DDR von A-Z, Band 1985

Bankwesen (1985)

 

 

Siehe auch die Jahre 1954 1956 1958 1959 1960 1975 1979

 

In der Politischen Ökonomie wird den Banken als den „Zentren des modernen Wirtschaftslebens“ (Lenin, SW. nach d. 4. russ. Ausgabe, dt., Berlin [Ost] 1961 ff., Bd. 25, S. 338) für den Aufbau des sozialistischen Wirtschaftssystems eine wesentliche Bedeutung beigemessen. Ausgehend von der im „Kommunistischen Manifest“ erhobenen Forderung nach „einer Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“ schrieb Lenin im Oktober 1917: „Ohne die Großbanken wäre der Sozialismus nicht zu verwirklichen. Die Großbanken sind jener ‚Staatsapparat‘, den wir für die Verwirklichung des Sozialismus brauchen und den wir vom Kapitalismus fertig übernehmen … Eine einheitliche Staatsbank allergrößten Umfangs mit Zweigstellen in jedem Amtsbezirk, bei jeder Fabrik — das ist schon zu neun Zehnteln ein sozialistischer Apparat. Das bedeutet eine gesamtstaatliche Buchführung, eine gesamtstaatliche Rechnungsführung über die Produktion und die Verteilung der Produkte, das ist sozusagen eine Art Gerippe der sozialistischen Gesellschaft.“ (Lenin, a.a.O., Bd. 26, S. 89 f.)

 

Obwohl dieses dem Wirtschaftssystem adäquate Einbanksystem in der DDR (noch) nicht realisiert worden ist, wird die systemnotwendige Einheitlichkeit durch das staatliche Bankmonopol und die damit verbundene Kompetenzabgrenzung nach spezifischen Aufgaben und Funktionen gewährleistet.

 

I. Entwicklung

 

 

Die etappenweise Umgestaltung des B. hat sich in vier Phasen vollzogen:

 

1. Auf der Grundlage von Befehlen der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) wurden die traditionellen Geld- und Kreditinstitute geschlossen (April 1945) und die Einstellung der weiteren Tätigkeit der alten Banken sowie die Gründung neuer Banken angeordnet (Befehl Nr. 01 der SMAD über die Neuorganisation der deutschen Finanz- und Kreditorgane vom 23. 7. 1945). Während die Landes- und Provinzialbanken als regionale Universalbanken und die Sparkassen neu gebildet wurden, konnten die genossenschaftlichen Kreditinstitute wiedereröffnet werden, d.h., die ländlichen Genossenschaften und die Banken für [S. 144]Handwerk und Gewerbe wurden als Rechtsnachfolger der Raiffeisenkassen bzw. Volksbanken akzeptiert.

 

In dieser Zeit des Übergangs (Transformationsphase 1945–1948) bestanden auch noch private Banken, und die Kreditgewährung erfolgte nach herkömmlichen Methoden. Lediglich die Neubauernkredite, die Einführung der Aufbaugrundschuld zur Wiedererrichtung zerstörten Wohnraums und die Ausgabe von Länderanleihen zur Finanzierung staatlicher Aufgaben stellten etwas Neues dar. Der Abschluß dieser Phase erfolgte durch die Bildung von fünf Länderbanken (Emissions- und Girobanken), denen am 26. 5. 1948 die Deutsche Emissions- und Girobank (Potsdam) als zentrales Koordinierungsinstitut übergeordnet wurde. Obwohl der Name darauf hindeutete, war dieses Spezialinstitut dennoch keine Emissionsbank im Sinne der westlichen Bankwirtschaft, da es nicht zur Ausgabe von Noten berechtigt war.

 

2. Nach der Währungsreform setzte mit der Vorbereitung der zentralen Wirtschaftsplanung die Einbeziehung der Kreditinstitute in das Wirtschaftssystem durch den Aufbau des zentralisierten Bankensystems sowie die Einführung systemadäquater bankpolitischer Maßnahmen ein (Integrationsphase 1948–1963). Die am 20. 7. 1948 aus der Deutschen Emissions- und Girobank hervorgegangene Deutsche Notenbank (DNB) trat als zentrales Organ des Ministerrats an die Spitze des Bankensystems und bildete als Zentral- und Geschäftsbank das Emissions- und Verrechnungszentrum der DDR. Ihr folgten weitere Spezialbanken für die Investitionsfinanzierung (Deutsche Investitionsbank [DIB] 1948), für die Landwirtschaft (Deutsche Bauernbank [DBB] 1950) und zur finanziellen Abwicklung von Außenhandelsgeschäften (Deutsche Handelsbank AG [DHB] 1956). Durch die Reform des Kreditwesens (1949) wurde der Bankkredit bei Einführung der Kreditplanung zum finanziellen Instrument der Planerfüllung und Plankontrolle. Im Zahlungsverkehr wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Kontroll- und Lenkungsfunktionen der Banken ergriffen (z.B. Kontenführungspflicht; Verrechnungsverfahren).

 

3. Nach Einleitung der Wirtschaftsreform (1963) wurden auch Veränderungen innerhalb des B. notwendig, um die beabsichtigte Umstellung von überwiegend administrativen Weisungen auf ökonomische Lenkungsinstrumente („ökonomische Hebel“) zu ermöglichen. In dieser Zeit der wirtschaftspolitischen Experimente (Experimentierphase 1964–1971) erfolgten vier institutionelle Veränderungen innerhalb des Bankwesens.

 

Ab 1963 wurden als „Hausbanken“ der nach dem Prinzip der Wirtschaftlichen Rechnungsführung arbeitenden und somit finanziell verselbständigten Vereinigungen Volkseigener Betriebe (VVB) (Betriebsformen und Kooperation) Spezialbankfilialen zur Abwicklung bestimmter Bankgeschäfte (z.B. Kreditvergabe, Kontenführung, Finanzkontrolle) sowie der Beziehungen zum Staatshaushalt gebildet. Als Industriebankfilialen waren sie direkt dem Präsidenten der Deutschen Notenbank und als Kombinats- und VVB-Filialen dem Präsidenten der Landwirtschaftsbank unterstellt.

 

1966 erfolgte als Vorgriff auf die ein Jahr später durchgeführte Bankreform durch Ausgliederung aus der Deutschen Notenbank die Gründung der Deutschen Außenhandelsbank AG (DABA). Sie übernahm — neben der Deutschen Handelsbank AG (DHB) — die Geschäftsbankfunktionen der Zentralbank für den Bereich der Außenwirtschaft.

 

Ihre letzten Geschäftsbankfunktionen gab die Deutsche Notenbank Ende 1967 auf, als durch Zusammenlegung mit der Deutschen Investitionsbank die Industrie- und Handelsbank (IHB) der DDR errichtet wurde. Während in dieser Geschäftsbank die Investitions- und Umlaufmittelfinanzierung für Betriebe und Einrichtungen von Industrie, Bauwesen, Handel und Verkehr zusammengefaßt wurden, konnte sich die mit Wirkung vom 1. 1. 1968 aus der Deutschen Notenbank hervorgegangene Staatsbank der DDR auf die Zentralbankfunktionen konzentrieren. Durch diese Trennung von Staats- und Geschäftsbankfunktionen hatte sich das B. der DDR in dieser Phase vom sowjetischen Vorbild losgelöst und wies eine starke formale Ähnlichkeit mit den Banksystemen westlicher Industriestaaten auf.

 

Schließlich wurde die Landwirtschaftsbank 1968 mit Erweiterung ihres Geschäftsbereichs auf die Betriebe und Leitungsorgane der Nahrungsgüterindustrie in Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN) umbenannt.

 

Neben diesen organisatorischen Veränderungen erfolgte in dieser Phase auch eine Ökonomisierung der Banktätigkeit mit dem Ziel, in Analogie zu der gewachsenen Selbständigkeit der Betriebe die Entscheidungsbefugnisse der Banken zu erhöhen und somit zu einer Verbesserung des wirtschaftspolitischen Instrumentariums beizutragen. Besonders deutlich traten diese Veränderungen bei der Finanzierung der Investitionen hervor. Während bis 1967 die Betriebe einen automatischen Anspruch auf die Zuteilung von Krediten hatten, sollten die Banken gemäß der Kreditverordnung vom 19. 6. 1968 (GBl. II, S. 653) „Kredite grundsätzlich nur nach dem Nutzeffekt der Investitionen und der Effektivität der Umlaufmittel … gewähren und vom Einsatz eigener Mittel abhängig … machen“ (§ 3 Abs. 1). In einem betriebsindividuellen Kreditvertrag legten der Betrieb und die für ihn zuständige Geschäftsbank die ausgehandelten Kreditbedingungen und vor allem den Zinssatz fest. Zusammen mit dem seit 1967 maßgeblichen Prinzip der Eigener[S. 145]wirtschaftung der Investitionsmittel — statt der zuvor praktizierten Finanzierung durch den Staatshaushalt — erfuhr das Verhältnis zwischen Betrieben und Banken eine zuvor nicht gekannte Verselbständigung. Im Rahmen dieser „aktiven Kreditpolitik“ sollte der Kredit als „ökonomischer Hebel“ — anstelle eines administrativen Aktionsparameters — wirken.

 

Der verstärkte Einsatz monetärer Steuerungsinstrumente bei gleichzeitigem Festhalten am Prinzip der imperativen Zentralplanung führte zu Funktionsschwächen des Lenkungssystems. Konflikte zwischen Kredit und Plan traten vornehmlich bei der Realisierung langfristiger und strukturpolitischer Planziele, der proportionalen Entwicklung der Wirtschaft und einer nach Auffassung der zentralen Wirtschaftsführung optimalen Verteilung der Ressourcen auf. Da darüber hinaus das vorgeblich „in sich geschlossene System ökonomischer Hebel“ — u.a. auch aufgrund der Funktionsschwächen des Preissystems (Preissystem und Preispolitik) — nicht wirksam werden und somit auch nicht die Steuerungsfunktion übernehmen konnte, erhielten die Betriebe mehr Kreditmittel, als ökonomisch vertretbar erschien, denn die Banken zeigten sich aufgrund ihrer Zielvorgabe (Gewinnmaximierung = Prämienmaximierung) einer maximalen Kreditvergabe stärker zugeneigt denn einer optimalen.

 

Aus dieser Kollision zwischen betrieblichen und staatlichen Investitionszielen („strukturbestimmende Erzeugnisse“) resultierte eine Verknappung der Investitionsgüter, die sich in einer Erhöhung der Kosten für die einzelnen Investitionsobjekte sowie in einer Expansion der Importe niedergeschlagen hat. Somit wurde durch dieses Beispiel in der Kreditpolitik demonstriert, daß in einem Wirtschaftssystem durch eine Reform, die „auf halbem Wege stehengeblieben“ ist, der Einsatz finanzpolitischer Lenkungsinstrumente unter Beibehaltung der dominierenden Rolle imperativer Zentralplanung nicht möglich ist. Daher ist es nur folgerichtig, daß durch die VO vom 20. 1. 1971 (GBl. II, S. 88) Kredite nur noch auf der Grundlage eines vom Ministerrat beschlossenen Kreditplanes — aufgestellt von der Staatsbank in Abstimmung mit dem Ministerium der Finanzen (MdF) — sowie der für die Betriebe und Kombinate festgelegten volkswirtschaftlichen Berechnungskennziffer über die Veränderung des Kreditvolumens ausgereicht werden. Die staatlichen Plankennziffern „Investitionen“ und „genehmigte Investitionsvorhaben“ (zentrale Titelliste) determinieren die Aufnahme von Krediten für Investitionen, deren Wirtschaftlichkeit anhand von volkswirtschaftlichen Berechnungskennziffern (z.B. Rückflußdauer, Kapitalrentabilität, Bauzeitnormen) nachzuweisen ist.

 

Durch die nunmehr erkennbare dominierende Rolle des zentralen staatlichen Planes sowie der Rezentralisierung von Entscheidungsbefugnissen kann zwar von einer Abkehr vom früheren Lenkungskonzept der Wirtschaftsreformen gesprochen werden. Allerdings besteht in dieser Abkehr keine Rückkehr zu der Zeit vor 1963, da die finanzwirtschaftlichen Leistungskennziffern zwar auf der Grundlage des zentralen staatlichen Planes wirksam werden sollen, aber nicht aufgehoben wurden.

 

4. Seit 1972 erfolgten weitere Maßnahmen zur Vereinheitlichung des B. der DDR (Zentralisierungsphase). So wurde durch einen nicht veröffentlichten Ministerratsbeschluß vom 13. 9. 1972 der Präsident der Staatsbank wieder Mitglied des Ministerrates und darüber hinaus Vorsitzender eines einheitlichen Leitungsgremiums des B., dem die Präsidenten der Geschäftsbanken angehören. Somit war der Staatsbank einerseits die Aufgabe gestellt, bei der Vorbereitung von Entscheidungen mit volkswirtschaftlichen Auswirkungen auf das Kredit- und Geldsystem von Anfang an mitzuwirken und andererseits die Übereinstimmung zwischen der zentralen Kreditplanung und der von den Filialen der Banken vorgenommenen Kreditgewährung zu gewährleisten.

 

Mit Wirkung vom 1. 7. 1974 (GBl. I, S. 305) wurde die Industrie- und Handelsbank in die Staatsbank eingegliedert. Diese Maßnahme hat jedoch nicht zur intendierten Beschleunigung des Umschlags der Umlaufmittel der Betriebe, Steigerung der Effizienz der Investitionstätigkeit — Argumente, die 1968 als Begründung zur Trennung von Staats- und Geschäftsbankfunktionen vorgegeben wurden — und zur Verminderung der Doppelarbeit zwischen den Banken geführt — wie die Verschärfung der Eingriffs- und Kontrollrechte im Jahr 1982 belegt (GBl. I, S. 126 ff.). Damit sind seit diesem Zeitpunkt die Planung und Bilanzierung des Geldumlaufs und der Kredite unmittelbar mit der Finanzierung und Kontrolle der Betriebe verbunden.

 

Mit ihren 15 Bezirksdirektionen, 41 Industriebankfilialen, 180 Kreisfilialen und mehr als 100 Zweig- und Wechselstellen hat die Staatsbank die Aufgabe, die staatliche Geld- und Kreditpolitik einheitlich gegenüber den Betrieben, Verwaltungseinrichtungen und der Bevölkerung zu verwirklichen. Ihr Präsident übt dazu das Weisungs- und Kontrollrecht gegenüber den anderen Geschäftsbanken aus und erläßt die Grundsatzregelungen für den Geldumlauf, Kredit, Zins sowie Zahlungs- und Verrechnungsverkehr. Diese Maßnahme wurde auch mit „Erfahrungen“ begründet, die in der UdSSR und anderen sozialistischen Ländern mit einem stärker zentralisierten Bankensystem vorgeblich gemacht wurden. Dies entspricht der oben zitierten Vorstellung Lenins von der Rolle der Staatsbank.

 

Weitere Schritte zum Einbanksystem dürften folgen. Naheliegend wäre die Fusion der beiden für die Außenwirtschaft zuständigen Banken — sogar noch bestehend in der Rechtsform einer Aktiengesell[S. 146]schaft (AG) — und die Auflösung der Genossenschaftskassen, denen aber während der Übergangsperiode zum Kommunismus eine Existenzberechtigung zugebilligt wird (vgl. Zagolow, N. A. u.a., Lehrbuch Politische Ökonomie, Frankfurt/Main 1972, S. 494).

 

II. Organisation und Struktur

 

 

Zum Banksystem der DDR (vgl. Strukturschema) gehören die Staatsbank, die staatlichen und genossenschaftlichen Geschäftsbanken sowie die Sparkassen.

 

 

Als Emissionsbank nimmt die Staatsbank im B. der DDR eine zentrale Stellung ein, da sie die Konten der übrigen Kreditinstitute führt und somit durch die Festlegung der Konditionen für die Einlagen sowie Gewährung von Refinanzierungskrediten und die Festlegung der Grundsätze für den Zahlungs-, Verrechnungs- und Kreditverkehr deren Geschäftstätigkeit bestimmt und kontrolliert. Ihr Präsident übt gegenüber den anderen Geschäftsbanken das Weisungs- und Kontrollrecht aus und vertritt die DDR in den Räten der Internationalen Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (IBWZ) und der Internationalen Investitionsbank (IIB) des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) in Moskau. Als Geschäftsbank ist sie zuständig für die Wirtschaftsbereiche Industrie (ohne Nahrungsgüterindustrie), Bauwesen, Handel und Verkehr sowie den Verkauf von Reisezahlungsmitteln an die Bevölkerung.

 

Die Bank für Landwirtschaft und Nahrungsgüterwirtschaft (BLN) ist allein für die Durchführung der Bankgeschäfte dieses Wirtschaftsbereiches zuständig und wickelt mit den ihr unterstellten Bäuerlichen Handelsgenossenschaften (BHG) den Spar- und Zahlungsverkehr der auf dem Lande lebenden Bevölkerung ab.

 

Für die Abwicklung des durch die Außenwirtschaftsbeziehungen bedingten Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs sowie die Finanzierung der Außenhandelsbetriebe wird im Auftrage der Staatsbank die Deutsche Außenhandelsbank AG (DABA) tätig, während die Deutsche Handelsbank AG (DHB) mit der finanztechnischen Abwicklung von Transitgeschäften beauftragt ist.

 

Die Genossenschaftskassen für Handwerk und Gewerbe (GK) sind als Geschäftsbanken vornehmlich für die genossenschaftlichen und privaten Handwerks- und Handelsbetriebe zuständig (Handwerk).

 

Bankfunktionen werden auch von den Sparkassen ausgeübt. Sie sind den Räten der Kreise unterstellt und unterliegen der Kontrolle des Ministeriums der Finanzen. In diesem Zusammenhang sei auf die Postsparkasse (Postsparkassendienst) und die Postscheckämter sowie die Reichsbahnsparkasse und die Reichsbahnkasse hingewiesen.

 

III. Aufgaben und Funktionen

 

 

Die Tätigkeit der Banken konzentriert sich schwerpunktmäßig auf die Verteilung und Umverteilung des Nationaleinkommens (Verteilungsfunktion) (Gesamtprodukt, Gesellschaftliches), die Überwachung der wirtschaftlichen Tätigkeit von Produktions- und Verwaltungseinrichtungen (Kontrollfunktion) und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit dieser im Rahmen des staatlichen Planungs- und Leitungssystems (Stimulierungsfunktion). Durch ihre Operationen sollen die Banken nicht nur die Einhaltung der in den Plänen vorgegebenen wirtschaftspolitischen Ziele (passiv) registrieren, sondern darüber hinaus auch „aktiv“ auf den Ablauf der Wirtschaftsprozesse einwirken, um so Reserven und Wege zur Steigerung der Produktivität aufzudecken. Zu ihren wichtigsten Funktionen gehören:

 

1. Sammlung zeitweilig freier Geldmittel. Alle Betriebe sind verpflichtet, ihr Geld auf Konten der jeweils zuständigen Geschäftsbank zu halten (Kontenführungspflicht). Hierbei wird den Betrieben in Finanzierungsrichtlinien vorgeschrieben, auf welchen Konten und zu welchem Zweck zeitweilig freie Geldmittel zu halten sind. Während das laufende Bankkonto in der Regel als Umlaufmittelkredit mit einer Verzinsung von 5 v.H. geführt wird, gewährt die Bank für Sonderbankkonten mit Ausnahme der Prämien-, Kultur- und Sozialfonds (1 v.H.) seit 1982 (GBl. I, S. 135). Es besteht nicht die Möglichkeit — z.B. aus Gründen der Zinsersparnis —, Guthaben von Sonderbankkonten auf das laufende Verrechnungskonto zu übertragen. Die Haltung und Verfügung über Bargeld ist den Betrieben nur im Rahmen eines engen Kassenlimits erlaubt. Auch die Bevölkerung — und darin besteht eine der Hauptaufgaben der Sparkassen — soll angeregt werden, ihre Bargeldbestände so niedrig wie möglich zu halten.

 

Als Finanzorgane sind die Banken integrierender Bestandteil des Finanzsystems und — da Finanzämter bzw. -kassen nicht bestehen — Kassenvollzugsorgane des Staatshaushalts, dessen Konten von der Staatsbank geführt werden.

 

2. Durchführung des Zahlungsverkehrs. Innerhalb der DDR wird der Zahlungs- und Verrechnungsverkehr zwischen den Wirtschaftseinheiten überwiegend bargeldlos abgewickelt. Zur Begleichung von Geldforderungen können das Überweisungsverfahren, Scheckverfahren, Lastschriftverfahren oder Akkreditivverfahren (Zahlungs- und Verrechnungsverfahren) vereinbart werden. Aber auch die Bevölkerung wird z.B. durch den Sparkaufbrief zur bargeldlosen Zahlung angehalten.

 

Der grenzüberschreitende ➝Zahlungsverkehr mit dem Ausland wird auf der Grundlage eines Valutaplanes nach besonderen Vorschriften durchgeführt.

 

3. Finanzierung der Wirtschaft. Durch die Ausrei[S. 147]chung von Bankkrediten wird Geld in Umlauf gesetzt und mit jeder Tilgung aus dem Umlauf gezogen. Der Kredit wird in der einzig legalen Form als Bankkredit entsprechend dem Kreditplan für bestimmte Objekte und unter festgelegten Konditionen ausgereicht, d.h., die Planmäßigkeit und nicht die Liquiditätslage bzw. Zahlungsfähigkeit (Bonität) des Kreditnehmers gilt als wichtigste Voraussetzung. Ist dies nicht gewährleistet, so kann die Bank die Kreditausreichung einstellen oder aber das Stabilisierungsverfahren zur Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit — verbunden mit bestimmten Auflagen an die Betriebsführung — einleiten.

 

Die Finanzierung der Investitionen erfolgt hauptsächlich aus eigenen Mitteln der Betriebe (Gewinne und Amortisationen). Hinzu kommen dann noch Kredite und Staatshaushaltszuschüsse. Begrenzt auf die Industrie erhöhte sich der Kreditanteil an der Finanzierung von Investitionen allerdings von 3 v.H. (1966) über 31,8 v.H. (1971) und 39,5 v.H. (1975) auf mehr als 40 v.H. zum Beginn der 80er Jahre.

 

4. Planung und Regulierung des Bargeldumlaufs. Die systemnotwendige Erfassung der Geldströme erfolgt über zentrale Geldbilanzen, von denen die Finanzbilanz des Staates zur Koordination der volkswirtschaftlichen Finanzbeziehungen und die Staatshaushaltsbilanz, Kreditbilanz, Versicherungsbilanz und Bilanz der Geldeinnahmen und -ausgaben der Bevölkerung zur Bestimmung der zentralen Geldfonds dienen. Hierbei wird der Festlegung des Geldvolumens eine geringere Bedeutung zugewiesen als der Regulierung des Geldumlaufs, da sich aus seiner nicht planadäquaten Entwicklung Störungen für den Ablauf der Wirtschaftsprozesse ergeben. Während der Buchgeldumlauf aufgrund der bestehenden Kontenführungspflicht relativ einfach kontrolliert werden kann, wird der Bargeldumlauf nur z. ‚I‘. durch gesetzliche Regelungen determiniert. Alle Geld- und Kreditinstitute sind daher verpflichtet, im Auftrag der Staatsbank auf der Grundlage jährlicher Bargeldanmeldungen der Betriebe und eigener Einschätzungen den Bargeldumsatzplan aufzustellen, der die Bargeldbewegungen zwischen den Betrieben, der Bevölkerung und den Banken erfaßt.

 

Die bisherigen Veränderungen im B. haben — gemessen an dem Zustand vor 1963 — zu einer Verbesserung der Bankarbeit geführt, für die die Versachlichung in der Diskussion über die Funktionen von Geld, Kredit und Zins innerhalb dieses Wirtschaftssystems wesentliche Impulse beinhaltete (Geldtheorie und Geldpolitik; Zins und Zinspolitik).

 

Beim Vergleich mit westlichen Banken gilt es zu beachten, daß sich nicht nur die Eigentumsformen und Strukturen unterscheiden, sondern darüber hinaus auch andere Funktionen durch das B. der DDR wahrgenommen werden. Ein Geld- und Kapital[S. 148]markt existiert nicht. Kredit und Zins üben keine Steuerungsfunktionen (Allokationsfunktionen) aus, sondern sind als Instrumente der zentralen staatlichen Planung zu verstehen. Insofern kann das B. einer Volkswirtschaft auch nicht losgelöst vom gesamten Wirtschaftssystem betrachtet werden.

 

Präsident der Staatsbank ist Horst Kaminsky (SED).

 

Herwig E. Haase

 

Literaturangaben

  • Blei, Alexander: Leitfaden zur Finanzierung der volkseigenen Industrie. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1978.
  • Deckers, Josef: Die Transformation des Bankensystems in der sowjetischen Besatzungszone/DDR. Berlin: Duncker & Humblot 1974.
  • Sozialistische Finanzwirtschaft. Autorenkoll. u. d. Ltg. v. Gerd Gebhardt. Hochschullehrbuch. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1981.
  • Geld und Finanzen in der sozialistischen Reproduktion. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1977.
  • Geldzirkulation und Kredit im Sozialismus. Berlin (Ost): Dietz 1982.
  • Geldzirkulation und Kredit in der sozialistischen Planwirtschaft. Hrsg.: Willi Ehlert, Diethelm Hunstock u. Karlheinz Tannert. Berlin (Ost): Die Wirtschaft 1976.
  • Kunze, Christian: Änderungen in Bankpolitik und Bankwesen als Teil der Wirtschaftsreformen der DDR. Berlin: Duncker & Humblot 1972.
  • Mühlhaupt, Ludwig, u. Ursula Fox: Das Bankwesen der Deutschen Demokratischen Republik. Wiesbaden: Betriebswirtschaftlicher Verl. Gabler 1971.
  • Pütsch, Manfred: Die Staatsbank der Deutschen Demokratischen Republik. Frankfurt a. M.: Knapp 1978.
  • Titz, Wolfgang: Die Deutsche Außenhandelsbank AG der DDR. Köln: Dissertationsdruck 1972.

 

Fundstelle: DDR Handbuch. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Köln 1985: S. 143–148


 

Information

Dieser Lexikoneintrag stammt aus einer Serie von Handbüchern, die zwischen 1953 und 1985 in Westdeutschland vom Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (ab 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen) herausgegeben worden sind.

Der Lexikoneintrag spiegelt den westdeutschen Forschungsstand zum Thema sowie die offiziöse bundesdeutsche Sicht auf das Thema im Erscheinungszeitraum wider.

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