DDR von A-Z, Band 1985

Arbeitsklassifizierung (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1975 1979


 

Ziel der A. ist die analytische Ermittlung und Klassifizierung der Anforderungen der Arbeitsaufgabe an die Qualifikation und die körperliche und geistige Beanspruchung, der Werktätigen. A. soll stets im Zusammenhang mit dem Arbeitsstudium, der Arbeitsgestaltung und der Arbeitsnormung angewendet werden. Als Bestandteil der Wissenschaftlichen ➝Arbeitsorganisation (WAO) sind der A. folgende Aufgaben zugewiesen:

 

[S. 60]1. Ermittlung der Anforderungen an das Arbeitsvermögen der Werktätigen mit dem Ziel, qualifizierte Arbeit höher als unqualifizierte anzuerkennen.

 

2. Bei der Festlegung der Arbeitsaufgaben soll darauf geachtet werden, daß diese von ihrem Inhalt und Umfang sowie von ihren Bedingungen her zur allseitigen Persönlichkeitsentwicklung beitragen.

 

3. Die A. soll dazu dienen, Unterlagen für die qualitativ erweiterte Reproduktion der Arbeitskraft bereitzustellen (z.B. erforderliche Qualifizierungsmaßnahmen und Qualifizierungspläne). Gleichzeitig fördert die A. die materielle Stimulierung von Qualifizierungsprozessen unter Berücksichtigung der stufenweisen Bildung.

 

4. Im Rahmen der Planung des betrieblichen Reproduktionsprozesses ist es Aufgabe der A., Unterlagen für die exakte Bestimmung des Bedarfs an Arbeitskräften und deren erforderliches Qualifikationsniveau zu ermitteln. Die Einführung der A. in Industrie und Bauwesen der DDR vollzog sich in mehreren Etappen.

 

Die nach 1945 betriebene analytische Arbeitsbewertung orientierte sich am Genfer Schema, nach dem die Arbeitsanforderungen wie folgt gegliedert waren:

 

1. Fachkönnen (geistige und körperliche Anforderungen),

 

2. Belastung (geistige und körperliche),

 

3. Verantwortung (sach- und personenbezogen),

 

4. Arbeitsbedingungen (zusätzliche Beanspruchung aus erschwerenden Bedingungen bzw. Umgebungseinflüssen).

 

Die auf der Basis dieses Schemas entwickelten Wertzahlentabellen der Arbeitsanforderungen konnten trotz zahlreicher Verfeinerungen nicht gewährleisten, daß Arbeitsaufgaben gleicher Kompliziertheit in verschiedenen Betrieben oder Wirtschaftszweigen auch der gleichen Qualifikationsgruppe (Lohn- oder Gehaltsgruppe) zugeordnet wurden.

 

 

Aus diesem Grund wurde Anfang der 50er Jahre beim damaligen Ministerium für Arbeit eine Zentrale WLK-Kommission gegründet, die auf der Grundlage einer entsprechenden Anleitung sogenannte Rahmenmerkmale und Richtbeispiele für Wirtschaftszweig-Lohngruppenkataloge (WLK) und Gehalts- bzw. Lohngruppenkataloge (GGK, LGK) erarbeitete. Diese Unterlagen waren die Grundlage für die analytische Bestimmung der Arbeitsanforderungen und die Ausarbeitung einheitlicher Bewertungsbeispiele durch WLK-Kommissionen in Betrieben und Wirtschaftszweigen. Die Probleme bei der Anwendung der WLK und GGK, LGK lagen vor allem darin, daß die Eingruppierung der jeweils auszuführenden Tätigkeit durch Vergleich mit [S. 61]dem entsprechenden Beispiel im Katalog erfolgte. Um der Forderung nach Einheitlichkeit der Ergebnisse gerecht zu werden, mußten ständig neue Bewertungsbeispiele geschaffen werden, um möglichst jede auftretende Arbeitsaufgabe mit einem Katalogbeispiel vergleichen zu können.

 

Die sich seit Anfang der 60er Jahre beschleunigenden Veränderungen im Inhalt und Umfang der Arbeitsaufgabe sowie der Struktur und Höhe der Arbeitsanforderungen durch Mechanisierung und Automatisierung konnten durch entsprechende Veränderungen der Bewertungsbeispiele der WLK und GGK, LGK nicht mehr angemessen wiedergegeben werden.

 

Aufgrund dieser Erfahrungen wurde Mitte der 60er Jahre mit der Neugestaltung der qualitativen Arbeitsbewertung in der DDR begonnen. Zunächst wurde in interdisziplinärer Forschungsarbeit eine Grundmethodik der Arbeitsklassifizierung für Produktionsarbeiten in Industrie und Bauwesen erarbeitet. Nach mehrjähriger Vorbereitung und zahlreichen experimentellen Erprobungen erfolgte die erste praktische Anwendung der Arbeitsklassifizierung in den Betrieben auf der Grundlage der Richtlinie für die Arbeitsklassifizierung der Produktionsarbeiten in der Industrie und im Bauwesen vom 4. 2. 1970. Entsprechend der Richtlinie wurde die A. zunächst ausschließlich im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Veränderung der Produktions- und Arbeitsbedingungen angewandt. Damit wurde die A. direkt mit der Intensivierung und Rationalisierung einschließlich der WAO verbunden.

 

Seit Mitte der 70er Jahre gelten die alten Eingruppierungsunterlagen (WLK, GGK, LGK) als überholt und die A. wird, insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung eines neuen Tarifsystems (Lohnformen und Lohnsystem), durchgängig angewendet. Der für die Werktätigen in der Landwirtschaft geltende Rahmenkollektivvertrag (RKV) enthält ebenfalls verbindliche Unterlagen für die A.; diese werden analog bei der Festlegung der Vergütung der Genossenschaftsbauern angewandt (Arbeitseinheit).

 

Die Anwendung der A. in den Betrieben ergibt sich auch aus Artikel 24 der Verfassung der DDR. Danach hat jeder Bürger „das Recht auf einen Arbeitsplatz … entsprechend den gesellschaftlichen Erfordernissen und der persönlichen Qualifikation. Er hat das Recht auf Lohn nach Qualität und Quantität der Arbeit.“

 

Das Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. 6. 1977 schreibt im Zusammenhang mit der A. in § 79 vor, daß der Betrieb „gemeinsam mit den Werktätigen bei Veränderungen der Arbeitsbedingungen durch Einführung neuer Technik und Technologien sowie bei der Verbesserung der Arbeitsorganisation zu gewährleisten (hat), daß die Arbeit inhaltsreicher wird und entsprechende Arbeitsaufgaben festgelegt werden. Auf dieser Grundlage sind die Anforderungen an die Qualifikation und Verantwortung der Werktätigen sowie auftretende Arbeitserschwernisse zu ermitteln und mit den Werktätigen die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen zu vereinbaren sowie Maßnahmen zur schrittweisen Beseitigung der Arbeitserschwernisse zu treffen.“

 

In § 97 des gleichen Gesetzes wird vorgeschrieben, daß, entsprechend den unterschiedlichen Anforderungen der Arbeitsaufgaben an die Qualifikation und Verantwortung der Werktätigen und den zweigspezifischen allgemeinen Produktions- und Arbeitsbedingungen für die einzelnen Lohn- und Gehaltsgruppen Tariflöhne festzulegen sind.

 

Die Durchführung der A. ist eine Leitungsaufgabe entsprechend geschulter Kader. Die aktive Mitarbeit der Werktätigen an der A. besteht in der Duldung der Abgrenzung und inhaltlichen Gestaltung ihrer Arbeitsaufgabe sowie der Erfassung und Klassifizierung der Arbeitsanforderungen, die sich aus ihrer Arbeitsaufgabe ergeben. Hierzu heißt es in einem Standardwerk zur A. in der DDR: „Diese aktive Mitwirkung, die von entscheidender Bedeutung für den Nutzeffekt der Arbeitsklassifizierung ist, wird dann am besten erreicht, wenn die Werktätigen erkennen, daß die Arbeitsklassifizierung auf eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen sowie auf eine inhaltsreiche Gestaltung der Arbeitsaufgaben gerichtet ist und daß die durch sie ermittelte Eingruppierung objektiv begründet, verständlich und für jeden einzelnen nachprüfbar ist.“ (Arbeitsklassifizierung. Einführung in die Grundmethodik Teil A und B, Berlin [Ost] 1980, S. 23)


 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 59–61


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

Ausführliche Informationen zu den Handbüchern finden Sie hier.