläne trifft die AdW mit den Forschungseinrichtungen [S. 33]der Wirtschaft, des Staatsapparates oder den Universitäten und Hochschulen Festlegungen über die jeweils einzuschlagende Forschungsstrategie, insbesondere die Nutzung des Forschungspotentials der AdW, die Verteilung der Aufgaben und die Finanzierung des Forschungsvorhabens.
Enge Kooperationsbeziehungen bestehen ferner zu den anderen Akademien der DDR. Die AdW hat Promotionsrecht (A und B) und das Recht, wissenschaftliche Mitarbeiter zu Professoren zu ernennen.
Zur Wahrnehmung ihrer Leitfunktion in zentralen Bereichen der Gesellschaftswissenschaften wurden der AdW Wissenschaftliche Räte zugeordnet.
Ihr sind ferner 11 wissenschaftliche Gesellschaften (Biologische G.; G. für physikalische und mathematische Biologie; Chemische G.; Geographische G.; G. für Geologische Wissenschaften; Historiker-G.; Mathematische G.; Meteorologische G.; Parasitologische G.; Physikalische G.; G. für Weltraumforschung und Raumfahrt) und 25 Nationalkomitees (für Chemie, Kristallographie, Astronomie, Geodäsie und Kartographie, geologische Wissenschaften, angewandte Systemanalyse, der Historiker, der Byzantinisten, für Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte der Wissenschaften, politische Wissenschaften, der Slawisten, für soziologische Forschung, südosteuropäische Studien, Ur- und Frühgeschichte, der Wirtschaftshistoriker, für Mathematik, Mechanik, Kybernetik und Informationsverarbeitung, für Biowissenschaften, medizinische Physik, für Physik und für Radiophysik und Radiotechnik, ebenso die beiden Nationalkomitees für das Wissenschaftliche Komitee für Umweltprobleme [SCOPE] und das Komitee für Daten in Wissenschaft und Technologie [CODATA]) zur Vertretung der wissenschaftspolitischen Interessen der DDR in internationalen Organisationen zugeordnet. Sie ist in 50 internationalen nichtstaatlichen wissenschaftlichen Vereinigungen vertreten.
Die AdW unterhält intensive Beziehungen zu wissenschaftlichen Institutionen des Auslandes, vor allem der Länder des RGW. Mit über 200 Forschungsinstituten in den RGW-Staaten, davon etwa 80 der UdSSR, bestehen Kooperationsvereinbarungen. Institute der AdW übernehmen im Rahmen dieser Vereinbarungen Leitfunktionen. Zu komplexen Problembereichen werden multinationale „Problemkommissionen“ gebildet, deren Aufgabe die Koordinierung und gemeinsame Durchführung von Forschungsprojekten, die Abhaltung wissenschaftlicher Konferenzen und die Herausgabe von Informationsbulletins und anderen Publikationen ist (z.B. Problemkommission „Ökonomie und Politik der Entwicklungsländer“).
Über die Arbeit der AdW informieren die Monatszeitschrift „spektrum“, die Jahresberichte der AdW und Berichte über wissenschaftliche Tagungen und Kongresse. Zu weiteren Publikationszwecken steht der Akademie-Verlag Berlin (Ost) zur Verfügung.
Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 31–33
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